web analytics
Ein Fresko aus Plintenburg/Visegrád

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges haben sich 15 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene in Deutschland befunden. In einem vom Krieg zerstörten, ausgebombten Land, in dem es allen an allem fehlte: Wohnraum, Nahrung, Kleidung, soziale Absicherung. “Die größte Leistung der Bundesrepublik war die Integration der Flüchtlinge” steht auf Tafel 8 der am Donnerstagabend im Geretsrieder Stadtmuseum eröffneten Wanderausstellung “Donauschwäbische Kultur und Geschichte” zu lesen.

Als “Donauschwaben” werden die Menschen gemeinhin bezeichnet, die in Ungarn gelebt hatten. Doch Reinhold Mayer, Vorsitzender der Südostdeutschen Landsmannschaft, erklärt in seinem Einführungsvortrag, warum dieser irreführend ist: “Donauschwaben ist ein Sammelbegriff, den Historiker eingeführt haben für die Auswanderer, die im 18. und 19. Jahrhundert ins damalige Königreich Ungarn kamen. Es waren Franken, Pfälzer, Hessen, Aargauer, Elsässer, Lothringer, Luxemburger, Thüringer, Österreicher, vereinzelt auch Franzosen und Südtiroler.” Was aber trieb diese Menschenmassen nach Ungarn? In der Folge der Türkenkriege, von Missernten und unter zunehmenden Steuerlasten waren viele Bewohner des süddeutschen Raumes in wirtschaftlicher Not. Die Ansiedlung im kriegsverwüsteten und weitgehend entvölkerten Ungarn wurde ihnen mit großen Versprechungen angepriesen: Gewissens- und Religionsfreiheit, Versorgung mit Pfarrern und Lehrern ihrer Religion, eigenes Haus mit Garten, Äckern, Wiesen, Vieh und Feldgeräte für die Bauern sowie Militärdienstbefreiung für den ältesten Sohn.

Ungefähr eine halbe Million Menschen ließ sich auf das Angebot ein. “Mit dem berühmten donauschwäbischen Fleiß verwandelten sie das Land innerhalb von 50 Jahren in die Kornkammer Europas”, erzählt Mayer. Neben dem Weizen- blühte insbesondere der Weinanbau. Doch die Ausgewanderten blieben weitgehend unter sich. Als die Habsburger-Monarchie nach dem Ersten Weltkrieg zerfiel und neue Nationalstaaten entstanden, wurde die Abgrenzung immer deutlicher. Während des Zweiten Weltkrieges flüchteten viele Deutschstämmige zurück in die alte Heimat; die meisten der Verbliebenen wurden nach Kriegsende vertrieben. Zehn Text- und Bildtafeln informieren in der Geretsrieder Ausstellung in aller Kürze sehr anschaulich über diese Geschehnisse. Über die Migration von West nach Ost zwischen 1689 und 1850, die Siedlungsgebiete, das Leben auf dem Land (“Die Dorfgemeinschaft war die Lebenswelt der Siedler, das religiöse und gesellschaftliche Leben war eng verwoben”) und im Zuge der Industrialisierung ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in den wachsenden Städten. Es geht um Flucht, Vertreibung und Deportation, das Leben im Sozialismus, der größtmögliche Integration anstrebte und keine Rücksichten auf national-ethnische Besonderheiten nehmen wollte, und schließlich um das neue Europa nach 1989, nach dem Zerfall der kommunistischen Diktaturen und der neuen Annäherung zwischen Ost und West.

In Geretsried gedenkt man derzeit in zahlreichen Veranstaltungen der Neuankömmlinge aus verschiedenen Gebieten, die vor 70 Jahren eintrafen, der Egerländer ebenso wie der Siebenbürger Sachsen oder eben der Donauschwaben. Zur Ausstellungseröffnung hatten sich knapp 40 Interessierte eingefunden, angesichts der Ferienzeit und des unwirtlichen Wetters erfreulich, konstatierte Zweiter Bürgermeister Hans Hopfner, der Geretsried in seiner Begrüßungsansprache als “bestes Beispiel gelungener Integration” pries.

Weiterlesen: http://www.sueddeutsche.de/muenchen/wolfratshausen/geretsried-aus-not-nach-ungarn-ausgewandert-1.3128671

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert