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Bildquelle: CM

Von Nicola De Felice
 

Die strategische Lage Italiens

Die Menschenschmugglertätigkeiteb der norwegischen NGO-Schiffe Geo Barents und Ocean Viking – die neuen Barbaren des 21. Jahrhunderts – gehen unbeirrt vor den libyschen Küsten weiter, auf der Suche nach illegalen Einwanderern, die Schutzgeld an die Menschenhändler zahlen, um an Bord derer Taxiboote und sodann nach Sizilien, der südlichen Grenze Italiens und Europas, gebracht zu werden. Türkische Truppen und russische Söldner sind auf dem libyschen Schachbrett präsent, potenzielle Akteure, die unsere Interessen bedrohen. Tausende Tunesier kommen illegal nach Italien, viele von ihnen sind Kriminelle, Terroristen und ehemalige ISIS-Kämpfer. Italien, das aus Afghanistan schwer angeschlagen zurückkommt, muss nun seine nationale Sicherheitsstrategie neu überdenken.

Jenseits der Kritik an den Amerikanern und der heuchlerischen Initiative für eine utopische europäische Armee als Antwort auf das Scheitern der EU halte ich es für notwendig, das Thema in einem geopolitischen Sinne anzugehen, d.h. frei von jeder parteipolitischen Störung und mit einem größeren Sinn für Zweckmäßigkeit, wobei unsere nationalen Interessen im Mittelpunkt stehen.

Welchen Sinn hatte es, in Afghanistan zu sein?

Es ist klar, dass Italien ohne ein wirkliches nationales strategisches Projekt nach Afghanistan gegangen ist, sondern nur durch die Medien und die emotionale Aufregung im Zusammenhang mit den Ereignissen des 11. September 2001 in New York zu einem multinationalen Konzept der Intervention und Krisenbewältigung angetrieben wurde. Im Zusammenhang mit der Dynamik von Konfliktsituationen ist Strategie im weitesten Sinne eine Handlungslogik, d.h. sie befasst sich mit dem menschlichen Handeln unter dem Gesichtspunkt seiner Wirksamkeit. Analysieren wir nun gemeinsam die Präsenz der italienischen Truppen in Afghanistan und fragen wir uns: Was war die Logik unserer Intervention? Was haben wir davon gehabt? Frankreich, Deutschland und Großbritannien mögen etwas davon gehabt haben, aber was ist mit Italien?

Aus rein militärischer Sicht führt der Vergleich mit anderen Streitkräften immer zu Verbesserungen. Aber war es das wert, den Amerikanern 20 Jahre lang zu folgen – mit 54 Toten und Hunderten von Verwundeten? Was haben wir im Gegenzug erhalten? Und 2011 entfesselte Frankreich einen Krieg in Libyen, der unseren strategischen Interessen schadete. Es stimmt, dass jede strategische Entscheidung ein Einzelfall ist und es keine wissenschaftlichen Regeln gibt, die bestimmen, welche Entscheidung am besten geeignet ist, aber eine Strategie zu wählen, ohne darüber nachzudenken, welche Ziele erreicht werden sollen, ist – zumindest – leichtsinnig. Im Krimkrieg schickte Cavour ein Kontingent, nicht weil Russland der Feind war, sondern um das Königreich Sardinien politisch näher an Frankreich heranzuführen und so den Verständigungsprozess zu begünstigen, der 1859 zum zweiten Unabhängigkeitskrieg führte.

Jetzt konzentrieren wir uns auf Libyen

Eine strategische Aktion darf sich nicht in der Durchführung der bewaffneten Konfrontation erschöpfen, sondern betrifft den Einsatz der Ressourcen der Nation, d.h. die politische Nutzung aller Machtfaktoren Italiens, d.h. der diplomatischen, wirtschaftlichen, militärischen, innenpolitischen oder nachrichtendienstlichen Instrumente, d.h. der Gesamtheit der so genannten materiellen, kulturellen, wertvollen und praktischen Kräfte für die Entwicklung und das Wohlergehen des Volkes.

