Framing, Häme und Hetze: Anmer­kungen zum ZEIT-Artikel „Die Orbanologie“

Der Artikel von Ende Dezember über die Bildungs­ein­rich­tung Mathias Corvinus Colle­gium (MCC) ist ein Muster­bei­spiel dafür, wie die deut­sche Main­stream-Presse heut­zu­tage framt, hinter­häl­tige Häme einfügt und hetzt.

Wie immer, wenn man solchen jour­na­lis­ti­schen „Werken“ begegnet, bräuchte man mindes­tens das Drei- bis Vier­fache an Zeit und Papier, um ein solches Gebräu auch nur halb­wegs gera­de­zu­rü­cken. Beides steht häufig nicht zur Verfü­gung, und der durch­schnitt­liche Medi­en­kon­su­ment würde dem auch kaum bis zum Ende folgen.

Vom Meinungs­plu­ra­lismus zur Einheitsgesinnung

Wenn man bedenkt, dass Namen wie Marion Gräfin Dönhoff, Theo Sommer, Gerd Buce­rius, aber auch Helmut Schmidt die Heraus­ge­ber­schaft und Chef­re­dak­tion der ZEIT lange prägten, kann man sich nur wundern, was aus dieser einst­mals vorbild­li­chen Zeitung geworden ist. Konnte man einst von der Politik über die Wirt­schaft bis hin zum Feuil­leton und Allerlei verschie­dene Meinungen und poli­ti­sche Rich­tungen wie auch die Bereit­schaft zur unvor­ein­ge­nom­menen kriti­schen Diskus­sion erkennen, so über­wiegt seit geraumer Zeit eine „links-grüne“ und „woke“ Einheitsgesinnung.

Wer auch nur milli­me­ter­weise abweicht, wird zügig und hart zurück­ge­pfiffen. Ein Beispiel dafür ist Mariam Lau; hatte sie es doch 2018 gewagt, einige Fragen an die Art und Weise der soge­nannten Seenot­ret­tung zu richten. Bernd Ulrich, stell­ver­tre­tender Chef­re­dak­teur, machte ihr öffent­lich und unmiss­ver­ständ­lich klar, dass sie schleu­nigst auf den Pfad der Tugend zurück­zu­kehren und Abbitte zu leisten habe. Diese Straf­pre­digt hat, wie der hier bespro­chene Artikel über das MCC belegt, nach­haltig gewirkt.

Ganz­heit­li­ches Framing

Das soge­nannte Framing beginnt schon im Titel sowie im Titel­bild. Mit der Wort­wahl von der „Orba­no­logie“ soll offenbar ange­deutet werden, dass der gewählte unga­ri­sche Minis­ter­prä­si­dent eine krude Idee vertritt und verbreiten will. Dass es sich dabei um brand­ge­fähr­liche Ideen handelt, macht das Titel­bild deut­lich. Auf einer halb­ge­öff­neten Streich­holz­schachtel prangt Orbáns Konterfei, während oben die Zünd­köpfe der Streich­holzer herauslugen.

Diese Verpa­ckung soll keinen Zweifel daran lassen, dass Viktor Orbán zündelt und zum gefähr­li­chen Brand­stifter mutiert, dem mit Recht EU-Mittel entzogen werden. Dass es sich dabei um völlig wirre, ja gerade wahn­hafte Ideen handelt, wird in dem Artikel mit dem Rück­griff auf den „Hexen­berg“, eine sehr alte Bezeich­nung für den „Gellért­berg“, aus dem der Sage nach schwef­lige Dämpfe quollen, einmal mehr unter­stri­chen. Orbán wird allen Ernstes unter­schwellig als der „Leib­haf­tige“ darge­stellt. Und gerade in diesen wabernden Schwe­fel­dünsten soll der neue MCC-Komplex entstehen…

Beson­ders heim­tü­ckisch erscheint der Autorin die Tatsache, dass man im MCC ordent­lich geklei­deten, gebil­deten, geschichts­be­wussten und höfli­chen jungen Menschen begegnet, die durchaus auch die moderne Lebensart (Musik, italie­ni­scher Kaffee­ge­nuss) zu schätzen wissen. Sollten sich Konser­va­tive, neudeutsch: Rechte, bzw. noch neudeut­scher: Rechts­extreme, nicht schon an martia­li­schem Erschei­nungs­bild und Auftreten zu erkennen geben?

„Klima­wan­del­leugner“

Was den „Klima­wan­del­leugner“ anbe­langt, ein Etikett, das dem däni­schen Umwelt­for­scher Bjørn Lomborg ange­heftet wird, von dem sie tatsäch­lich ein Buch im MCC erspäht hat, so ist fest­zu­stellen, dass sie dessen Publi­ka­tionen wohl kaum gelesen hat, und wenn doch, dann hat sie ihn nicht verstanden. Auf einem seiner Bücher („Cool it!“) prangt in der deut­schen Fassung schon auf der Titel­seite folgender Satz: „Warum wir trotz Klima­wan­dels einen kühlen Kopf bewahren sollten.“

Ist es Böswil­lig­keit oder schierer Mangel an jour­na­lis­ti­scher Sorg­falt, daraus einen „Klima­wan­del­leugner“ abzu­leiten? Lomborg stellt die ökono­mi­sche Frage, ob es nicht andere Möglich­keiten des Schutzes vor dem Klima­wandel gibt, als intakte Indus­trie­na­tionen – und damit auch sich entwi­ckelnde Länder – in den Abgrund zu reißen. Eine typi­sche und legi­time Frage der ökono­mi­schen Opportunitätskostenrechnung.

