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Krisztián Forró · Foto: Magyar Nemzet

“Szövetség – Magyarok, Nemzetiségek, Régiók” (“Bündnis – Ungarn, Nationalitäten, Regionen”) wird der Name der neuen Partei sein, an deren Gründung die ungarischen politischen Kräfte in der Slowakei* arbeiten. Der Fusionsprozess erreichte letzte Woche einen Wendepunkt, als die Führer der Magyar Közösség Pártja (MKP, “Ungarische Gemeinschaftspartei”), der gemischten Partei Most-Híd (“Brücke”) und der Magyar Közösségi Összefogás (“Allianz der Ungarischen Gemeinschaft”) auf einer Pressekonferenz bekannt gaben, dass sie eine Vereinbarung getroffen haben. Das erhöht die Chancen, dass es nach etwa zehn Jahren wieder eine gemeinsame ungarische Vertretung im slowakischen Parlament gibt. Wir fragten Krisztián Forró, den Vorsitzenden des MKP, nach den Chancen und Ideen.

– 1998 wurden die ungarischen Parteien in der Slowakei vereinigt. Im Laufe der Jahre ist die ungarische Einheit zersplittert. Heute ist ein neuer Einigungsprozess im Gange. Kann die Ankündigung der Gründung des Bündnisses als historischer Erfolg betrachtet werden?
– Wir werden von einem historischen Erfolg sprechen können, wenn unser Bündnis eine starke Interessenvertretung hat. Im Moment befinden wir uns in einem Prozess der Vereinheitlichung. Letzten Dezember haben wir zusammen mit Most-Híd bekannt gegeben, dass die beiden Parteien zusammenarbeiten wollen, und dann, dass wir eine Vereinbarung getroffen haben, während wir die Verhandlungen mit der dritten Partei, der Allianz, fortgesetzt haben. Ich freue mich, dass wir im März den Punkt erreicht haben, an dem die drei Parteien nun erklären können, dass wir im Interesse der Interessenvertretung der ungarischen Minderheit in der Slowakei eine Einigung erzielt haben. Seitdem ist der Prozess im Gange, und wir suchen nach Wegen, eine möglichst breite Einheit zu schaffen. Wir freuen uns natürlich, wenn sich weitere Parteien, Organisationen und Einzelpersonen dieser Einheit anschließen.

– Können wir erwarten, dass die anderen beiden ungarischen Parteien sich anschließen? Gab es diesbezüglich schon Anfragen?
– Ja, es gab Signale, und ich hoffe, dass diese Einigkeit so breit wie möglich sein wird. Ich hoffe, dass sich in der kommenden Zeit weitere Parteien, Organisationen und sogar Einzelpersonen dieser Einheit anschließen können.

– Welche Kompromisse waren notwendig, damit die drei Parteien eine Einigung erzielen konnten?
– Schon im Sommer wurde klar, dass die Einigung nicht ohne Kompromisse funktionieren wird, also muss jeder irgendwo ein bisschen nachgeben. Für die MKP war es sehr wichtig, dass es sich um eine arbeitsfähige Formation handelt und dass sie bei diesem Zusammenschluss in keiner Weise ihr Image verliert. Beide Parteien haben akzeptiert, dass die MKP die stärkste Partei in dieser Formation ist, wie die Meinungsumfragen zeigen. Damit hält die MKP faktisch die Hälfte der Sitze in der Gruppierung (neun des 18-köpfigen Vorstands des Bündnisses werden von der MKP gehalten, den Rest teilen sich Most-Híd und Allianz – Anm. d. Red.). Die MKP ist faktisch unangreifbar, aber sie kann alleine nichts durchsetzen, also muss sie dafür Partner finden. Dabei geht es jedoch nicht in erster Linie um Proportionen, sondern darum, Gemeinsamkeiten in den Bereichen zu finden, in denen wir uns bisher nicht unbedingt einig waren, und in denen wir zusammenarbeiten können, um diese Interessenvertretung möglichst effektiv zu gestalten.

– Was sind neben der Vertretung der Interessen der Ungarn in der Slowakei die Ziele und Ideologien des neuen Bündnisses?
– Wir wollen in erster Linie die Regionen repräsentieren, in denen wir leben, und das ist eigentlich die Antwort auf die Frage. Denn wenn wir daran arbeiten, die Gesundheitsversorgung in unseren Gebieten zu verbessern und das Straßennetz zu modernisieren, dann bedeutet das eine Entwicklung nicht nur für die hier lebende ungarische Gemeinschaft, sondern für alle hier lebenden Nationalitäten. Wir werden in erster Linie eine ungarische Partei sein, aber wir wollen auch die Menschen in den Regionen, in denen wir leben, effektiv vertreten.

– Wie werden sich in dieser breiten Koalition, abgesehen von den erwähnten wirtschaftlichen und gesundheitspolitischen Entwicklungen, die konservativen, christlichen, an nationalen Werten und Idealen orientierten Ungarn in der Slowakei, die Mehrheit der Kernbasis der MKP, wiederfinden können? Ich denke hier an das Aufgreifen von Themen wie die Beneš-Dekrete, Sprachrechte oder die doppelte Staatsbürgerschaft. Wie wird die Allianz dies repräsentieren, da eine so vielfältige und weitreichende Vereinigung stattfindet? Schließt nicht das eine das andere aus?
– Das sind Themen, die die MKP angesichts der Umstände und der Möglichkeiten immer auf der Tagesordnung gehalten hat. Ich hatte auch kürzlich eine Online-Diskussion mit Lorán Vincze, dem Präsidenten der Föderation Europäischer Nationalitäten (FUEN), und dabei wurde unter anderem das Thema der Beneš-Dekrete angesprochen, da sich der Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments in der nächsten Zeit mit diesem Thema beschäftigen wird. Das wird eines der Ziele in der Zukunft sein, aber das Gleiche gilt auch für das Thema der doppelten Staatsbürgerschaft, das für unsere Gemeinschaft wichtig ist und das wir auf der Tagesordnung behalten wollen. Wir sind uns bewusst, dass die aktuellen Änderungen kein Fortschritt für unsere Gemeinschaft sind. Wir werden weiter daran arbeiten, die Situation von vor 2010 wiederherzustellen. In nationalen Fragen werden wir weiterhin konsequent sein und nach Ergebnissen streben. Die beiden anderen Parteien sind dabei auch Partner. Was die Ausrichtung der Partei selbst betrifft, so sollte sie eher eine Mitte-Rechts-Partei sein und wird es auch sein. Wir müssen jedoch ein möglichst breites Spektrum der Ungarn in er Slowakei ansprechen. Ich glaube, dass extremistische Äußerungen um jeden Preis vermieden werden sollten. Das ist also die Richtung, in die wir uns bewegen wollen, denn wir schaffen eine einzige Partei, wie es in den 12 Prinzipien festgelegt ist.

– Wie sind die Wahlchancen des Bündnisses? Werden Sie mit der Gründung einer vereinigten ungarischen Partei die Ungarn in der Slowakei zurücklocken können, die in den letzten Jahren eine slowakische Partei gewählt haben?
– Ich würde nicht davon sprechen, sie zurück zu locken. Meiner Meinung nach sind die Ungarn in der Slowakei von der Politik der vergangenen Periode enttäuscht, weil unsere Gemeinschaft sowohl politisch als auch gesellschaftlich gespalten war. In den letzten zehn Jahren ging es darum, Gräben auszuheben. Jetzt ist es an der Zeit, die Gräben zuzuschütten. Ich glaube, dass auch die Mitglieder unserer Gemeinschaft neugierig sind, wie und in welchem Umfang die neue Partei ihre Interessen vertreten kann. Es reicht nicht mehr aus zu sagen, dass es sich um eine ungarische Partei handelt und dass alle Ungarn sie wählen sollen, das ist also nicht die Geschichte. In der Tat schreit unsere Gemeinschaft nach einer effektiven Vertretung. Sie wollen Antworten hören, sie wollen Taten sehen und sie wollen Lösungen für die Probleme der Entwicklung der vernachlässigten Regionen der Südslowakei. Das ist durchaus verständlich. Diese Menschen werden sich hinter die Sache stellen, wenn sie sehen, dass es sich um eine glaubwürdige, lebensfähige Interessenvertretung handelt und dass sie den Menschen und ihren Interessen dient. Die Einigkeit auf politischer Ebene hat begonnen und wir haben einen wichtigen Meilenstein erreicht. Das muss auch für die gesellschaftliche Einheit gelten, und diese Einheit muss auch in den Köpfen der Wählerinnen und Wähler aufgebaut werden, und es muss Vertrauen aufgebaut werden. Dies ist sehr wichtig für den Erfolg.

– Für eine effektive Interessenvertretung, mit wem sind Sie bereit, unter den derzeitigen slowakischen Parlamentsparteien zusammenzuarbeiten?
– Wir werden jede Gelegenheit nutzen, um Lösungen für Themen anzubieten, die für unsere Gemeinden wichtig sind. Natürlich werden wir auch in diesem Fall extreme Lösungen vermeiden. Wir werden zum Beispiel nicht mit Marian Kotleba und seiner Partei zusammenarbeiten, auch nicht mit der Partei Smer-SD (Richtung-Sozialdemokratie; Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten Robert Fico – Anm. d. Red.). Meiner Meinung nach können wir diese beiden Parteien im Moment sicher ausschließen. Später werden wir sehen, wie die Ergebnisse der nächsten Wahlen ausfallen, und wir werden sehen, mit wem wir zusammenarbeiten können. Wir werden auch den Kontakt zu den derzeitigen Regierungsparteien suchen, denn um etwas zu erreichen, müssen wir auch auf slowakischer Seite Partner finden.

– Glauben Sie, dass der jüngste Rücktritt von Ministerpräsident Igor Matovič und die Ernennung eines neuen Ministerpräsidenten, Eduard Heger, die Regierungskrise in der Slowakei beenden wird oder wird es weitere Auseinandersetzungen zwischen den Koalitionsparteien geben?
– Da dies nicht nur eine Geschichte eines Mannes ist, kann alles passieren. Ich bin zuversichtlich, dass Stabilität geschaffen werden wird. Die Zahlen zeigen, dass es in der kommenden Zeit einen sehr ernsten wirtschaftlichen Abschwung geben wird. Immer mehr Menschen verlieren ihre Arbeit, es wird immer schwieriger, ihre Hypotheken zu bezahlen, Unternehmern fällt es immer schwerer, über die Runden zu kommen, und die Hilfe, die die Regierung gibt, scheint leider nicht effektiv genug zu sein. Es gibt also eine Reihe von Problemen. Und in dieser Zeit sind Stabilität und eine funktionierende Regierung, die verantwortungsvolle Entscheidungen treffen kann, unerlässlich. Die Menschen sind nicht an Machtkämpfen interessiert. Ich erwarte auch Stabilität. Wenn sie es nicht schaffen, dann muss derjenige, der dafür verantwortlich ist, die richtigen Schlüsse ziehen und die Verantwortung übernehmen.

– Mitten in der Corona-Krise gibt es in der Slowakei jetzt auch noch eine Regierungskrise. Was denken Sie über den Umgang des Kabinetts mit der Epidemie?
– Die vergangene Periode hat gezeigt, dass leider auch Fehler gemacht worden sind. Einer der vielleicht schwerwiegendsten Fehler war das Versäumnis, die Einhaltung der verschiedenen Maßnahmen und Vorschriften zu überwachen. Dies hat auch zu dem Anstieg der Infektionszahlen beigetragen, der durch die Krise innerhalb der Regierung noch verstärkt wurde. Diese Situation hat die ohnehin schon hohe Spannung unter den Bürgern noch verstärkt. Ich bin sicher, dass dies besser hätte gehandhabt werden können. Aber eine Regierung muss sich in Krisenzeiten behaupten können, nur dann kann sie ihre Fähigkeiten zeigen. Jetzt ist es an der Zeit, sich auf die Hilfe zu konzentrieren.

– Kehren wir für einen Moment zu Igor Matovič zurück. Was halten Sie von seiner Minderheitenpolitik und was erwarten Sie von Eduard Heger?
– Es gab verschiedene Gesten des Ministerpräsidenten gegenüber unserer Gemeinschaft, die wir so noch nicht gesehen haben, aber man muss sagen, dass diese auf der Ebene von Gesten geblieben sind und dass wir leider immer noch nicht von konkreten, greifbaren Ergebnissen sprechen können. Ich bin zuversichtlich, dass der neue Ministerpräsident uns gegenüber offen und positiv sein wird, so dass unsere Gemeinschaft davon profitieren wird.

*) im ungarischen Original: Felvidék; dt. “Oberland” oder historisch “Oberungarn”

Quelle: Magyar Nemzet (Autorin: Beáta Beke, Kassa/Košice/Kaschau)


Ein Gedanke zu „Krisztián Forró: “Es ist Zeit, die Gräben zuzuschütten!”“
  1. Wann bezahlen die Briten für ihre uralten Kriegsverbrechen!!!

    Schreiib jemand, der gleiche Sympathie für Ungarn wie für Slowaken hat.

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