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Foto: FNDE / Wikimedia (CC BY-SA 4.0)

Von Csaba Szajlai
 

Es ist kein Geheimnis, dass Deutschland der wichtigste Handelspartner für die ungarische Wirtschaft ist. Wir sprechen hier über das wichtigste Ziel für ungarische Exporte und Importe von dort. Es gibt kein EU-Land und keine andere Volkswirtschaft, die mit dem Volumen Deutschlands mithalten kann. Darüber hinaus sind die Verbindungen seit Jahrzehnten sehr eng: Es ist üblich, unser Land – in wirtschaftlicher Hinsicht – als die deutsche Provinz Südostdeutschland zu bezeichnen, gleich jenseits des Lajtan. Dieses Label ist so berechtigt, dass alle drei großen Premium-Automobilmarken – Audi, BMW und Mercedes – nur in Deutschland vertreten sind und fast alle namhaften Unternehmen – von Bosch bis ZF – hierzulande Fabriken unterhalten. Während also die Beziehungen auf der großen politischen Bühne in den letzten Jahren nicht die besten waren (um es milde auszudrücken), können wir über die wirtschaftlichen Beziehungen kein schlechtes Wort verlieren.

Lassen wir den politischen Aspekt beiseite und betrachten wir den Stand der Ära Merkel. Es sei daran erinnert, dass die derzeitige Bundeskanzlerin 2017 große Wirtschaftsreformen versprochen hat, aber der Strukturwandel ist nicht eingetreten. Auf den ersten Blick ist das natürlich kein Problem, denn der Euro wurde auf Deutschland mit seinen 80 Millionen Einwohnern zugeschnitten: Was für die Mehrheit, d.h. die Mitglieder der Eurozone, eine starke Währung ist, ist für die Deutschen “leichtes” Geld. Ihre Wettbewerbsfähigkeit wurde durch die EU-Währung vorübergehend gestärkt, während andere – Griechenland, Italien, Portugal und Spanien – erhebliche Verluste erlitten haben und weiterhin erleiden. Der Wechselkursvorteil wird jedoch nicht lange anhalten: Es liegt im deutschen Interesse, dass der Euro für die meisten EU-Länder die “normale” Währung ist, denn die wichtigsten Märkte sind gerade die Länder der Eurozone.

Die strukturellen wirtschaftlichen Probleme Deutschlands haben sich in den letzten Jahren verschärft: Das beste Beispiel dafür ist die immer stärker werdende deutsche Industrie, die seit drei Jahren immer stärker in die Krise gerät. Trotz des durch das Coronavirus verursachten wirtschaftlichen Schocks hat die deutsche Finanzpolitik gut reagiert. Dies ist jedoch nur ein kurzlebiges Symptom: Betrachtet man internationale Rankings, so stagniert die deutsche Wirtschaft seit 2017, sondern fällt – auch im Vergleich zur eigenen Leistung – zurück. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die öffentlichen Haushalte in den letzten Jahren nach neoliberalen Grundsätzen praktisch auf Null gefahren wurden, was bedeutet, dass die deutsche Regierung das Defizit vollständig abgebaut hat.

Dies hat jedoch auch dazu geführt, dass die öffentlichen Investitionen in die traditionelle physische Infrastruktur stagnieren oder zu niedrig sind und ständig abgebaut und abgeschrieben werden. Mit anderen Worten: Die bisherigen Großinvestitionen in Autobahnen, Eisenbahnen und Immobilien sind hinter dem Durchschnitt der Eurozone zurückgeblieben. Hinzu kommt, dass der aktuelle “Trend” in der digitalen Entwicklung noch weiter hinter dem EU-Durchschnitt zurückbleibt. Es ist kein Zufall, wenn man sich die Berichte darüber anschaut, dass der Schwerpunkt der aktuellen Wahl auf der systemischen (!) wirtschaftlichen Transformation und der Reform der Wirtschaftspolitik liegt. Die Wähler in Deutschland haben übrigens den Hinweis auf einen lockeren Haushalt beherzigt: Die fiskalische Antwort auf den wirtschaftlichen Schock des Kronenvirus war zum Beispiel gut.

