web analytics

4. Das Hamsterrad der Politik

Wenn ich auf meine Timeline, so nennt es wohl die Facebook-Generation, zurückblicke, dann fällt es mir schwer den Zeitpunkt zu erkennen, an dem ich beschlossen hatte, Politiker zu werden. Freilich war Politik in meinem Elternhaus immer ein Thema. Mein Vater pflegte das Mittagessen zu Hause einzunehmen, seine Firma war nur wenige Minuten entfernt. Und in der Mittagspause hörten wir immer das Mittagsjournal des staatlichen Rundfunks ORF. Es wurde über politische Ereignisse eigentlich jeden Tag gesprochen. Auch er selbst war in jungen Jahren politisch engagiert, doch nach dem Tod meiner Schwester zog er sich aus politischen Ämtern zurück.

Ich bin schon bald nach meiner Matura Mitglied der FPÖ geworden. Es war für mich und viele Freunde aus meiner Generation erfrischend, einer Partei anzugehören, die nicht in das altbekannte großkoalitionäre Schema passte. In Österreich ist nahezu jeder Bereich parteipolitisch organisiert, die Autofahrerklubs, die Sportvereine, die Wohnbaugenossenschaften, ja selbst die Pflegeorganisationen werden Parteien zugeordnet. Und so mischt sich also die Parteipolitik in jene Lebensbereiche ein, die besser von ihr verschont werden sollten.

Nach meiner Übersiedlung nach Wien stand ich einmal vor dem Parlament und war von dem Haus begeistert. Damals dachte ich darüber nach, wie es wohl sein müsste, in diesem ehrwürdigen Haus an der Gesetzwerdung mitzuwirken und hier regte sich wohl erstmals der Wunsch, aktiv in der Politik mit zu gestalten. Selbst einmal in diesem Haus zu arbeiten, erschien mir damals als unerreichbarer Wunsch.

Ich besuchte also in der Wiener Bartensteingasse Seminare zum Thema Rhetorik und politische Bildung und nachdem unser erstes Kind unterwegs und ich mit meiner kleinen Familie zurück nach Eisenstadt übersiedelt war, meldete ich mich in der Landesgruppe meiner Partei, um meine Mitarbeit anzubieten.

Dort war man hoch erfreut, dass jemand von sich aus Kontakt aufnahm, ohne vorher von den lokalen Granden umworben worden zu sein.

Und schon nach der ersten Sitzung in Eisenstadt, an der ich teilnahm, hatte mich das Hamsterrad der Politik gefangen. Ich wurde schon bei dieser Sitzung als Organisationsreferent gewählt. Blauäugig wie ich war, machte mich das keinesfalls stutzig. Sehr rasch stellte sich heraus, dass alles, was in der Politik den Namen „Organisation“ trägt, vor allem mit zwei Dingen verbunden ist: Arbeit und Undank. Wer als Organisationsverantwortlicher in einer Partei aktiv ist, und da ist es völlig egal, ob es sich um eine Tätigkeit auf Ortsebene oder in der großen Bundespolitik handelt, wird für jeden Fehler in organisatorischen Abläufen verantwortlich gemacht. Läuft alles reibungsfrei, dann wird das Lob von anderen in Anspruch genommen.

Nun, in meinem jugendlichen Leichtsinn war ich also motiviert, mich als Organisationsreferent wirklich einzubringen und daher war es kein Wunder, dass ich schon wenige Monate später zum Bezirksgeschäftsführer bestellt wurde. Das Hamsterrad drehte sich weiter. Ich bekam ein Fax-Gerät als elektronische Leine und machte mich nach Dienstschluss bei der Lauda Air auf den Weg nach Eisenstadt, um hier die Ortsgruppen im Bezirk zu betreuen.

In der Zwischenzeit eilte meiner Partei von einem Wahlerfolg zum anderen, vieles wurde für den Fall einer Regierungsbeteiligung versprochen, die Bürger waren begeistert und erwarteten sich vor allem vom charismatischen Bundesparteiobmann Jörg Haider eine echte Wende zum Besseren.

Schon bald kam für mich das Angebot, hauptberuflich als Organisationsreferent des Wirtschaftsflügels der Partei tätig zu werden. Diese Entscheidung war überaus schwierig. Ich hatte auch ein Angebot eines US-amerikanischen Triebwerksherstellers in der Tasche und eine Übersiedlung nach Arizona wurde ernsthaft ins Auge gefasst.

Ich war schon vorher oft in den USA gewesen und habe die Lebensart dort recht genossen. Häuser und Autos waren äußerst günstig, die Menschen überaus freundlich und letztendlich war ja auch mein Großvater US-Bürger. Was also tun?

Ausschlaggebend war die Zusage meines Chefs bei der Lauda Air, mich innerhalb eines Jahres wieder im Unternehmen aufnehmen zu wollen, wenn mir der Ausflug in die Politik nicht gefallen sollte. Ausschlaggebend war aber auch der Umstand, dass wir uns in Eisenstadt erst kurz davor ein sehr außergewöhnliches Haus gekauft hatten.

