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11. Wenn der Körper nicht mehr will

Wer sich noch nie mit einer Querschnittslähmung befasst hat, weiß oft nicht, dass jede Querschnittslähmung ein anderes Zustandsbild des Körpers mit sich bringt. Zunächst unterscheidet man zwischen inkompletter und kompletter Querschnittslähmung. Eine inkomplette Querschnittslähmung bedeutet, dass man auch unterhalb der Rückenmarksverletzung noch teilweise fühlen und sich bewegen kann. Und wesentlich ist auch, in welchem Bereich das Rückenmark beschädigt wurde. Bei einer Verletzung im Halswirbelsäulenbereich sind beispielsweise Hände und Beine, oft auch die Atmung betroffen. Bei einer Verletzung im Bereich der Lendenwirbelsäule sind in der Regel nur die Beine gelähmt. In meinem Fall handelt es sich nach der ersten Prognose um eine komplette Querschnittslähmung, verursacht durch eine Rückenmarksverletzung in der Lendenwirbelsäule. Meine Prognose lautete also: ein Leben im Rollstuhl.

Doch bei einer Querschnittslähmung geht es in vielen Fällen nicht nur um die Bewegungsunfähigkeit von Armen oder Beinen sondern auch um andere Körperfunktionen, die betroffen sind. Viele Patienten leiden beispielsweise unter Spastiken. Hier handelt es sich um einen erhöhten Muskeltonus, der zu erheblichen Schmerzen führen kann.

Diese Spastiken verhindern zudem, mit den noch funktionierenden Muskeln gezielte Bewegungen ausführen zu können. Oft sind die Patienten auch sehr berührungsintensiv, wobei Berührungen auch direkt zu unkoordinierten Bewegungen der Gliedmaßen führen können. Einige von uns fanden das nach einem anfänglichen Schock sogar recht lustig, bei den Angehörigen kam jedoch keine rechte Heiterkeit auf.

Bei vielen Patienten gehen auch die Sexualfunktionen völlig verloren, was vor allem für junge Querschnittsgelähmte zu erheblichen psychischen Problemen führen kann. Auch die Ausscheidungsorgane funktionieren in vielen Fällen nicht mehr.

Oftmals haben behinderte Menschen so keinerlei Kontrolle über ihre Blase, die sich spontan entleeren kann und auch der Darm kann betroffen sein. Es sind diese zusätzlichen Herausforderungen, die für Patienten mit Querschnittslähmungen das gesellschaftliche Leben oft besonders schwierig machen. Andere haben das Glück, davon nicht oder nur kaum betroffen zu sein. Es sind die Rehabilitationseinrichtungen in Österreich, welchen großer Dank geschuldet ist. Sie zeigen den Patienten auf, wie man trotz Verlustes von wichtigen Körperfunktionen wieder ein geregeltes Leben führen kann. Zudem geben neueste Fortschritte in der Medizin Hoffnung, dass die eine oder andere Funktionsstörung in Zukunft gemindert werden kann.

Es bleibt die Tatsache, dass Menschen, die plötzlich mit einer Behinderung konfrontiert sind, auch mental sehr stark sein müssen, um mit dieser neuen Situation zurecht zu kommen. Österreichs Rehabilitationseinrichtungen bieten auch dazu alle erdenklichen Hilfen an. Oft ist es so, dass verunfallte Patienten die Behinderung nicht wahr haben wollen, andere verzweifeln und finden keine Lebensfreude mehr. Hier ist es besonders wichtig, sowohl von Seiten der Ärzteschaft als auch durch das Pflegepersonal und die physiotherapeutische Hilfe, aber vor allem durch die Familie, den nötigen Rückhalt zu geben.

Ich kann den Betroffenen nur sagen, dass sich all diese Hürden meistern lassen und sich nahezu jede auch noch so aussichtslos wirkende Situation zu einem Besseren wenden kann. Verlieren Sie also nie den Mut, wenn Sie einmal glauben, einfach nicht mehr Tritt fassen zu können. Der Körper ist ein Wunder, und in der Lage, Dinge zu vollbringen, die wir uns nicht vorstellen können.

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