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15. Nachbetrachtung

Ich habe also nun beide Seiten kennengelernt. Das Leben als Mensch ohne Behinderung und das Leben eines Menschen, der eine Behinderung zu meistern hat. Ich war als nichtbehinderter junger und ehrgeiziger Politiker kaum anders als die vielen Anzugträger mit ihren genagelten Schuhen, die sich bemühen, auf der politischen Karriereleiter nach oben zu klettern. Ich wollte meine Ziele unbedingt erreichen, bewunderte jene, die sich ihre Position bereits erarbeitet hatten und war jedes Mal enttäuscht, wenn ich auf einer Liste für Wahlen nicht dort gereiht wurde, wo ich hätte – allerdings vor allem nach meinen eigenen Vorstellungen – gereiht werden müssen.

Das alles war nach dem großen Fall ganz anders. Politik machte mir mehr Spaß als davor, es war jedoch völlig egal, ob ich noch mehr erreichen würde als bisher. Ich war mit meiner Tätigkeit im Eisenstädter Landhaus hoch zufrieden und hatte mir fest vorgenommen, meiner Tätigkeit echten Sinn zu geben, indem ich einfach mein Bestmögliches tue, um meine eigenen Ideale auch umsetzen zu können. Und Dankbarkeit, Dankbarkeit ist zu einem wichtigen Element in meinem Leben geworden.

Immer wieder liest man in Lebensratgebern davon, dass man sich im Rahmen seiner Ziele nicht verkrampfen solle, dass man, wie im Zen-Buddhismus, den Pfeil einfach los lassen solle. Das alles sind schöne Worte, doch werden sie wohl mehr als selten umgesetzt. Umso erstaunlicher war es für mich, dass es nach diesem erzwungenen Loslassen von den persönlichen Zielen bei mir plötzlich ganz schnell ging. Ich wurde stellvertretender Parteichef meiner Partei, zog in den Nationalrat ein und schon wenige Jahre später wurde ich durch die wohlwollende Unterstützung vieler Menschen Dritter Nationalratspräsident.

Nun ist das nichts, worauf man sich etwas einbilden müsste. Trotzdem zeigt es mir sehr deutlich, dass man nur dann erfolgreich sein kann, wenn man nicht die eigene Position als Ziel im Auge hat, sondern das, was man inhaltlich im Rahmen seiner Möglichkeiten umsetzen will. Und da ist es völlig egal, ob man Facharbeiter, Büroangestellter, Vertreter im Außenbereich, Landwirt oder eben Politiker ist. Wer seine Aufmerksamkeit auf sein Produkt, auf seine Leistung für ein Unternehmen, auf seine Möglichkeiten der Umsetzung von Verbesserungen für die Menschen lenkt, der wird ganz automatisch eine Position erreichen, in der er diese Ziele auch tatsächlich umsetzen kann. Das ist meine Erfahrung, die ich an andere weitergeben möchte.

Ich habe in diesem Teil des Buches meine ganz persönlichen Erlebnisse in einer sehr schwierigen Zeit des Lebens niedergeschrieben. Ziel ist es nicht, so etwas wie eine Kurzform einer Biographie zu verfassen, sondern jenen Menschen Hoffnung zu geben, die sich selbst in einer ausweglosen Situation sehen. Mir haben die Bücher von Stephan Kulle oder von Fürstin Schwarzenberg in einer scheinbar ausweglosen Situation sehr viel Hoffnung gegeben. Ich habe mir daher vorgenommen, im Rahmen meiner politischen Tätigkeit auch Menschen zu besuchen, die sich derzeit in Krankenhäusern in Behandlung befinden und in stationärer oder häuslicher Pflege. Diesen Menschen möchte ich dieses Buch übergeben und damit auch zeigen, dass sich das Leben immer im Fluss befindet und dieser Fluss täglich neue Überraschungen bieten kann, mit denen wir zunächst gar nicht rechnen. Ganz besonders bedanken möchte ich mich bei jenen Menschen, die tagtäglich dafür im Einsatz sind, um Patienten, pflegebedürftigen oder behinderten Menschen in Österreich die notwendige Hilfe und Unterstützung zu geben. Es sind dies unsere Ärzte, das Pflegepersonal, Physiotherapeuten, Heiler aus dem Bereich der alternativen Medizin, aber vor allem die Familien der Betroffenen, die täglich Stütze und Halt geben.

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