Ich habe es immer gehasst, Miete zu zahlen, eine verlorene Investition, und so machte ich mich also auf die Suche nach einem Haus. Fündig wurde ich im Eisenstädter Ortsteil St. Georgen. Ein Bürgerhaus aus dem Jahr 1697 stand zum Verkauf. Schon die erste Besichtigung mit dem Makler hatte uns vollauf begeistert. Ich wollte dieses Haus mit seinem riesigen Weinkeller, den Gewölbedecken und dem zum Teil antiken Mobiliar unbedingt haben. Natürlich hatte ich kein Geld. Das Bauspardarlehen des Vorbesitzers wurde übernommen und statt Miete zahlte ich ab sofort meine Kreditraten zurück. Aus meiner Sicht die sinnvollere Investition.

Es war also auch dieses alte Haus, das die Entscheidung, den Sprung über den großen Teich nicht zu machen, fixiert hat. Wenn ich mir die politische Entwicklung in den USA heute ansehe, dann bin ich froh darüber, Österreicher sein zu dürfen. Ich habe richtig gewählt.

So drehte sich also das Hamsterrad weiter. Ich wurde Organisationsreferent des Ringes Freiheitlicher Wirtschaftstreibender, dann Landesparteisekretär im Burgenland, Stadtparteiobmann und Gemeinderat in Eisenstadt, Bezirksparteiobmann, Pressereferent im Regierungsbüro sowie in weiterer Folge Klubdirektor.

Es war die viel zitierte Ochsentour. Selten eine Woche mit weniger als 70 Arbeitsstunden, kaum freie Wochenenden und trotz der Begeisterung für diese Tätigkeit stellte sich nach einigen Jahren eine unglaubliche Müdigkeit ein.

Wenn ich mir heute Fotos aus dieser Zeit ansehe, dann wundere ich mich darüber, wie ich das alles ausgehalten habe. Es ist kein Wunder, dass auch meine Ehe ob dieser extremen Belastung letztendlich in die Brüche ging und ich, statt in meinem alten Bürgerhaus, zunächst in einer kleinen Wohnung in der Nähe des Schlosses Esterhazy eine Bleibe finden musste. Ein recht eigenartiges Domizil mit einer Duschkabine in der Küche aber mit herrlichem Blick auf das Zentrum von Eisenstadt. Das Haus blieb zwar in meinem Besitz, stand aber der Familie weiterhin zur Verfügung.

Nun wird ja bereits jede zweite Ehe in Österreich geschieden und es mutet fast als Normalität an, dass Kinder getrennt vom Vater bei der Mutter aufwachsen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich auch nach der Scheidung meine Kinder an jedem Wochenende sehen konnte und wir weiterhin viel Zeit miteinander verbringen konnten. Jahre später habe ich meine jetzige Frau Verena kennengelernt, die meine politische Tätigkeit mit viel Verständnis betrachtet hat.

Nun, da war also das Jahr 2002. Ich wußte, dass es an der Zeit war, in meinem Leben etwas zu ändern. Meine Partei war an einer Regierungsbeteiligung kläglich gescheitert. Was vor der Wahl versprochen worden war, wurde nicht eingehalten. Statt selbst den Kanzler zu stellen, wurde der damals nur drittstärksten Partei die Kanzlerschaft überlassen. Eine der ersten Maßnahmen war eine Besteuerung der Unfallrenten, war also an sozialem Unverständnis kaum zu überbieten. Minister wurden im Monatstakt ausgetauscht. Im Jahr 2002 kam es nach nur zwei Regierungsjahren und einem Eklat bei einer Parteiversammlung in Knittelfeld zu Neuwahlen.

Ich wurde damals nach Wien gerufen und man teilte mir mit, dass ich neuer Bundesgeschäftsführer werden solle. Gleichzeitig setzte man mich als Spitzenkandidaten für die Nationalratswahlen im Burgenland ein. Doch siehe da, der neue Parteiobmann warf schon nach wenigen Wochen das Handtuch, alle Vereinbarungen in Sachen Bundesgeschäftsführung waren Null und Nichtig und selbstverständlich konnte die Partei aufgrund ihrer schlechten Leistungen auch das Mandat im Burgenland nicht erringen.

Ich erinnere mich gut an die Frage eines Journalisten am Wahltag, der wissen wollte, ob ich nun zurücktreten werde. Ich antworte mit einer Gegenfrage: „Wovon eigentlich?“ Der Journalist war amüsiert.

Es gibt noch heute Aufnahmen aus dem Archiv des ORF, die mich als hoffnungsvollen Kandidaten der FPÖ zeigen. Ich wurde beim Laufen mit meinem Hund gefilmt. Mein Gott, das Laufen fehlt mir.

Nach dieser Wahl begab sich meine Partei nochmals in eine Koalition. Nach den massiven Verlusten jedoch als unbedeutender Juniorpartner. Viele Standpunkte wurden zugunsten des Machterhalts über Bord geworfen. Ich war mehr als unglücklich.

Trotzdem konnte ich mich nicht entscheiden, wohin mich mein Weg führen sollte.

Ein neues Angebot der Lauda Air, als Leiter des Einkaufs in der Technik zu arbeiten lehnte ich ab, obwohl mir ein Gehalt geboten wurde, das fast doppelt so hoch wie mein Einkommen in der Politik war. Ich konnte mich nicht aus diesem Hamsterrad befreien.

Ich konnte mich also nicht entscheiden, daher wurde für mich entschieden – vom Schicksal. Am 11. August 2003 wurde ich brutal aus dem Hamsterrad gerissen.

Zurück zur Inhaltsübersicht

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert