„Boris Godunow“ in Mailänder Scala: Russi­sche Oper als Traum­bild der Globalisten

Ermordung (1605) von Boris Godunows Sohn, Fjodor II mit seiner Mutter Maria von Konstantin Makowski (1862), Tretjakow-Galerie, Moskau

„Tritt entzwei den Drachen,
der wild uns bedrängt mit aber­tau­send giftigen Krallen.
Jenen Drachen, der da heißet: Aufruhr und Empörergeist.
Kündet es der gläub’gen Chris­ten­heit, ihr zum ew’gen Heil!“
Boris Godunow, Prolog, Erstes Bild

 

Von JÜRGEN RITTER | Nach dem Beginn der „mili­tä­ri­schen Sonder­ope­ra­tion“ in der Ukraine schlug die anti­rus­si­sche Hysterie im soge­nannten „freien Westen“ hohe Wellen, die auch vor dem Kultur­leben nicht Halt machten. Den Auftakt bildete die Absage eines Tschai­kowski-Konzerts im wali­si­schen Cardiff am 18. März, dem sich entspre­chende Konzert­ver­bote in Berlin, Stettin, Brom­berg und anderen Städten anschlossen. Um im Westen auftreten zu dürfen, mussten sich russi­sche Künstler zuerst von ihrem Staats­prä­si­denten und dessen Politik distan­zieren. Eine solch brutale Inqui­si­tion hatte es nicht einmal auf dem Höhe­punkt des kalten Krieges gegeben.

Bühnen­bild „Boris Godunow” Auffüh­rung vom 2. Mai 1968 – Théâtre du Capi­tole, Toulouse | Quelle: André Cros, CC BY-SA 4.0, via Wiki­media Commons

Vor diesem Hinter­grund war die Tatsache, daß die neue Opern­saison an der Mailänder Scala am 7. Dezember 2022 mit einer russisch­spra­chigen Insze­nie­rung von Modest Mussorgskis Meis­ter­werk „Boris Godunow“ eröffnet wurde, eine scheinbar uner­klär­liche Anoma­lität. Noch merk­wür­diger wirkte auf den ersten Blick, daß der Auffüh­rung dieser vom Kompo­nisten „musi­ka­li­sches Volks­drama“ genannten Oper nicht nur der italie­ni­sche Staats­prä­si­dent Sergio Mattar­ella, die neue Premier­mi­nis­terin Giorgia Meloni sowie mehrere ihrer Minister beiwohnten, sondern auch die Präsi­dentin der EU-Kommis­sion Ursula von der Leyen. Letz­tere zählt bekannt­lich zu den rabia­testen Verfech­tern der von Brüssel betrie­benen anti­rus­si­schen Konfrontationspolitik.

Aber auch die neue Mitte-Rechts-Regie­rung in Rom, die in wich­tigen Fragen wie der Immi­gra­ti­ons­po­litik von der ultra-globa­lis­ti­schen Politik ihrer Vorgän­ger­re­gie­rung abrückt und von den Multi­kulti-Fana­ti­kern aller euro­päi­schen Staaten deshalb heftig befehdet wird, steht bedin­gungslos hinter dem Regime in Kiew und liefert diesem sogar Waffen. Es ist dies die logi­sche Folge ihrer stramm pro-ameri­ka­ni­schen, trans­at­lan­ti­schen Haltung.

Daß diese Polit­größen die Mussorgski-Oper aus reiner Musik­be­geis­te­rung besucht haben, mutet höchst unwahr­schein­lich an. Wie der russi­sche Poli­to­loge Igor Panarin in einem seiner Videos fest­hielt, lag der Mailand-Reise dieser passio­nierten Opern­freunde zwei­fellos eine tiefere Ursache zugrunde, die in Moskau die Alarm­glo­cken läuten lassen müßte.

„In der Politik geschieht nichts zufällig. Wenn etwas geschieht, dann kann man sicher sein, daß es auf diese Weise geplant war“, sagte einst Franklin D. Roose­velt. Er wußte, wovon er sprach.

