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Von Paul Tormenen

Inmitten der Coronavirus-Pandemie blieben gewisse Informationen fast unbemerkt: Die verschiedenen europäischen Regierungen gaben am 24. März grünes Licht, um den Beitrittsprozess Albaniens und Nordmazedoniens zur Europäischen Union wieder in Gang zu bringen. Das Veto, das Frankreich gegen diese Kandidaturen bisher eingelegt hatte, wurde von Präsident Macron wieder zurückgezogen, obwohl er dafür nur geringe Zugeständnisse erhalten hatte. Diese mögliche Erweiterung der Europäischen Union bringt jedoch mehrere Probleme mit sich, die offenbar weitgehend übersehen wurden.

Wir widmen diesem Thema zwei Artikel, von denen der erste die Geschichte des Beitrittsprozesses Albaniens zur Europäischen Union nachzeichnet und der zweite drei Hauptproblemkreise im Zusammenhang mit der Entscheidung der Europäischen Union beschreibt.

Bei der kontinuierlichen Erweiterung der Europäischen Union auf neue Länder verdient der Fall Albanien besondere Aufmerksamkeit. Die Wiederaufnahme des Beitrittsprozesses dieses Landes zur Europäischen Union ist de facto ein Glücksspiel, das sehr gefährliche Folgen nach sich ziehen kann.

Albaniens Kandidatur für die Europäische Union

Albanien beantragte zunächst 2009 den Beitritt zur Europäischen Union (1). Seit diesem Schritt wurden mehrere Phasen des Beitrittsprozesses durchlaufen.

Während der Wahlkampagne der Abgeordneten im Mai 2019 erklärte die Vorsitzende der [2016 von Emmanuel Macron im Vorfeld seiner erfolgreichen Kandidatur für die französischen Präsidentschaftswahlen gegründeten] Liste “La République En Marche!” (LREM), Nathalie Loiseau, dass sie die Erweiterung der Europäischen Union auf Albanien und Nordmazedonien blockieren werde. Sie machte dies zu einem ihrer Kampagnenargumente (2) und mokierte sich über den Republikaner Laurent Wauquiez, der seine Position gegenüber zwei anderen Erweiterungskandidaten, Serbien und Montenegro, eben geändert hatte: “Er glaubt wohl, dass die Leute kein Erinnerungsvermögen haben.” (3)

Das französische Veto

In Übereinstimmung mit dieser Position haben vier Länder, darunter Frankreich, bei einem Treffen der Außenminister in Luxemburg am 15. Oktober 2019 ihr Veto gegen die Aufnahme von Verhandlungen über den Beitritt Albaniens und Nordmazedoniens zur Europäischen Union eingelegt (4).

Der französische Präsident Emmanuel Macron erklärte dem Europäischen Rat die Gründe für seine Ablehnung des Beitritts Albaniens zur Europäischen Union folgendermaßen:

“Wie soll ich meinen Mitbürgern erklären, dass Albanien das Land ist, dessen Bürger am zweitmeisten Asyl in Frankreich beantragen, aber dass dort alles so gut läuft, dass wir Verhandlungen aufnehmen werden, um Albanien in die Europäische Union bringen? Wenn ich nicht weiß, wie ich es den Leuten erklären soll, habe ich damit ein Problem.“ (5).

Fünf Monate später führte die Änderung bestimmter Bedingungen für den Beitritt Albaniens und Nordmazedoniens zur EU seitens der Europäischen Kommission zum Aufweichen der ablehnenden Haltung Frankreichs und anderer Länder, die ihr Veto eingelegt hatten. Am 24. März 2020 beschlossen Vertreter der verschiedenen europäischen Länder einstimmig, Verhandlungen über den Beitritt dieser beiden Länder zur Europäischen Union aufzunehmen (6).

Die jüngste Umkehrung der französischen Regierung zeigt, dass offenbar alle von der Liste “La République En Marche!” der Meinung sind, dass die Franzosen kein Erinnerungsvermögen haben.

Die Gründe für die Trendwende

Das Abkommen, das den Neustart des Beitrittsprozesses Albaniens zur EU ermöglicht, umfasst mehrere von der Regierung Macrons zu ergreifende Maßnahmen (7). Diese basieren insbesondere auf einem Bericht der Europäischen Kommission vom Mai 2019, der eine Aktualisierung der im Land durchgeführten Reformen enthält und deren Vertiefung fordert (8). Diese Reformen betreffen unter anderem die transparente Finanzierung des politischen Lebens, die Reform des Justizsystems und den Aufbau spezialisierter Strukturen zur Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität.

Das Beitrittsverfahren beinhaltet auch neue Bedingungen wie die Umkehrbarkeit und die Möglichkeit, die Verhandlungen mit einem Bewerberland einzustellen. Wie wir jedoch sehen werden, schränken diese wenigen Zugeständnisse bestimmte Aspekte dieser möglichen weiteren Erweiterung der Europäischen Union nicht unwesentlich ein.

Ein unglücklicher Präzedenzfall

Albaniens EU-Beitrittsprozess wurde somit dank einiger Zugeständnisse an jene Länder wiederbelebt, die sich bisher gegen einen Beitritt ausgesprochen hatten. In diesem Kontext ist es nützlich, an die Fähigkeit der Nomenklatura der europäischen Institutionen zu erinnern, bestimmte Realitäten einfach zu ignorieren, um neue Länder für die glänzende Zukunft des großen Marktes zu gewinnen.

