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13. Erste Schritte im wirklichen Leben

Nach der lange herbeigesehnten Entlassung aus dem Weißen Hof, rund ein halbes Jahr nach der Einlieferung, setzte ich in den ersten zwei Wochen daheim alles daran, um mein Training fortzusetzen. Bis zu sechs Stunden am Tag verbrachte ich auf der Turnmatte oder am Laufband, das ich mir angeschafft hatte, um das Gehen wieder zu erlernen.

Zunächst gelang es bei einer eingestellten Geschwindigkeit von 1 km/h und mit zwei Händen abgestützt, meine Übungen zu absolvieren. Später war es möglich, das Laufband etwas schneller einzustellen und mit einer Hand am Haltegriff über das Band zu stolpern. Dann aber stand für mich der erste Arbeitstag am Programm. Während die Rehabilitationseinrichtung so etwas wie ein geschützter Bereich ist, in dem es viele Menschen gibt, die mit ihrem Problem zu kämpfen haben, ist man als plötzlich behinderter Mensch allein unter Kollegen, die sich völlig handicapfrei durch das Leben bewegen.

Schon allein der Gang vom Parkplatz ins Büro war ein enormes Hindernis. Das Durchhalten auf dem Schreibtischstuhl für einen ganzen Arbeitstag war nicht frei von Schmerzen zu bewältigen. Aber nach und nach stellte sich der Körper wieder auf die alten Herausforderungen ein und im täglichen Arbeitsablauf dachte ich kaum daran, dass ich von nun an als behinderter Arbeitnehmer aktiv sein würde. Ich erhielt damals auch einen Bescheid vom Bundessozialamt, der mir ausstellte, in „einem geschützten Bereich“ leichte Tätigkeiten ausführen zu können. Diesen Passus galt es mental sofort abzuhaken.

Jeden Tag nach Dienstschluss absolvierte ich mein Training weiter, wenn nicht irgendwelche Sitzungen am Programm standen. Auch der Ankauf eines neuen Autos stand auf der Tagesordnung. Ich entschied mich für einen Smart, der mit einem Automatikgetriebe das Fahren wesentlich erleichterte. Meine Frau war entsetzt und weigerte sich zuerst, in das „Spielzeugauto” einzusteigen. Später stellte sich Begeisterung ein, weil keine Parklücke zu klein für den kleinen Flitzer war.

Und dann war ich auch endlich wieder selbstständig und ohne fremde Hilfe auf der Straße unterwegs. Freilich musste eine Sonderprüfung bei einer Fahrschule absolviert werden. Die Behörde teilte mir jedoch mit, dass mein Motorradführerschein eingezogen werden müsse, weil man nicht davon ausgehen könne, dass ich jemals wieder dazu in der Lage sein würde, ein Motorrad zu lenken. Übrigens habe ich erst vor wenigen Monaten wiederum die Fahrschule absolviert und bin mittlerweile wieder einspurig unterwegs. Ein Ziel, das mir damals unerreichbar schien. Man soll also, egal wie aussichtslos einem die eigene Situation erscheint, niemals davon ausgehen, dass Dinge unerreichbar wären.

Einerseits hat man es selbst in der Hand, durch konsequentes Training, Physiotherapie aber auch durch alternative Heilmethoden die eigene Situation zu verbessern, andererseits macht die Medizin immer wieder neue Fortschritte, die für die Zukunft völlig neue Perspektiven eröffnen. Ein positiver Zugang und eine positive Lebenseinstellung sind mit Sicherheit wesentliche Eckpfeiler für das weitere Vorankommen und die eigene Gesundheit.

Ich kenne viele Menschen, die die Schulmedizin äußerst kritisch betrachten und ausschließlich auf alternative Behandlungsmethoden setzen. Aber auch umgekehrt ist es oft der Fall, dass Homöopathie, Osteopathie oder energetische Behandlungen grundsätzlich abgelehnt werden und man ausschließlich auf schulmedizinische Maßnahmen setzt.

Ich kann und will dazu niemandem Ratschläge erteilen. Ich habe aber persönlich auf eine Kombination aus beiden Formen gesetzt. Es war in der ersten Phase nach meinem Unfall die Schulmedizin, die mir das Leben gerettet hatte und es war ein Chirurg, der meine Wirbelsäule so stabilisiert hat, dass die weiteren Genesungsschritte überhaupt erst möglich geworden sind. Später hab ich dann aber sehr wohl alle mir bekannten Möglichkeiten der Alternativmedizin genutzt und damit sehr gute Fortschritte erzielt. Ich habe mich von Homöopathen beraten lassen, Schamanen und Geistheiler besucht, mich osteopathischen Behandlungen unterzogen und nichts unversucht gelassen, das auszutesten, was mir tatsächlich gut tut.

Und darum geht es in Wirklichkeit auch. Jeder Mensch muss für sich persönlich entscheiden und muss an sich selbst beobachten, welche Medikamente, welche Heilkräuter, welche Behandlungsmethoden und auch welche Nahrungsmittel zu Wohlbefinden und zu Heilung führen. Am Wichtigsten ist aber wohl eine positive Grundeinstellung. Der Wissenschaft sind viele Fälle bekannt, wo es zu Fortschritten gekommen ist, die nur schwer erklärbar sind. Auch im Krankenhaus wurde mir von Fällen berichtet, in denen Patienten, die eigentlich als unheilbar galten, oder die nach einem Unfall so schwer verletzt waren, dass an ein Überleben kaum zu denken war, sehr plötzlich genesen konnten. Auch hier gilt wohl, nichts ist unmöglich und die Wahrscheinlichkeitsrechnung ist nicht das Maß aller Dinge. Clemens Kuby hat in seinem Buch und in einem Film Heiler auf der ganzen Welt beschrieben, unter anderem den Meisterschamanen Don Agostino aus Peru, und aufgezeigt, dass verschiedene Kulturen völlig unterschiedliche Zugänge zur Heilung und zu Heilmethoden haben. Recht hat letztendlich, wer heilt. Oder besser, wer in der Lage ist, Selbstheilungskräfte zu mobilisieren.

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