Nicolas Battini: „Wir sind die Gene­ra­tion des 11. September, von Charlie Hebdo, Bata­clan und der Ermor­dung von Yvan Colonna durch einen Isla­misten“ [Inter­view]

Die breite Öffent­lich­keit in Frank­reich hat ihn erst kürz­lich durch ein Inter­view mit der Zeitung VA+ entdeckt. Akti­visten, die sich für die fleisch­liche Heimat einsetzen, kannten Nicolas Battini jedoch schon seit vielen Jahren. Der korsi­sche natio­na­lis­ti­sche Akti­vist wurde 2016 zu acht Jahren Haft verur­teilt, weil er 2012 in Corte einen versuchten Anschlag mit einem Ramm­bock auf die Unter­prä­fektur verübt hatte.
 

Vor einigen Jahren hatten wir Jean-Guy Tala­moni inter­viewt, der uns seine Sicht auf den korsi­schen Natio­na­lismus und die Befrei­ungs­kämpfe darlegte. Eine ganz andere Vision dieses korsi­schen Natio­na­lismus vertritt heute Nicolas Battini. Er vertritt eine Vision, die tief in unserer Zeit verwur­zelt ist, einen Natio­na­lismus des 21. Jahr­hun­derts, der weit entfernt ist von einem gewissen Regio­na­lismus und/oder Dritt­welt-Natio­na­lismus, der über viele Jahr­zehnte von den Haupt­ak­teuren der breto­ni­schen, korsi­schen, baski­schen usw. Bewe­gungen getragen wurde.

Dies verleiht ihm eine zusätz­liche Legi­ti­mität, um über den korsi­schen Natio­na­lismus, seine Aktua­lität, die Iden­ti­täts­pro­bleme, mit denen Korsika wie auch der Rest Europas konfron­tiert ist, und die natio­nalen Befrei­ungs­kämpfe zu sprechen.….

BREIZH-INFO: Können Sie sich zunächst einmal unseren Lesern vorstellen?

Nicolas Battini: Mein Name ist Nicolas Battini, ich bin Korse. Seit meiner Jugend natio­na­lis­ti­scher Akti­vist, 2013 inhaf­tiert, 2016 zu acht Jahren Zucht­haus verur­teilt wegen poli­ti­scher Aktionen, die in einem Kontext der Konfron­ta­tion zwischen dem korsi­schen Natio­na­lismus und den Insti­tu­tionen der Repu­blik statt­fanden. Nachdem ich die volle gesetz­liche Strafe von sechs Jahren verbüßt hatte, wurde ich 2019 aus der Haft entlassen. Während ich mein Studium fort­setzte und arbei­tete, versuchte ich dann, einen land­wirt­schaft­li­chen Betrieb zu gründen, an dessen Erfolg ich eines Tages nicht verzweifle, in einer abge­le­genen Region in Zentral­kor­sika, aus der ich stamme, dem Boziu, das aus an Berg­hängen gele­genen Dörfern besteht und die Wiege der beiden großen Revo­lu­tionen Korsikas, der von 1358 und der von 1729, ist. Ich bin heute 29 Jahre alt, Fami­li­en­vater und Dokto­rand im Fach­be­reich Regio­nale Sprache und Kultur an der Univer­sität Korsika.

Was hat Sie zum korsi­schen Natio­na­lismus geführt? Und dazu, ein wich­tiger Akteur in der korsi­schen natio­na­lis­ti­schen Jugend, aber auch bei Femu A Corsica zu werden?

