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Piero San Giorgio, ein Schweizer Schriftsteller und Überlebensstratege, hatte bereits im Jahre 2016 auf dem französischen Online-Fernsehkanal TVLibertés das Coronavirus vorausgesagt (1). Unser Korrespondent Lionel Baland* befragte ihn zur aktuellen Krise.

Welche konkreten Maßnahmen müssen die Bürger ergreifen, um diese Zeit zu überstehen?

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es bereits zu spät, um sich vorzubereiten. Was ich empfehle, ist neu zu lernen, Ihre Familie, Ihre Kinder, Ihre Lieben, mit denen Sie zusammen in Isolation sind, zu entdecken, weil Sie einen Monat, vielleicht zwei, von Angesicht zu Angesicht in denselben Räumen oder in kleinen Wohnungen im Falle diejeniger, die das Pech haben, in der Stadt bleiben zu müssen, verbringen müssen, was schwierig ist. Lassen Sie uns lernen, wie man Bauchatmungsübungen macht, um uns zu beruhigen, denn natürlich können wir uns angespannte Perioden vorstellen und eine Änderung unserer Gewohnheiten wird für viele Menschen schwierig und sehr kompliziert sein. Wir müssen einen guten Monat durchhalten, ohne zu konsumieren, ohne das zu tun, was wir früher getan haben. Das heißt also auch: kein Ehebruch mehr, keine riskanten Praktiken mehr! Bleiben wir zu Hause und nutzen wir die Gelegenheit, uns zu kultivieren und Bücher wie die meinen zu lesen (vgl. rechts oben), um uns auf die nächste Krise vorzubereiten.

Kann es zu einer Unterbrechung der Versorgung mit Nahrungsmitteln oder Medikamenten kommen?

Derzeit beruhigen uns die Behörden. Sie können auch gar nichts anderes tun. Es kann natürlich zu Versorgungsstörungen kommen, das ist möglich. Ersatzteile aus Ländern, wo die Produktion ausgefallen ist oder eingeschränkt wurde, werden nicht mehr geliefert. Vielleicht auch Nahrungsmittel und Medikamente. Wir sehen es in China, wo es bereits Engpässe bei der Versorgung mit Medikamenten und medizinischen Geräten gibt. Auf so etwas mussten wir uns schon vorher vorbereiten und ich denke, dass diese Krise nicht so schlimm sein wird und dass wir nur wenige Engpässe haben werden, abgesehen von Produkten, die als Luxusgüter gelten. Vergessen Sie also Bananen, Mangos und Früchte außerhalb der Saison aus Spanien oder Italien! Sie werden wieder lernen, wie man auf lokale und saisonale Weise isst, wenn Sie auf dem Land leben. Und wenn Sie in der Stadt leben, sind es Nudeln und Mehl, um Brot zu backen, sowie Reis. Da die Lagerbestände dieser Lebensmittel sehr hoch sind, wird die Versorgung wohl funktionieren, doch “luxuriöse” Produkte wie Schokolade oder exotische Lebensmittel werden nach und nach aus den Regalen der Geschäfte verschwinden.

Könnten die Regierungen gezwungen sein, strengere Maßnahmen zu ergreifen?

Es hängt alles davon ab, was wir unter strenger verstehen und welche Mittel den Regierungen zur Verfügung stehen. Wir alle verstehen heute, dass diese Pandemie durch Isolation eingedämmt werden muss. Das ist eine klassische und einfache Methode. Es wird dabei an die Verantwortung der Menschen appelliert und außerdem riskieren diejenigen, die sich nicht daran halten, dass sie kontaminiert werden, sodass wir hoffen können, dass sie die notwendige Selbstbeherrschung haben und die Regeln respektieren. Wenn dies nicht der Fall ist, werden die Einschränkungen und Maßnahmen der Polizei gravierender werden, was sehr weit gehen kann. Aber ich denke, die meisten Menschen in Europa werden ziemlich ruhig bleiben. Auf jeden Fall besteht die einzige große Gefahr heute in Aufständen und sozialen Krisen, die äußerst schädlich und gefährlich wären, da dies bedeuten würde, dass die Situation längere Zeit anhalten wird. Wir können uns jedoch heute vorstellen, dass alles in wenigen Monaten vorbei sein wird.

Werden die Behörden in der Lage sein, die Ordnung aufrechtzuerhalten?

Es hängt von den Bürgern ab und davon, ob sie Disziplin bewahren. Ich denke, in vielen Ländern wird dies der Fall sein. In Italien bleibt die Ordnung wohl erhalten. In “kulturell angereicherten” Ländern wie Frankreich, wo es eine Heterogenität der Kultur gibt, sind hingegen Ausrutscher zu befürchten. Wenn aber erst einmal die Armee die Ordnung auf den Straßen wiederherstellen muss, hat niemand etwas vom Chaos zu gewinnen.

Wann erwarten Sie die Rückkehr zur Normalität?

Die Antwort ist sehr schwer zu geben. Wenn die Eindämmungsmaßnahmen zwei Monate dauern – man spricht zwar jetzt von einem Monat, aber es wird tatsächlich zwei Monate dauern – und wir dann noch einen Monat der allmählichen Erholung der Wirtschaftstätigkeit einplanen, können wir uns vorstellen, dass sich die Situation in diesem Sommer normalisieren wird, zum die globale Wirtschaft ja nie abgeschaltet wurde und daher neu zu starten wäre. Wir können uns vorstellen, dass die Situation bis zum Sommer unter Kontrolle gebracht sein wird und wir danach wieder schrittweise neu starten können.

Hat sich die Situation in China stabilisiert?

Die Situation in China hat sich offiziell stabilisiert. Aber so wie schon bisher ist die dortige Realität schwer zu durchschauen. Ich kann also darüber nichts Konkretes sagen. Die chinesischen Maßnahmen wurden sicherlich etwas spät ergriffen, aber sie waren drastisch. Die chinesische Situation, wie sie im Januar beobachtet wurde, ist dieselbe, die wir heute in Italien sehen und wie wir sie in einer Woche in Frankreich sehen werden, also eine ziemlich hohe Sterblichkeit unter gefährdeten Menschen an stark kontaminierten Orten. Insgesamt ist diese Krankheit gefährlich, viel gefährlicher als die Grippe, aber dennoch nicht sehr schwerwiegend. Viele Experten haben uns in den letzten zwei Monaten angelogen oder sind inkompetent, aber die Sterblichkeit ist nicht wie im Falle von Ebola und kann von der Gesellschaft beherrscht werden. Wir werden es in den kommenden Monaten durchmachen.

Ist dieses Virus eine Folge der Globalisierung?

Schwer zu sagen. Nein, das glaube ich nicht. In der Geschichte der Menschheit treten immer wieder Krankheiten auf: Bakterien, Parasiten, Viren. Cholera und Malaria sind weltweit immer noch vorhanden. Auch Pandemien gibt es zuhauf. Diese eine, mit der wir es jetzt zu tun haben, richtet sogar mehr wirtschaftlichen als humanen Schaden an. Die Folge der Globalisierung ist ihr Effekt. Die Tatsache, dass alle Fabriken und Vertriebskanäle so integriert und voneinander abhängig sind, ist eine Folge der Globalisierung, und wenn eine Maschine, aus welchem Grund auch immer, ausfällt, dann leidet und steht alles. Der Neustart wird kompliziert sein, aber ich glaube, er wird stattfinden.

Ist es besser, im Zentrum einer großen Metropole, in einer kleinen Stadt oder auf dem Land in Isolation leben zu müssen?

Wenn Sie nach einer langfristigen Lösung suchen, in der freien Natur und der Möglichkeit sich auszubreiten und sich lokal zu ernähren, dann ist das Land viel besser. Das Leben in Städten oder Kleinstädten ist in Ausnahmesituationen immer komplizierter, aber ich glaube nicht, dass es zu großen Mangelerscheinungen bei Nahrungsmitteln und Medikamenten kommen wird, und daher wird es schon irgendwie gehen. Aber das Land ist jedenfalls besser.

Wird es den isolierten Personen gelingen, mehrere Wochen zu Hause zu bleiben?

Sie werden es müssen, abgesehen von ein paar Besorgungen. Darüber hinaus werden viele immer noch krank sein, aber nicht viele Menschen infizieren. Wenn eine Person im Familienkern betroffen ist, sind es die anderen ebenso.

Da die Folgen der Krankheit in 80% der Fälle relativ gering sind, hat dies lediglich die Immunisierung der Menschen zur Folge. Wir werden zwei Monate, also mehrere Ansteckungszyklen warten, um sicherzugehen, dass das Virus nicht mehr vorhanden ist.

Viele Babys werden geboren und es wird auch zu Scheidungen kommen, denn Menschen sind nicht unbedingt daran gewöhnt, auf engem Raum zusammen zu leben.

Sind einige Länder besser als andere auf diese Coronavirus-Krise vorbereitet?

Moderne Länder verfügen über mehr Ressourcen, sind jedoch weniger an Krisen gewöhnt, während in armen Ländern die Menschen relativ stärker daran gewöhnt sind. Es wird ein gigantisches soziales Experiment sein, eine wichtige Phase in der Geschichte. Wir müssen wachsam und vorbereitet sein. Daher: rugig bleiben und keine Panik! Sie können einen Monat ohne Restaurantsbesuche und ohne Toilettenpapier leben. Nur kein Stress! Sie können zu Hause bleiben, ohne auszugehen und Unterhaltungsetablissements zu besuchen. Wir haben das Glück, dass derzeit Strom und Wasser zur Verfügung stehen. Dies ist also ganz anders als die Krisen der Vergangenheit, in denen die Menschen immens mehr gelitten haben. Die Dinge müssen also relativiert werden. Wir sollten daher verantwortlich agieren und den Anweisungen der Behörden folgen. Eindämmung ist eine verantwortungsvolle und staatsbürgerliche Maßnahme, um die Krankheit zu überwinden.

(1) https://www.youtube.com/watch?v=ksiEDr2cHWs&feature=emb_title (7’30” im Video)


*) Lionel Baland schreibt für diverse französische Medien wie Eurolibertés, Boulevard Voltaire und Breizh-info. Er tritt auch gelegentlich als Kommentator bei TVLibertés und RadioLibertés auf. Sein politischer Blog: http://lionelbaland.hautetfort.com/

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