25./26. Juni 1991: Die Repu­blik Slowe­nien entsteht

Foto: FA BOBO / Tone Stojko, Museum für Zeitgeschichte Sloweniens · Archiv Demokracija

Von Tomaž Kladnik
 

Der 25. Juni 1991 ist für die Repu­blik Slowe­nien und alle ihre Bürger ein histo­ri­sches Datum, denn er markiert den Schnitt­punkt kultu­reller und poli­ti­scher Strö­mungen, die die Entste­hung des slowe­ni­schen Staates, seine Etablie­rung und weitere Entwick­lung ermög­lichten. Einen Tag später wurde die unab­hän­gige und souve­räne Repu­blik Slowe­nien auf dem Platz der Repu­blik in Ljubljana (Laibach) feier­lich als neuer Staat auf der euro­päi­schen und welt­weiten Land­karte proklamiert.

Doch die Wurzeln reichen mindes­tens andert­halb Jahr­hun­derte zurück, bis ins Jahr 1848, als die Slowenen in den Wirren des Völker­früh­lings zum ersten Mal die Idee einer slowe­ni­schen Staat­lich­keit vorbrachten. Zunächst schritt sie in lang­samen Schritten voran, aber vor und unmit­telbar nach dem Ersten Welt­krieg gewann sie an Schwung; dies war vor allem während und am Ende des Zweiten Welt­kriegs der Fall, als es zu deut­li­cheren Sprüngen in ihrer teil­weisen und schritt­weisen Verwirk­li­chung kam. Der Unab­hän­gig­keitstag Slowe­niens war also ein Tag des Triumphs, ein Tag des vollen Eintritts der Nation in die Geschichte, ein Akt des großen, aber berech­tigten Selbst­be­wusst­seins des Volkes, aber gleich­zeitig auch der Unsi­cher­heit, des Risikos und der Verant­wor­tung, die dieser Akt mit sich brachte.

Die Wasser­scheide Juni 1991

Juni 1991 kann mit den Worten beginnen: „Ich schwöre feier­lich, die Unab­hän­gig­keit, Souve­rä­nität, Frei­heit und terri­to­riale Inte­grität meines Heimat­landes, der Repu­blik Slowe­nien, zu vertei­digen und meine Pflichten zu ihrer Vertei­di­gung treu und verant­wor­tungs­be­wusst zu erfüllen.“

Der Text des Eides der Ange­hö­rigen der slowe­ni­schen Streit­kräfte, der am 2. Juni 1991 in den beiden Ausbil­dungs­zen­tren der Terri­to­rialen Vertei­di­gung der Repu­blik Slowe­nien in Pekra bei Maribor (Marburg) und Igo bei Ljubljana zum ersten Mal öffent­lich von den Wehr­dienst­leis­tenden geleistet wurde, fängt die ganze Dimen­sion des Juni 1991 ein, der den Slowenen, nach jahr­hun­der­te­langer Sehn­sucht und harten Kämpfen vor 30 Jahren zum ersten Mal in unserer natio­nalen Geschichte einen unab­hän­gigen und demo­kra­ti­schen Staat, das Vater­land der Repu­blik Slowe­nien, „bescherte“.

Denn das Leben der Nation in der Sozia­lis­ti­schen Föde­ra­tiven Repu­blik Jugo­sla­wien (SFRJ), wie sie zuletzt offi­ziell hieß, und damit auch in der Sozia­lis­ti­schen Repu­blik Slowe­nien, bedeu­tete eine wirk­liche Befreiung nur für einen Teil der slowe­ni­schen Nation, für dieje­nigen, die im Bürger­krieg auf der Gewin­ner­seite standen. Vor allem been­dete das Ende des Krieges nicht die tota­li­täre Herr­schaft. Sie war nicht mehr die der Besatzer, sie wurde auch nicht von sowje­ti­schen Panzern aufge­zwungen, wie es anderswo in Osteu­ropa der Fall war, sondern sie war haus­ge­macht, und deshalb kann man nicht von völliger Frei­heit nach der Befreiung spre­chen. Wir haben dann fast ein halbes Jahr­hun­dert auf genau das gewartet, Frei­heit im wahrsten Sinne des Wortes.

Das Finale der Unab­hän­gig­keit des Landes, das mit der Ände­rung der Gesell­schafts­ord­nung, den ersten demo­kra­ti­schen Wahlen, der Wahl der Demos-Regie­rung und dem Plebiszit im Jahr 1990 begann, als es hieß – um Dr. Jože Pučnik zu para­phra­sieren – „Jugo­sla­wien ist nicht mehr, es ist Slowe­nien“; die Vorbe­rei­tungen für das Funk­tio­nieren des unab­hän­gigen Staates und aller seiner Teil­sys­teme, fanden auf der 21. Sitzung der Versamm­lung (des Parla­ments) der Repu­blik Slowe­nien am 24. und 25. Juni 1991 statt.