Nicolas Battini: Ohne zu zögern, das Gefühl, einer mensch­li­chen Gemein­schaft anzu­ge­hören, die im Begriff ist, zu verschwinden. Das ist, was mich betrifft, der große Motor meines Enga­ge­ments. Dieses Verschwinden ablehnen. Poli­ti­sche Perspek­tiven zu konzi­pieren und zu unter­stützen, die es ihr ermög­li­chen, sich zu rege­ne­rieren und das unwi­der­ruf­liche Ende ihres histo­ri­schen Konti­nuums zu verhin­dern. Dies sind meine wich­tigsten poli­ti­schen Motive. Das hat mich dazu bewogen, bei der Neugrün­dung der Ghju­ventù Indi­pen­den­tista im Jahr 2012 eine Führungs­kraft zu werden. In der Folge­zeit hat sich mein Natio­na­lismus im Bruch mit der dritt­welt­li­chen Linie, die unter den Kadern der Unab­hän­gig­keits­be­we­gung mehr­heit­lich vertreten war, und nach einer Reihe von Fest­stel­lungen zu den struk­tu­rie­renden Mängeln dieses Denkens, insbe­son­dere nach dem Aufkommen des krimi­nellen Isla­mismus, der die Idee eines Korsikas, das sich mit den Völkern der Dritten Welt verbrü­dern sollte, völlig entkräftet, auf eine klar auto­no­mis­ti­sche Linie verla­gert. In insti­tu­tio­nellen Fragen ist sie weit weniger anspruchs­voll, aber in Iden­ti­täts­fragen ebenso heftig. Mein Enga­ge­ment bei Femu a Corsica ab 2019 lässt sich so erklären. Dort habe ich zusammen mit meinen Freunden eine konser­va­tive Tendenz verkör­pert, die in Fragen der tradi­tio­nellen Iden­tität, des christ­li­chen Erbes Korsikas, des zivi­li­sa­to­ri­schen Prismas, der Ableh­nung von Forde­rungen, die von der Pariser Woke-Linken impor­tiert wurden, und der Sorge um die Migra­ti­ons­frage sehr stand­haft war. Es war eine intel­lek­tuell sehr anre­gende Zeit und Quelle zahl­rei­cher interner Kontro­versen. Bis zu unserem Bruch im März 2022, als man uns eine Anwei­sung aufzwingen wollte, die darin bestand, die isla­mis­ti­sche Frage im Mord­fall Yvan Colonna zu verschweigen, um ausschließ­lich eine gegen den Staat gerich­tete ankla­gende Linie einzu­nehmen. Ich habe mich diesem Narrativ wider­setzt und beschlossen, die Konse­quenzen zu tragen, indem ich meine Ämter als parla­men­ta­ri­scher Attaché und Mitglied der Exeku­tive von Femu a Corsica nieder­ge­legt habe, um mich der Struk­tu­rie­rung einer ethno­kul­tu­rellen, iden­ti­täts­stif­tenden, patri­mo­nialen und histo­ri­schen Verei­ni­gung zu widmen, die eine Quelle der Refle­xion und der doktri­nären Ausar­bei­tung darstellt.

Sie haben Ihr natio­na­lis­ti­sches Enga­ge­ment mit sechs Jahren Gefängnis bezahlt, als Sie 19 Jahre alt waren. Wie geht man damit um, vor allem, wenn man von seinem Land und seinen Ange­hö­rigen weit entfernt ist?

Nicolas Battini: Das mili­tante Enga­ge­ment, wie ich es verstand und auch heute noch verstehe, war ein totales Enga­ge­ment. Ich wollte bereits mein gesamtes Leben für den Kampf, der der meine war, einsetzen. Daher hatte ich nie das Gefühl, große Opfer bringen zu müssen. Alles, was mir wider­fuhr, war die logi­sche Perspek­tive der Lebens­po­si­tion, die ich einge­nommen hatte.

In welchem Zustand haben Sie die fran­zö­si­schen Gefäng­nisse vorge­funden, in denen Sie einge­sperrt waren?

Nicolas Battini: Ohne mich zu sehr über die offen­sicht­liche Unhy­giene der fran­zö­si­schen Gefäng­nisse auszu­lassen, ist es die Fest­stel­lung der demo­gra­fi­schen Situa­tion im Gefäng­nis­mi­lieu, die sehr aussa­ge­kräftig ist.

Sind die Korsen, die in den 70er Jahren zusammen mit Basken und Bretonen in fran­zö­si­schen Gefäng­nissen zahl­reich vertreten waren, heute nur noch kleine Minderheiten?

Nicolas Battini: Der Begriff Minder­heit für Basken, Bretonen und Korsen ist in Gefäng­nissen ein Euphe­mismus. In den meisten Haft­an­stalten im Groß­raum Paris ist es sogar schwierig, wenn man jeden Morgen von den Klängen des Salat de Fajr, des Morgen­ge­bets, geweckt wird, sich daran zu erin­nern, dass man sich in West­eu­ropa befindet. Vor allem, wenn man sich dort mehrere Jahre lang aufhält, wie es bei mir der Fall war.

