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Bildquelle: ma7.sk

Vor fünfundsiebzig Jahren, am 2. August 1945, erließ der tschechoslowakische Staatschef Edvard Beneš den Verfassungserlass Nr. 33 “über die Regularisierung der Staatsangehörigkeit von Personen deutscher und ungarischer Nationalität”. Dieses Dekret gipfelte darin, dass zwei Nationalitäten, die kollektiv zu Kriegsverbrechern erklärt worden waren, entrechtet und ihrer Staatsbürgerschaft sowie ihres Eigentums beraubt wurden.

In der tschechischen Hälfte der Tschechoslowakei, die 1918 auf den Trümmern der österreichisch-ungarischen Monarchie entstand, lebten sechs Millionen Tschechen und Mährer und drei Millionen Sudetendeutsche, in der slowakischen Hälfte des Landes zwei Millionen Slowaken, mehr als eine Million Ungarn und Hunderttausende Ruthenen und Deutsche. Nach dem Münchner Abkommen vom September 1938 musste der tschechoslowakische Staat das Sudetenland mit seiner überwiegend deutschen Bevölkerung an Hitler-Deutschland abtreten, und im November desselben Jahres wurde nach dem ersten Wiener Beschluss der südungarische Teil des historischen Oberungarns (Felvidék) an Ungarn abgetreten. Am 14. März 1939 rief der slowakische Führer Jozef Tiso mit Hitlers Unterstützung einen unabhängigen slowakischen Staat aus, und die Karpaten wurden an Ungarn angegliedert. Am nächsten Tag marschierten deutsche Truppen in Böhmen und Mähren ein, das zum deutschen Protektorat wurde.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs machte die Führung der Tschechoslowakei, die sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs neu konstituierte, die deutsche und die ungarische Nationalität für den Zerfall des Landes verantwortlich. Das Regierungsprogramm vom 5. April 1945 in Kassa erklärte die Kollektivschuld von Deutschen und Ungarn, und es folgten zahlreiche anti-ungarische Kundgebungen, Entlassungen, Gräueltaten auf der Straße und Internierungen.

Ab Mai gab es eine Reihe von Präsidialdekreten, die so genannten Beneš-Dekrete, die die beiden Minderheiten vollständig entrechteten.

Edvard Beneš (1884-1948), der zweite Präsident der Tschechoslowakei, trat im Oktober 1938 nach der Münchener Entscheidung zurück und wurde am 16. Mai 1945 wiedergewählt, aber erst am 19. Juni 1946 formell wiedergewählt. Beneš regierte von Mai 1945 bis zur Bildung der Provisorischen Nationalversammlung Ende Oktober durch Präsidialdekrete. Die 143 Dekrete wurden später rückwirkend in Kraft gesetzt, und die meisten sind immer noch in Kraft. Die meisten Dekrete betrafen den Wiederaufbau des Landes, aber

33 von den Dekreten richteten sich direkt oder indirekt gegen nicht-slawische Nationalitäten und schränkten deren Grundrechte ein.

Die Dekrete sahen unter anderem die entschädigungslose Konfiszierung des Eigentums von Deutschen, Ungarn, Verrätern und Kollaborateuren sowie die Abgeltung ihres landwirtschaftlichen Besitzes an tschechische und slowakische Bauern vor. Den Höhepunkt bildete das Dekret 33 vom 2. August 1945, mit dem Ungarn und Deutschen mit Wirkung vom 10. August die Staatsbürgerschaft entzogen wurde, wobei nur die loyalen tschechoslowakischen Bürger, die vor 1938 tschechoslowakisch waren, straffrei blieben.

Deutsche und Ungarn, die staatenlos geworden waren,wurden verpflichtet, öffentliche Arbeiten zu verrichten, ihre Betriebe konnten entschädigungslos enteignet werden, und ein neues Verfassungsdekret erlaubte auch die Inhaftierung von Personen, die von den Behörden als unzuverlässig eingestuft wurden.

Die Dekrete ermöglichten die Entlassung ungarischer Beamter, die Streichung ihrer Renten, Sozialleistungen und Gesundheitsfürsorge, das Verbot des Gebrauchs der ungarischen Sprache in öffentlichen Ämtern und Gottesdiensten, den Ausschluss ungarischer Studenten von den Universitäten, die Auflösung ungarischer kultureller und sozialer Vereinigungen, das Verbot der Veröffentlichung ungarischsprachiger Bücher und Zeitungen sowie das Verbot für ungarische Staatsangehörige, Zivilprozesse zu führen.

