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Das Muffensausen im EZB-Direktorium muss bereits vor der ersten Zinsanhebung groß gewesen sein –  Nebelgranaten und ein SIGNAL der HILFLOSIGKEIT an die FINANZMÄRKTE

Von ANDREAS KUBIN |Man hat die Hosen offensichtlich im Juni und Anfang Juli 2022 bereits gestrichen voll. Bei Finanzexperten müssen die Alarmglocken schrillen. Nun, der Reihe nach.

Mittwoch, den 15. Juni 2022 hatte die EZB überraschend zu einer Ad-hoc-Sondersitzung einberufen. Doppelter Druck baute sich auf. Einerseits durch die hohe jährliche Teuerungsrate im Euroraum (EU-27) von nun bereits 8,8 % im Mai 2022. [1] Andererseits durch die stark steigenden Zinsen speziell bei südeuropäischen Staatsanleihen.

Wegen Corona sind die Defizit- und Schuldenregeln ausgesetzt und der Stabilitätspakt bleibt auch 2023 außer Kraft. Es ist das Papier nicht mehr wert auf dem es steht!

Laut Mitteilungen per 23.5.2022 hatte die EU-Kommission wie erwartet vorgeschlagen, die europäischen Schuldenregeln auch noch 2023 ausgesetzt zu lassen. Die Brüsseler EU-Behörde verwies auf den hohen Unsicherheitsfaktor durch den Ukraine-Krieg hin, den geringer zu erwartenden Wachstumsraten steigende Inflationsraten.

SINTRA Portugal, Dienstag 28. Juni 2022:
Das bevorstehende Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank wird die steigenden Kreditkosten für gefährdete Länder der Eurozone eindämmen und gleichzeitig den Druck auf die Regierungen dieser Länder zur Sanierung ihrer Haushalte aufrechterhalten, sagte Christine Lagarde in Portugal. ….. Zeitgleich hatte die Zentralbank auch angekündigt, dass sie die Erlöse aus fälligen Anleihen aus ihrem 1,7 Billionen Euro schweren Pandemie-Notkaufprogramm in Länder mit großen Zinsdifferenzen leiten wird – eine Maßnahme, die laut Lagarde am 1. Juli 2022 beginnen sollte. [2]

Da die EZB kurz vor ihrer ersten Zinserhöhung seit 2011 stand, sind die Anleiherenditen für Italien, Griechenland  und andere verschuldete Länder in die Höhe geschnellt. Die Abstände zum sicheren Hafen Deutschland haben sich vergrößert. Man befürchtete also einen größeren Zins-Spread zwischen Nord- und Südländischen Staatsanleihen der Eurozone und rechnet, dass hochverschuldete Euroländer die vollzogene Leitzinserhöhung nicht schultern können.

Die Vorgehensweise der europäischen Zentralbank resultiert in einer Liquiditätsumleitung von Nord nach Süd, um die Spreads zu begrenzen. Ist das nicht eine Verallgemeinerung von Schulden, also bereits eine Form der Schuldenunion? Was ja immer abgestritten wurde.

In einem Gespräch mit Reuters sagte der belgische Zentralbankchef Pierre Wunsch sogar, das Programm der EZB sollte  unbegrenzt und ohne lästige Bedingungen sein, aber die EZB sollte es nur Ländern mit glaubwürdigen Haushaltsplänen gewähren.

Die zahlreichen Rettungspakete einer Währung (Euro-Schutzschirme)

Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) [3]

Schon 2010 reagierten die Mitglieder des Euroraums auf die akute Staatsschuldenkrise und spannten einen temporären Euro-Schutzschirm auf. Die EFSF wurde durch den ESM abgelöst.

[1] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/217052/umfrage/inflationsraten-in-den-laendern-der-eu-monatswerte/
[2] Vgl. https://www.reuters.com/markets/europe/ecbs-spread-fighting-tool-will-have-safeguards-lagarde-2022-06-28/

[3] EFSF:
https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/euro/was-sind-esm-efsf-und-efsm–476194

Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) [4]

Der ESM hatte Oktober 2012 seine Arbeit aufgenommen. Er ist eine Art “Europäischer Währungsfonds” und kann Mitgliedstaaten in finanziellen Schwierigkeiten helfen. Dem ESM stehen mehrere Instrumente zur Verfügung, die an strenge Auflagen gebunden sind.
Der ESM verfügt über ein Stammkapital von rund 705 Milliarden Euro. Damit kann er unter anderem Darlehen an notleidende Länder vergeben und Finanzierungsschwierigkeiten überbrücken.

