Die Stunde der souve­ränen Völker in Europa: Orbán, Salvini und Morawiecki

Salvini, Morawiecki, Orbán · Foto: El Correo de España

Von José Papparelli

Die große Familie der euro­päi­schen poli­ti­schen Parteien mit patrio­ti­schem, souve­rä­nis­ti­schem und iden­ti­täts­be­zo­genem Charakter ist kein einheit­li­cher Block. Im Euro­päi­schen Parla­ment waren sie bis heute in drei Frak­tionen verstreut und sogar unter­ein­ander uneins: die Euro­päi­sche Volks­partei (EVP), Iden­tität und Demo­kratie (ID) sowie Konser­va­tive und Refor­misten (EKR). Mit dem Austritt der Fidesz-Partei des unga­ri­schen Präsi­denten Viktor Orbán aus der EVP am 3. März dürfte die Land­karte dieses poli­ti­schen Sektors durch den Zusam­men­schluss oder die Bildung einer neuen Frak­tion neu gestaltet werden.

Orbán hat in einem Inter­view im öffent­li­chen Rund­funk seines Landes ange­kün­digt, sich mit dem Führer der Lega, Matteo Salvini, und dem polni­schen Minis­ter­prä­si­denten Mateusz Mora­wi­ecki von der Partei Prawo i Spra­wi­ed­li­wość (Recht und Gerech­tig­keit) treffen zu wollen, um gemeinsam in die gleiche poli­ti­sche Rich­tung zu gehen. Zwei­fellos eine schwie­rige und komplexe Aufgabe, aber eine notwen­dige Heraus­for­de­rung, heute mehr denn je, ange­sichts der allge­meinen Krise im Welt­ge­füge aufgrund der Pandemie und des Vormarschs des globa­lis­ti­schen Projekts.

Um Argen­ti­niens ehema­ligen Staats­chef Juan Domingo Perón zu para­phra­sieren, scheint es, dass dies der Moment der „Stunde der Völker“ sein könnte. Aber die große Frage ist: Wird es möglich sein, dieses Ziel zu errei­chen? Der argen­ti­ni­sche Führer sagte 1953 voraus, dass das Jahr 2000 die Völker vereint oder beherrscht vorfinden wird – ist diese Prophe­zeiung eingetreten?

Salvini und Orbán · Foto: Facebook

Die euro­päi­schen patrio­ti­schen Parteien leiden unter den Nach­wir­kungen der wider­sprüch­li­chen natio­nalen Geschichte, dem Miss­trauen gegen­über alten geopo­li­ti­schen Strei­tig­keiten, konzep­tio­nellen Diffe­renzen über Iden­ti­täten, unter­schied­li­chen Modellen der terri­to­rialen Orga­ni­sa­tion und auch Diver­genzen über die Vision eines souve­ränen Europas. Woran aber kein Zweifel besteht, ist die Dring­lich­keit eines gemein­samen Handelns und einer Eini­gung zur Stär­kung gemein­samer und geteilter Prin­zi­pien und Werte. Diese sind die Vertei­di­gung der Souve­rä­nität der Staaten, die Frei­heit, die Bewah­rung der Iden­tität der Völker und Nationen, die Achtung ihrer Kulturen, das Recht auf Kontrolle der natio­nalen Grenzen, das Ende der ille­galen Einwan­de­rung, die Vertei­di­gung des christ­li­chen Erbes, der Familie und der euro­päi­schen Identität.

Von der EVP ist on dieser Hinsicht nichts zu erwarten, aber von ID und EKR schon. Beide Gruppen haben, abge­sehen von den bereits erwähnten Unter­schieden, eine gemein­same Matrix und gemein­same Gegner, aber auch persön­liche Ambi­tionen, Eifer­sucht, Stolz und Egoismen. Viktor Orbáns Versuch, die Posi­tionen des Sektors zu vereinen, sollte eine Gele­gen­heit sein, sich dem Vormarsch der Globa­listen entschieden entge­gen­zu­stellen und das Projekt eines starken und souve­ränen Europas zu verwirk­li­chen, das sich den pluto­kra­ti­schen Eliten entge­gen­stellt. Ein in seiner Viel­falt geeintes und in seinen Iden­ti­täten gestärktes Europa ist die einzige Formel, die den Erfolg einer uniformen, mate­ria­lis­ti­schen Welt ohne Seele oder Geschichte, ohne Kulturen, Glau­bens­be­kennt­nisse oder Grenzen verhin­dern kann.

