Michel Onfray: „Wäre ich ein Christ, so würde ich sagen, dass Papst Fran­ziskus der Anti­christ ist“

Michel Onfray · Foto: Fronteiras do Pensamento / Wikimedia CC 2.0

Nach seiner Rück­kehr aus Berg-Kara­bach hat der Philo­soph Michel Onfray soeben der Zeitung Les Nouvelles d’Ar­ménie, die für die arme­ni­sche Diaspora in Frank­reich schreibt, ein Inter­view gegeben.

Les Nouvelles d’Ar­ménie: Wie lässt sich das, was gerade in Artsakh [arme­ni­sche Bezeich­nung für Berg-Kara­bach] passiert ist, charakterisieren?

Michael Onfray: Es ist die Fort­set­zung des Völker­mords von 1915 mit den Mitteln des begin­nenden 21. Jahr­hun­derts: aus der Luft mörde­ri­sche Hyper-Tech­no­logie wie Drohnen und Phos­phor­bomben, die insbe­son­dere von Kanada und Israel verkauft werden, aber auch zu Lande Dschi­ha­disten, die aus Syrien zurück­kehren, um den Dschihad mit dem Messer zu führen. Es ist auch ein Krieg der Kulturen zwischen dem Chris­tentum, das Arme­nien als erster Staat ange­nommen hat, und dem Islam, der seit der Hidschra keinen Hehl aus seinem Wunsch gemacht hat, sich durch krie­ge­ri­sche Erobe­rungen in der ganzen Welt zu etablieren. Ich sehe dies als Bestä­ti­gung der Thesen, die Samuel Huntington 1996 in Der Kampf der Kulturen vertreten hat. Arme­nien, das geogra­phisch in Asien, aber kultu­rell in Europa liegt, befindet sich tekto­nisch ausge­drückt auf einer Reibungs­linie der Kulturplatten.

Les Nouvelles d’Ar­ménie: Was hat Sie an dem, was Sie gesehen haben, am meisten über­rascht oder beeindruckt?

Michael Onfray: Die Würde der Menschen… Ich sah, wie Leben zerstört wurden, einen Vater, der wochen­lang keine Nach­richt von seinem Sohn hatte, seine Tochter zu Hause, nachdem sein Haus, das er vier Tage zuvor gekauft hatte, von einer aser­bai­dscha­ni­schen Bombe in die Luft gesprengt worden war, Soldaten im Kampf­anzug, die in einem verlas­senen Dorf helden­haft kämpften, Schuss­wechsel, um einen arme­ni­schen Friedhof zurück­zu­er­obern, der in aser­bai­dscha­ni­sche Hände gefallen war, eine junge und schöne Leut­nantin, die mit einem Lächeln sagt, dass die letzte Kugel für sie sein wird, aber in der Zwischen­zeit alle anderen für die Eindring­linge bestimmt sind, ein Priester, der sagt, dass er sein Kloster nicht verlassen wird, egal was der Preis dafür ist, Soldaten, die aus der Kirche kamen, wo sie mit tränen­ge­rö­teten Augen kleine Votiv­kerzen anzün­deten, alte Arme­nier, die am frühen Morgen wie eine Armee von Sisy­phos die Glas­scherben aus den gesprengten Gebäuden entfernten, um sie in einen Last­wagen zu laden, und keine Anzei­chen von Hass. Nur das Bedauern, dass diese Straf­ex­pe­di­tion, die diese Folge des von Aser­bai­dschan geplanten Völker­mordes ist, kein wirk­li­cher Krieg war, in dem das arme­ni­sche Volk seinen Mut und seine Tapfer­keit hätte unter Beweis stellen können.

Les Nouvelles d’Ar­ménie: Geht dieser Krieg über den Zusam­men­prall zwischen terri­to­rialer Inte­grität und dem Recht auf Selbst­be­stim­mung, den offi­zi­ellen Konzepten, die von beiden Seiten bean­sprucht werden, hinaus?

Michael Onfray: Ja natür­lich, für mich ist es die erste Schlacht eines Kultur­krieges, die der isla­mi­sche Impe­ria­lismus von Erdogan, neben anderen Führern, gegen eine christ­lich-jüdi­sche Kultur führt. Was in Arme­nien geschieht, ist in Bezie­hung zu den Angriffen zu setzen, die sich seit Jahr­zehnten auf euro­päi­schem Boden häufen. Das Geburts­datum dieses gegen­wär­tigen Kultur­krieges ist eindeutig 1989, als Salman Rushdie durch eine irani­sche Fatwa zum Tode verur­teilt wurde, weil er einen Roman veröf­fent­licht hatte, den Ayatollah Khomeini verur­teilte, ohne ihn über­haupt gelesen zu haben: Was hat der Westen getan, um Vergel­tung zu üben? Nichts. Es gab sogar fran­zö­si­sche Intel­lek­tu­elle, die den Mord­aufruf rechtfertigten…

Les Nouvelles d’Ar­ménie: Es ist von einem Kampf der Kulturen die Rede, aber ist es nicht auch ein Zusam­men­prall zwischen einem demo­kra­ti­schen Gebilde und zwei auto­ri­tären oder gar dikta­to­ri­schen staat­li­chen Gebilden, insbe­son­dere im Falle Aserbaidschans?

