Éric Zemmour: „Wir leben in einer Zeit des zivi­li­sa­to­ri­schen Kampfes zwischen Islam und Christentum“

Der französische Publizist Éric Zemmour · Foto: Attila Kisbenedek

Die Verei­nigten Staaten von Europa sind eine Fata Morgana von Europa-Verrückten, die souve­räne Nationen zerstören, ohne an ihrer Stelle wenigs­tens euro­päi­sche Souve­rä­nität zu schaffen, sagte Éric Zemmour, der in Buda­pest am IV. Demo­gra­fie­gipfel teil­nimmt. Der einwan­de­rungs­feind­liche fran­zö­si­sche Publi­zist liegt gut sechs Monate vor den Präsi­dent­schafts­wahlen bei 11 Prozent Zustim­mung, was bedeutet, dass Millionen für ihn stimmen würden, wenn die Wahlen jetzt statt­fänden. Auch dieses Mal gab Zemmour jedoch nicht bekannt, ob er offi­ziell kandi­dieren wird.

Von László Szőcs

- Auf dem IV. Buda­pester Demo­gra­fie­gipfel sagten Sie, die Ungarn hätten ein gutes Gespür für diese Gefahr. Was meinten Sie damit?

- Das bedeutet, dass die Ungarn eine doppelte poli­ti­sche Erfah­rung haben. Die eine ist auf die isla­mi­sche Beset­zung durch die Osmanen zurück­zu­führen, die andere auf die sowje­ti­sche Herr­schaft, die eine Unter­wer­fung unter ein tota­li­täres Regime bedeu­tete. Mit dieser doppelten Erfah­rung haben die Ungarn eine beson­dere Schärfe, um die Gefahren heraus­zu­fil­tern, die vor uns lauern: die isla­mi­sche Inva­sion und die fort­schritt­liche Ideo­logie, die ein tota­li­täres Regime ist, wenn auch ohne Gulag. Unter der Führung von Viktor Orbán wehren sich die Ungarn gegen beides, und ich denke, das ist kein Zufall. Die Menschen sind durch ihre Geschichte geprägt, und wie sie reagieren, hängt von ihrer Geschichte ab. Der fran­zö­si­sche Intel­lek­tu­elle René Girard schreibt in einem seiner letzten Bücher, Achever Clau­se­witz (Clau­se­witz erfüllen), dass wir heute in eine Zeit eintreten müssen, in der wir Karl Martel und den Kreuz­rit­tern näher stehen als der Fran­zö­si­schen Revo­lu­tion und den Folgen der Indus­tria­li­sie­rung des Zweiten Kaiser­reichs. Wir leben heute in einem Zeit­alter des Islam und des Chris­ten­tums, des zivi­li­sa­to­ri­schen Kampfes zwischen Ost und West. Dieser Kampf hat nie aufge­hört. Und eines der grund­le­genden Elemente ist die Demografie.

- Inwie­weit?