Im Moment ist noch nichts abge­schlossen oder defi­niert, und es gibt noch Akteure und Richt­li­nien, die nicht klar formu­liert sind. Was skiz­ziert wurde, ist die Annä­he­rung und Harmonie zwischen den Expo­nenten der einzelnen Frak­tionen, um beim Aufbau eines neuen euro­päi­schen Projekts voran­zu­kommen. Auf der einen Seite gibt es Orbán, den Frak­ti­ons­losen und Unbe­quemen, Salvini, eine Stütze der ID und Mora­wi­ecki von der EKR. Es ist notwendig, die Stra­tegie und Posi­tio­nie­rung zu berück­sich­tigen, die Marine Le Pen von ID und Giorgia Meloni, Präsi­dentin der EKR – der Gruppe, zu der auch die spani­sche VOX gehört – sowie andere wich­tige Prot­ago­nisten wie die AfD, ange­sichts eines­sol­chen poli­ti­schen Schach­zugs einnehmen werden. Wenn keine neue Alter­na­tive geschmiedet wird, wird Orbán ein „großes Spiel“ im Streit außer­halb der EVP betreiben müssen.

Mora­wi­ecki und Orbán

Es ist schwierig, eine Eini­gung zu erzielen und noch schwie­riger, die beiden Frak­tionen rechts von der EVP zu vereinen. Aber es ist unbe­dingt notwendig, alten Groll und Strei­tig­keiten beiseite zu legen, um über die Wieder­her­stel­lung der gefähr­deten euro­päi­schen Iden­tität, das Über­leben der Nationen und das Wohl­ergehen ihrer Menschen nachzudenken.

Es ist Zeit für souve­räne Völker und für ihre Führer, die der Heraus­for­de­rung und dem Antrieb ihres Volkes gewachsen sind. Orbán, Salvini und Mora­wi­ecki können diesen ersten wich­tigen Schritt wagen und ihre Partner, Verbün­deten oder Mitstreiter müssen eine Vision von Größe haben und dabei Vorur­teile und Klein­lich­keit beiseite lassen. Andern­falls wird sich die Prophe­zeiung des alten argen­ti­ni­schen Gene­rals und Poli­ti­kers – nur mit einem kleinen Unter­schied in den Jahren – erfüllen. Und es wäre eine Schande, wenn es so wäre.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei EL CORREO DE ESPAÑA, unserem Partner in der EUROPÄISCHEN MEDIENKOOPERATION.


*) José Pappa­relli stammt aus Buenos Aires, Argen­ti­nien. Er studierte Kommu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaften und Kultur­ma­nage­ment und ist seit 1981 Koor­di­nator des Kultur­pro­gramms der Regie­rung der Stadt Buenos Aires, Dreh­buch­autor und Direktor des Histo­ri­schen Insti­tuts der Stadt und Produ­zent und Radio­mo­de­rator in verschie­denen lokalen UKW- und Fern­seh­sen­dern sowie Heraus­geber verschie­dener Publikationen.


3 Kommentare

    • Im Grunde ist es völlig egal ob es 2 Frak­tionen gibt.
      BEim Abstimmen haben sie die gleiche Anzahl.

      Die PIS ist zwar für Polen gut,forderte aber immer wieder Repa­ra­tionen von Deutschland(weil sie sauer wegen der neuen Pipe­line sind an der sie nichts mehr verdienen)das würde irgend­wann wieder zum Streit führen.Den Rep. bekam Polen schon,dazu noch 1/4 Deutsch­lands was sie anschei­nend vergessen haben.

      • Tja – so weit mir bekannt ist hossen die Pölen die Rössen.

        Die Pölenmöfiö ist auch nicht gerade ohne und als die alle hier nach der Wende herein­strömten, entstand dazu ein Witz: „Das kleine rote Teufel­chen mit dem kleinen roten Köffer­chen reiste von Land zu Land und sagte: Ich bin das kleine rote Teufel­chen mit dem kleinen roten Köffer­chen und ich nehme von Euch jetzt alles mit. – So ging das von Land zu Land. – Dann kam das kleine rote Teufel­chen nach Polen und kaum über die Grenze, als es zu seinem Sprüch­lein ansetzen wollte schrie es entsetzt: 

        „Wo ist mein Köfferchen???“

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