Ihr korsisch-natio­na­lis­ti­scher Diskurs hat sich in den letzten Jahren weiter­ent­wi­ckelt, vor allem aufgrund Ihres langen Aufent­halts in Haft. Aber nicht nur (Sie haben in einem Inter­view die Anschläge auf Charlie Hebdo oder das Bata­clan erwähnt, die bei Ihnen ein Auslöser für eine Refle­xion waren). Wie kommt man von einem dritt­welt­li­chen Natio­na­lismus zu einem iden­ti­tären Nationalismus?

Nicolas Battini: Der Dritte-Welt-Natio­na­lismus besteht in der Auffas­sung, dass Korsika ein kolo­ni­siertes Land ist und sich deshalb mit den anderen Völkern der soge­nannten Dritten Welt zusam­men­schließen und verbrü­dern muss. Dieses Denken ermög­lichte es uns, einer­seits Perspek­tiven für den Kampf aufzu­zeigen und ande­rer­seits poli­ti­sche Möglich­keiten auf inter­na­tio­naler Ebene zu finden, indem wir die korsi­schen Netz­werke über die anderen Dritt­welt­kämpfe auswei­teten. Dennoch wurde dieses Gedan­kengut in den 1970er Jahren auf Korsika entwi­ckelt und ist mitt­ler­weile ein halbes Jahr­hun­dert alt. Es ist abge­nutzt und wird haupt­säch­lich von herun­ter­ge­kom­menen 68ern getragen, denen es nicht gelingt, ihr globales Denk­system zu erneuern. Sie verhin­dert de facto, dass man sich dem demo­gra­fi­schen Zustrom aus dem südli­chen Mittel­meer­raum und den damit einher­ge­henden Forde­rungen nach Gemein­schaft und Reli­gion wider­setzt, da die inter­na­tio­nale Soli­da­rität zwischen unter­drückten Völkern Vorrang vor allen anderen Über­le­gungen hat. Die Erben der korsi­schen Dritten Welt stammen aufgrund der Sozio­logie der dama­ligen Zeit weit­ge­hend aus der bürger­li­chen und städ­ti­schen Klasse und kümmern sich kaum um Ideo­logie. Ob sie nun heute lächer­liche Posi­tionen aus der dama­ligen Dritten Welt aufrecht­erhalten oder Forde­rungen einfließen lassen, die direkt von der neuen deko­lo­nialen Linken stammen (inklu­sive Schrift, Gender­theorie…), die Konzep­tua­li­sie­rung einer eigenen intel­lek­tu­ellen Iden­tität inter­es­siert sie nicht mehr.

All dies erklärt die immer kras­seren ideo­lo­gi­schen Annä­he­rungen zwischen den Kadern des Auto­no­mismus, der Unab­hän­gig­keits­be­we­gung und der Forde­rungs­basis der Pariser Linken. Es handelt sich um eine sozio­lo­gi­sche Verbin­dung zwischen städ­ti­schen Bour­geois, die dieselben Autoren lesen und in denselben Salons verkehren. Ich spreche natür­lich von den Führungs­kräften, aber kaum von den Akti­visten und noch weniger von den Wählern. Die Dritte Welt hat heute einen kari­ka­tur­haften links­extremen Unab­hän­gig­keits­an­spruch und einen sehr wohl­mei­nenden Mitte-Links-Auto­no­mismus hervor­ge­bracht. Diese beiden Kräfte verfügen nicht über die Instru­mente, um die isla­mis­ti­sche Frage zu beant­worten, und sind de facto der neuen Soft­ware unter­worfen, die der Wokismus in den wohl­ha­benden und städ­ti­schen Klassen, die zwar sehr klein sind, aber auch auf Korsika vorkommen, impor­tiert. Charlie Hebdo, der 13. November 2015, die Messer­stiche im Gefängnis von Borgu gegen zwei korsi­sche Aufseher im Jahr 2018, die Ermor­dung von Yvan Colonna und so weiter und so fort. All dies wird von Indi­vi­duen aus ehemals kolo­nia­li­sierten Völkern begangen, die ihre Taten im Namen einer rein theo­kra­ti­schen Ideo­logie recht­fer­tigen, die zwar stimmt, aber in ein dritt­welt­li­ches, vikti­mi­sie­rendes und anti­ko­lo­niales Narrativ verpackt ist.