„Jüdi­scher Philanthrop“

Sobald in einschlä­gigen Pres­se­or­ganen der Name George Soros erwähnt wird, so auch in diesem Artikel, wird er mit den Attri­buten „jüdisch“ und „Phil­an­throp“ versehen. Dass Soros einer jüdi­schen Familie entstammt, und dass er und seine Familie während des Natio­nal­so­zia­lismus Unfass­bares erlebt haben, macht tief betroffen und wird auch von niemandem bestritten.

Ob er heute noch dem jüdi­schen Glauben inner­lich verbunden ist, ist kaum zu beur­teilen. An derlei Dingen, wie Synago­gen­be­su­chen oder Ähnli­chem, sollte man das nicht fest­ma­chen. Aller­dings hätte man erwarten können, dass seine Unter­stüt­zung beim Wieder­aufbau von Synagogen in Ungarn sicht­barer wäre, ganz im Unter­schied zu seinem Enga­ge­ment für die Central Euro­pean Univer­sity (CEU) in Buda­pest, sowie seiner Unter­stüt­zung für auch in Ungarn tätige NGOs.

Dass es bei dem Streit zwischen der unga­ri­schen Regie­rung und der CEU um die zwei­fel­hafte Vergabe von Doppel­di­plomen (Ungarn, USA) ging, verschweigt die Autorin. Es sollte auch erwähnt werden, dass Soros mit seinem Ansinnen ähnlich konstru­ierter Univer­si­täten in Prag und in Warschau abge­blitzt ist. Mit Häme wird indessen auf den Fortzug nach Wien hinge­wiesen. Dass jeder Kämmerer einer Stadt über die fremd­fi­nan­zierte Grün­dung eines Unter­neh­mens oder einer Univer­sität erfreut ist, liegt auf der Hand; verspricht sie doch Arbeits­plätze, Einkommen und Steu­er­ein­nahmen. Zum Schwur kommt es, wenn die gegrün­dete Univer­sität eine ähnlich eigen­ar­tige Doppel-Diplom-Vergabe vorsieht, wie es in Buda­pest der Fall war. Dann müssen Wien und Brüssel Farbe bekennen.

„Phil­an­thropie“, Menschen­freund­lich­keit, ist löblich. Man kann aller­dings mit Fug und Recht fragen, ob mit der Unter­stüt­zung womög­lich hand­feste eigene Inter­essen oder Welt­bilder verfolgt werden. Dass es Soros seiner­zeit schaffte, die versam­melten Staats- und Regie­rungs­spitzen im World Economic Forum davon zu über­zeugen, Grie­chen­land im Prokrus­tes­bett des Euro zu halten, ist vielen Menschen in Grie­chen­land und in anderen Staaten nicht gut bekommen. Ein Schelm, wer dabei daran denkt, dass Soros bei einem Austritt Grie­chen­lands aus dem Euro massive Verluste in seinem Porte­feuille an grie­chi­schen Staats­papieren hätte hinnehmen müssen. Und wenn man in Exper­tisen über die Finanz­krise in Asien 1997/1998 vom Fehl­ver­halten inter­na­tio­naler Finanz­märkte liest, denkt man unwill­kür­lich an die Einmi­schung des Finanz­ma­gnaten George Soros. Auch diese Krise ist vielen Menschen nicht gut bekommen.

Grübelnde geschichts­be­wusste Studenten

Bemer­kens­wert ist auch, dass Mariam Lau das Nach­denken über alter­na­tive Gesell­schafts- und Poli­tik­ent­würfe als „Grübelei“ verun­glimpft. In diesem Zusam­men­hang sei auch ihr Seiten­hieb gegen das Geschichts­be­wusst­sein, das – übri­gens nicht nur – im MCC gepflegt wird, erwähnt. Einem Land, dessen führende Vertreter mit dem Begriff „Heimat“ nichts anzu­fangen vermögen, Kreuze abhängen, Erin­ne­rungen an Otto von Bismarck und Ludwig Erhard tilgen und am liebsten auch Preußen aus der Geschichte ausklam­mern möchten, täte ein wenig mehr an Geschichts­kenntnis und ‑bewusst­sein wahr­lich gut. Als Vorbild könnte die oben erwähnte Marion Gräfin Dönhoff dienen, die in Ostpreußen geboren wurde und ihrer Heimat gedachte, ohne jemals auch nur den Hauch von Gebiets­re­vi­sionen zu äußern.