Am Ende der Ära Merkel muss Deutschland folgende Herausforderungen bewältigen: Nachholbedarf in den Bereichen digitale Infrastruktur, Bildung, E-Government, Bewältigung der demografischen Herausforderungen und Wiederaufnahme zentraler Großinvestitionen – Autobahnen und Schienenverkehr. All dies kann erhebliche Kosten verursachen. Die Parteien, die um Stimmen konkurrieren, sind sich weitgehend einig, dass viel mehr zentrale Entwicklungs- und Haushaltsmittel benötigt werden.

Der größte Unterschied zwischen den Parteien besteht in der Frage der Finanzierung. Doch das Wirtschaftswunder, das Europas größtes Land seit Jahrzehnten kennzeichnet, lässt auf sich warten. Ohne einen Anreizstaat wird es auch dort nicht funktionieren.

Schließlich war Deutschland maßgeblich an dem “Konzept” eines Europas der zwei oder mehreren Geschwindigkeiten beteiligt, das Mitte der 90er Jahre im Rahmen der intellektuellen Suche nach einem Weg in Vorbereitung auf die erwartete große Welle der Osterweiterung, die auch uns betreffen würde, entstand. Obwohl die Europapolitik von Angela Merkel in dieser Frage von entscheidender Bedeutung war, ist die Glaubwürdigkeit der Argumente gegen Europa in diesem Zusammenhang gründlich untergraben worden.

Aus Budapester Sicht hat Berlin jedoch von der Osterweiterung wirtschaftlich fantastisch profitiert.

Der Autor ist stellvertretender Chefredakteur von Figyelő

Quelle: Magyar Nemzet


3 Gedanken zu „Die Ära Merkel ist vorbei – die Probleme bleiben“
  1. Die Defizit volstandig abgebaut ist die ende des Wirtschafts Wunder. Auf ZDF heute. Willy Brandt hat mit die Ost Politik die Wende vorbereitet. Helmut Kohl hat West und Ost Deutschland vereinigt, Gerhard Schröder hatt Wirtshaftreformen gebracht aber was hat die Angela Merkel gemacht? Gleich 1,5 millionen Islamisten Glückeinwander zugelassen und ‘kick the euro problem can down the road’.

  2. Der Nachholbedarf in den genannten Bereichen wird agendakonform gedeckt:
    digitale Infrastruktur – soll heißen, Deutschland geht in den digitalen Überwachungsstaat.
    Bildung – bedeutet ganz zeitgemäß Gender in allen Fakultäten.
    E‑Government steht synonym für den simulierten Ausgleich mangelnder menschlicher Intelligenz mittels der Algorithmen einer “KI”;
    und die demographischen Herausforderungen regelt man über den quantitätsorientierten Import irgendwelcher Humanoiden, oft fragwürdiger Provenienz.

    Der Grüne Umstieg auf Draisinen und Eselskarren macht Investitionen in Autobahnen und Schienenverkehr ohnehin weitgehend obsolet. Die Kosten für derlei Infrastrukturen dürften sich dann auf ein paar Futtertröge und Wasserlöcher am Wegesrand beschränken.

    Daß Berlin von der Osterweiterung “wirtschaftlich fantastisch profitiert” hat, ist kaum zu bestreiten.
    So kenne ich Bilder aus alten Sowjetzeiten, die sich deutlich von der heutigen Situation unterscheiden. Dort sah man Fahrräder sowie Pferde- und Eselskarren. Das muß wohl für so manchen Politiker sehr inspirierend gewesen sein. Und so steht Merkel auf der IAA staunend vor einem Lastenfahrrad und bewundert die neueste Errungenschaft heutiger Hochtechnologie.

    “Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen” – Merkel hatte das nun mal schon sehr früh verinnerlicht.

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