Ange­sichts dessen sind wir Tausende von Natio­na­listen, die als christ­lich geprägte Westler instinktiv und spontan reagieren. Dies veran­lasst uns, an das wesent­liche Element jedes Natio­na­lismus anzu­knüpfen, da das dritt­welt­liche Leichen­tuch hinfällig ist, nämlich an ein entschieden iden­ti­täres Denken.

Ihr Weg ist der gleiche wie meiner. Ist das nicht letzt­lich eine Frage der Generation?

Nicolas Battini: Absolut. Wir sind alle das Ergebnis einer Generation.

Die korsi­schen Natio­na­listen der 1920er Jahre waren haupt­säch­lich rechts, sie kamen aus einer sehr länd­li­chen, sehr katho­li­schen Gesell­schaft und viele von ihnen schimpften auf die jako­bi­ni­sche, eindeutig linke Repu­blik, nachdem sie aus den Schüt­zen­gräben des Ersten Welt­kriegs zurück­ge­kehrt waren. Dieser Kontext struk­tu­rierte die dama­ligen natio­na­lis­ti­schen Kader, die sehr rechts­lastig waren, wobei A Muvra eine emble­ma­ti­sche Zeitung für das war, was ich hier erwähne. Fünfzig Jahre später brachte der Mai 68 viele linke Kader hervor, die im korsi­schen Natio­na­lismus ein Mittel fanden, ihr eigenes revo­lu­tio­näres Epos zu leben, wobei sie sich auf eine mili­tante Basis und eine Wähler­schaft stützten, die bereits sehr iden­ti­täts­ori­en­tiert war, aber wohl oder übel die sozia­lis­ti­sche Phra­seo­logie akzep­tierte, solange die Iden­tität Korsikas durch die Förde­rung der Sprache und die Bestä­ti­gung der Exis­tenz unseres Volkes hervor­ge­hoben und vertei­digt wurde.

Ein halbes Jahr­hun­dert später taucht eine andere Gene­ra­tion auf. Wir sind die Gene­ra­tion des 11. September, von Charlie Hebdo, Bata­clan, der Ermor­dung von Yvan Colonna durch einen Isla­misten, der Migra­tions- und Gesell­schafts­fragen, der Debatten über Männ­lich­keit beim Grillen oder über schwan­gere Männer. Die Lesart und die daraus resul­tie­renden Posi­tio­nie­rungen unter­scheiden sich also zwangs­läufig von denen unserer älteren Generation.

Besteht das Problem in unseren Ländern unter fran­zö­sisch-repu­bli­ka­ni­scher Herr­schaft nicht gerade darin, dass die Natio­na­listen der 60er und 80er Jahre letzt­lich immer noch die lokale poli­ti­sche Szene domi­nieren, zumin­dest durch ihre Neigung zu defi­nieren, welches die Haupt­schlacht­felder sind und welche ausge­schlossen werden müssen?

Nicolas Battini: Das stimmt. So wie die entschieden tradi­tio­nellen und spontan konser­va­tiven baski­schen Natio­na­listen den baski­schen Natio­na­lismus der 1950er Jahre beherrschten, bevor eine junge marxis­ti­sche und anti­fran­quis­ti­sche Gene­ra­tion durch intel­lek­tu­elle Produk­tion und struk­tu­rellen Kraftakt die Macht über­nahm. Keine Gene­ra­tion ist ewig. Inso­fern kündigt die ideo­lo­gi­sche Arbeit und das partei­po­li­ti­sche Handeln inner­halb der Jugend immer die kommenden Neuzu­sam­men­set­zungen an.

Die Frage des Kampfes gegen die Einwan­de­rung scheint zum Beispiel von Verant­wort­li­chen wie Herrn Tala­moni oder Herrn Simeoni völlig verschwiegen zu werden, warum?