Michael Onfray: Dies schließt einander nicht aus: Demo­kratie ist etymo­lo­gisch gesehen die Macht des Volkes. Seit der Fran­zö­si­schen Revo­lu­tion, die die Theo­kratie abschaffte und eine Repu­blik dekre­tierte, ist die Demo­kratie klar gegen die Theo­kratie – zumin­dest gegen Männer, die diese Macht für sich bean­spru­chen. Der Islam ist grund­le­gend und im Wesent­li­chen theo­kra­tisch. Eine demo­kra­ti­sche Formel des Islam würde bedeuten, dass man sich viele Frei­heiten mit dem Text des Korans nehmen müsste, einschließ­lich eines totalen Bruchs mit der Scharia. Demo­kra­ti­sche Fort­schritte in den Ländern des Islam gab es erst, als die Reli­gion in den Hinter­grund trat. Wenn dies ein Kultur­krieg ist, wo steht dann die west­liche Welt in diesem Krieg? Wie kann man die Klein­mü­tig­keit der Christen etwa in Frank­reich und einer Zeitung wie La Croix erklären? Und was kann Arme­nien vom Westen erwarten? Der Westen ist ängst­lich und feige. Er fürchtet Bedro­hungen und reagiert auf isla­mis­ti­sche Angriffe nur mit Kerzen und Plüsch­tieren, Gedichten und Liedern. Wenn sein Volk massa­kriert wird, unter­schreibt das Staats­ober­haupt dieses schreck­liche Mantra der Unter­wer­fung, das von den Massen­me­dien aufge­griffen wird: „Meinen Hass wirst du nicht haben“. Aber ein Land, das sagt, dass es auf seinen Hass mit einem Kuss der Liebe antworten wird, ist bereits tot! Emma­nuel Macron wird persön­lich von Erdogan belei­digt, der seine psychi­sche Gesund­heit in Frage stellt, aber er tut nichts und sagt nichts. Frank­reich wird von demselben Erdogan bedroht, aber es tut nichts und sagt nichts. Europa wird von Erdogan als zukünf­tiges Kriegs­ge­biet vorge­stellt, um den Terror des Dschi­hads zu instal­lieren, aber Europa bewegt sich nicht, tut nichts, sagt nichts. Frank­reich ist unter­würfig, das hat Houel­le­becq in seinem gleich­na­migen Roman schon sehr gut erzählt… Was La Croix betrifft, eine linke katho­li­sche Zeitung, die ich nicht lese, weil sie mehr links als katho­lisch ist… Sie ist der Ideo­logie des Papstes Fran­ziskus verpflichtet, von dem ich, wenn ich Christ wäre, sagen würde, dass er der Anti­christ ist! Noch nie hat ein Papst so viel getan, um die Zerset­zung des Chris­ten­tums zu beschleu­nigen. Bene­dikt XVI., der sich in Regens­burg richtig über das Verhältnis von Islam und Chris­tentum geäu­ßert hatte, hat nicht ohne Grund den Rück­tritt gewählt… Die Islamo-Linke und der ökume­ni­sche Katho­li­zismus des Zweiten Vati­ka­ni­schen Konzils sind Wegge­fährten. Schauen Sie sich nur die jüngsten Erklä­rungen Melen­chons an, in denen er sich sehr für Papst Fran­ziskus ausge­spro­chen hat, als er seine neueste Enzy­klika „Fratelli Tutti“ veröf­fent­lichte! Ich weiß nicht, wie ich Ihre letzte Frage beant­worten soll: Wenn Frank­reich von einem Gaul­listen geführt würde, der in der Lage wäre, eine euro­päi­sche demo­kra­ti­sche Koali­tion im Namen der Werte unserer Kultur zu führen, würde er an einer demo­kra­ti­schen Front arbeiten, die Arme­nien sofort zu Hilfe käme. Wenn Arme­nien nicht geschützt und vertei­digt wird, wird es das Tor zu unserem Ende sein… Aber wir haben eben kein gaul­lis­ti­sches Staats­ober­haupt! Macron ist sogar ein emble­ma­ti­scher Anti-Gaul­list, der ein Verfechter eines Frank­reichs ist, das in einem Europa des Marktes verwäs­sert wird, das dazu bestimmt ist, als Sprung­brett für eine plane­ta­ri­sche Regie­rung zu dienen. Dieses verwäs­serte Frank­reich ist ein zusätz­li­cher Vorteil für die Isla­misten, die sein Ende wollen.

Quelle: michelonfray.com

4 Kommentare

  1. Wir, nein ich als Katholik habe ein über­di­men­sio­nales Bild des Anti­christ im Kopf. Aber die Wirkung, die Herr Onfray beob­achtet, entspricht dem durchaus. Der Anti­christ braucht ein berei­tetes Saat­beet, um voll aufdrehen zu können.

  2. Diesem Artikel, diesen Worten dieses Mannes ist nichts mehr hinzu­zu­fügen. Absolut richtig analysiert.

    Nun will Erdow.hn noch auf den Mond:

    freie-berater.info/archive/17824

    Möge er bitte all seine Glau­bens­brüder und ‑schwes­tern mitnehmen und möge er dort bleiben und nie wieder zurück­kehren und wenn er es nicht frei­willig tun sollte, sollte sich viel­leicht endlich mal der „liebe !!! Gott“ ‑so es eine/n solche/n gibt- dazu durch­ringen, nicht mehr auch noch die andere Wange hinzu­halten, sondern seiner-ihrer-seits dafür sorgen, dass die dann alle nie wieder zurück­kommen bzw. sollte er-sie sie dann alle nebst der gesamten b.stialischen Klientel des Alls (All-einen) auf allen Ebenen für immer in die soge­nannte „Büchse der P.ndora zurückverfrachten.

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