Das breit gefächerte umfangreiche Asset Purchase Programme (APP)

Am 22. Januar 2015 kündigte der EZB-Rat ein erweitertes Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme, APP) an. Damit dehnte das Eurosystem seine Ankäufe auf Anleihen aus, die von im Euroraum ansässigen Zentralstaaten, Emittenten mit Förderauftrag und europäischen Institutionen begeben werden (Public Sector Purchase Programme; PSPP). Das erweiterte Programm schließt die bereits Ende 2014 aufgelegten Ankaufprogramme für Asset-Backed Securities (Asset-Backed Securities Purchase Programme; ABSPP) und für gedeckte Schuldverschreibungen (Third Covered Bond Purchase Programme; CBPP3) mit ein. Am 10. März 2016 beschloss der EZB-Rat, das Anleihekaufprogramm um Ankäufe von Unternehmensanleihen des Nicht-Finanzsektors (Corporate Sector Purchase Programme; CSPP) zu erweitern. Mit dem APP zielt das Eurosystem auf die Senkung langfristiger Zinsen und auf die Bereitstellung zusätzlicher Liquidität ab, um mittelfristig Preisstabilität zu gewährleisten…. [5]

APP cumulative net purchases, by programme. The stock of Eurosystem APP bonds stood at €3419 billion at the end of May 2022. The cumulative net purchases are illustrated. Quelle ECB:  https://www.ecb.europa.eu/mopo/implement/app/html/index.de.html

[4] ESM:  https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/euro/was-sind-esm-efsf-und-efsm–476194
[5] https://www.bundesbank.de/de/aufgaben/geldpolitik/geldpolitische-wertpapierankaeufe/asset-purchase-programme-app–830334

Die monatliche Nettoaufkäufe der viersen Programme:  z.B. alleine aus dem APP Programm beliefen sich alleine im April 2022 auf mehr als 30 Milliarden Euro… [6]

[6] https://www.ecb.europa.eu/mopo/implement/app/html/index.de.html

Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP)

Beim Pandemie-Notfallankaufprogramm (Pandemic Emergency Purchase Programme, PEPP) handelt es sich um ein zeitlich befristetes Ankaufprogramm für Anleihen öffentlicher und privater Schuldner…..PEPP-Ankäufe starteten am 26. März 2020. Der Umfang betrug ursprünglich 750 Mrd EUR. Am 4. Juni 2020 erhöhte der EZB-Rat das Volumen um 600 Mrd EUR, am 10. Dezember 2020 erneut um 500 Mrd EUR auf insgesamt 1.850 Mrd EUR…. Mit dem Beschluss des EZB-Rats vom 16. Dezember 2021 wurden die Nettoankäufe des PEPP Ende März 2022 eingestellt. Reinvestitionen der fälligen Tilgungsbeträge aus PEPP-Beständen sollen mindestens bis Ende 2024 erfolgen.[7]

NextGenerationEU – Größtes Konjunkturpaket aller Zeiten (schwupp schon wieder eines)

„NextGenerationEU“   mehr als nur ein Aufbauplan!  Es wäre eine einmalige Gelegenheit, gestärkt aus der Pandemie hervorzugehen, unsere Volkswirtschaften umzugestalten sowie neue Chancen und Arbeitsplätze für unser Europa von morgen zu schaffen…..  So oder ähnlich lauteten die vollmundigen Erklärungen dazu.
Der dazugehörige Finanzrahmen ist ein mehrjähriger Finanzrahmen (MFR) 2021-2027  und  NextGenerationEU — Mittelzuweisungen nach Rubriken:  MFR 1.2109 Billionen Euro plus 806,9 Mrd. Euro machen insgesamt 2,018 Billionen Euro zu jeweiligen Preisen. Damit soll Europa nach Corona wieder auf die Beine kommen. Es soll ein grüneres (?), stärker digital ausgerichtetes und krisenfesteres Europa werden. [8] 

Die nun jüngste EZB-ZINSANHEBUNG in Verbindung mit einem neuerlichen RETTUNGSPAKET (TPI)

Die mit Spannung erwartete erste Zinsanhebung im Ausmaß von 50 Basispunkten – äquivalent  0,5 % – der EZB nach einer gefühlten kleinen Ewigkeit von 11 Jahren  wurde endlich am Donnerstag, dem 21. Juli 2022 bekanntgegeben.

TPI (Transmission Protection Instrument)

Ersten Schlussfolgerungen zufolge handelt es sich um ein weiteres Instrument, das  gezielt und unbegrenzte Anleihekäufe einzelner Länder ermöglichen soll. Hintergrund ist der Anstieg der Risikoaufschläge (Spreads) einiger Euro-Länder wie beispielsweise jene Italiens gegenüber deutschen Bundesanleihen.

Exkurs Transmission

Der monetäre Transmissionsmechanismus beschreibt die Auswirkungen geldpolitischer Entscheidungen auf Volkswirtschaften insbesondere auf das Preisniveau. Die Geldpolitik der Notenbank beeinflusst die Finanzierungsbedingungen über Geldmenge und Leitzinsen, die Konjunktur- und Inflationserwartungen in einer Volkswirtschaft und kann sich dadurch auf den Außenwert einer Währung, Güter- und Vermögenspreise auswirken.

Weitere Details aus der (deutlich zu vage formulierten) Presseaussendung des ECB-Eurosystem zum TPI:

…….Das TPI wird unser Instrumentarium ergänzen und kann aktiviert werden, um einer ungerechtfertigten, ungeordneten Marktdynamik entgegenzuwirken, die eine ernsthafte Bedrohung für die Übertragung der Geldpolitik im gesamten Euroraum darstellt. Durch die Sicherung des Transmissionsmechanismus wird das TPI den EZB-Rat in die Lage versetzen, sein Preisstabilitätsmandat effektiver zu erfüllen.
Vorbehaltlich der Erfüllung festgelegter Kriterien wird das Eurosystem in der Lage sein, Wertpapiere am Sekundärmarkt zu kaufen, die in Ländern begeben wurden, in denen sich die Finanzierungsbedingungen verschlechtert haben, was durch die länderspezifischen Fundamentaldaten nicht gerechtfertigt ist, um Risiken für den Transmissionsmechanismus im erforderlichen Umfang zu begegnen. Der Umfang der TPI-Käufe würde von der Schwere der Risiken für die geldpolitische Transmission abhängen. Die Käufe sind nicht ex ante (im Voraus) beschränkt.

Kaufparameter:   Die Ankäufe von TPIs würden sich auf Wertpapiere des öffentlichen Sektors (marktfähige Schuldtitel von Zentral- und Regionalregierungen sowie von Agenturen, wie von der EZB definiert) mit einer Restlaufzeit von einem bis zehn Jahren konzentrieren. Der Ankauf von Wertpapieren des privaten Sektors könnte gegebenenfalls in Betracht gezogen werden……[9]

Besonders interessant ist der drittletzte Paragraph jener ECB press release in dem es u. a. heißt: …“ Die Ankäufe im Rahmen der TPI würden so durchgeführt, dass sie „keine dauerhaften Auswirkungen auf die Gesamtbilanz des Eurosystems und damit auf den geldpolitischen Kurs haben.“

Deshalb eine erste Anfrage meinerseits zur Umsetzung von TPI an die EZB, die am 26.7.2022 folgendermaßen beantwortet wurde:

„Wir können Ihre Fragen zum jetzigen Zeitpunkt nicht genau beantworten. Weitere operative Einzelheiten werden wir Ihnen mitteilen, wenn wir das TPI aktivieren. Was wir Ihnen allgemein sagen können, ist, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, um zu vermeiden, dass sich solche Käufe dauerhaft auf die Bilanz auswirken………

Ähnlich dem  SMP-Programm (2010-2012),  bei dem die durch die Käufe geschaffene Liquidität dadurch absorbiert wurde, dass den Banken angeboten wurde, Geld bei der EZB zu attraktiven Zinssätzen zu parken? Auch hier sind noch keine Entscheidungen für das TPI getroffen worden, aber die Sterilisierung über Termineinlagen wäre eine Möglichkeit, den Umfang der Bilanz mehr oder weniger gleich zu halten.“
Mit freundlichen Grüßen,  W. L.

Resümee

Für Kenner der Materie ist vollkommen klar, diese EZB Entscheidung führt nicht annähernd zu einer Normalisierung (Außer man bezeichnet neuerdings eine galoppierende Inflation als „NORMAL“.), sondern ist eine Fortsetzung der „WHATEVER IT TAKES“ Zentralbank-Politik, die seinerzeit von Mario Draghi eingeleitet wurde und nun fortgesetzt sowie speziell erweitert wird um das TPI Instrument. Weder wird die Bilanzsumme der EZB deutlich reduziert, noch der EZB Leitzins auf das notwendige Ausmaß von 870 Basispunkten (8,7 %) angehoben, welche zur Bekämpfung der ausufernden Inflation in der Eurozone dringendst notwendig wären.  Nur Tage später markierte der Franken eine neue Rekordstärke zum EURO mit 0,976 CHF.

Eine Leitzinserhöhung von NULL kommend auf 0,5 % in dieser Situation verdient nicht einmal die Bezeichnung Kosmetik.