Jože Pučnik · Foto: Museum für Zeitgeschichte

Vorbe­rei­tungen für die Unabhängigkeit

Nach dem erfolg­rei­chen Plebiszit begannen inten­sive Vorbe­rei­tungen für die Umset­zung des plebis­zi­tären Beschlusses, da das Parla­ment und andere Staats­or­gane inner­halb von sechs Monaten alles Notwen­dige für das selbst­stän­dige Funk­tio­nieren des Landes vorbe­reiten mussten. Es mussten Gesetze und Verord­nungen verab­schiedet werden, die dann die recht­liche Grund­lage für die Ausübung der Hoheits­rechte des neuen Staates wurden, insbe­son­dere derje­nigen, die bis dahin an den Bund dele­giert worden waren, wie Währungs­po­litik, Außen­po­litik, Vertei­di­gung und andere. Nach dem geschei­terten Versuch, Jugo­sla­wien in einen konfö­de­ralen Staat umzu­wan­deln, verab­schie­dete die slowe­ni­sche Versamm­lung im Februar eine Reso­lu­tion zum Vorschlag einer einver­nehm­li­chen Tren­nung von Jugo­sla­wien, die offi­ziell den Prozess der Tren­nung einlei­tete. Bereits Anfang Januar wurden auf repu­bli­ka­ni­scher Ebene Beschlüsse gefasst, die die wirt­schaft­li­chen Bezie­hungen in Jugo­sla­wien durch die voll­stän­dige Über­nahme der Systeme von Umsatz­steuern, Zöllen und Abgaben regelten. Es wurde ein Programm für die wirt­schaft­liche Unab­hän­gig­keit und die Umstruk­tu­rie­rung der slowe­ni­schen Wirt­schaft ausge­ar­beitet, in dem die mone­täre Unab­hän­gig­keit und die Priva­ti­sie­rung im Vorder­grund standen. Es wurde der erste völlig auto­nome repu­bli­ka­ni­sche Haus­halt verab­schiedet, der einen Kosten­vor­anschlag vorsah, der dreimal nied­riger war als der Bedarf der Föde­ra­tion, um die Bedürf­nisse der Föde­ra­tion zu decken. Anfang Juni verab­schie­dete das Parla­ment jedoch eine Reihe von Gesetzen, die am Tag der Unab­hän­gig­keits­er­klä­rung in Kraft traten: das Gesetz über die Staats­bür­ger­schaft, Ausländer, Reise­do­ku­mente, die staat­liche Grenz­kon­trolle, auswär­tige Ange­le­gen­heiten, Zoll, Finanz­trans­ak­tionen mit dem Ausland, Devisen, die Bank von Slowe­nien und andere.

Slowe­nien wird ein unab­hän­giger und souve­räner Staat

Am 24. und 25. Juni 1991 debat­tierte die slowe­ni­sche Versamm­lung schließ­lich über das Verfas­sungs­ge­setz über die Unab­hän­gig­keit und Auto­nomie der Repu­blik Slowe­nien, das Verfas­sungs­ge­setz zur Umset­zung des besagten Verfas­sungs­ge­setzes, die Unab­hän­gig­keits­er­klä­rung und die mögliche Wahl einer Dele­ga­tion der Versamm­lung der Repu­blik Slowe­nien zu Verhand­lungen mit der Versamm­lung der SFRJ. Der Präsi­dent der Versamm­lung und Vorsit­zende der Verfas­sungs­kom­mis­sion, France Bučar, sagte bei der Präsen­ta­tion des Verfas­sungs­ge­setzes, dass es „den grund­le­genden Akt darstellt, mit dem wir unsere Unab­hän­gig­keit behaupten, auf dessen Grund­lage die Repu­blik Slowe­nien ein unab­hän­giger und souve­räner Staat wird und, was am grund­le­gendsten ist, die Verfas­sung der SFRJ aufhört, für die Repu­blik Slowe­nien zu gelten“, und dass „alles andere eine tech­ni­sche Umset­zung dieser Entschei­dung ist, und deshalb ist es eigent­lich nur eine Entschei­dung für oder gegen die Unab­hän­gig­keit“. Anläss­lich der Verab­schie­dung des Dekrets über die Verkün­dung des Verfas­sungs­än­de­rungs­an­trags 100 zur Verfas­sung, das von 187 Dele­gierten bei drei Gegen­stimmen und acht Enthal­tungen unter­stützt wurde, sagte Bučar, dass die Versamm­lung den ihr durch das Plebiszit erteilten Auftrag erfüllt und einen unab­hän­gigen Staat geschaffen habe. Dies war eines der wich­tigsten Ereig­nisse in unserer Geschichte, der Höhe­punkt des jahr­hun­der­te­langen Kampfes des slowe­ni­schen Volkes um eine eigene Heimat und ein Wende­punkt in unserem natio­nalen Leben, als wir in der Lage waren, unser eigenes Schicksal zu bestimmen. Jože Pučnik sah in den Beschlüssen der Versamm­lung eine Bestä­ti­gung dafür, dass Slowe­nien seinen eigenen Weg geht, den Weg des Frie­dens in diesem Teil Europas, dass es nicht Pfähle in Zäune treibt, sondern Zäune entfernt, und schloss: „Wir müssen stolz und mutig bleiben. Wir werden die Grund­ent­schei­dung nicht rück­gängig machen.“

