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Věra Jourová, Vizepräsidentin der EU-Kommission und Kommissarin für Werte und Transparenz · Foto: Wikimedia

Eine Studie von European Democracy Consulting hat ergeben, dass nut nur 7 bis 8 Prozent der Spitzenpositionen von Repräsentanten aus Mittelosteuropa besetzt sind.

Eine Studie von European Democracy Consulting (EDC) hat das bekannte Problem der Unterrepräsentation der mittelosteuropäischen Mitgliedsstaaten in den höchsten Ebenen der EU-Institutionen aufgeworfen. Die Studie errechnete, dass hochrangige Beamte oder Politiker aus Mittelosteuropa nur 7 bis 8 Prozent der Spitzenposten besetzen, obwohl diese Region über 40 Prozent der Mitgliedstaaten und 20 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Die große Mehrheit der hohen Positionen wird von Kandidaten aus West-, Süd- und Nordeuropa besetzt. Die EDC kommt zu dem Schluss, dass eine solch geringe Anzahl in einer Organisation, die auf eine “ausgewogene” geografische Vertretung achten muss, “unvertretbar” und politisch sehr schädlich ist.

Für die Zwecke ihrer Studie hat die EDC die Tschechische Republik, die Slowakei, Ungarn, Polen, Slowenien, Kroatien, Bulgarien, Rumänien, Litauen, Lettland und Estland in die Kategorie “Mittelosteuropa” aufgenommen. Das sind die elf postkommunistischen Länder, die der EU zwischen 2004 und 2007 beigetreten sind, plus Kroatien im Jahr 2013.

“Das Gefühl der dauerhaften Unterrepräsentation sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden, da es zwangsläufig zu Frustration führt und die Unterstützung der europäischen Institutionen, Werte und Politiken ernsthaft untergraben könnte”, heißt es in dem Dokument, und weiter: “Diese Auswirkung auf die Bevölkerung kann möglicherweise das Verhalten und den ‘Europäismus’ der nationalen Führer beeinflussen, was sich wiederum rückwirkend auf den Zusammenhalt der EU auswirken wird.”

EDC untersuchte Dutzende von EU-Institutionen, von den wichtigsten, wie der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Rat der EU, bis hin zu Dutzenden von Agenturen, die von der EU betrieben werden.

In allen Fällen nahm EDC sich nur die höchsten Positionen in Augenschein, z.B. die Präsidenten und Generalsekretäre der Schlüsselinstitutionen, die Vorsitzenden der beratenden Gremien und die Direktoren der Agenturen, sowie unabhängige Führungspositionen wie den Europäischen Bürgerbeauftragten oder den Europäischen Staatsanwalt. Insgesamt wurden 89 dieser höheren Behörden in die Untersuchung einbezogen.

Es gibt nicht nur nur wenige Akteure aus den “neuen” Mitgliedstaaten, sondern in den allermeisten Fällen haben sie auch keine mächtigen und einflussreichen Ämter inne, sondern leiten lediglich Agenturen oder Beratungsgremien.

Die einzigen Ausnahmen sind die Lettin Ilze Juhansone, Generalsekretärin der Europäischen Kommission, und Laura Kövesi aus Rumänien, die kürzlich zur ersten europäischen Staatsanwältin ernannt wurde.

Die Analyse ist insofern inkohärent, als sie formal wirklich mächtige Behörden, wie die oben genannten, mit über die EU verteilten Agenturen gleichsetzt, deren Einfluss in der Regel unvergleichlich schwächer ist. Sie berücksichtigt ferner nicht die Generaldirektoren und Direktoren in der Europäischen Kommission, dem Rat der EU oder dem Europäischen Parlament, deren Einfluss oft unverhältnismäßig höher ist als der der Leiter einiger Agenturen.

In dieser Kategorie schneiden die Staaten Mittelosteuropas etwas besser ab, denn 14 Prozent der leitenden Angestellten in der Europäischen Kommission kommen aus dieser Region. Wenn wir nur die Generaldirektoren und ihre Stellvertreter in derselben Kommission berücksichtigen, d.h. die Leute, die einige europäische “Ministerien” leiten, dann können wir in der Gesamtliste von etwa 80 Namen 15 leitende Beamte aus den neuen Mitgliedsstaaten zählen.

Man sollte erwarten, dass bevölkerungsreichere Staaten wie Polen oder Rumänien oder solche, die der EU früher beigetreten sind, stärker vertreten wären. Aber das ist nicht der Fall; es ist sogar das Gegenteil der Fall.

Unter den 15 hochrangigen Managern aus den neuen Ländern befinden sich drei Bulgaren, jeweils zwei Letten, Esten und Zyprioten und je einer aus allen anderen Ländern außer der Tschechischen Republik und Ungarn. Diese beiden letzten Mitgliedstaaten haben niemanden in dieser Kategorie und sind in der Leitung der Kommission nur auf der Ebene eines “einfachen” Direktors und mehrerer Beamter im mittleren Management vertreten.

Es wird spekuliert, dass das “Wegdrängen” der Ungarn, Tschechen und Polen eine Art Misstrauen oder sogar Ressentiments gegenüber diesen Ländern darstellt, die nicht nur den Euro ablehnen und viele Vorbehalte gegen dieses oder jenes haben, sondern auch im Verdacht stehen, gegen die Grundregeln der Union zu verstoßen.

Gegen Polen und Ungarn werden aus diesem Grund formale Verfahren geführt, während Tschechien durch seine Duldung des angeblichen Interessenkonflikts durch Ministerpräsident Andrej Babiš Schaden nehmen könnte.

Die Strategie der tschechischen Regierung zur Unterstützung der Tschechen in den EU-Institutionen, die im letzten Jahr gestartet wurde, war bisher nicht erfolgreich. Allerdings muss man zugeben, dass die Vorbereitung von eignen Bürgern auf hochrangige Ämter in der EU und die Durchsetzung einer demgemäßen Haltung noch ein weiter Weg ist.

Natürlich sollen alle “Eurokraten”, von den höchsten Ämtern bis hin zu einfachen Beamten, zum Wohle Europas arbeiten und seine Interessen verteidigen. Daher sollte ihre Nationalität keine Rolle spielen.

Aber es ist auch wichtig, dass die EU jeden einzelnen Mitgliedstaat versteht und dass jedes Land Bürger in EU-Institutionen hat, die in der Lage sind, zu erklären, was das “europäische Interesse” bedeutet und wie es umgesetzt werden soll. Hier ist die nationale Präsenz wichtig, notwendig und vorteilhaft für beide Seiten, die Union und den Mitgliedsstaat. Vergessen wir nicht, dass die meisten Gesetze in den Brüsseler Büros dieser Institutionen geboren werden – Gesetze, die dann für die Bürger aller 27 Mitgliedsstaaten gelten.

Quelle: Info.cz


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