EXKLUSIV-Inter­view mit Hans-Georg Maaßen: „Raus aus der Defensive!“

mde

Mitte Oktober war der ehema­lige Präsi­dent des deut­schen „Bundes­amtes für Verfas­sungs­schutzes“ (2012–2018) Hans-Georg Maaßen zu Besuch in Ungarn. Im Rahmen dieses Besuchs unter­hielten wir uns mit ihm über seine in Ungarn gewon­nenen Eindrücke, die Zukunft der CDU sowie den im Westen immer mehr um sich grei­fenden Wokismus.
 

Frage: Welche Eindrücke haben Sie bei Ihren Gesprä­chen in Ungarn gewonnen?

Die Ungarn trotzen linker Ideo­lo­gi­sie­rung

Hans-Georg Maaßen: Ich bin immer wieder gern in Ungarn. Ich mag das Land, seine Geschichte und die boden­stän­dige, realis­ti­sche und tradi­ti­ons­be­wusste Art, wie die Ungarn leben. Heute noch mehr als vor Jahren, weil ich den Eindruck habe, dass die Ungarn im Unter­schied zu den Bürgern der meisten anderen EU-Staaten der linken Ideo­lo­gi­sie­rung und Fana­ti­sie­rung trotzen. Die Ungarn sind in sich gefes­tigter und ruhiger als der große Rest der Euro­päer – das war für mich ganz eindeutig wahr­zu­nehmen. Man hat die histo­ri­sche Erfah­rung der Fremd­be­stimmt­heit gemacht und ist deshalb sehr darauf bedacht, seine eigenen Ansichten und Lebens­weisen selbst­be­wusst zu vertreten. Man lässt sich von Brüssel, Berlin oder Paris nicht vorschreiben, wie man in Ungarn zu leben hat und wie man seine Kinder erziehen soll. Das ist eigent­lich selbst­ver­ständ­lich, aber in einer Zeit, in der die links­extreme Woke-Ideo­logie Brüssel und Berlin immer mehr beherrscht, ist es mutig, denn die Anhänger dieser Ideo­logie haben keine Skrupel, Ungarn unter Druck zu setzen, der ideo­lo­gi­schen Linie zu folgen. Für mich ist eine Reise nach Ungarn eine Reise in die Norma­lität, wo ich nicht gezwungen werde zu glauben, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt, und wo ich als weißer deut­scher Mann nicht diskri­mi­niert und diffa­miert werde.

Sie können also nach­voll­ziehen, dass immer mehr Deut­sche nach Ungarn auswandern?

Hans-Georg Maaßen: Natür­lich. Im vergan­genen Jahr sind insge­samt schät­zungs­weise 150.000 Deut­sche ausge­wan­dert, weil sie die poli­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Verhält­nisse in Deutsch­land als repressiv empfinden und diese nicht mehr sich selbst und ihren Kindern zumuten wollen. Es sind über­wie­gend hoch­qua­li­fi­zierte oder wohl­ha­bende Menschen oder poli­ti­sche Dissi­denten. Ich schätze, dass sich derzeit mehrere Millionen Deut­sche mit dem Gedanken beschäf­tigen, auszu­wan­dern oder zeit­weise das Land zu verlassen. In meinem Freundes- und Bekann­ten­kreis suchen viele nach einem Wohn­sitz in einem poli­tisch sicheren Land, weil sich die wirt­schaft­liche und menschen­recht­liche Situa­tion in Deutsch­land weiter verschlech­tern kann. Ein Land, in dem man bestraft wird oder Repres­sionen erleidet, wenn man erklärt, es gebe nur zwei Geschlechter und nicht drei oder zwanzig, ein Land, in dem deut­sche Kinder nicht mit einem Wurst­brot in den Kinder­garten gehen dürfen, weil sich musli­mi­sche oder vegan erzo­gene Kinder gekränkt fühlen könnten, wenn ein anderes Kind Wurst isst, ein solches Land hat sich weit vom libe­ralen Geist des Bonner Grund­ge­setzes entfernt. Viele Deut­sche wollen diesen Irrsinn nicht mitma­chen. Haupt­themen unter den Wegzugs­wil­ligen sind: Wo kann ich eini­ger­maßen sicher und normal leben und wie verhin­dere ich die Wegzugs­be­steue­rung. Ungarn ist für viele wegzugs­wil­lige Deut­sche auf Grund der stabilen Politik der unga­ri­schen Regie­rung, der geogra­phi­schen und kultu­rellen Nähe zu Deutsch­land und des hohen Lebens­stan­dards ein inter­es­santes Exil­land. Ich denke, Ungarn profi­tiert davon, dass diese Leute ihre Quali­fi­ka­tion und ihr Geld mitbringen werden. Nach Deutsch­land wandern dagegen vorrangig minder­qua­li­fi­zierte Asyl­be­werber aus musli­mi­schen Ländern, deren kultu­relle Passung und gesell­schaft­li­cher Mehr­wert mehr als in Frage steht.