Nicolas Battini: Die einzige Migra­ti­ons­frage, die niemand anspre­chen darf, ohne den Zorn der lokalen Gutmen­schen auf sich zu ziehen, ist der demo­gra­fi­sche Beitrag der Konti­nen­talen auf Korsika. Die Dritte Welt erlaubt die Kritik an Fran­zosen, verbietet aber gleich­zeitig die Kritik an Nach­kommen von Kolo­ni­sierten. Manche erklären uns, dass Korsika nicht jedes Jahr Zehn­tau­sende zusätz­liche Konti­nen­tal­eu­ro­päer aufnehmen kann, womit sie völlig Recht haben und wir in diesem Punkt über­ein­stimmen. Korsika ist nicht dazu berufen, zum Alters­lager für wohl­ha­bende Boomer zu werden. Dennoch weigern sich dieselben Leute, denselben Diskurs über die Menschen im südli­chen Mittel­meer­raum zu führen. Die linke Pariser Klasse und ihre lokalen Multi­pli­ka­toren würden dies nicht akzep­tieren und jede Erwäh­nung des Themas mit dem Stempel der Infamie versehen.

Apropos, wie ist die Migra­ti­ons­si­tua­tion auf Korsika?

Nicolas Battini: 2018 machten laut den Zahlen der Volks­zäh­lung des INSEE im Ausland gebo­rene Personen mit oder ohne fran­zö­si­sche Staats­bür­ger­schaft 9,9 % der Insel­be­völ­ke­rung aus. 33 600 Migranten leben insge­samt auf Korsika. Zu etwa 23 % kommen diese Einwan­derer aus Portugal, zu 12 % aus Italien. Marokko ist jedoch mit fast 30 % der Einwan­derer auf Korsika das am stärksten vertre­tene Land.

Korsika ist die dritt­größte Region Frank­reichs, die im Verhältnis zu ihrer Bevöl­ke­rung die meisten Zuwan­derer aufnimmt. Hinzu kommt natür­lich ein stetiger Strom vom Konti­nent, der viele pensio­nierte Boomer umfasst, die ein bereits fort­ge­schrit­tenes Phänomen der Enteig­nung von Grund und Boden, des Preis­an­stiegs und des helio­tro­pi­schen Raub­baus nähren.

Wie haben Sie die Erklä­rungen von Herrn Simeoni aufge­nommen, in denen er sich einmal mehr für die Aufnahme von Migranten ausspricht, die von Schiffen der NGOs, die Komplizen der Schlepper sind, nach Europa gebracht werden?

Nicolas Battini: Als logi­sche Folge einer ganzen wohl­mei­nenden und der linken Pariser Elite unter­wor­fenen Soft­ware. Das Volks­emp­finden ist in dieser Hinsicht extrem streng. Präsi­dent Simeoni, den ich persön­lich kenne und der auf persön­li­cher Ebene meinen vollen Respekt genießt, ist ein äußerst intel­li­genter Mann. Er weiß, was er tut, und versteht die Signale, die er aussendet. Diese Signale richten sich nicht an die Korsen, die in der zweiten Runde der Präsi­dent­schafts­wahlen mit 58 % der Stimmen Marine Le Pen wählen.

Es sind fort­schritt­liche Signale, die an die Stäbe von Emma­nuel Macron und Jean-Luc Mélen­chon gerichtet sind. Präsi­dent Simeoni hat auf Respek­ta­bi­lität gesetzt, um die Auto­nomie zu errei­chen, selbst wenn er gegen die Meinung des Volkes voran­schreiten muss, selbst wenn er alle Faktoren der Deko­ra­tion Korsikas, zu denen natür­lich auch die unkon­trol­lierte Einwan­de­rung zählt, verschlim­mert. Es ist ein auto­no­mis­ti­sches Konzept, das verrückt geworden ist, nachdem es das histo­ri­sche Ziel des Natio­na­lismus aus den Augen verloren hat: die Vertei­di­gung der kultu­rellen Iden­tität der Korsen.

Gibt es aufstre­bende, nicht-grup­pen­spe­zi­fi­sche korsi­sche natio­na­lis­ti­sche Bewe­gungen, die gewis­ser­maßen den Tisch eines in den 70er und 80er Jahren verblie­benen korsi­schen Natio­na­lismus umdrehen und ihn auf neue Para­digmen ausrichten wollen: insbe­son­dere den Kampf für das zivi­li­sa­to­ri­sche Über­leben, der meiner Meinung nach mit dem Kampf gegen die fran­zö­si­sche Repu­blik und für die Auto­nomie der fleisch­li­chen Vater­länder einhergeht?

