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Österreichisches Parlement - Foto: Gryffindor/Wikimedia (CC 3.0)

Kein Konsens bei Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler

Die Verfassungsreform, die im kommenden Oktober im italienischen Parlament beschlossen werden soll, veranlasste den österreichischen Nationalrat heute, die im Pariser Vertrag von 1946 verankerte Schutzfunktion Österreichs zu bekräftigen. Die in Italien geplante Verfassungsreform dürfe die Rechte autonomer Provinzen wie jene Südtirols nicht beschneiden, hielten die Abgeordneten in einer einstimmigen Entschließung fest.

Keine Einigung bestand hingegen in der Frage, ob Südtiroler das Recht auf eine Doppelstaatsbürgerschaft zugestanden werden soll. Dieses Anliegen einer Bürgerinitiative war im Südtirol-Unterausschuss mit Experten eingehend behandelt worden. Ein Konsens wurde im Außenpolitischen Ausschuss nicht erreicht. Werner Neubauer (FPÖ), Team Stronach-Mandatar Christoph Hagen und die fraktionslosen Abgeordneten Rupert Doppler und Gerhard Schmid unterstützten die Bürgerinitive, während ÖVP, SPÖ und Grüne ihre Präferenz für die Weiterentwicklung der Südtiroler Autonomie darlegten.

Für die ÖVP erinnerte Hermann Gahr an die intensive und emotionale Diskussion zu der von mehr als 22.000 Unterstützern getragenen Bürgerinitiative, über deren Wunsch weiterdiskutiert werden soll, auch wenn darüber kein Konsens erzielt werden konnte. Eine Verschlechterung der Autonomie Südtirols im Zuge der geplanten Verfassungsreform in Italien komme für Österreich nicht in Frage. Vielmehr gehe es um eine eigenständige Weiterentwicklung Südtirols und um eine starke Europaregion, betonte Gahr.

Hermann Krist von der SPÖ sprach bei der Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler, die in Österreich Gesetzesänderungen erfordern würde, von einem schwierigen Thema, das auch in Südtirol unterschiedlich diskutiert werde. Der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher etwa räume der Weiterentwicklung der Autonomie mehr Priorität ein als der Doppelstaatsbürgerschaft. Dazu kommen Befürchtungen wegen eines möglichen Spaltungspotentials in Südtirol und in Italien. Unbestritten sei, dass Österreich die Entwicklung der Autonomie Südtirols aufmerksam begleite – Südtirol kann sich auf den Schutz Österreichs verlassen, schloss Krist in Übereinstimmung mit seiner Tiroler Fraktionskollegin Gisela Wurm.

Werner Neubauer (FPÖ) hingegen unterstützte den Wunsch von mehr als 22.000 Tirolern und Südtirolern nach einer Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler, welche die italienische Verfassung ermögliche und die FPÖ im Sinne der Verbindung und Vertiefung der Beziehung zwischen Österreich und Südtirol unterstütze. Neubauer unterstrich das Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler, trat für die Absicherung des Autonomiestatuts ein und warnte davor, es durch ein drittes Statut zu ersetzen, mit dem die Schutzmachtfunktion Österreichs wegfallen könnte.

Ähnlich argumentierte Christoph Hagen (Team Stronach), der kritisierte, dass die Bürgerinitiative für Doppelstaatsbürgerschaft erst nach fünf Jahren in das Plenum gelangt. Die österreichische Staatsbürgerschaft wurde den Südtirolern nach dem Ersten Weltkrieg entzogen, ohne sie zu fragen, welche Staatsbürgerschaft sie haben wollen, führte Hagen aus. Außerdem leben Menschen in Südtirol, die durch ihre Eltern zugleich die österreichische und die italienische Staatsbürgerschaft besitzen. Diese Möglichkeit sollten alle Südtiroler haben, meinte Hagen.

Für eine Doppelstaatsbürgerschaft der Südtiroler plädierten auch die fraktionslosen Mandatare Rupert Doppler und Gerhard Schmid.

Demgegenüber zeigte sich Georg Willi (Grüne) froh darüber, dass die Doppelstaatsbürgerschaft nicht kommt. Die Zuerkennung des Rechts auf eine österreichische Staatsbürgerschaft wäre in Südtirol im Einzelnen schwer abgrenzbar und könnte einen Keil zwischen die Volksgruppen treiben. Würden nur wenige Südtiroler ein Ansuchen stellen, wäre dies ein Argument für Italien, die Autonomie nicht weiter zu entwickeln, befürchtete Willi weiters und verlangte eine besonnene Außenpolitik, die der Idee eines geeinten Europas entspreche.

Quelle: Pressedienst der österreichischen Parlamentsdirektion, 17.03.2016

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