Die tschechoslowakische Regierung, die einen rein slawischen Staat anstrebte, siedelte mit Zustimmung der Siegermächte des Krieges drei Millionen Deutsche um. Um die ungarische Minderheit zu beseitigen, da die Großmächte nur zum Bevölkerungsaustausch beitrugen, wurden verschiedene Methoden angewandt. Sie vertrieben 36.000 Ungarn, die vor 1938 die ungarische Staatsbürgerschaft besaßen, internierten Ungarn aus Preßburg (Pozsony), Kaschau (Kassa) und Komarom und beschlagnahmten ihre Häuser.

40.000-45.000 Ungarn wurden im Winter 1945-46 in ungeheizten Viehwaggons ins Sudetenland deportiert.

Die Reslowakisierung wurde in die Wege geleitet, um den “im Laufe der Jahrhunderte ungarisch gewordenen Slowaken die Möglichkeit zu geben, in das Mutterland zurückzukehren”, d. h. von Beschlagnahmung und Deportation befreit zu werden und die Staatsbürgerschaft zu erhalten.

Zwischen dem 12. April 1947 und dem 5. Juni 1949 verließen 73.273 Slowaken Ungarn, 89.660 Ungarn wurden aus der Slowakei vertrieben, wobei Zehntausende von ihnen bereits während der Deportationen nach Ungarn geflohen waren, und Tausende von Ungarn wurden zeitweise in Arbeitslagern in der Slowakei festgehalten.

Im Februar 1948 übernahmen die Kommunisten die Macht in der Tschechoslowakei, gefolgt von einer Lockerung des Regimes unter sowjetischem Druck. Das Gesetz vom 25. Oktober 1948 gab den Ungarn nach Ableistung eines Treueeids die Staatsbürgerschaft zurück. In einem Abkommen vom 25. Juli 1949 erließ die Tschechoslowakei Ungarn die restlichen 30 Millionen Dollar an Kriegsreparationen im Gegenzug für das Eigentum der umgesiedelten Ungarn. Die Erklärungen zur Zwangsumslowakisierung wurden erst 1954 annulliert.

Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus haben

weder die Tschechoslowakei noch die 1993 gegründete Tschechische Republik und die Slowakische Republik die Rücknahme oder Aufhebung der Beneš-Dekrete und die Rückgabe des konfiszierten Eigentums – sowohl für Sudetendeutsche als auch für Ungarn – auf die Tagesordnung gesetzt.

Am 20. September 2007 verabschiedete das slowakische Parlament eine Entschließung, in der es heißt, dass die “Rechts- und Eigentumsverhältnisse, die sich aus den Dekreten ergeben, unanfechtbar, unverletzlich und unabänderlich sind”.

Magyarul: https://ma7.sk/aktualis/a-magyarok-es-nemetek-jogfosztasat-elrendelo-benes-dekretum-75-eve-jelent-meg

Dieser Beitrag erschien in deutscher Übersetzung bei UNGARNREAL:partner:


16 Gedanken zu „Beneš-Dekrete: Entrechtung der Ungarn und Deutschen“
  1. In dem 1. Abschnitt wird geschrieben ” 3 Millionen Sudetendeutsche ” . Bei der Volkszählung 1910 gaben 3.489.711 allein in Böhmen, Mähren und Österreichisch Schlesien deutsch als Muttersprache an ( siehe Wiki ) und in dem ungarischen Teil leben auch noch tausende Deutsche – die pauschal 3 Mio. sind also zu wenig !
    1918 wollten die Sudentendeutsche gemeinsam mit Österreich in einem Staat leben. Damals verboten die Alliierten dies . Diese selben Hauptsiegermächte Großbritannien, Frankreich und Italien schlossen dann 1938 mit Deutschland den Vertrag der Angliederung an das Deutsche Reich und damit kann man sagen, änderten sie ihren eigenen Vertrag von 1919!
    Heute wird oft gesagt: das Deutschland in den Grenzen von 1937 – aber 1938 war der Anschluß von Österreich und der Anschluß des Sudentenlandes ( dieses 2. ) offiziell von den I.WK Siegermächten vertraglich vereinbart – also warum wird dann gesagt “Deutschland in den Grenzen von 1937” und nicht in den Grenzen von 1938 ??

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  2. Oesterreichisch gibt es nicht, der Grund ist fehlende eigene Grammatik,
    dazu auch sonstige Sitten und Gebraeuche, mithin ist der Suedtiroler deutschsprachig nach der Abstammung Deutscher! Der Blick aus Ungarn wirkt hier verschaerfend, Flurnamen weisen das aus, Rechte dazu!
    Aber wir alle Leben in Mitteleuropa, das macht die Sache klar, ethnische Deutsche, Tschechen, Slovaken und Ungarn machen es aus!
    Mitteleuropa ist als Ersatz fuer die EU zu denken, entsprechende Hindernisse wie die Benes-Dekrete sind zu beseitigen!
    Alf v.Eller Hortobagy
    unabh.Politikberater/Jurist
    und
    Landwirt

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    1. Wenn jemand behauptet, Österreichisch gebe es nicht, dann unterstelle ich ihm klipp und klar, Nationalsozialist zu sein. Österreich gibt es seit 1156, Deutschland seit 1871. Österreich hat seit Maria Theresia eine einheitliche Amts- und Unterrichtssprache, Deutschland bis heute nicht. Südtirol gehörte nie zu Deutschland, das begreifen ewig Vorgestrige auch nicht.