Nicolas Battini: Alle Bedin­gungen für die Entste­hung einer solchen Kraft auf Korsika sind nunmehr gegeben: eine neue Gene­ra­tion, eine quali­ta­tive Sozio­logie, die sich einbringen möchte, eine allge­meine Demo­bi­li­sie­rung in der natio­na­lis­ti­schen Bewe­gung, ein immer größerer Bruch zwischen der natio­na­lis­ti­schen Jugend und dem Über­bleibsel der Dritten Welt, die Über­al­te­rung einer vergan­genen Gene­ra­tion und ihre Unfä­hig­keit, ihre Gesamt­vi­sion zu erneuern, das Ende des Elans von 2015 und seiner Illu­sionen, die inter­na­tio­nale Dynamik, die eine zivi­li­sa­to­ri­sche Lesart der Kräf­te­ver­hält­nisse begüns­tigt. Ich denke, um Hugo zu para­phra­sieren, dass es nichts Stär­keres gibt als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.

Sie erklären insbe­son­dere in dem großen Inter­view mit VA+, dass die korsi­schen natio­na­lis­ti­schen Führer eine tiefe Kluft zum korsi­schen Volk hätten… Was erklärt, warum sie in diesem Fall immer noch an der Macht sind?

Nicolas Battini: Aus zwei wesent­li­chen Gründen.

Der erste: der Clan-Faktor. Wer die poli­ti­sche Macht auf Korsika besitzt, besitzt auch die Fähig­keit, lokale öffent­liche Stellen und Vorteile zu verteilen. Ein gutes Drittel der korsi­schen Wähler­schaft richtet sich nach diesen Über­le­gungen. Dies ist eine wesent­liche Tatsache, die es zu verstehen und in alle poli­ti­schen Über­le­gungen bezüg­lich der Situa­tion auf unserer Insel einzu­be­ziehen gilt, um die Anhän­ger­schaft der amtie­renden Macht und gleich­zeitig das Erneue­rungs­po­ten­zial zu rela­ti­vieren, die beide diesem nepo­tis­ti­schen und klien­te­lis­ti­schen Faktor unterliegen.

Zwei­tens: die insti­tu­tio­nelle Pola­ri­sie­rung. Das poli­ti­sche Leben Korsikas lebte im Rhythmus der Oppo­si­tion zwischen Befür­wor­tern der Auto­nomie auf der einen Seite und repu­bli­ka­ni­schen Jako­bi­nern auf der anderen Seite. Dieses Para­digma der Oppo­si­tion schloss de facto gesell­schaft­liche Erwä­gungen und sogar wirt­schaft­liche und soziale Diffe­renzen aus. Diese Periode endet nun aus dem einfa­chen Grund, dass die insti­tu­tio­nelle Frage nicht mehr die glei­chen Antago­nismen hervor­ruft wie früher. Die Auto­nomie Korsikas sowie die Aner­ken­nung der Exis­tenz seines Volkes werden heute von der großen Mehr­heit der poli­ti­schen Land­schaft als vernünf­tige und akzep­table Posi­tionen akzep­tiert. Die Pola­ri­sie­rung der Debatten wird sich, davon sind wir über­zeugt, künftig um folgende Fragen drehen: Auto­nomie, für welche Gesell­schaft? Was ist das korsi­sche Volk? Dann wird sich zwangs­läufig von Jahr zu Jahr die Neufor­mie­rung des poli­ti­schen Spek­trums auf der Insel um dieselben Fragen voll­ziehen, die den gesamten Westen bewegen.

Ist die heutige korsi­sche Gesell­schaft und insbe­son­dere ihre Jugend vom Wokismus durch­drungen, von einem gewissen Links­ra­di­ka­lismus, der an den Univer­si­täten verbreitet wird, von Gender­fragen? Aber auch, wie in der Bretagne, von einer Anzie­hungs­kraft, die manchmal psycho­lo­gi­sche Studien verdienen würde, für den „Anderen“, solange er nicht Fran­zose ist und vor allem, wenn er von einem anderen Konti­nent kommt?

