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Dr. Gerhard Papke · Foto: Ailura / Wikipedia, CC BY-SA 3.0

Wir erlauben uns, Ihnen aus aktuellem Anlass die pointierte Stellungnahme des Präsidenten der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland e.V., Dr. Gerhard Papke (vormals Vizepräsident des NRW-Landtags, FDP), zur Kenntnis zu bringen:

Ungarns Veto gegen den EU-Haushalt

Wenn wir heute einen Blick in die deutschsprachigen Medien werfen, werden wir leider wieder einmal mit einer Welle der Empörung über die ungarische Politik konfrontiert. Der Grund: Ungarn hat, gemeinsam mit Polen, sein Veto gegen die Verabschiedung des EU-Haushalts und des Corona-Hilfspakets eingelegt. Vertreter der politischen Linken feuern aus allen Rohren. Wir sollten uns als Freunde Ungarns davon nicht beirren lassen und auf die Sachlage verweisen. Dazu darf ich Ihnen in der gebotenen Kürze drei Hinweise geben:

1. Die Entscheidung Ungarns kommt überhaupt nicht überraschend. Die ungarische Regierung hatte in den letzten Wochen permanent darauf hingewiesen, dass sie einer einseitigen Veränderung der Vereinbarungen der europäischen Staats- und Regierungschefs zu Haushalt und Hilfspaket vom Juli 2020 nicht zustimmen werde.

Vertreter des Europaparlaments haben sich in den letzten Tagen öffentlich dafür gefeiert, in Gesprächen mit der deutschen Ratspräsidentschaft einen verschärften “Rechtsstaatsmechanismus” als eigene Bedingung für die Verabschiedung des Haushalts durchgesetzt zu haben. Sie haben dabei auch kein Geheimnis daraus gemacht, dass dieses neue Instrument genutzt werden solle, um Ungarn und Polen unter Druck zu setzen und auf Linie zu bringen. Dass beide Länder sich dagegen zur Wehr setzen, war zu erwarten.

2. Man muss immer wieder darauf hinweisen, dass der Vertrag über die Europäische Union keine einheitliche, verbindliche Definition von “Rechtsstaatlichkeit” kennt. Schon angesichts der unterschiedlichen Rechtstraditionen in Europa wäre das ein unmögliches Unterfangen. Das leider bald aus der EU ausscheidende Großbritannien, immerhin das Mutterland des Parlamentarismus, verfügt bekanntlich noch nicht einmal über eine geschriebene Verfassung.

Bei einem möglichen Verstoß gegen die Grundwerte der EU kann ein Verfahren nach Art. 7 des Europäischen Vertrages eingeleitet werden. Ansonsten stehen unterschiedliche Rechtswege offen, um zu prüfen, ob ein Mitgliedsland der EU im Einzelfall gegen Gemeinschaftsrecht verstößt.

3. Leider ist zu befürchten, dass ein weitgehender “Rechtsstaatsmechanismus” genutzt würde, um aus Brüssel gegen eine eigenständige Politik in den Nationalstaaten der EU vorzugehen, selbst wenn diese Politik demokratisch eindeutig durch die jeweiligen Völker legitimiert ist.

Geradezu beispielhaft ist ein heutiger Kommentar im SPIEGEL zum Thema Massenzuwanderung: “Auch droht die EU sich lächerlich zu machen, zeigte sie jetzt keine harte Reaktion. Seit Jahren wird Polen und Ungarn damit gedroht, dass sie für ihre Verweigerungshaltung bei der Aufnahme von Flüchtlingen …die Rechnung beim nächsten EU-Mehrjahreshaushalt bekommen. Der liegt nun auf dem Tisch.”

Soll ein Land wie Ungarn, das sich der ungesteuerten Massenzuwanderung nach Europa nachdrücklich widersetzt hat, dafür also künftig mit dem Entzug von Finanzmitteln bestraft werden?

Wir alle sind überzeugte Europäer. Aber wollen wir eine Europäische Union, in der in Brüssel “Rechnungen” für unterschiedliche Überzeugungen der europäischen Völker geschrieben werden? Ich fürchte, dass man auf diese Weise den Zusammenhalt in der EU nicht stärken, sondern weiter gefährlich schwächen würde. Das kann niemand wollen.

Dr. Gerhard Papke
Landtagsvizepräsident NRW a.D.
Präsident der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland e.V.

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