Kučan, Bučar, Peterle · Foto: Twitter

Inter­na­tio­nale (Nicht-)Unterstützung für den neuen Staat

Diese klare Botschaft von Pučnik bezog sich auf die Maßnahmen, die, von wenigen Ausnahmen abge­sehen, damals von der inter­na­tio­nalen Gemein­schaft gegen Slowe­nien vorbe­reitet wurden; so beschlossen die Mitglieder der Euro­päi­schen Gemein­schaft bei einem Treffen am 23. und 24. Juni 1991, dass sie die Unab­hän­gig­keit Slowe­niens und Kroa­tiens im Falle einer einsei­tigen Abspal­tung von der jugo­sla­wi­schen Föde­ra­tion nicht aner­kennen würden. Versuche der inter­na­tio­nalen Gemein­schaft, die Inte­grität Jugo­sla­wiens um jeden Preis zu bewahren, gibt es seit dem Plebiszit. So schei­terte der öster­rei­chi­sche Außen­mi­nister Alois Mock auf dem Pentagon-Treffen in Bologna am 18. Mai mit seinem Vorschlag, die euro­päi­schen Poli­tiker sollten die Inte­grität und Einheit der SFRJ nicht mehr unter­stützen, und geriet damit in direkten Konflikt mit dem italie­ni­schen Außen­mi­nister Gianni de Michelis, der auf dem Treffen die zentra­lis­ti­sche Politik des jugo­sla­wi­schen Außen­mi­nis­ters Budimir Lončar unter­stützte. Der italie­ni­sche Botschafter in Jugo­sla­wien hat dann am 4. Juni mit dem Mitglied der Präsi­dent­schaft der Repu­blik Slowe­nien, Ciril Zlobiec, das Datum der Unab­hän­gig­keits­er­klä­rung über­prüft. Dieser teilte ihm mit, dass es der 26. Juni sei, und infor­mierte ihn ein paar Tage später, dass es der 25. Juni sei. Auf diese Weise erfuhren die jugo­sla­wi­schen Bundes­be­hörden auch das Datum der Erklä­rung der slowe­ni­schen Unab­hän­gig­keit. Sie und insbe­son­dere die jugo­sla­wi­sche (Volks-)Armee (JNA), die seit dem 15. Mai 1990 durch die Entwaff­nung ihrer terri­to­rialen Vertei­di­gungs­kräfte deut­lich gemacht hatte, dass sie eine Ände­rung des poli­ti­schen Systems nicht dulden und alle Mittel einsetzen würde, um die Privi­le­gien der „roten Bour­geoisie“, an deren Spitze sie selbst bzw. ihre Gene­räle standen, zu erhalten, erhielten daraufhin auf Befehl des Bundes­exe­ku­tiv­rates einen formellen Deck­mantel für den Angriff auf den unab­hän­gigen Staat der Repu­blik Slowe­nien. In einer Zeit inten­siver Kämpfe wurde jedoch die Euro­päi­sche Gemein­schaft, vor allem auf Initia­tive Öster­reichs und Deutsch­lands und mit Hilfe der Akti­vi­täten des slowe­ni­schen Außen­mi­nis­ters Dimitrij Rupel und der slowe­ni­schen Auslands­ge­meinde, aktiv an der Beile­gung des Konflikts betei­ligt. So traf sich die EG-Troika aus Jacques Poos, Gianni de Michelis und Hans van Broek vom 28. bis 29. Juni mit den slowe­ni­schen Vertre­tern Milan Kučan und Dimitrij Rupel in Zagreb. Sie bespra­chen einen Waffen­still­stand und ein drei­mo­na­tiges Mora­to­rium für die Ausübung der Unab­hän­gig­keit der Repu­blik Slowenien.

