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Piercamillo Davigo, Richter am Obersten Gerichtshof (Foto: twitter.com)

Eine Warnung von Seiten eines der prominentesten Richter Italiens über das “noch nie da gewesenen Ausmaß der Korruption unter Politikern des Landes” hat die Regierung von Matteo Renzi am falschen Fuß erwischt und einen politischen Sturm über die Rolle der Justiz ausgelöst.

Der Name von Piercamillo Davigo, heute Richter am Obersten Gerichtshof Italiens und Vorsitzender der italienischen Richtervereinigung, wurde vor 24 Jahren weltberühmt, als er als Mitglied der Mailänder Staatsanwaltschaft die unter der Bezeichnung “Saubere Hände” bekannt gewordene Untersuchung in einem Korruptionsskandal führte, der eine ganze politische Klasse hinwegfegen sollte.

In einem am vergangenen Freitag in der Tageszeitung Corriere della Sera erschienenen Interview erklärte Davigo, dass die politische Korruption in Italien heute schlimmer sei, als dies im Jahr 1992 wder Fall war; er kritisierte zugleich die Regierung Renzi, dass sie keine ausreichenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption gesetzt habe.

Davigo weiter: “Die Politiker haben nicht aufgehört zu stehlen, aber sie haben aufgehört sich zu schämen. Heute behaupten sie ungeniert, ein Recht darauf zu haben, so zu handeln, wie sie es früher nur heimlich getan haben.”

Italien rangiere im Jahre 2015 an 61. Stelle des “Corruption Perceptions Index” (Index der wahrgenommenen Korruptionsfälle), welcher jährlich von der Organisation Transparency International erstellt wird. Unter den 28 Ländern der Europäischen Union liegt Italien nunmehr an vorletzter Stelle gleich nach Bulgarien und rutschte somit im Vergleich zum Vorjahr hinter Griechenland und Rumänien zurück.

Davigo zufolge seien die Richterbefugnisse bei der Bekämpfung von Korruption und Steuerhinterziehung durch eine viel zu milde Gesetzgebung geschwächt worden, wie sie für die Regierung des ehemaligen Mitte-Rechts-Premiers Silvio Berlusconi, aber auch für Mitte-Links-Regierungen wie unter Renzi charakteristisch gewesen sei.

Renzi selber gab keinen Kommentar ab, doch am Samstag wurde Davigo von den führenden Verbündeten des Premiers in dessen Demokratischer Partei (PD) und von anderen Parteien in der Regierungskoalition angegriffen. So meinte etwa PD-Vorsitzender Matteo Orfini, dass Menschen, in deren Händen institutionelle Kompetenzen liegen, nicht so wie am Stammtisch reden dürften.

Applaus erntete Davigo hingegen von Seiten des MoVimento 5 Stelle (5-Sterne-Bewegung, die Anti-Establishment-Partei von Beppe Grillo) sowie von der Lega Nord.

Der Aufruhr kam jedenfalls für Renzi zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt, nachdem erst im vergangenen Monat sein Industrieminister wegen eines Skandals zurücktreten musste, in dem es um unzulässige Einflussnahme ging. Renzi behauptet hingegen, er hätte wichtige Schritte unternommen, um die Korruption in Italien zu bekämpfen, so etwas Erhöhung des Strafrahmens für einschlägige Delikte.

Zur Verteidigung seiner Regierung im Zusammenhang mit dem Skandal wegen unzulässiger Einflussnahme, der in diesem Monat im Parlament behandelt wurde, erklärte der Premier, dass eine übereifrige Justiz schuld daran sei, dass es in den letzten 20 Jahren zu “barbarischen Zwischenfällen” gekommen sei.

Renzi bot zwar keine konkreten Beispiele an, doch vielen Kommentatoren fiel die Ähnlichkeit seiner Worte mit denen von Berlusconi auf, der im Jahr 2013 wegen Steuerbetruges für schuldig gefunden wurde und während seiner 22-jährigen politischen Laufbahn immer wieder mit der Justiz zusammengeprallt war.

Davigos Kommentare fanden auch unter seinen Richterkollegen geteilte Aufnahme. So erklärte Giovanni Legnini, der stellvertretende Vorsitzende des Richterrats, dass solche Aussagen “das Risiko eines Konflikts mit der Politik in sich bergen, welcher der Justiz und dem Land nur schaden kann.”

Nicola Gratteri, ein bekannter Anti-Mafia-Staatsanwalt, stimmt hingegen mit Davigo dahingehend überein, dass die politische Korruption in Italien ein neues Tief erreicht hat.

Gratteri wörtlich: “Vor zwanzig Jahren war es die lokalen Mafia-Bosse, dwelche sich an die Politiker wandten und um Gefälligkeiten baten, doch heute sind es die Politiker, welche die Häuser der Mafia-Bosse aufsuchen und im Gegengeschäft zu deren Stimmen bei Wahlen Zuschläge für öffentliche Aufträge anbieten.”

Beppe Grillo (Foto: Niccolò Caranti / Wikimedia, CC 3.0)
Beppe Grillo (Foto: Niccolò Caranti / Wikimedia, CC 3.0)

Der Gründer der 5-Sterne-Bewegung Beppe Grillo erklärte, “dass alle ehrlichen Bürger den Ausführungen Davigos nur zustimmen können. Es ist klar, dass Davigo nicht gegen die Regierung auftritt, er tritt gegen korrupte Politiker auf. Wenn aber diese beiden Dinge zusammenfallen, dann ist es nicht Davigos Schuld.”

 

Quelle: http://www.ilpost.it/2016/04/23/davigo-intervista/

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Italy judge’s warning on political corruption triggers furor

A warning by one of Italy’s most prominent judges over what he said were unprecedented levels of corruption among politicians has angered Matteo Renzi’s government and unleashed a political storm over the role of the judiciary.

Piercamillo Davigo, a supreme court judge, made his name 24 years ago as one of the pool of Milan prosecutors that led the “Clean Hands” corruption investigation that swept away an entire political class.

In an interview in Corriere della Sera daily on Friday Davigo, who heads Italy’s national association of magistrates, said political corruption is now worse than it was in 1992 and criticized Renzi’s government for failing to tackle it.

“The politicians haven’t stopped stealing, they’ve stopped being ashamed of it,” he said. “Now they blatantly claim a right to do what they used to do secretly.”

Italy came 61st in Transparency International’s 2015 corruption perceptions index, second to last among the 28 European Union countries above only Bulgaria. It slipped below Greece and Romania compared with the year before.

Davigo said magistrates’ powers to tackle corruption and tax evasion had been weakened by lenient legislation brought in by former center-right Prime Minister Silvio Berlusconi and also by center-left leaders, including Renzi.

Renzi made no comment, but on Saturday Davigo was attacked by the premier’s allies in his Democratic Party (PD) and other parties in the ruling coalition. He was applauded by the anti-establishment 5-Star Movement and right-wing Northern League.

PD President Matteo Orfini said people with institutional responsibilities “shouldn’t talk as if they were in a bar”.

The furor comes at an awkward time for Renzi, whose industry minister resigned last month over an influence-peddling scandal. Renzi says he has taken important steps to fight corruption, including raising prison sentences.

Defending his government over the influence peddling affair in parliament this month, he said an over-zealous judiciary had been guilty of “barbaric episodes” in the past 20 years.

Renzi offered no examples, but many commentators noted the similarity of his words with those of Berlusconi, who was found guilty of tax fraud in 2013 and has repeatedly clashed with the judiciary during his 22-year political career.

Davigo’s comments also divided his fellow magistrates. Giovanni Legnini, the deputy-president of the magistrates’ governing body, said they “risk a conflict (with politicians) which the judiciary and the country does not need”.

Nicola Gratteri, a prominent anti-mafia prosecutor, agreed with Davigo that political corruption had reached new lows.

“Twenty years ago it was local mafia bosses who went to politicians asking for favors, but now it’s the politicians who go to the houses of the mafia bosses asking for votes in exchange for public contracts,” he said.

The 5-Star Movement’s founder Beppe Grillo, said Davigo’s words were “shared by all honest citizens”.

“It’s clear that Davigo isn’t against the government, he’s against corrupt politicians. If the two things coincide then it isn’t Davigo’s fault,” he added.

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