Dass das MCC, wie auch der Fidesz, Abstand zur AfD hält (über die Gründe dafür gab Viktor Orbán im Oktober in einem Inter­view für die Buda­pester Zeitung Auskunft), wird zwar erwähnt, zugleich wird jedoch mit einem „aber“ der „Besuch“ (tatsäch­lich war es ein Vortrag) des FDP-Mannes Marcel Luthe aus Berlin in eine deut­liche Nähe zur AfD gerückt. Offenbar scheint es schon ehren­rührig zu sein, gegen eine „verkorkste“ Wahl zu kämpfen. Mariam Lau scheint entgangen zu sein, dass das Berliner Landes­ver­fas­sungs­ge­richt wegen der zahl­rei­chen Fehler und Unre­gel­mä­ßig­keiten bei der Wahl eine Wieder­ho­lung verlangt. Oder will sie mit dem MCC und Luthe gleich das ganze Berliner Gericht in eine AfD-Nähe rücken?

Unter­schwel­lige Kritik am DUI-Direktor

Nicht ersicht­lich ist, was Einzel­heiten aus dem Lebensweg des Direk­tors des Deutsch-Unga­ri­schen Insti­tuts (DUI) am MCC in dem Artikel zu suchen haben. Kern­aus­sagen des Direk­tors, etwa, dass er über­zeugter Anti­kom­mu­nist sei und den Werte­ver­lust durch den Multi­kul­tu­ra­lismus beklagt, wirken bei Lau hingegen wie Anklagen. Auch ist nicht nach­voll­ziehbar, was an einer Zusam­men­ar­beit zwischen der Konrad-Adenauer-Stif­tung und dem MCC bedenk­lich sein soll. Niemand hindert beispiels­weise die Fried­rich-Ebert-Stif­tung, die auch in Buda­pest ein Büro unter­hält, daran, mit oppo­si­tio­nellen Einrich­tungen zusammenzuarbeiten.

Und was ist mit dem ehema­ligen Minis­ter­prä­si­denten Ferenc Gyurcsány? Sein Vermögen kann sich sicher nicht mit dem eines George Soros messen, aber es dürfte bei Weitem reichen, um eine Zeitung oder einen Think Tank ins Leben zu rufen. Schließ­lich ist das MCC – um es im heutigen Poli­tik­jargon zu sagen – auch ein Think Tank bzw. eine Denkfabrik.

Davon gibt es nicht nur in Deutsch­land und Brüssel, sondern auch in anderen Ländern eine ganze Reihe. Was Deutsch­land anbe­langt, so ist die Denk­fa­brik „Augora Ener­gie­wende“ zu nennen. Wie der Name schon sagt, kämpft sie für eine Ener­gie­wende und macht aus ihrer Verzah­nung mit den Grünen kein Hehl. Robert Habeck über­nahm nahezu die komplette Führungs­riege der „Augora“, die zum Teil fami­liär mitein­ander verbunden ist, in das neu struk­tu­rierte Wirt­schafts- und Umwelt­mi­nis­te­rium. Wäre dies, Mariam Lau, nicht auch eine Betrach­tung wert?

Prof. em. Dr. Sieg­fried F. Franke, Jahr­gang 1942, lehrte Wirt­schafts­po­litik und Öffent­li­ches Recht an der Univer­sität Stutt­gart und Wirt­schafts­po­litik an der Andrássy-Univer­sität Budapest.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei BUDAPESTER ZEITUNG, unserem Partner in der EUROPÄISCHEN MEDIENKOOPERATION.


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7 Kommentare

  1. Von der heutigen ZEIT geschmäht zu werden, ist ein so großes Lob, wie es seiner­zeit war, in Strei­chers „Stürmer“ verun­glimpft zu werden.

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    • Dem emeri­tierten Franke fällt aber nicht ein, das der Soros seine eigene Schwester ins KZ gebracht und er mit den Pfeil­kreuz­lern andere Juden ausge­raubt hat. Diese charak­ter­lose Unperson mit seinem gleich­ge­ar­teten schwulen Sohn sollte von dieser Welt verschwinden.

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      • Ich weiß. In Győr verläuft als bitterer Spott die „Eszpe­rantó útca“ neben den Bahn­gleisen gen Osten (die Familie Schwarz aka Soros sprach daheim nur Esperanto).

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  2. Mariam Lau ist es nicht Wert, so mühsam mit Argu­menten gegen ihr krudes Pamphlet vorzugehen.
    Deutsch­land ist bereits verloren, Ungarn wird weiter leben.
    Wie die Ungarn es selbst wollen.

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  3. Die vorbild­liche Zeitung stand auch (vlt. gerade) unter der Dönhoff (das ist die, die sich 1945 allein aus Ostpreußen aus dem Staub machte und die ihr Unter­ge­benen auf ihrem im Stich ließ) unter US-Kuratel. Helmut Schmidt hat der Bundes­wehr Haar­netze zuge­bil­ligt, also den Anfang vom Ende. Hier und heute wird die brD Gefolg­schaft zu den USA über­deut­lich. ich kann das einsei­tige Geseiere des MM schon 20 Jahre nicht mehr ertragen. Eine unab­hän­gige und volks­nahe Medi­en­land­schaft sieht anders aus.

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