Der Krieg zur Vertei­di­gung der Souveränität

Am 26. Juni 1991 fand die erste Entsen­dung der Ehren­ein­heit der slowe­ni­schen Streit­kräfte auf dem Platz der Repu­blik in Ljubljana im Rahmen der Feier­lich­keiten zur Unab­hän­gig­keits­er­klä­rung des Landes statt. Der befehls­ha­bende Offi­zier bei der Zere­monie war Oberst­leut­nant Anton Krkovič, der am Tag der Unab­hän­gig­keits­er­klä­rung der Repu­blik Slowe­nien, zum ersten Mal in der Geschichte eines unab­hän­gigen Staates und seiner Armee, dem Präsi­denten der Präsi­dent­schaft der Repu­blik Slowe­nien, Milan Kučan, mit dem Ehren­säbel Bericht erstat­tete. Zur glei­chen Zeit begannen die JNA und die Bundes­miliz, slowe­ni­sche Grenz­über­gänge zu besetzen, jugo­sla­wi­sche Kampf­flug­zeuge über­flogen im Tief­flug den Ort der Unab­hän­gig­keits­feiern, und die ersten Schüsse wurden von einem Mitglied der JNA in Divača abge­feuert, was den Beginn eines geplanten, koor­di­nierten und vereinten Angriffs der JNA auf die slowe­ni­sche Souve­rä­nität markierte. Es begann mit der Abfahrt von Panzern aus den Kasernen der Panzer­bri­gade in Vrhnika und mit einer aus Kroa­tien kommenden Kolonne gepan­zerter Kampf­fahr­zeuge, die zunächst in Poganci gestoppt wurde. Als Reak­tion auf die Kampf­hand­lungen der JNA erließ der Chef der RSTO, Oberst Janez Slapar, einen Befehl über Kampf­hand­lungen des TO, bzw. „die Reali­sie­rung der geplanten Aufgaben durch entschlos­sene Kampf­hand­lungen sicher­zu­stellen, wobei der Schwer­punkt auf dem Einsatz von gepan­zerten Einheiten und anderen tech­ni­schen Mitteln liegt, um den Schutz von Anlagen, der Grenze und der Kommu­ni­ka­tion zu gewähr­leisten und Manöver von JNA-Einheiten zu verhin­dern, wobei die verfüg­baren Kampf­mittel einge­setzt werden“.

Platz der Repu­blik, Ljubljana, 24. Juni 1991

Die slowe­ni­sche TO wurde von der RSTO komman­diert und bestand aus einer Schutz­bri­gade und sieben Provinz­haupt­quar­tieren, die in 26 regio­nale Haupt­quar­tiere unter­teilt waren. Am ersten Tag der Kämpfe wurden 15.000 Mann einge­setzt, insge­samt waren es 35.100 Mann. Die slowe­ni­schen Poli­zei­ein­heiten, die bei den Kämpfen eine äußerst wich­tige, oft entschei­dende Rolle spielten, zählten 7.100 Mann. Im Bereich der Vorbe­rei­tung auf die Aggres­sion und der Führung des Wider­stands wurden die Streit­kräfte bei mili­tä­ri­schen Opera­tionen durch den Zivil­schutz unter­stützt, dessen Akti­vi­täten wesent­lich zum Sieg im Unab­hän­gig­keits­krieg beitrugen. Inner­halb und außer­halb der Kampf­hand­lungen führten Mitglieder des Zivil­schutzes unter der Leitung von Františ Žnidaršič orga­ni­sierte und syste­ma­ti­sche Obstruktions‑, Strom‑, Wasser‑, Gas‑, Trans­port- und Blocka­de­ak­tionen sowie die Versor­gung der Vertei­di­gungs­kräfte durch. Die JNA-Opera­tion auf Slowe­nien sollte relativ schnell und ohne allzu viele Kompli­ka­tionen durch­ge­führt werden. Ihr Angriff sorgte für keine beson­dere Über­ra­schung, da er erwartet worden war. Die Über­ra­schung mag zwischen taktisch und operativ gelegen haben, da nicht genau bekannt war, wann und wo die Aggres­sion durch­ge­führt werden würde. Die Maßnahmen, die in Slowe­nien vor der Unab­hän­gig­keits­er­klä­rung getroffen wurden, waren so, dass die slowe­ni­schen Vertei­di­gungs­kräfte bereits prak­tisch ausge­bildet waren und daher bereits in der Anfangs­phase des Krieges völlig unbe­lastet und gleich­be­rech­tigt gegen die gegne­ri­sche Seite hätten antreten und den Krieg zur Vertei­di­gung der natio­nalen Souve­rä­nität gewinnen können.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei DEMOKRACIJA, unserem Partner in der EUROPÄISCHEN MEDIENKOOPERATION.


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