- In dem Sinne, dass der Westen, auch Sie seit dem Fall der Berliner Mauer, einem anderen Phänomen unter­worfen ist, der Dekon­struk­tion. Seit den 1960er Jahren haben unsere Intel­li­genz, unsere Eliten, unsere Univer­si­täten nach ameri­ka­ni­schem Vorbild das über­nommen, worüber Allan Bloom vor langer Zeit so treff­lich geschrieben hat: die Haltung der Dekon­struk­tion, der Ableh­nung. Man hat uns einge­impft, dass wir schuldig sind. Schuldig an der Skla­verei, schuldig am Zweiten Welt­krieg, schuldig an der Ausrot­tung der Juden, schuldig am Kolo­nia­lismus, schuldig an der Unter­drü­ckung von Frauen, Kindern, Schwarzen, Muslimen. Für alles. Und um die Abso­lu­tion für diese Verbre­chen zu erhalten, sind wir zu allem fähig, auch zur Zerstö­rung unserer eigenen Zivi­li­sa­tion. Aber die Länder Osteu­ropas sind davon ausge­nommen, weil sie Opfer waren, Opfer des Kommu­nismus und der Sowjet­union, und das – welch histo­ri­sches Para­doxon – quali­fi­ziert sie und befreit sie von der Notwen­dig­keit, sich von diesen Verbre­chen frei­zu­spre­chen. Manchmal hat die Geschichte so amüsante, tragi­sche und selt­same Wendungen. Aber worum geht es bei der Dekon­struk­tion eigent­lich? Zuerst wird die Nation, dann die Familie, dann die väter­liche Rolle, der Mensch selbst und das biolo­gi­sche Geschlecht dekon­stru­iert. Darüber habe ich vor sieben Jahren in meinem Buch Suicide fran­çais geschrieben: Auf die Dekon­struk­tion folgt der Spott, dann die Zerstö­rung. Auch der Islam ist mit der Zerstö­rung der Nation, der Familie und des Indi­vi­duums verbündet und nutzt unsere Schwäche aus, um seine eigenen Normen durch­zu­setzen. Was drückt zum Beispiel das Kopf­tuch der Muslima aus? Dass sie unsere Straßen isla­mi­sieren, dass ihnen der öffent­liche Raum gehört.

- Sie wurden in Buda­pest von Minis­ter­prä­si­dent Viktor Orbán empfangen. Worüber haben sie gesprochen?

- Die glei­chen Dinge. Und ich glaube, er versteht sie perfekt, den zivi­li­sa­to­ri­schen Kampf zwischen West und Ost, Nord und Süd. Er vertei­digt sein Volk, er hat den Grenz­zaun gebaut, und er vertei­digt sich auch gegen die Dekon­struk­tion, gegen George Soros und die LGBTQ-Lobby. Heute geht es um den Kampf an beiden Fronten. Auch für mich war die Erfah­rung, die er teilte, lehrreich.

- Für die unga­ri­sche Führung ist es eindeutig wichtig, sich mit der fran­zö­si­schen Rechten ausein­an­der­zu­setzen. Die ehema­lige Euro­pa­ab­ge­ord­nete Marion Maré­chal, Enkelin von Jean-Marie Le Pen, war eben­falls zu Gast auf dem Gipfel.

- Aber die fran­zö­si­sche Rechte ist heute nicht rechts – zumin­dest nicht, was die Führer der Repu­bli­kaner, die LR, betrifft. Die fran­zö­si­sche Rechte hat sich der Linken unter­ge­ordnet und kann besten­falls als zentris­tisch bezeichnet werden. Sie könnten sich genauso gut hinter Emma­nuel Macron stellen, denn sie teilen die glei­chen Ansichten wie der Präsident.

- Sie kehren nun nach Frank­reich zurück. Werden Sie endlich ankün­digen, dass Sie für das Präsi­den­tenamt kandi­dieren werden?

- Wir werden sehen.

- Ihrem neuen Buch und ihren Auftritten in den Medien nach zu urteilen, bereiten Sie sich auf etwas vor.

- Die Vorbe­rei­tungen geben mir die Möglich­keit, den Fran­zosen meine Ideen vorzu­stellen. Obwohl ich kein offi­zi­eller Kandidat bin, bin ich der einzige, dessen Ruf sich verbes­sert. Alle anderen stagnieren oder befinden sich im Nieder­gang. Die Popu­la­rität von Marine Le Pen ist inner­halb von sechs Monaten um zehn Prozent­punkte gesunken, von 28 % auf 18 %. Von Macrons Heraus­for­de­rern liegt Xavier Bert­rand bei 14–15%, Valérie Pécresse stagniert. Sie haben keine Dynamik. Ich bin der Einzige. Natür­lich ist die Zeit auch für mich knapp, ich werde meine Entschei­dung bald bekannt geben.

- Sie haben eine Zustim­mungs­rate von 11 %. Wie glauben Sie, dass Sie gewinnen können?

- In der Politik geht es nicht um Arith­metik, sondern um Dynamik. Ich habe mit drei Prozent ange­fangen, dann habe ich fünf, sieben, acht, zehn und schließ­lich elf bekommen. Und zwar ziem­lich schnell. Wir werden sehen.

- Neulich haben Sie mit Jean-Luc Mélen­chon debat­tiert, dem Kandi­daten der radi­kalen Linken. Was würden Sie zu Macron sagen, wenn er Ihnen gegen­über­sitzen würde, etwa vor der zweiten, entschei­denden Runde im nächsten Früh­jahr? Wo hat der Präsi­dent Ihrer Meinung nach einen Fehler gemacht?

- Ich glaube nicht, dass er die Heraus­for­de­rung für die Exis­tenz des Landes verstanden hat. Obwohl er ein junger Mann ist, ist er in seinem Kopf alt. Es ist, als würde er in den 1970er Jahren leben, ein Zeit­ge­nosse von Valéry Giscard d’Es­taing und Michel Rocard. Er ist der Meinung, dass die Wirt­schaft heute die größte Bruch­linie darstellt. Aber es geht um Zivi­li­sa­tion, Iden­tität, das Schicksal der Nation. Er versteht nicht, was René Girard gesagt hat. Es geht ihm darum, ob wir zwei Prozent des BIP für dieses oder jenes ausgeben sollten. Ich will damit nicht sagen, dass das nicht wichtig ist, aber die andere Seite der Skala ist der Nieder­gang und das Verschwinden Frank­reichs. Es ist nicht dasselbe – es geht um Leben und Tod.

- Ich habe gerade gesehen, dass Sie ein sehr freund­schaft­li­ches Verhältnis zu Marion Maré­chal haben. Kann man das auch von Ihrer Tante Marine Le Pen sagen, Ihrer Rivalin auf der rechten Seite?

- Ich mag Marion sehr. Zu ihrer Tante habe ich ein weniger inniges Verhältnis.

- Was sind die Haupt­un­ter­schiede zwischen Ihnen beiden in der Politik?

- Le Pen hat sich der poli­ti­schen Mitte zuge­wandt, was ich für einen takti­schen und stra­te­gi­schen Fehler halte. Aber 70 % der Fran­zosen stimmen dem zu, was ich über den Islam sage.

- Viele Menschen spre­chen immer noch über die Fern­seh­de­batte von 2017, bei der Le Pen von Macron besiegt wurde. Aber als Publi­zist lebt man von Debatten. Halten Sie sich für einen besseren Debattierer?

- Das ist das andere Problem mit ihm. In der Debatte hat er seine eigenen Wähler gede­mü­tigt. Ich debat­tiere gerne, aber nicht um des Debat­tie­rens willen: Ich vertei­dige meine Ideen.

- Und würden Sie Macron besiegen?

- Alles ist möglich.

- Was steht bei den fran­zö­si­schen Präsi­dent­schafts­wahlen für eine gespal­tene Euro­päi­sche Union auf dem Spiel, die unter einer Werte­krise leidet?

- Ich habe mit Viktor Orbán darüber gespro­chen und wir waren uns völlig einig. Wir müssen darauf drängen, dass die Euro­päi­sche Kommis­sion zu ihrer ursprüng­li­chen Aufgabe der Verwal­tung des gemein­samen Marktes zurück­kehrt. Gleich­zeitig sollte sie aufhören, den Mitglied­staaten die Ideen einer „fort­schritt­li­chen“ Minder­heit aufzu­zwingen und zu versu­chen, mit der Kompli­zen­schaft der großen Akteure, Deutsch­land und Frank­reich, überall mitzu­reden. Wir müssen die von unseren Eliten und von Macron vertre­tene Auffas­sung aufgeben, dass unsere Zukunft in den Verei­nigten Staaten von Europa liegt. Wir sind nicht Texas oder Wyoming. Das alles ist eine Fata Morgana von Europa-Verrückten, die souve­räne Nationen zerstören, ohne an ihrer Stelle wenigs­tens euro­päi­sche Souve­rä­nität zu schaffen. Es ist ein Mythos, eine Utopie. Die Deut­schen und die Polen zum Beispiel wollen keine eigen­stän­dige euro­päi­sche Vertei­di­gungs­po­litik, sie stellen sich immer hinter die Verei­nigten Staaten. Auch Macron wird nicht errei­chen können, was Charles de Gaulle mit seinem Messer ange­richtet hat. Mit anderen Worten: Der Gemein­same Markt muss der Euro­päi­schen Kommis­sion über­lassen werden, und alles andere – einschließ­lich der Einwan­de­rungs­po­litik und der Befug­nisse zur Grenz­kon­trolle – den souve­ränen Natio­nal­staaten, den Menschen.