Der Tod von Boris Godunow am 23. April 1605greg. – Szene aus der Urauf­füh­rung 1874 | Quelle: commons.wikimedia.org/wiki/File:The_Death_of_Boris_1874.jpg

Wer mit der russi­schen Geschichte vertraut ist, weiß, daß während der Regie­rungs­zeit Boris Godunows, der – nachdem er bereits zuvor viele Jahre lang faktisch die Geschicke seines Landes gelenkt hatte – von 1598 bis zu seinem Tod im Jahre 1605 auf dem Zaren­thron saß, die „Smuta“, die Zeit der Wirren, einsetzte, welche erst 1613 mit der Thron­be­stei­gung Michaels I. und der Begrün­dung der Romanow-Dynastie ein Ende nahm.

Die klare Botschaft durch spezi­elle Besu­cher der Mailänder Scala 

Während jener Periode herrschte in Russ­land innen­po­li­ti­sches Chaos, und das Land wurde zur Ziel­scheibe fremder Inva­sionen; rund zwei Jahre lang war Moskau von polni­schen Truppen besetzt. Ange­sichts dieser Umstände sind die „Boris Godunow“-Aufführung in der Scala sowie deren Besuch durch west­liche Spit­zen­po­li­tiker als klare poli­ti­sche Botschaft zu werten.

Der neue Boris Godunow ist Wladimir Putin; mili­tä­ri­sche Nieder­lagen gegen einen äußeren Feind sowie Aufstände im Inneren sollen seine Regie­rung so nach­haltig erschüt­tern, daß es zwangs­läufig zu einem System­wechsel kommen muß.

Bühnen­bild „Boris Godunow” Auffüh­rung vom 2. Mai 1968 – Théâtre du Capi­tole, Toulouse | Quelle: André Cros, CC BY-SA 4.0, via Wiki­media Commons

Seit jeher pflegen Regie­rungen in Konflikt- und Kriegs­zeiten die Führer der mit ihnen verfein­deten Staaten zu dämo­ni­sieren, doch die perma­nente Hetz­kam­pagne gegen das heutige russi­sche Staats­ober­haupt sprengt jedes Maß und geht um ein Viel­fa­ches über die scharfe Kritik hinaus, die beispiels­weise nach dem sowje­ti­schen Einmarsch in Prag anno 1968 an Leonid Breschnew geübt wurde.

  • Daß Putin während seiner gesamten Regie­rungs­zeit den USA und der Nato gegen­über immer wieder tief­grei­fende Konzes­sionen gemacht hat;
  • daß er den Nato-Beitritt der balti­schen Staaten fast wider­spruchslos akzeptierte;
  • daß er Ende 2014 darauf verzich­tete, zumin­dest den Donbass von der ukrai­ni­schen Herr­schaft zu befreien, und sich statt­dessen auf die Minsker Abkommen einließ;
  • daß er die andau­ernde Verlet­zung dieser Abkommen durch die Verant­wort­li­chen in Kiew – zuerst Poro­schenko und dann Selensky – sieben Jahre lang zähne­knir­schend hinnahm;
  • daß er Staaten, die Kiew mit Offen­siv­waffen versorgen und damit russi­sche Soldaten töten, bis zum heutigen Tage Erdgas, Dünger und andere essen­ti­elle Güter liefert …

Die Zerstü­cke­lung Russ­lands in vom Westen beherrschte Staaten

All das reicht den Macht­ha­bern in Washington und London sowie deren Vasallen in Brüssel, Paris und Berlin nicht aus. Sie wollen im Kreml eine reine Mario­nette, die Russ­land zur Plün­de­rung durch west­liche Konzerne frei­gibt, ihm die frag­wür­digen neuen „Werte“ der „freien Welt“ aufzwingt und zu guter Letzt grünes Licht für seine Zerstü­cke­lung, seine Auftei­lung in eine Reihe schein-souve­räner, de facto vom Westen beherrschter Staaten erteilt.

Etwas über­spitzt ausge­drückt: Erst wenn auf dem Roten Platz am 9. Mai ein homo­se­xu­eller Präsi­dent gemeinsam mit seinem Ehemann und ihren farbigen Adop­tiv­kin­dern die Gay Parade abnimmt und anschlie­ßend im Kreml einen Vertrag unter­zeichnet, der anglo-ameri­ka­ni­schen Firmen das unein­ge­schränkte Verfü­gungs­recht über die russi­schen Boden­schätze zuge­steht, wird Russ­land wieder als Teil der „zivi­li­sierten Völker­ge­mein­schaft“ aner­kannt werden.

