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Foto: Pixabay

Gastbeitrag von Seyed Alireza Mousavi

Die Mainstreammedien finden seit fast zwei Wochen in Vorfällen wie der Verbrennung von selbstgezeichneten Fahnen und verbalen Attacken gegen Trumps Jerusalem-Entscheidung bei der Demonstration der Palästinenser in Berlin ein gefundenes Fressen. Bei den Vorfällen haben die Medien in der DNA der Demonstranten antisemitische Merkmale diagnostiziert, die umerziehungsbedürftig sind und therapeutisch behandelt werden sollten. Dabei haben auch einige rechtsnational gesinnte Plattformen nach dem Motto der Bekämpfung der Islamisierung mitgemacht. Unterdessen wurde von den Medien jedoch eine Nachricht untergeschlagen: Am 29. November besuchte seit Jahren wieder ein Mitglied des israelischen Kabinetts Ägypten. Gila Gamliel sprach in UN-Konferenz zur Förderung der Gleichheit der Geschlechter vom Sinai als dem besten und geeignetsten Ort für einen Staat der Palästinenser. Ihre Äußerungen bedeuten, dass der Sinai der Ersatz für die Heimat der Palästinenser, das Westjordanland werden soll! Nicht nur in Israel ist seit langem davon die Rede, dass der Sinai als Ersatz für die Palästinenser in Frage komme. Auch in den arabischen Ländern und USA wird darüber seit Jahren spekuliert und dazu wird der Begriff Jahrhundertdeal verwendet. In diesem Kontext ist Trumps Entscheidung für die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem zu analysieren, welche von Trumps proisraelischen Geldgebern bei seinem Wahlkampf gewünscht wurde.

Diesbezüglich dachte Trump natürlich auch an Wählerstimmen, besonders an die frommen Evangelikalen. Die größte zionistische Organisation der Welt „Christian United for Israel“ (CUFI), die aus der evangelikalen Ecke kommt, unterstützt die Projekte, die ein sehr positives Bild des Staates Israel zeichnen, damit mehr und mehr Juden dort hinziehen. Nach ihrer Theologie müssen sich alle Juden der Welt im Land Israel versammeln, bevor der Messias kommt und sich alle Juden zum Christentum bekehren. Diese fundamentalistische Theologie ist durchaus judenfeindlich aufgeladen, weil sie für eine judenfreie Diaspora steht. Insofern soll Trumps Entscheidung als einer der wichtigsten Schritte zu der ethnischen Säuberung Palästinas im Rahmen des Jahrhundertdeals wahrgenommen werden, welche die geplante Vertreibung einer ganzen arabischen Volksgruppe, zu der auch Christen gehören, in den Sinai im Visier hat.

Merkwürdigerweise hat auch Trumps Entscheidung beim sogenannten liberal-konservativen Flügel der AfD Zustimmung erhalten, wobei sich der ehemalige Nato-Offizier Georg Pazderski darüber begeistert für diese Entscheidung positioniert. Dazu soll sogar der Antrag der Anerkennung Jerusalems als Hautstadt Israels bald in der Sitzungswoche der AfD-Fraktion im Bundestag diskutiert werden. Insofern scheint die AfD Angela Merkel bei ihrer Staatsräson überholen zu wollen und sich die Alternative für Deutschland in Alternative für Israel umzuwandeln. Denn wir wissen schon, dass zur Staatsräson gehören muss unser Leben für den Staat Israel einzusetzen. Aufgrund der Verschärfung der Lage im Nahen Osten ist mit neuen Spannungen und neuen Flüchtlingswellen wegen Trumps Entscheidung zu rechnen, weil Israel die Vertreibung der Palästinenser Schritt für Schritt aus dem Westjordanland in Richtung Sinai zum Ziel hat und die Zwangsumsiedlung sicherlich eine neue Masseneinwanderung nach Europa auslöst.

Insofern ist es berechtigt zu fragen, woran liegen die Interessen Deutschlands als ein christlich geprägtes Land sich für die Vision des Judenstaates einzusetzen. Warum überbieten sich die deutschen Politiker mit den Verurteilungen der israelkritischen Meinungen? Verurteilen sie auch so übermäßig, wenn die deutsche Fahne auf der Straße verbrannt wird? Die Verbrennung der Fahne Israels mag isrealfeindlich sein, aber nicht unbedingt antisemitisch. Wegen der Demonstration der Palästinenser ist nämlich zu fragen, warum Kritik an der israelischen Politik in Deutschland sofort als Antisemitismus gebrandmarkt wird? Ist die Verbrennung der Fahne Israels dem Antisemitismus zuzurechnen, sollen wir sie auch dann bei den Demonstrationen der frommen orthodoxen Juden in den USA als Antisemitismus bezeichnen. Also Juden als Antisemiten!

Natürlich ist die spontane Demonstration der Orientalen gegen Trumps Entscheidung in Neukölln, in der sie ihren orientalischen Lebensstil in deformierter Form ausleben, nicht erwünscht und dies bedeutet nichts anderes als die Übertragung der politischen Konflikte im Nahen Osten auf deutschen Boden. Dennoch bringt die blinde Unterstützung Israels mit der Tolerierung völkerrechtlicher Verstöße für Deutschland nichts. Ohne vergleichen zu wollen, lohnt es mal zurückzuschauen, wie die bedingungslose Unterstützung Österreich-Ungarns in der Balkankrise das Deutsche Kaiserreich in einen unerwarteten Weltkrieg hineingebracht hat, den die Franzosen und Russen gegen die deutschen Interessen vorgeplant hatten.

 

Autoreninformation: Seyed Alireza Mousavi, Jahrgang 1987, ist promovierter Politikwissenschaftler mit den Schwerpunkten Konservatismus in Deutschland und politische Kultur im schiitisch-islamischen Raum.

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