Die von Ihnen geschil­derte Situa­tion in Deutsch­land ist ja völlig anders, als wir sie in den 1990er Jahren unter Helmut Kohl erlebten. Deutsch­land war damals für die meisten Ungarn ein großes Vorbild. Haben Sie den Eindruck, dass die Ungarn heute ein realis­ti­sches Bild von der Situa­tion in Deutsch­land haben?

Hans-Georg Maaßen: Ja und nein. Als ich Premier Orbán im Oktober in einem Pres­se­ge­spräch in Berlin erlebte und sein Inter­view mit der Buda­pester Zeitung las, hatte ich den Eindruck, dass er sieht, was in Deutsch­land vorgeht. Den Eindruck habe ich auch bei einigen Deutsch­land­ken­nern in der Regie­rung. Bei anderen unga­ri­schen Gesprächs­part­nern hatte ich dagegen den Eindruck, dass sie zwar Fehler und Fehl­ent­wick­lungen in der deut­schen Politik sehen, aber noch nicht die Gefähr­lich­keit der grün-woken Ideo­logie begriffen haben, die einen Angriff auf die bürger­liche Gesell­schaft, die libe­ralen Frei­heiten und die Demo­kratie darstellt und die im Endergebnis Deutsch­land und die EU in den Abgrund stoßen wird.

Wie könnten die deutsch-unga­ri­schen Bezie­hungen unter den gege­benen Umständen verbes­sert werden?

„Deutsch­land und die EU-Kommis­sion zwingen andere EU-Staaten dazu, nach der grün-woken Ideo­logie zu leben.“

