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Márton Gyöngyösi und Gábor Vona in Sofia

Wie steht es um die Lohnunion-Initiative, wann wird in Ungarn die Unterschriftensammlung gestartet, wie wird sich die internationale Beurteilung der stärksten politischen Opposition in Ungarn durch den Erfolg dieser Initiative ändern? Mit dem Präsidenten der Jobbik-Partei, Gábor Vona und mit dem Jobbik-Abgeordneten Márton Gyöngyösi sprachen wir nach den Verhandlungen am 10. Juli in Sofia über die bisherigen Erfolge und über die Perspektiven der Lohnunion.

Wie beurteilen Sie die Sitzung in Sofia und wurden die Erwartungen erfüllt?

Gábor Vona: „Es war ein kurzer, aber doch sehr erfolgreicher Besuch. Obwohl wir mit allen internationalen Konferenzen zufrieden sein können, war diese, meiner Meinung nach, die erfolgreichste Sitzung. Dies auch, weil unsere bulgarischen Partner die Möglichkeiten die die Bürgerinitiative der Lohnunion bietet, sehr ähnlich sehen, wie wir. Es ist auch ersichtlich, dass sie die gemeinsame Arbeit sehr ernst nehmen, da vom EU-Abgeordneten der Partei bis zum Leiter der Jugendorganisation, die Partei auf allen Ebenen repräsentiert wurde.“

„Deswegen bin ich sicher, dass die Chancen für einen Erfolg in Bulgarien sehr gut stehen, auch deshalb, weil unser Verbündeter Mitglied der derzeitigen bulgarischen Regierung und der Präsident der verbündeten Partei auch der Verteidigungsminister des Lands ist.“

Márton Gyöngyösi:“Beim Treffen wurde auch darüber gesprochen, wie wir in den kommenden Monaten die Unterschriftensammlung vorbereiten werden. Diesbezüglich wurden schon konkrete Fristen genannt und seitens unserer Partner wurde auch angefragt die Aktion Anfang September, gemeinsam mit der Jobbik, in Form einer grandiosen Veranstaltung zu starten.“

Wenn wir schon bei konkreten Daten sind, es wurde erwähnt, dass die schriftliche Unterschriftensammlung in Ungarn am 20. August gestartet werden sollte. Warum wählten Sie genau diesen Tag?

Gábor Vona: „Das ist ein symbolhaftes Datum, es ist ein Nationalfeiertag, der wichtigste Tag des Landes, und dies entspricht meiner Meinung nach der Wertigkeit der Lohnunion. Der 20. August hat eine sehr breitgefächerte Bedeutung: wir feiern die Staatsgründung, St. Stephan und Ungarn, und nun auch noch die für Ungarn so wichtige Initiative. Aber bei der Lohnunion geht es um mehr: Es geht darum, dass die ungarischen und ostmitteleuropäischen Menschen in ihren Heimatländern bleiben können und dass sie auch zu Hause überleben können. Wenn jemand auswandern will, dann soll er auswandern, aber es darf nicht aufgrund eines Zwangs passieren, sondern muß ein Freiheitsrecht sein!“

Wie zufrieden sind Sie im Großen und Ganzen mit dem aktuellen Stand der Initiative? Geht die Lohnunion gut voran? Wie würden Sie die gemeinsame Arbeit mit den internationalen Partnern bewerten?

Gábor Vona: „Ich bin der Meinung, dass die Lohnunion bisher eine Erfolgsgeschichte ist: am 18. Dezember 2016 kündigte ich unser Ziel an, am 14. März 2017 wurde die Bürgerkommission gegründet und im Mai nahm die Europäische Kommission die Initiative an. In der nahen Zukunft werden die elektronischen und ab 20. August die Unterschriftensammlungen in Papierform beginnen. Zwar nicht im Eiltempo, aber unseren Möglichkeiten entsprechend, nähern wir uns der Verwirklichung und Umsetzung unseres Ziele. Wir sind aber nicht nur aufgrund der optimalen Aufstellung unserer Partner so optimistisch, sondern auch deswegen, weil sich auch in Ungarn immer mehr Gewerkschaften und Zivilorganisationen hinter unsere Initiative stellen. Ich würde unsere Initiative mit einer Lawine vergleichen: sie startete mit einem kleinen Schneeball und heute rollt sie mit außerordentlicher Kraft zum Erfolg, und wird hoffentlich nächstes Jahr verwirklicht werden.“

Márton Gyöngyösi: “Ein historischer Erfolg und ein wichtiger Meilenstein ist es, dass die Europäische Kommission die Initiative im Mai angenommen hat. Dies zeigt nicht nur, dass der Antrag juristisch und rechtlich einwandfrei und formell richtig gestellt war, sondern, dass die Initiative auch inhaltlich ein legitimes Problem behandelt. Seither arbeiten wir die technischen Anforderungen nacheinander ab. Dies bedeutet die Vereinheitlichung verschiedener nationaler Datenschutz-Regelungen, den Ausbau des informatischen Systems, die Vereinbarungen mit unseren Partnern über den Aufbau der Kampagne und die Organisation der Unterschriftensammlung, all dies zeigt klar, dass dieser Sommer die Zeit der Vorbereitung ist. Wir liegen sehr gut im Zeitplan und bis zum 20. August wird alles fertig sein um mit der Sammlung der Unterschriften in Papierformat starten zu können.“

„Es ist einer unserer größten Erfolge, dass wir einen breiten gesellschaftlichen Dialog über die Lohnunion starten konnten, und auch dies war uns sehr wichtig. Auch stimmt es, dass manchmal Fragen oder Kritik in Bezug auf die Lohnunion auftauchen: Es gibt keine perfekte Initiative, aber es gibt ein richtiges und anständiges Ziel. Und hierfür kämpfen wir und wir freuen uns darüber, dass wir Gewerkschaften, Experten, Politiker und Zivilorganisationen bezüglich der Lohnangleichung Nachhilfe geben konnten.“

Gábor Vona: „Die bloße Existenz der Initiative brachte das Thema der breiten Öffentlichkeit nahe und dies in weit verständlicher Form denn je zuvor: bislang tobten der Arbeitnehmer, die Gewerkschaft, der Unternehmer, die Politik, die getrennt lebende Familie, wenn ein Mitglied im Westen arbeiten wollte, ….. alle standen auf scheinbar verschiedenen Seiten und sich schier unüberbrückbar gegenüber. Doch nun gibt es eine Initiative, die alle diese Probleme artikuliert und die auch von der Europäischen Kommission legitimiert wurde. Eine Initiative, die all die negativen Energien in positive und aktive Energien umsetzen kann.

Wir geben uns aber auch keiner Illusionen hin: Unserer Meinung nach wird dieser Kampf lang und hart werden, aber zumindest haben wir die Hoffnung, etwas gestartet zu haben hinter dem wir auch stehen können. Ob und wofür dieser Kampf reichen wird, wird auch davon abhängen, wie viele Menschen neben uns stehen werden.
Bisher meisterten wir erfolgreich alle Hürden und wurden immer wieder bestätigt, darum sind wir sehr zuversichtlich!“

Wie verändert der Erfolg dieses Projektes die internationale Beurteilung der Jobbik?

Márton Gyöngyösi: “Ich bin der Meinung, die Initiative wirkt sich sehr positiv auf die internationale Beurteilung der Jobbik aus. Als wir begannen internationale Verbündete zu suchen, trafen wir auf sehr viele skeptische Stimmen. Viele kritisierten, dass wir eine isolierte Partei seien, die wahrscheinlich unfähig sein wird, für die Unterstützung der Initiative eine internationale Allianz aufzubauen.

Wir konnten dennoch vom Baltikum bis zum Balkan sieben weitere ostmitteleuropäische Länder finden, die hinter der Initiative der Lohnunion stehen, und schafften noch dazu eine sehr heterogene Vereinigung. Nicht nur Oppositionsparteien, sondern auch politische Kräfte mit Regierungsbeteiligungen, Zivilorganisationen und Gewerkschaften konnten wir erfolgreich in die Kooperation integrieren. Daneben fingen wir an auch im Europäischen Parlament nach Verbündeten zu suchen, die sich der Sache annehmen können und meiner Ansicht nach haben wir hier bereits sehr gute Arbeit geleistet.

Es ist sehr wichtig zu betonen, dass diese Initiative die Länder in Ostmitteleuropa zu Verbündeten macht und sie nicht trennt. Dadurch ist die Brückenbauer-Rolle der Initiative in der Region wichtig und nun auch erkennbar.

Ein weiteres wichtiges Ziel ist es, die mehrere Jahrzehnte-alte Funktionsweisen der Europäischen Union endlich zu korrigieren, um auch die Länder Ostmitteleuropas zu Gewinnern der EU zu machen und dies dient dann natürlich auch einer breiteren Akzeptanz innerhalb der EU. Deswegen ist der historische Wandel wichtig, auch weil eine Diskussion in Brüssel über die Zukunft der EU läuft. Aber auch unsere Region ist in einer Situation, sich neu definieren zu können und seine Rolle im Kontinent neu gestalten zu können.“

Ein Gedankenspiel, wie weit diese Brücken gebaut werden können: Würde eine erfolgreiche Lohnunion-Initiative der Ausgangspunkt einer neuen, die V4 zusammenschließenden, regional organisierten, europäischen Allianz sein können?

Gábor Vona: „Lassen sie mich ein bisschen provokant sein: wenn es das doch wäre!

Das ist in ostmitteleuropäischen Regionen besonders wichtig, in denen es bislang sehr schwer war, gerade einmal zwei Länder auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Ich bin davon überzeugt, dass die Lohnunion, bei der nun immerhin 8 ostmitteleuropäische Länder kooperieren, auch dazu dienen wird, die politischen Kräfte der Region über die Zukunfts-Debatte der EU einander näher zu bringen. Es könnte auch politischen Akteuren oder Mitgliedstaaten ermöglichen, einige historische Beleidigungen beiseitezulegen (ohne diese zu vergessen) um gemeinsam für ein Europa für alle zu kämpfen. Die gemeinsame Arbeit hätte damit auch einen historischen Therapie-Charakter.

Ich halte es für mehr als vorstellbar, dass die Kräfte, die sich nun für diese Lohnunion zusammenschlossen haben, nach der Europäischen Parlamentswahl 2019 weiterhin eng zusammenarbeiten werden, möglicherweise auch in einer gemeinsamen Fraktion.“

Márton Gyöngyösi: “Ich würde diesen Gedankengang damit ergänzen, dass es wahrscheinlich ein schicksalhafter Moment war, dass Ungarn ab dem 1. Juli das Präsidium der V4 übernommen hat, und damit die Möglichkeit erhielt, das Programm und die Prioritäten der Kooperation zu bestimmen.

Ich erwarte mir, dass sich die ungarische Regierung damit beschäftigt und die Möglichkeiten untersucht, wie diese Allianz mit anderen Ländern der Region erweitert werden kann. Eine quasi V4+ zu schaffen, und damit dem Intermarium-Konzept näherzukommen (vom Baltikum bis zum Balkan und der Adria verbreitete Allianzvorstellung). Darüber hinaus sollte die Arbeit der Allianz vertieft werden. Von Viktor Orbán hörten wir leider, dass derzeit nur das Thema Migration die ungarische Regierung beschäftigt. Dies ist natürlich eine sehr wichtige Angelegenheit, aber ich hoffe, dass wir auch in der Frage der Löhne einander näherkommen werden.

Auch finde ich es sehr wichtig, dass die Kooperation nicht bloß als eine Zwischenregierungsform verharrt, sondern es eine Kooperation zwischen den nationalen Parlamenten wird.”

Gábor Vona: „Wie Viktor Orbán hier versucht das Thema V4 zu beherrschen, ist eine lahme Lösung.

Das andere Thema ist regional genauso wichtig und leider eine genauso tragische Angelegenheit, hier ist das große Problem die Auswanderung, womit sich Orbán jedoch nicht beschäftigt. Jetzt dominieren diese Schicksalsfragen Ostmitteleuropa: Flüchten die anderen nicht hierher, aber flüchten unsere eigenen Staatsbürger auch nicht von hier weg?

Es reicht nicht, dass Viktor Orbán Ungarn nach aussen verteidigt, wenn er die Gefahr nicht erkennen will und wie gelähmt zusieht, wie die ungarischen Menschen aus ihrem Land flüchten. Diese Probleme muss man gleichzeitig lösen und die Jobbik vertritt diese Politik.

Quelle: http://berunio.hu/vegre-egy-olyan-kerdesrol-beszelunk-kelet-kozep-europaban-ami-nem-elvalaszt-hanem-osszekot

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