Nachdem wir Afghanistan aufgegeben haben, würde ich angesichts der Situation in Libyen, wo es wichtige nationale strategische Interessen gibt, und der Notwendigkeit, das Phänomen der illegalen Migration einzudämmen, lieber sehen, dass die italienischen strategischen Maßnahmen auf die südlichen Küsten des Mittelmeers ausgerichtet sind. Die Regierung muss die Gesamtstrategie für die Bewältigung dieser Krise (und nicht anderer), den Umfang des Engagements, die bereitzustellenden Ressourcen, den endgültigen Status und die Ziele, die strategischen Aspekte der Kommunikation und die Rollen der verschiedenen Ministerien und anderer Stellen, die an den verschiedenen Phasen der Krise beteiligt sind, darlegen.

Die nationalen Ziele, die im Falle Libyens im Rahmen einer Aktion verfolgt werden, an der internationale Organisationen beteiligt sind, müssen in eine Phase multinationaler Verhandlungen über die Definition der Ziele der Mission, die Modalitäten und Pläne für die Durchführung der Operationen und den Zeitplan des kollektiven Engagements gebracht werden. Wenn wir nicht für Ordnung in den Köpfen unserer politischen Entscheidungsträger sorgen, wird es schwer sein, die lebenswichtigen, strategischen und bedingten Interessen des italienischen Volkes zu verteidigen.

Nicola De Felice
Senior Fellow des Centro Studi Machiavelli. Als Konteradmiral (a.D.) und ehemaliger Kommandant von Zerstörern und Fregatten bekleidete er wichtige diplomatische, finanzielle, technische und strategische Ämter im Verteidigungs- und Marinestab, sowohl im In- als auch im Ausland, zu Wasser und zu Lande, und setzte sich für die Anwendung von Techniken ein, die die italienische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik effizient machen.


4 Gedanken zu „Die bitteren Lehren aus Afghanistan und die zu überprüfende italienische Strategie“
  1. Der Artikel ist sehr realitätsfern. Italien brauchte keine “nationalen” Ziele, sondern war im Rahmen der NATO beteiligt, Diese NATO führte in Afghanistan eben keinen Krieg, sondern versuchte, die Bevölkerung zu schützen. Das konnte nicht funktionieren, Obama verhinderte es. Eine aggressive Kriegsführung gegen Terroristen hätte die Taliban und die anderen Terrorgruppen der Muslimbruderschaft entscheidend getroffen, hätte die ausgedehnten Schlafmohnfelder beseitigt, die den Taliban Milliardengewinne bescheren. Doch Obama hatte dutzende Muslimbrüder von CAIR im Haus, die ihm davon abrieten. Die Auswirkungen sind bis Biden spürbar. Biden hatte den Verteidigern um Ahmad Masoud Unterstützung versprochen. Nichts davon kam. Die Terroristen konnten Teile des Pandjshir-Tales erobern und massakrierten dort hunderte Bewohner, die auf Bidens Konto gehen. – – – Und jetzt? Die Führung der Taliban trifft sich regelmäßig, spielt Regierung. Gibt es keine einsatzfähigen B2-Bomber?

  2. Dann kommt ja noch der Überfall auf die Balkanstaaten dazu, der Hitler zwang, dort Intervenieren zu müssen, weil sein großmäuliger “Verbündeter” Mussolini mit völlig unzureichenden und schlecht ausgerüsteten Kräften sofort ins Hintertreffen geriet. Der Russlandfeldzug musste um zwei Monate verschoben werden aus diesem Grund.

  3. Zunächst sollte Italien doch mal seine Strategie aus dem Abessinienkrieg überprüfen. Dauer vom 3. Oktober 1935 bis zum 27. November 1941, also 6 Jahre. Dann steht da noch die Besetzung von Süd-Tirol anno 1919 auf dem Prüfstand!

    Seit seiner Staatsgründung anno 1861 mischte sich Italien immer völkerrechtswidrig in Kriege ein, die bereits gewonnen waren, oder die man eigentlich praktisch ohne Verluste gewinnen mußte.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Abessinienkrieg

    1. Spruch aus WK II: Der deutsche Landser! Was wünscht er sich? Die Verpflegung der Amerikaner, die Kleidung der Russen – und als Gegner die Italiener………

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