Nicolas Battini: In der korsi­schen Gesell­schaft herrscht die gleiche Situa­tion wie im Rest des Westens. Auf der einen Seite gibt es eine städ­ti­sche und wohl­ha­bende bürger­liche Klasse, die die neuen, in Boston entwi­ckelten progres­siven Ideen weiter­gibt und lokal den Eliten­block bildet, auf der anderen Seite die Rand­gruppen, die Land­be­völ­ke­rung und die Deklas­sierten, die „kleinen Weißen“, die der Woke-Radi­ka­li­sie­rung der Eliten gegen­über herme­tisch verschlossen sind und sich im Wesent­li­chen um das herum struk­tu­rieren, was von unseren tradi­tio­nellen Werten übrig geblieben ist (die Familie, das Dorf, die Ahnen, die Prozes­sionen…), und die sich mit den Problemen der Gesell­schaft ausein­an­der­setzen. ), während sie gleich­zeitig sensibel für Probleme sind, die sich auf ihren Lebens­stan­dard auswirken (Einwan­de­rung, Sicher­heit, Benzin­preise…). Wie so oft in der Geschichte hat die Elite einen Vorsprung. Sie ist gebildet, bringt Führungs­kräfte hervor, hat Zugang zu den Medien und hat das Bildungs­wesen in der Hand. Sie hat sich bereits in den führenden Auto­no­mismus umge­schult, bis sie ihn seiner ursprüng­li­chen und histo­ri­schen iden­ti­tären Substanz beraubt hat und nur noch einige Slogans in korsi­scher Sprache toleriert.

Dennoch gibt es einen wesent­li­chen Unter­schied zwischen Korsika und der Bretagne: das Niveau des Wohl­stands und der Urba­ni­sie­rung. Korsika ist ein armes, alterndes Land, das noch sehr länd­lich geprägt und kaum urba­ni­siert ist. Sein Volks­sub­strat ist im Wesent­li­chen konser­vativ und peri­pher, seine Elite in den Stadt­zen­tren quan­ti­tativ und operativ sehr begrenzt. Dies deckt sich im Übrigen mit den Ausfüh­rungen von Jérôme Sainte Marie und Jérôme Four­quet zu den Gebieten, die bei den Präsi­dent­schafts­wahlen für Marine Le Pen stimmten.

Welche Perspek­tiven für den korsi­schen Natio­na­lismus im 21. Jahr­hun­dert sehen Sie?

Nicolas Battini: Ein natio­na­lis­ti­scher Natio­na­lismus. Basie­rend auf dem Erbe, der Fami­li­en­zu­ge­hö­rig­keit, der Kultur, der Geschichte der Vorfahren, den gemein­schaft­li­chen Tradi­tionen. Ein Denken, das auf einem auto­no­mis­ti­schen Vorschlag basiert, der sich um die wirt­schaft­li­chen Reali­täten kümmert und den Durch­schnitts­korsen so betrachtet, wie er ist, mit der Akkul­tu­ra­tion aufgrund unserer modernen Gesell­schaften, mit der Peri­phe­ri­sie­rung, die die großen städ­ti­schen Räume mit sich bringen, mit der Vermi­schung der Ursprünge, die die Entwick­lung des Verkehrs und der Kommu­ni­ka­tion mit sich bringt, aber ohne etwas von unserer Vergan­gen­heit, unseren Wurzeln und unserem histo­ri­schen Konti­nuum zu verleugnen. Ohne sich den Anord­nungen des radi­kalen Progres­si­vismus zu unterwerfen.

Muss sie sich Verbün­dete suchen, auch im Hexagon, auch unter anderen Völkern Europas, oder glauben Sie, dass sie sich auf einen einzigen Kampf beschränken muss, nämlich den auf Korsika?