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  3. Beneš-Dekrete: Und Herr Benes bestimmte, daß die Deutschen beim Verlassen ihrer Heimat nur ein Taschentuch zum Trocknen ihrer Tränen mitnehmen durften. Ich bin Erbe der Beneš-Dekrete und weiß, daß Milliarden von Taschentüchern nicht ausreichten. Meine Frau benutzt sich noch täglich!

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  4. Es fehlt der wichtige Hinweis: Die Altösterreicher in Böhmen und Mähren werden zwar regelmäßig als “Deutsche” hingestellt. Sie waren aber nie Deutsche, sondern davor Österreicher.

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    1. Irrtum!

      Genau wie Preußen, Niederländer und Schweizer gehören Österreicher zum Deutschen Volk. Die Habsburger stellten bis 1806 den Deutschen Kaiser! Nach 1919 hieß es offiziell Deutsch-Österreich. Und auch Böhmen und Mähren sind zwangs-slawisierte Deutsche!

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        1. Zum deutschen Volk zählen letztlich alle, deren Muttersprache Deutsch ist. Dies heißt ja nicht – und erfordert auch nicht -, dass alle diese in einem und demselben Staat leben müssen.

          Ihr Beleidigtsein, wenn Sie als “Deutscher” bezeichnet würden, ist wohl zeitgeistig bedingt.

          Von Bismarck kam zur Reichsgründung kein Angebot an Österreich, Teil des Deutschen Reiches zu werden, denn er wollte nichts mit den Balkanländern zu tun haben, die Österreich mitgebracht hätte. Bismarck wollte nichts mit den Problemen zu tun haben, die von den Balkanländern ausgingen. Nach dem 1. Weltkrieg (als sich das Balkan-Problem erledigt hatte) ging der Wunsch, Teil des Deutschen Reiches zu werden, von Österreich aus. Jedoch, die Siegermächte des 1. Weltkrieges verboten dies. Hitler verwirklichte diesen Wunsch der Österreicher dann 1938.

          Österreich hatte das Glück, dass die Siegermächte des 2. Weltkrieges diesen Zusammenschluss als Annektion ansahen. Seither sonnen sich viele Österreicher in dieser Opferrolle (was ihnen der Österreicher Hitler angetan habe). Aber – vielleicht gönnen Sie sich mal einen vergleichenden Blick auf die Foto- und Filmaufnahmen von den Einmarsch der deutschen Wehmacht in Wien und in Prag. Und vielleicht fällt Ihnen etwas auf …

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      1. Dummheit. 1806 und davor gab es das Römische Reich, aber kein deutsches. Österreicher waren keine Deutschen und sind es auch weiter nicht.

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    2. Sie irren sich da gleich in zweifacher Hinsicht:
      Österreicher, sofern sie deutschsprachig waren, waren immer Deutsche. Erst ab 1945 hatte man sich vom Deutschsein verabschiedet und nicht einmal die jetzige österreichische Politik betrachtet deutsche Personen außerhalb Österreichs als Österreicher. Für diese Leute ist nur Deutschland zuständig.
      Das geht soweit, dass die Österreicher sich nicht mal um Deutsche kümmern, die seinerzeit innerhalb der Monarchie (und außerhalb des heutigen Österreich, mit Ausnahme höchstens von Südtirol m.E.) leben und der Vorfahren direkt aus Österreich (z.B. in das heutige Rumänien) einwanderten.

    3. bis 1806 bestand das 1. deutsche Kaiserreich mit Böhmen und Mähren und dann von 1815 bis 1867 gab es den Deutschen Bund auch mit Österreich, Böhmen und Mähren.

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    4. Sie unterstützen mit ihrer Aussage unsre Todfeinde die uns unbedingt geknechtet sehen wollen. Ein Östreicher enstammt derselben Kultur, hat dieselbe Sprache und Sitten, dieselbe Musik und Denkweise wie alle anderen Deutschen auch; das schliesst 70% aller Schweitzer, alle Holländer, Luxemburger, Schlesier, Pomeraner und Preussen ein. Wären wir nur nicht so aufgeschlossen gegenüber denjenigen die uns Schaden zufügen wollen.

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