Profis, Zentralbank-Spezialisten und Kenner der Inflationstheorien – eine davon ist per Definition die sog. „politisch verursachte Inflation“ – warnten bereits im Vorfeld, dass eine Anhebung – nämlich mindestens im Ausmaß der Inflationsrate notwendig ist – um wirksam  auf das Inflationsgebilde einzuwirken. In Relation zu der für  Juni 2022 errechneten  Inflationsrate im Euroraum wären das mindestens 870 Basispunkte bzw. 8,7 % und keinen Basispunkt weniger!

WAS WIRD PASSIEREN?

Der Euro wird weiter geschwächt. Die Kapitalmärkte werden mit noch mehr Liquidität versorgt. Immer deutlicher tritt zu Tage, dass die  EZB die Zinsen nicht so stark anzuheben vermag,  so dass Anleihen wieder für Kapitalanleger an Attraktivität gewinnen würden, wie das in der Vergangenheit häufiger der Fall war. Welche Implikation das auf die Aktienmärkte zulässt, habe ich wiederholt in meinen früheren Artikeln bereits aufgezeigt.

Erste Gerüchte keimen auf, die FED  werde bereits in 2023 gezwungen sein, ihren Leitzins zu senken.

Was am 21. Juli 2022 an Leitzinserhöhung und TPI (Transmission Protection Instrument)  beschlossen bzw. geboten wurde, war nichts anderes als die Offenbarung einer erschreckenden HILFLOSIGKEIT an die FINANZMÄRKTE.

Copyright, Andreas Kubin, MBA   25.7.2022

 

 

 

Von Redaktion

3 Gedanken zu „Hilfslosigkeit an Finanzmärkten – Nebelgranaten vor Zinsanhebung“
  1. “Ist das nicht eine Verallgemeinerung von Schulden, also bereits eine Form der Schuldenunion?”

    Wenn 20 fressen und einer zahlt, ist das dann eine Union oder ein Ausnehmen? Der Witz ist das der, der zahlt nicht mitfrißt, denn die Schulden der anderen sind ja bereits entstanden.
    Bring Deine Euronen raus und tausch sie in etwas ein, Du hast keine Zeit mehr!
    Die wichtigen Banken im Euroland sind etwa 25fach gehebelt, die Zentralbanken im Euroland etwa 7,5mal und sie sitzen auf wertlosen assets die durch steigende Zinssätze weiter verlieren müssen. Ich erwarte einen Euro bei 0,80 Dollar, also nochmal 20% weniger vom aktuellen bis Oktober. Warum? Weil Ausländer ihre Werte im Euroland verkaufen und dann die erhaltenen Euronen in USD tauschen.
    Der Euro ist bereits im freien Fall – steig aus oder verliere die Kaufkraft.

  2. Am Ende wird einfach alles beschlagnahmt. Grundbesitz, Gold, Unternehmensanteile… Bargeld braucht nicht abgeschafft zu werden und Konten lohnen sich nicht, weil die Werte weginfliert sind… wahrscheinlich reicht eine einzige Vorlage mit einem infantilen Titel wie “Wirtschaft-ohne-Kummer-Gesetz” für eine Vollverstaatlichung aus. Vom Bumsverfassungsgericht ist keine Hilfestellung zu erwarten, die winken alles durch, soweit es nicht vom Bürger kommt.

  3. >kenner der materie< wissen um die schwarze
    magie der privat u.s.fed eigner und des land'n
    square…….mister copyright kubin.

    egal ob dragi, lagarde oder deren nachfolger/in,
    die suppe wird hinter dem atlantik gekocht und dies
    sicherlich nicht im sinne einer europäischen union.

    das fedmärli fing bei den rockefellers, den rothschilds,
    den wartecks, loyds etc. an und ist jetzt mit dem covid,
    selensky, co2, gates, who, etc. kapiteln beschäftigt.

    hier werden wieder die tausende milliarden herein
    gespielt die dem freien, demokratischen weltsklaven
    im monopoly der anglozionistischen diktatmärkte
    in immer lüsternern beiledsverfahren abgeknüpft werden.

    wer immer noch glaubt das diese ezb mit ihren
    angeschlossenen e.u. zentralbanken unsere westeuropäischen interessen vertritt, sollte besser
    wie habeck kinderphilosophy literaturieren und
    nicht in mitte/rechts portalen fachwissen in sachen
    kapitalwissenschaften vorgaukeln….aber egal))

    money kontrolls the free))demokratic))world…but??

    …wer kontrolliert das geld? oder eben diesen
    selbsternannten, selbstheiligen anglo weltpolizisten.

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