Nicolas Battini: Sobald einer­seits die auto­chthonen Natio­na­lismen dem Dritt­welt­lertum und seiner Folge­er­schei­nung der Unab­hän­gig­keit abschwören und ande­rer­seits die Staats­na­tio­na­lismen mit dem histo­risch aus der repu­bli­ka­ni­schen extremen Linken hervor­ge­gan­genen Jako­bi­nismus abschließen, eröffnen sich unend­liche Perspek­tiven der Verstän­di­gung und der Part­ner­schaft. Dies geschieht übri­gens seit 2019 in Sardi­nien durch das Bündnis der Lega und der sardi­schen Natio­na­listen der PSA. Ange­sichts des zivi­li­sa­to­ri­schen Zerfalls und um dem gemein­samen Druck stand­zu­halten, den der Wokismus von innen und der Isla­mismus von außen ausüben, ist es an der Zeit, dass sich dieje­nigen zusam­men­schließen, die das vertei­digen wollen, was Bestand hat, und dabei unsere gemein­samen oder jewei­ligen Iden­ti­täten respek­tieren und achten.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei BREIZH-INFO, unserem Partner in der EUROPÄISCHEN MEDIENKOOPERATION.


Bitte unter­stützen Sie unseren Kampf für Frei­heit und Bürgerrechte.
Für jede Spende (PayPal oder Bank­über­wei­sung) ab € 10.- erhalten Sie als Danke­schön auf Wunsch ein Dutzend Aufkleber „CORONA-DIKTATUR? NEIN DANKE“ porto­frei und gratis! Details hier.


 

3 Kommentare

  1. Die verlorene Jungfräulichkeit der Claudia Roth und andere Gruselgeschichten aus dem Cthulhu-Mythos

    „und sich deshalb mit den anderen Völkern der soge­nannten Dritten Welt zusam­men­schließen und verbrü­dern muss“

    Nach einem halben bis Drei­vier­tel­jahr­hun­dert recht­li­cher und fakti­scher Unab­hän­gig­keit der ehema­ligen Kolo­nien, unter­stützt durch aller­hand Vergüns­ti­gungen, Entwick­lungs­hilfe etc., muss man konsta­tieren: Die Länder der „Dritten Welt“ sind allein deswegen „Dritte Welt“, weil sie voll sind mit Menschen, die nichts als „Dritte Welt“ hinbekommen. 

    Die einzigen, die sich von dort noch etwas erhoffen, sind Wokels, Salon­bol­sche­wisten und andere linke Träumer.

    So, wie Ehen zwischen Part­nern mit vergleich­barer Bildung, ähnli­chem sozio­öko­no­mi­schem Status usw. insge­samt die stabilsten sind, sind auch die einzigen funk­tio­nie­renden Part­ner­schaften zwischen Nationen jene, welche auf gemein­samer Geschichte und Kultur beruhen. Bestes Beispiel: Skan­di­na­vien – dort ist die inte­gra­tive Kraft des Skan­di­na­vier­tums groß genug, um auch die sprach­lich voll­kommen fremden Finnen problemlos als Vierten im Bunde einzu­schließen. Gegen­bei­spiel: Exju­go­sla­wien – der „Narzissmus der kleinen Dinge“ reichte aus, um Kroaten und Serben zu Feinden zu machen. Wie sollte da eine Part­ner­schaft zwischen, sagen wir einmal, Deutsch­land und Gabun gedeihen?

    10
  2. „Feind­liche Über­nahme durch Korpo­ra­tismus? – In dieser Sendung von ICIC berichten Alex Thomson (ehema­liger Offi­zier der briti­schen GCHQ, Part­ner­agentur der NSA) und Rodney Atkinson (poli­ti­scher und wirt­schaft­li­cher Analyst, Jour­na­list und Autor) über die viel­fäl­tigen und subtilen Werk­zeuge des Korpo­ra­tismus, derer sich so genannte elitäre Grup­pie­rungen, meist super­reiche NGOs und Wirt­schafts­un­ter­nehmen bedienen. Dies ermög­licht es ihnen, schlei­chend Wirt­schaft und Politik zu unter­wan­dern, um ihren Einfluss auf allen Ebenen auszuweiten.
    Thomson und Atkinson erläu­tern, wie hier­durch unter­neh­me­ri­sche und staat­liche Macht zu einer auto­ri­tären, sozia­lis­ti­schen Form des Kapi­ta­lismus verschmelzen, in der sich das Indi­vi­duum um jeden Preis (siehe die so genannte Corona-Pandemie) dem Gemein­wohl unter­zu­ordnen hat.“

    Video:
    video.icic-net.com/c/deutsch/videos

    icic.law/de/

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein