„Hoch Tirol“ – Ein Streifzug durch das heimat­ver­bun­dene Lager in Südtirol

Thomas Stoerck/Wikimedia (CC BY-SA 3.0 DE)

„Alles hat hier schon mehr Kraft und Leben […] und man glaubt wieder einmal an einen Gott“. Diese Worte notierte der Alte Goethe 1786 als er den Brenner passierte – weiland nur ein Pass, nicht Staats­grenze – und für einige Tage im südli­chen (nicht südlichsten) Teil Tirols einkehrte und „Land und Leute“ genoss.

Südtirol: Eine unheil­volle Geschichte

Südtirol, seit Dezen­nien Projek­ti­ons­fläche konser­vativ-nost­al­gi­scher Sehn­süchte von außer­halb, ein Land, in dem augen­schein­lich noch Über­lie­fe­rung gedeiht und gewach­sene Werte hoch­ge­halten werden, ist nicht gefreit von subver­siven Kräften, die sich am Alther­ge­brachten stören und anstelle des „Oikos“, dem trauten Heim, eine multi­kul­tu­relle Gesell­schaft setzten wollen, ein Konglo­merat der Entwur­zelten. Da dieses Phänomen mehr oder minder im gesamten west­li­chen Teil des abend­län­di­schen Kultur­kreises zu Tage tritt, dürfte es dem Leser nicht unbe­kannt sein. Erschwe­rend kommt für Südtirol jedoch ein zweites gewich­tiges Problem hinzu: Das Leben in einem fremden Staate mit vola­tilem Regie­rungs­system und einer damit verbun­denen undurch­sich­tigen Politik gegen­über der deut­schen und ladi­ni­schen Minder­heit. Nichts­des­to­trotz errei­chen das kleine Land zwischen Brenner und Hader­burg euro­pa­weite Tendenzen immer erst in Verzug, die Ausgangs­lage wäre aus der Sicht des heimat­ver­bun­denen Lagers eine merk­lich bessere als in vielen anderen Teilen des deutsch­spra­chigen Raums.

Doch wie ist es um jene Grup­pie­rungen und Akteure bestellt, die das Alther­ge­brachte schützen – kurz: konser­vativ sind? Dieser Beitrag versucht sich an einer Stand­ort­ana­lyse sämt­li­cher heimat­ver­bun­dener Akteure in der Sphäre des Poli­ti­schen in Südtirol. Dabei werden sämt­liche Akteure, deren „Räson“ nicht abstrakten, links­ge­rich­teten Idealen folgt, sondern der gewach­senen insti­tu­tio­nell-poli­ti­schen Realität des Landes und den Lebens­be­din­gungen der Südti­roler Rech­nung trägt, unter dem „heimat­ver­bun­denen Lager“ subsumiert.

Partei­en­land­schaft:

Die seit mitt­ler­weile über 70 Jahre das Land regie­rende Südti­roler Volks­partei (SVP) ist in den letzten Jahren denselben Trend anderer ehemals konser­va­tiver Parteien wie der CDU anheim­ge­fallen: Der schritt­weisen Entker­nung des konser­va­tiven Profils und Aufgabe aller daraus abge­lei­teten poli­ti­schen Posi­tionen bis auf die „Schwarze Null“.

So erfolgte im Zuge des SPRAR-Programms 2015 eine „top down“-Zwangsverteilung von jungen Männern afri­ka­ni­scher Prove­nienz bis in die entle­gensten Winkel des Landes (in alle!), frene­ti­sche Unter­stüt­zung des für Südtirol ungüns­tigen Verfas­sungs­re­fe­ren­dums aus dem Jahre 2016 sowie ein immer stär­kere Entfer­nung vom volks­tums­po­li­ti­schen Lager hin zu den neuen Leit­li­nien „jünger, weib­li­cher, sozialer“ – der gängige Euphe­mismus für den „Links­ruck“ – was bisher in eine Reihe infan­tiler Pein­lich­keiten der Jung­ab­ge­ord­neten J.L. kulmi­nierte und von der Schmä­hung des Landes­ad­lers über exor­bi­tanten Spesen­ab­rech­nungen bis hin zu lapi­daren Corona-Sagern reicht. Staats­tra­gender Habitus, solides Arbeits­ethos und vor allem souve­räne Volks­tums­po­litik sind also der SVP entschwunden. Beide Listen ließen sich übri­gens beliebig verlän­gern. Proble­ma­tisch ist hierbei die Tatsache, dass die SVP ein Groß ihres rund 45 Prozent umfas­senden Stim­men­po­ten­zials von einer demo­gra­phisch gewich­tigen älteren Wähler­gruppe bezieht, die, viel­fach aus Gewohn­heit oder lang­fris­tiger Partei­b­in­dung, letzt­lich ihre Stimme jener Partei geben, deren Stoß­rich­tung ihnen seit einigen Jahren zuwiderläuft.

Abge­straft wurde in den zurück­lie­genden Land­tags­wahlen (2018) jedoch nicht die SVP, sondern zwei der drei deut­schen Rechts­par­teien, die Frei­heit­li­chen und die Bürger­Union. Während letz­tere nach jahre­langer „Rand­the­men­krä­merei“ und noto­ri­scher Oppo­si­ti­ons­hal­tung zum Selbst­zweck der Wieder­einzug ins „Hohe Haus“ versagt blieb und damit weitest­ge­hend von der poli­ti­schen Bild­fläche verschwunden ist, verloren die Frei­heit­li­chen aufgrund eines Renten­skan­dals von gravie­render Trag­weite, über die Medien ausge­tra­gene Disso­nanzen (zur Infan­ti­lität gesellten sich Infa­mität und Vulga­rität: „Muschimund“-Affäre, „Penisring“-Affäre, etc.) sowie die diversen Aus- und Rück­tritten nach der Partei­über­nahme von außen durch den neuen Obmann Andreas Leiter-Reber rund 2/3 ihrer Stimmen. Nun droht den Frei­heit­li­chen aufgrund der dünnen Perso­nal­decke, mangelnde Kompe­tenz der beiden übrig­ge­blie­benen Land­tag­ab­ge­ord­neten sowie den völlig unzu­rei­chenden Kommu­nal­struk­turen künftig ein Dasein unter ferner liefen zu fristen, in der Irrelevanz.

Einziger Licht­blick: Südti­roler Freiheit

Einziger Licht­blick in der Partei­land­schaft bleibt – zumin­dest partiell – die Südti­roler Frei­heit, die für eine deutsch­spra­chige Rechts­partei einen bemer­kens­werten Quer­schnitt der Gesell­schaft in ihren Reihen aufzu­weisen hat (beacht­li­cher Akade­miker- und Frau­en­an­teil) und zudem auf einen bewährten Nach­wuchs und eine starke Veran­ke­rung auf kommu­naler Ebene setzten kann. Jedoch scheint die Lage nach den Land­tags­wahl 2018, wo die Stim­men­an­zahl trotz gutem Wahl­kampf und güns­tiger Lage nicht ausge­baut werden konnte – ein Umstand, der wohl auch auf den fami­li­en­be­dingten Abgang ihrer gestan­denen Galli­ons­figur Eva Klotz zurück­zu­führen ist – etwas festgefahren.

Entschei­dend für das heimat­ver­bun­dene Lager in partei­po­li­ti­scher Hinsicht ist sicher­lich die künf­tige Entwick­lung und Ausrich­tung der Südti­roler Frei­heit. Das Primat „Los von Rom“ mit dem die Partei auch primär in der Bevöl­ke­rung asso­zi­iert wird, und die daran gekop­pelten alltags­po­li­ti­schen Themen­felder wie Topo­no­mastik ist richtig und wichtig. Da abseits der bishe­rigen thema­ti­schen Akzen­tu­ie­rung eine gesell­schafts­po­li­tisch brei­tere Ausrich­tung der Partei zur Akqui­rie­rung neuer Stimmen vonnöten sein wird, bleibt zu hoffen, dass sich diese nicht an den sezes­sio­nis­ti­schen Part­nern in Europa wie der kata­la­ni­schen Unab­hän­gig­keits­be­we­gung oder Nicola Stur­geon und ihrer SNP in Schott­land orien­tiert. Eine Selbst­be­stim­mung muss immer auch dem gesell­schafts­po­li­ti­schen Leit­stern des dem Tirol­ertum imma­nenten Katho­li­zismus konser­va­tiver Spielart bzw. dessen Ethik und nicht einem nivel­lie­renden Links­li­be­ra­lismus folgen, der die bereits arg geschwächten Wurzeln der eigenen Kultur unterminiert.

Abschließen lassen sich die vorlie­genden „partei­po­li­ti­schen Betrach­tungen jedoch nicht ohne ein neues Phänomen zu konsta­tieren, das sich erst­mals in den Land­tags­wahlen 2018 abzeich­nete: deut­sche und ladi­ni­sche Stimmen für die Lega Matteo Salvinis. Zurück­zu­führen ist dieses Wahl­ver­halten auf den – im Gegen­satz zum öster­rei­chi­schen Pendant FPÖ – unge­mein erfolg­rei­chen Regie­rungs­kurs der Lega als Juni­or­partner in den wenigen Monaten vor der Land­tags­wahl. Nicht nur Salvinis erfolg­reiche Eindäm­mung der ille­galen Migra­tion sei an dieser Stelle ange­führt, sondern der gesell­schafts­po­li­tisch konser­va­tive Kurs der Lega allgemein.

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