Hans-Georg Maaßen: Solange Deutsch­land und die EU-Kommis­sion für sich das Recht in Anspruch nehmen, andere EU-Staaten dazu zwingen zu können, nach der grün-woken Ideo­logie zu leben, sehe ich keine Chancen für eine Verbes­se­rung. Aber die deut­schen Insti­tu­tionen sind nicht Deutsch­land und auch nicht das deut­sche Volk. Es ist groß­artig, wie viele Menschen sich zum Beispiel in der Deutsch-Unga­ri­schen Gesell­schaft (DUG) enga­gieren und wie eng und gut die wirt­schaft­liche und kultu­relle Zusam­men­ar­beit ist. Ungarn sollte sich auch vor Augen führen, dass es unglaub­lich viele Deut­sche gibt, die die klare konser­va­tive und reali­täts­be­zo­gene Politik von Minis­ter­prä­si­dent Orbán bewun­dern und sich eine stär­kere Rolle Ungarns in Europa beim Kampf gegen die grün‑woke Ideo­logie wünschen. Manche halten Ungarn gar für einen poli­ti­schen Leucht­turm in einem Meer des poli­ti­schen Wahns und der Reali­täts­ver­leug­nung. Ungarn sollte – wenn ich diese Empfeh­lung geben darf – in der EU durchaus selbst­be­wusster auftreten. Ich nehme wahr, dass Minis­ter­prä­si­dent Orbán und die unga­ri­sche Regie­rung auf EU-Ebene in ähnli­cher Weise diffa­miert, diskre­di­tiert und ausge­grenzt werden, wie poli­tisch Anders­den­kende, die offen die Wahr­heit ausspre­chen, bei uns. Es ist poli­ti­sche Feind­be­kämp­fung, die betrieben wird, und die hat nichts mit dem Grund­ge­danken einer frei­heit­li­chen Demo­kratie und eines frei­heit­li­chen Europas zu tun, sondern es sind Tech­niken der poli­ti­schen Linken, um unlieb­same Personen oder poli­ti­sche Posi­tionen mundtot zu machen. Momentan ist die unga­ri­sche Regie­rung in meinen Augen noch zu sehr in der Defen­sive. Mit einer klas­si­schen, konser­va­tiven Kohl-CDU und Stoiber-CSU gäbe es die Frik­tionen zwischen der Union und dem Fidesz vermut­lich nicht. Wie bekommen die tonan­ge­benden CDU-ler und CSU-ler das Kunst­stück fertig, indem sie gegen den Fidesz kämpfen, quasi gegen ihre eigene poli­ti­sche Vergan­gen­heit zu oppo­nieren? Minis­ter­prä­si­dent Orbán hatte zutref­fend fest­ge­stellt, dass die CDU heute eine linke Partei ist. Ähnli­ches lässt sich über die CSU sagen. Frau Merkel, die nie eine Konser­va­tive war, war das Kunst­stück gelungen, aus der ehemals konser­va­tiven CDU eine linke Partei zu machen, indem sie perso­nelle Schlüs­sel­po­si­tionen in der CDU mit poli­ti­schen Linken oder Oppor­tu­nisten besetzte und die CDU dann program­ma­tisch an die Grünen heran­führte. Viele Mitglieder haben deshalb die Partei verlassen. Für die Funk­tio­näre ist der Fidesz keine Wieder­be­geg­nung mit der Vergan­gen­heit der CDU, weil es nicht ihre persön­liche Vergan­gen­heit ist, die schon immer links war.

Wie bewerten Sie momentan die Chancen dafür, dass aus der CDU noch einmal eine vernünf­tige konser­va­tive Kraft wird? (… die dann natür­lich auch wieder ein starker Bünd­nis­partner der unga­ri­schen Regie­rungs­partei Fidesz sein könnte.)

Es braucht eine Ent-Merke­li­sie­rung der CDU

Hans-Georg Maaßen: Dafür müsste es eine perso­nelle und program­ma­ti­sche Ent-Merke­li­sie­rung der CDU geben, die Voraus­set­zung für einen Neuan­fang der CDU ist. Erst dann wäre die CDU für Teile des Bürger­tums wieder wählbar. Die CDU hatte durch Merkel den Anschluss an weite Teile des Bürger­tums verloren. Ob es dazu kommen wird, ist unge­wiss, zumal der derzei­tige Partei­vor­sit­zende Merz keinen Kurs­wechsel betreibt.

Die CDU-Führung hat sich inzwi­schen voll­ständig den Wünschen der links­grünen Main­stream-Medien unter­worfen. Wie sieht es jedoch an der CDU-Basis aus?

Hans-Georg Maaßen: Obwohl viele Mitglieder in den letzten Jahren die CDU verlassen haben, weil sie mit der linken Politik der CDU nicht einver­standen sind, denken viele Mitglieder an der CDU-Basis immer noch in weiten Teilen real­po­li­tisch, liberal und konser­vativ. Die Wahl von Merz zum Partei­vor­sit­zenden beruhte auf der Hoff­nung dieser Mitglieder, dass es durch ihn zu einer Poli­tik­wende kommt. Leider hat er diese Hoff­nung bisher enttäuscht.

Warum lassen sich die an der Basis demnach noch vorhan­denen konser­va­tiven Elemente das alles bieten? Also eine links­grüne Führung, die die Viel­falt an der Basis keines­falls mehr abbildet.

Umwand­lung der CDU in eine sozia­lis­ti­sche Partei

Hans-Georg Maaßen: Es gibt und gab Wider­stand gegen die Umwand­lung der CDU in eine sozia­lis­ti­sche Partei. So haben sich Mitglieder von CDU und CSU zur „Werte­Union“ zusam­men­ge­schlossen, in vielen Landes­ver­bänden sind konser­va­tive Gruppen gegründet worden, und konser­va­tive Funk­ti­ons­träger finden sich im Berliner Kreis zusammen. Aller­dings wird es diesen Gruppen fast unmög­lich gemacht, auf die Politik einzu­wirken, da inner­halb der Partei durch die Partei­füh­rung eine rück­sichts­lose Diffa­mie­rungs- und Ausgren­zungs­po­litik gegen­über den Konser­va­tiven statt­findet. Als Mitglied der „Werte­Union“ hat man so gut wie keine Chance, ein poli­ti­sches Mandat zu erhalten. Diese Leute werden wie Rechts­extre­misten behan­delt und teil­weise auch offen so diffa­miert. Funk­ti­ons­träger, bei denen bekannt würde, dass sie Mitglied des „Berliner Kreises“ oder der „Werte­Union“ sind, müssen damit rechnen, dass ihre poli­ti­sche Karriere sehr bald vorbei ist. All das wird von den tonan­ge­benden Medien unter­stützt, indem konser­va­tive CDU-Poli­tiker öffent­lich etwa als Rechts­extreme, Ewig­gest­rige oder Rechts­po­pu­listen an den Pranger gestellt werden. Das sind keine Geschichten aus einem tota­li­tären kommu­nis­ti­schen Staat, sondern das ist aus der CDU von Helmut Kohl und Konrad Adenauer geworden.

Welche partei­po­li­ti­sche Zukunft sehen Konser­va­tive wie Sie? Gibt es bei diesen noch einen Glauben an die Refor­mier­bar­keit der CDU? Denkt man über die Gründung einer neuen Partei nach? Hofft man auf eine refor­mierte AfD? Oder denkt man gar daran, die Flinte ins Korn zu werfen und sich ins Private zurückzuziehen?

Hans-Georg Maaßen: Die Konser­va­tiven haben den Kampf nicht aufge­geben, sondern gehen unter­schied­liche Wege. Die einen – wie die Mitglieder von „Werte­Union“ und „Berliner Kreis“ – setzen immer noch darauf, dass die Unions­par­teien refor­miert werden können, auch wenn derzeit die poli­ti­schen und medialen Rahmen­be­din­gungen nicht stimmen. Andere haben die Partei verlassen und setzen auf eine neue poli­ti­sche Kraft zwischen den Unions­par­teien und der AfD. Einige von ihnen haben die neue Partei „Bündnis Deutsch­land“ gegründet. Wieder andere setzen auf eine breite außer­par­la­men­ta­ri­sche Bürger­be­we­gung, die durch die Mobi­li­sie­rung der Massen Druck auf die Politik ausüben soll. Wieder andere setzen sich für eine Reform der Medien ein, weil dies eine Voraus­set­zung dafür ist, dass es zu einer Poli­tik­wende kommt.

Warum ist die CDU bei der Bekämp­fung des links­extremen Terrors nicht so sonder­lich aktiv? Sobald die CDU wieder eine konse­quent an den Inter­essen von Deutsch­land ausge­rich­tete Politik betreiben würde, würden schließ­lich auch die Autos von CDU-Poli­ti­kern brennen und deren Wohn­häuser beschmiert werden…

Die Feig­heit der bürger­li­chen Poli­tiker vor den linken Medien

Hans-Georg Maaßen: Ein Haupt­grund dafür dürfte die Feig­heit bürger­li­cher Poli­tiker vor den linken Medien sein. Über 90 Prozent der jungen Jour­na­listen der Staats­me­dien der ARD erklärten sich in einer Umfrage zu Anhän­gern der Grünen, der ehema­ligen SED und der SPD. Es gibt leitende Poli­tik­jour­na­listen in den Staats­me­dien, die aus der gewalt­be­reiten Antifa-Szene kommen. Sie können sich vorstellen, dass diese Medien links­ra­di­kale Gewalt oder Gewalt von Migranten in Deutsch­land entweder totschweigen oder – sofern es nicht mehr möglich ist – baga­tel­li­sieren oder umin­ter­pre­tieren. Als CDU-Poli­tiker sich dagegen zu stellen, bedarf eines Rück­grats und eines dicken Fells, was bei den heutigen Poli­ti­kern kaum mehr zu finden ist.

Welche Zukunft hat das bürger­lich-konser­va­tive Lager in Deutsch­land über­haupt noch? Kann es ange­sichts des – von links­grünen Meinungs­wäch­tern an die Adresse von CDU‑, CSU- und FDP-Poli­ti­kern verhängten und von diesen unter­würfig einge­hal­tenen – Frater­ni­sie­rungs- und Poli­ti­sie­rungs­ver­bots gegen­über der AfD über­haupt noch zu einer bürger­li­chen Mehr­heit kommen?

Klas­si­sche sozia­lis­ti­sche Feind­be­kämp­fung aus dem Lehr­buch einer kommu­nis­ti­schen Partei

Hans-Georg Maaßen: Die Zukunft Deutsch­lands wird bürger­lich-konser­vativ sein, oder es wird keine gute Zukunft haben. Zunächst muss man sich der poli­ti­schen Taktik der Linken bewusst sein. Was sie mit den Bürger­li­chen und Konser­va­tiven betreiben, ist klas­si­sche sozia­lis­ti­sche Feind­be­kämp­fung wie aus dem Lehr­buch einer kommu­nis­ti­schen Partei. Die Bürger­li­chen werden als Nazis, Faschisten und Verschwö­rungs­theo­re­tiker diffa­miert, sie werden aus dem poli­ti­schen, gesell­schaft­li­chen und teil­weise auch wirt­schaft­li­chen Leben gedrängt und es werden Kontakt­ver­bote verhängt: Wenn jemand mit jemandem redet, der ausge­grenzt ist, wird er eben­falls ausge­grenzt. Diese Technik müssen die Bürger­li­chen verstehen, besser noch studieren, und sie brau­chen Mut, dagegen vorzu­gehen. Die Feig­heit der heutigen bürger­li­chen Poli­tiker vor der linken poli­ti­schen und medialen Domi­nanz müssen deren Kinder und Enkel­kinder teuer bezahlen.

Etliche namhafte SPD- und Linken-Poli­tiker spre­chen sich dafür aus, dass Deutsch­land bezüg­lich des USA-Russ­land-Krieges lieber seine eigenen und euro­päi­sche Inter­essen vertreten sollte – statt einfach nur allen Wünschen der tonan­ge­benden US-Geopo­li­tiker blind Folge zu leisten. Warum hört man dies­be­züg­lich von der CDU keine vernünf­tigen Ansätze?

Hans-Georg Maaßen: Die deut­schen Poli­tiker sind vom Volk gewählt worden, um deut­sche Inter­essen und nicht die Inter­essen der USA oder des Selen­skyj-Regimes zu vertreten. Leider scheinen Teile der CDU-Führung das anders zu sehen. Ich führe es darauf zurück, dass maßge­bendes Führungs­per­sonal der CDU sehr stark in die trans­at­lan­ti­schen Bezie­hungen hinein­so­zia­li­siert worden ist und sich nicht vorstellen kann oder will, dass die deut­schen und euro­päi­schen Inter­essen nicht immer deckungs­gleich sind mit denen Washing­tons. Im Übrigen haben deut­sche Poli­tiker und Diplo­maten seit längerem ein Problem damit, in Brüssel oder bei inter­na­tio­nalen Verhand­lungen natio­nale deut­sche Inter­essen zu arti­ku­lieren. Sie wissen teil­weise noch nicht einmal, was wir für Inter­essen haben. Nicht wenige Kollegen anderer Länder machen sich inzwi­schen darüber lustig.

Wie kommen wir ange­sichts der realen poli­ti­schen Kräfte- und Medi­en­ver­hält­nisse über­haupt noch aus der Misere heraus?

Multiple Krisen bringen einiges in Bewe­gung

Hans-Georg Maaßen: Ohne eine Mobi­li­sie­rung von größeren Teilen des Bürger­tums und ohne eine Verän­de­rung der Medien oder Medi­en­be­richt­erstat­tung wird es nicht gehen. Es ist derzeit auf Grund der multi­plen Krisen, die uns treffen, einiges in Bewe­gung. Viele Menschen, die bisher unpo­li­tisch waren, spüren die gewal­tigen poli­ti­schen Verän­de­rungen auf Grund der linken Ideo­logie. Ich befürchte aber, es muss uns noch viel schlechter gehen, damit es wieder besser wird.

Hat diese EU in dieser Form noch eine Zukunft? Ist sie noch reformierbar?

‚Repu­blik Europa‘ ist wie ein entgleister Zug, ohne Steue­rung

Hans-Georg Maaßen: Ich sehe die euro­päi­sche Idee eher emoti­onslos. Wenn wir sie nicht bräuchten, wäre es auch ohne gut. Aber wir brau­chen eine enge euro­päi­sche Koope­ra­tion, damit die euro­päi­schen Staaten nicht zum Spiel­ball der großen Mächte USA, China und Russ­land werden. Wir brau­chen dafür jedoch eine Union der Natio­nal­staaten mit so viel Europa wie notwendig und so vielen natio­nalen Frei­heiten wie möglich. Das Projekt „Euro­päi­sche Union“ steht aus meiner Sicht vor dem Schei­tern, da es ideo­lo­gi­siert worden ist und nicht mehr die Inter­essen der Natio­nal­staaten, sondern die Ideo­logie einer büro­kra­ti­schen Elite vertritt. Wir brau­chen ein Europa der tatsäch­lich souve­ränen Natio­nal­staaten, die sich zunächst auf ihre eigenen Inter­essen besinnen und diese dann auch in der Zusam­men­ar­beit auf euro­päi­scher Ebene zum Ausdruck bringen. Das Projekt „Repu­blik Europa“ ist wie ein entgleister Zug, der ohne Steue­rung durch die Land­schaft rast und dabei immensen Schaden anrichtet, um ein Bild des briti­schen Autors Douglas Murray zu verwenden. Damit Europa nicht schei­tert, müssen wir wieder zu dem Punkt zurück­kehren, an dem die ideo­lo­gi­schen Fehl­ent­wick­lungen ange­fangen haben. Und das begann schon vor der Maas­tricht-Zeit. Wir müssen die Euro­päi­sche Union refor­mieren. Wenn das nicht geht, dann müssen wir sie durch etwas Effek­ti­veres ersetzen.

Das Gespräch führte Jan Mainka.


Dieses Inter­view erschien in Erst­ver­öf­fent­li­chung in der BUDAPESTER ZEITUNG, unserem  Partner in der EUROPÄISCHEN MEDIENKOOPERATION.

Anm.: Die deutsch­spra­chige BUDAPESTER ZEITUNG erscheint als Tages­zei­tung sowie als Wochen­ma­gazin, auch als e‑paper. Als unab­hän­gige Quali­täts­zei­tung ist sie uner­läss­lich für objek­tive (Hintergrund-)Informationen für deutsch­spra­chige Leser in Deutsch­land und Exil-Deut­sche in Ungarn. Für letz­tere inter­es­sant: Auswan­de­run­ge­be­richte von Deut­schen. Hier der Link zu einem BZ-Probe-Abo.

Hier noch ein Artikel für Auswanderuns-Willige:

Elmar Forster

„Ungarn – Mon amour: Resi­li­enter Gegen-entwurf zur öster­rei­chi­schen Poli­tical Correct­ness – Eine Menta­li­täts­kritik“ (auf UM)

Blick vom Wein­berg des Autors

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9 Kommentare

  1. AN Paul Schmitz,
    machen sie einfach mal die Augen auf, die meisten Ukrainer sind froh endlich abhauen zu können. Die nutzen den Krieg um sich hier nieder­zu­lassen. Von dem Musel­mi­granten reden wir erst garnicht, da wird strikt “ teile und herr­sche “ durch­ge­führt. Dumme, – noch dümmer als die meisten Deut­sche – lassen sich einfa­cher regieren.

  2. Hans-Georg Maaßen hat klug analy­siert, genau so ist es…
    Ich fürchte aber, die Zeit muss erst reif sein, bevor etwas entschei­dendes passiert. Ein Beschleu­niger kann durchaus die uns aktuell aufge­brummte Ener­gie­krise, nebst anderen „Krisen“, werden. Die DDR ging auch erst unter, nachdem viele Faktoren, wie Alte-Herren-Riege der Partei- und Staaats­füh­rung, die wirt­schaft­liche Kata­strophe, der Unmut weiter Teile des Volkes und vor allem der libe­rale Gorbat­schow, der keine Panzer schickte, zusam­men­trafen. Nicht eher wird es auch, wenn über­haupt, diesmal sein. Was wir Ossis nie verstehen werden; wie es dazu kam, dass ein bundes­deut­scher Main­stream dermaßen nach Links abdriftet und mit Klauen und Zähnen seine linke Deutungs­ho­heit vertei­digt bzw. ausbaut.
    Und noch etwas, die Medien haben durch die digi­tale Revo­lu­tion ein noch nie gekanntes geis­tiges Macht­po­ten­zial erhalten. Wenn die linken Main­stream­jour­na­listen nicht ausge­tauscht werden, passiert gar nichts, denn das Volk ist der Main­stream, da muss man ansetzen…
    Hans-Jürgen Schumacher

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  3. Der Herr Maaßen hat ja in vielen Dingen Recht, aber was macht er eigent­lich immer noch in der CDU, die ist an dem was er kriti­siert über Jahr­zehnte wesent­lich schuldig

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  4. Den würde ich sogar statt Scholz austauschen.
    Scholzi hat Putins Worte von heute immer noch nicht verstanden, D. wird vernichtet von ihm selbst, was aber Orbán mit seinem Land nicht macht.
    Das ist der Unterschied.

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  5. nur die wirk­lich fähigen deut­schen werden
    von der deut­schen besatzungspolitik
    umge­hend aussortiert…

    da kann black­ro­cker merz beruhigt
    weiterschlafen

  6. Es ist nicht bekannt, dass deut­sche Auswan­derer in Ungarn sich vom Staat dort durch­füt­tern lassen müssen! Das Gegen­teil ist der Fall – von einem deut­schen Neubürger profi­tiert das jeweilig Aufnahmeland. 

    Selbst Sie, Genosse Paule, würden, falls sie dereinst von ihren links­linken Brüdern im Geiste die Schnauze voll haben sollten, dann im Ausland wohl kaum sich derart unflätig benehmen wie ein Gutteil der orien­ta­li­schen Horden, die da bei uns einfallen.

    Gut möglich, dass sie dann weiter sozia­lis­ti­sche Froh­bot­schaften im Netz verkünden, bzw. andere Poster in gewohnter Manier anpö­beln würden, aber „Messer“ würden sie bestimmt doch niemanden „machen“. Oder?
    Also Paule, denken Sie in Zukunft nach, bevor Sie so etwas Stumpf­sin­niges von sich gibst.

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  7. „Im vergan­genen Jahr sind insge­samt schät­zungs­weise 150.000 Deut­sche ausge­wan­dert, weil sie die poli­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Verhält­nisse in Deutsch­land als repressiv empfinden und diese nicht mehr sich selbst und ihren Kindern zumuten wollen.“
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    Vielen Migranten, die vor Krieg und Not nach Deutsch­land flüchten, wird genau das vorge­worfen, was Maassen deut­schen Migranten nach Ungarn als wohl­feil attes­tiert. Übekstes zwei­erlei Maß.

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    • Wenn man Null-Ahnung von Ungarn hat, sollte man lieber den Mund halten und keine Kloake herauslassen.
      Und wenn sie für andere Migranten sind, sollen sie bitte bei sich alle aufnehmen und nicht auf Kosten ANDERER aufzwingen und klug reden.
      Es ist einfach abstö­ßend und egois­tisch pur.

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