Im Jahr 2001 begrüßte die Europäische Union die “bewundernswerten und bemerkenswerten” Bemühungen der griechischen Regierung in Haushaltsfragen, die es diesem Land ermöglichten, der Eurozone beizutreten. In ihrem Bestreben, die EU zu vergrößern, ignorierten die europäischen Institutionen die Tatsache, dass die Konten der öffentlichen Finanz Griechenlands frisiert wurden, insbesondere durch die Handelsbank Goldman Sachs (9). Einige Jahre später wurden diese Unterschleife endlich enttarnt, als das Land kurz vor dem Bankrott stand. Die griechische Regierung wurde darauf veranlasst, die Europäische Zentralbank um Finanzierung zu bitten, um einen Zahlungsausfall zu vermeiden.

Auf welches Niveau werden die europäischen Bürokraten die Latte für den Beitritt Albaniens zur Europäischen Union legen? Einige kontextbezogene Elemente können dazu dienen, um das Ausmaß der Probleme zu messen. Sie werden Gegenstand eines zweiten Artikels zu diesem Thema sein.

Anmerkungen

(1) “Kandidatenländer für die EU-Mitgliedschaft”, Europäischer Rat, 2014

(2) « Quel programme pour l’Europe ? Les réponses de Nathalie Loiseau, tête de liste de LREM » [“Welches Programm für Europa? Antworten von Nathalie Loiseau, Vorsitzende der LREM-Liste”], Marianne, 9. Mai 2019

(3) Interview mit Nathalie Loiseau auf RTL am 22. Mai 2019

(4) « Paris bloque l’adhésion de la Macédoine du nord et de l’Albanie » [“Paris blockiert den Beitritt Nordmazedoniens und Albaniens”], Les Échos, 15. Oktober 2019

(5) « Élargissement de l’UE : Macron fait attendre l’Albanie et la Macédoine » [“EU-Erweiterung: Macron lässt Albanien und Mazedonien warten”], Le Point, 18. Oktober 2019

(6) « L’UE accepte d’engager les négociations d’élargissement avec la Macédoine et l’Albanie » [“Die EU erklärt sich bereit, Erweiterungsverhandlungen mit Mazedonien und Albanien aufzunehmen”], Euractiv, 25. März 2020

(7) “Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zur Erweiterung und zum Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess. Republik Nordmazedonien und Republik Albanien”, Rat der Europäischen Union, 25. März 2020

(8) „Arbeitsdokument der Kommissionsmitarbeiter. Bericht Albanien 2019″, Europäische Kommission, 25. Mai 2019

(9) « Comment la Grèce a maquillé ses comptes depuis 1997 » [“Wie Griechenland seit 1997 seine Konten frisiert hat”], Le Figaro, 7. September 2015

Dieser Artikel erschien zuerst in französischer Sprache bei EuroLibertés: http://eurolibertes.com/geopolitique/elargissement-de-lunion-europeenne-fuite-continue-1/

 

3 Gedanken zu „Erweiterung der Europäischen Union: Die Flucht nach vorne geht weiter (1)“
  1. Die EU ist und bleibt eine Totgeburt.
    Ein Parlament das nur zuschauen darf.
    Eine Währung die für die meisten in der EU “integrierten” Volkswirtschaften
    vollkommen unpassend ist.
    Aus dieser massiven Inkompatibilität resultieren die gigantischen Schuldenberge.
    Das sog. Friedensprojekt belügt sich selbst.
    Die EU-Staaten waren noch nie mehr zerstritten als derzeit.
    Die EU ist geteilt in Geberländer und Nehmerländer .
    Die EU ist eine riesige Geldverbrennungsmaschine.
    Diese EU hat jetzt auch eine passende Präsidentin : Ursula von den Laien !

  2. Albanien und Nordmazedonien sind doch ebenfalls teilmuslimische Staaten. Einmal in der Union, können diese dann jedem zureisenden Muslim Ausweisdokumente übergeben, die diese dann gemäß Dublin 3 (4 demnächst) zur Niederlassung in allen EU-Staaten berechtigt. Das war wohl auch der Grund, warum Soros in den letzten Jahren
    die Werbetrommel für den EU-Beitritt dort geschlagen hat. Diese charakterlose Unperson der Profitgier versucht alles, um vor seinem Ableben das weiße Europa zu zerstören.
    Hat er nicht letztes Jahr dort T-Shirts mit seinem Namen und dem von Open Society an Studenten und linke Jugendliche verteilen lassen ?

  3. Ich hatte eine Studienreise in Albanien unternommen. Das Land ist überhaupt nicht reif, in die EU einzutreten. Die Verhältnisse dort sind sehr fragwürdig. Man könnte mit Fug und Recht behaupten, das Albanien einem Drittweltland näher steht als der EU. Ein Assoziierungsabkommen oder Ähnliches würde diesem Land und der EU einen besseren Dienst leisten. Ich glaube, dass die albanische Seite vor allem das Geld der EU – unser Steuergeld – im Auge hat und sie überhaupt nicht interessiert, was mit ihren am Rande der Existenz lebenden albanischen Bauern und anderen Gewerken passieren wird, wenn sie in der EU sind. Es ist ein Verbrechen an den normalen außerstädtischen Bewohnern Albaniens.

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