- Dies ist jedoch ohne Maßnahmen der großen Mitglied­staaten nicht möglich…

- Ganz genau. Sie müssen die Euro­päi­sche Kommis­sion zwingen, dies zu tun. Wie Jacques Chirac sagte, kann Brüssel allein nicht einmal einen Krieg erklären. Stalin fragte einmal, wie viele Divi­sionen der Papst habe.

Quelle: Magyar Nemzet


7 Kommentare

  1. „Wir leben in einer Zeit des zivi­li­sa­to­ri­schen Kampfes zwischen Islam und Christentum““

    Einen Sch*dr* leben wir !! Das Szenario wurde künst­lich herbei­ge­führt. Um sagen zu können: „Wir leben in einer Zeit des zivi­li­sa­to­ri­schen Kampfes zwischen Islam und Christentum““

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  2. Unsinn. Wer bitte kämpft denn hier? Prak­tisch keiner. Die Masse, die „Mündigen Bürger“, die guten Demo­kraten, haben sich schon vor Jahr­zehnten auf den Bauch gerollt vor dem Islam und unter­drü­cken mit ihren „rechts„staatlichen Mitteln jeden, der da nicht mitmacht. 

    Der Islam hatte schon in den 60ern / 70ern gewonnen, denn damals wäre der Kampf nötig gewesen.

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    • So isses – auch hier krie­chen unsere Eigenen denen förm­lich in den Aller­wer­testen und wehe jemand kriti­siert das auch nur ansatz­weise, dann wird er von den Eigenen „pöli­tisch körrekt“ diskre­di­tiert und angegriffen.

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    • Vor allem aber scheint niemand zu kapieren, daß es sich beim Islam nicht um eine Reli­gion, sondern um eine poli­ti­sche Orga­ni­sa­tion handelt.

      • Genau wie bei „unserer“ Kirche im Vatikan. Der Islam ist sozu­sagen der Bruder des Chris­ten­tums. Hervor­ge­gangen aus dem Byzan­ti­ni­schen Reich, also Ostrom. Es entstand nach der soge­nannten Reichs­tei­lung von 395 aus der östli­chen Hälfte des Römi­schen Reiches. Als der Druck der Bevöl­ke­rung gegen das christ­liche Reich zu groß wurde, tat man mit Ostrom dasselbe, das man zuvor mit Westrom getan hatte: Man wandelte das Kaiser­reich um in eine Reli­gion: Der Islam war geboren. Zuvor hatten Christen und Juden versucht, eine Eini­gung inner­halb der bestehenden Reli­gi­ons­karte zu errei­chen. Dieser Versuch schei­terte, so dass man in eine dritte Reli­gion auswich. 

        Alberto Rivera – Katho­li­sche Kirche erschuf Islam
        www.youtube.com/watch?v=fM9ur2ieTUg

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    • So isses – auch hier krie­chen unsere Eigenen denen förm­lich in den Aller­wer­testen und wehe jemand kriti­siert das auch nur ansatz­weise, dann wird er von den Eigenen „pöli­tisch körrekt“ diskre­di­tiert und ange­griffen von den eigenen Landsleuten.

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