Bühnen­bild „Boris Godunow” Auffüh­rung vom 2. Mai 1968 – Théâtre du Capi­tole, Toulouse | Quelle: André Cros, CC BY-SA 4.0, via Wiki­media Commons

Am 23. November 2022 beschloss das Euro­päi­sche Parla­ment, Russ­land wegen seiner „Gräu­el­taten gegen die ukrai­ni­sche Bevöl­ke­rung“ zum „terro­ris­ti­schen Staat“ zu erklären.

„Das Parla­ment fordert die Euro­päi­sche Union auf, Russ­land inter­na­tional weiter zu isolieren, auch im Hinblick auf die Mitglied­schaft Russ­lands in inter­na­tio­nalen Orga­ni­sa­tionen und Gremien wie dem Sicher­heitsrat der Vereinten Nationen. Die Abge­ord­neten fordern außerdem, die diplo­ma­ti­schen Bezie­hungen zu Russ­land weiter einzu­schränken, die Kontakte der EU mit offi­zi­ellen Vertre­tern Russ­lands auf das absolut notwen­dige Mindestmaß zu beschränken und staats­nahe russi­sche Einrich­tungen in der EU, die welt­weit russi­sche Staats­pro­pa­ganda unter­stützen, zu schließen und zu verbieten.“

Die Kriegs­er­klä­rung west­li­cher Staaten an Russland

Dies läuft prak­tisch auf eine Kriegs­er­klä­rung hinaus. In selbst­mör­de­ri­schem Wahn werfen west­liche Staaten, die nie ein Wort gegen den US-ameri­ka­nisch-briti­schen Bomben­terror gegen Jugo­sla­wien geäu­ßert, sondern sich im Gegen­teil daran betei­ligt haben, die alle Angriffs­kriege Washing­tons und Londons, von Afgha­ni­stan über den Irak bis hin nach Libyen, abge­segnet oder gar an ihnen teil­ge­nommen haben, Russ­land ohne jede Notwen­dig­keit den Fehde­hand­schuh hin.

Bühnen­bild „Boris Godunow” Auffüh­rung vom 2. Mai 1968 – Théâtre du Capi­tole, Toulouse | Quelle: André Cros, CC BY-SA 4.0, via Wiki­media Commons

Was sollen die stän­digen Verhand­lungs­an­ge­bote an diese Regie­rungen? Worüber soll sich Moskau beispiels­weise mit einem Scholz oder einer Bärbock unter­halten, welche die Spren­gung der Nord­strom-Pipe­lines durch US-ameri­ka­ni­sche und/oder briti­sche Sabo­teure ohne ein Wort des Protestes hinge­nommen und sich hier­durch wieder einmal als will­fäh­rige Vasallen erwiesen haben?

Das einzige, was diese Leute beein­druckt, ist eine Politik der Stärke. Diese Erkenntnis sollte sich auch in Russ­land durch­setzen, um etwa­igen gefähr­li­chen Illu­sionen einen Riegel vorzuschieben.


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7 Kommentare

  1. Erst wenn auf dem Roten Platz am 9. Mai ein homo­se­xu­eller Präsi­dent gemeinsam mit seinem Ehemann und ihren farbigen Adop­tiv­kin­dern die Gay Parade abnimmt

    Genau diese Ideo­logie widert mich höchst­gradig an. Man schaue auf die Spre­cherin des Weißen Hauses, oder bei jeder Sendung in der Glotze, ekelhaft.

  2. Der Traum der Ausbeuter aus dem Westen, Russ­land auszu­rauben, ist ein Alptraum geworden. Fana­tiker kapieren nie, wann es Zeit ist aufzuhören.

  3. In zwei Jahren steht Taiwan auf dem Programm.
    Davor flucht­artig Afgha­ni­stan verlassen.
    Kann man eine solche Politik als rational bezeichnen?
    Wer auf das „Auge“ sieht, kommt auf die Freimaurerei
    und deren Hochgrade.

    • Sollten die Taiwan-Chinesen so Dumm wie die Ukrainer sein, werden sie zerstört. Und wofür das alles. Der beste Handels­partner ist China, wie Dumm kann man sein

  4. Bislang hat das Auge im Dreieck auf der Dollar­note noch nicht einmal Nord­korea ange­griffen. Russ­land hat noch ein paar mehr Atombomben.

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    • Solange Kano­nen­futter bereit­steht wird weiter­ge­macht. Das Problem ist das Kano­nen­futter sich schnell zu Ende neigt.

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