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Die folgende Aufzählung ist keinesfalls vollständig, zeigt aber, dass der österreichische Verfassungsgerichtshof schon öfters Wahlen aufhob, wenngleich noch nie bundesweit:


02.04. 2000: Gemeinderatswahlen Bludenz und Feldkirch – Aufhebung durch den VfGH und Anordnung einer Wahlwiederholung.
In Bludenz hatte die Liste „SPÖ Bludenz und Parteifreie“ eine Beschwerde eingelegt, weil nach der abgeschlossenen Wahlhandlung die Wahlakten eines Sprengels offen im Rathaus herumgelegen seien und von Beamten der Stadt neu ausgezählt wurden. – Eine verläßliche Ermittlung des Wahlergebnisses durch die dazu zuständigen Organe, „insbesondere auch durch den Verfassungsgerichtshof selbst“, sei „objektiv nicht mehr gewährleistet gewesen“, stellte der VfGH dazu fest.

In Feldkirch hatte die Liste „Lüt für Feldkirch – Die Naturgesetzpartei“ eine Anfechtung eingebracht. Dabei geht es um eine besondere Bestimmung der Vorarlberger Wahlordnung: Demnach werden die amtlichen Stimmzettel samt Wahlausweis den Wahlberechtigten zugeschickt, aber es müssen weitere Stimmzettel in der Wahlzelle und nicht nur im Wahllokal aufliegen. Dies war nicht der Fall.

Quellen:
APA0504, vom 24. November 2000
APA0751, vom 14. Dezember 2000
APA0374, vom 15. Dezember 2000
APA0225, vom 19. Dezember 2000
https://www.ris.bka.gv.at/VfghEntscheidung.wxe?Abfrage=Vfgh&Dokumentnummer=JFT_09998798_00W00I06_00&IncludeSelf=True
https://www.ris.bka.gv.at/VfghEntscheidung.wxe?Abfrage=Vfgh&Dokumentnummer=JFT_09998798_00W00I05_00&IncludeSelf=True


07.03. 2004: Gemeinderatswahl Fieberbrunn – Aufhebung durch den VfGH und Anordnung einer Wahlwiederholung, weil Staatsorgane in einem Wahlkampf objektive Information mit subjektiven Wertungen – also mit Wahlwerbung – vermischten.
Der Bürgermeister hatte auf amtlichen Gemeindepapier mit Gemeindewappen eine „Richtigstellung“ zur Aussage eines anderen Wahlwerbers versandt.

Quellen:
APA0058, vom 5. Jänner 2005
https://www.vfgh.gv.at/cms/vfgh-site/attachments/8/1/9/CH0006/CMS1140178131492/wahl_fieberbrunn.pdf


27.02. 2010,02.03. 2010: Wirtschaftskammerwahl in Wien – Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof und Anordnung einer Wahlwiederholung in 14 von insgesamt 105 Fachorganisationen. Beklagt wurde etwa, daß Kandidaten das aktive Wahlrecht verweigert worden ist. Auch sind Personen, die für „Pro Mittelstand“ angetreten waren, anderen wahlwerbenden Gruppen zugeordnet worden – etwa dem Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender (RFW).

Quellen:
APA0523, vom 10. April 2013
https://www.vfgh.gv.at/cms/vfgh-site/attachments/0/9/0/CH0006/CMS1364990113783/wirtschaftskammer_wi-5-11.12.pdf


14.03. 2010: Wahlschwindel bei den Gemeinderatswahlen in Mistelbach (Niederösterreich):
Der Angeklagte, ein langjähriger SP-Funktionär, Stadtrat und über 25 Jahre Bürgermeister hatte sich als Beisitzer der Sprengelwahlbehörde in Mistelbach acht Wahlkarten ausstellen lassen und so getan, als ob er die Vollmacht dieser Personen hätte und die Wahlkarten zugunsten der SPÖ manipuliert. In der Annahme, daß diese nicht wählen gehen würden, habe er angegeben, deren Vollmacht zu haben, dann habe er teilweise die notwendigen Übernahmebestätigungen gefälscht. In der Folge habe er dann als Mitglied der Sprengelwahlbehörde die Richtigkeit bestätigt. Aufgeflogen ist die Sache, nachdem eine dieser Wahlberechtigten am Wahltag tatsächlich zur Urne erschien, von der Wahl aber mit Hinweis auf ihre vorliegende Wahlkarte ausgeschlossen wurde. Seine Absicht war, der SPÖ in „seiner“ Gemeinde die absolute Mehrheit zu erhalten. – Wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt und Urkundenfälschung wurde der 72-jährige sozialdemokratische Weinviertler am 23. September 2010 am Landesgericht Korneuburg rechtskräftig zu elf Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt.

Quellen:
APA0127, vom 23. September 2010
Heute-NÖ, vom 24. September 2010 – Seite 18.


30.05. 2010: Wahlschwindel bei den Landtagswahlen im Burgenland:
Der gelernte Tischler und Fachlehrer an der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt in Mödling, langjähriger burgenländische Landtagsabgeordnete und ÖVP-Bürgermeister von Unterrabnitz-Schwendgraben, Wilhelm Heißenberger, gab zu, in der mittelburgenländischen Gemeinde mit rund 550 Wahlberechtigten insgesamt 16 Wahlkarten manipuliert zu haben; ursprünglich waren 63 verdächtige Wahlkarten entdeckt worden.
Die Angelegenheit war ins Rollen gekommen, weil ein Jungwähler aus dem Bezirk Oberpullendorf per Zufall erfahren hatte, daß auf seinen Namen eine Wahlkarte ausgestellt worden sei, mit der auch gewählt wurde. Der Betroffene hatte die Karte jedoch weder beantragt noch hatte er damit gewählt. Die Anklage laute auf Amtsmißbrauch, weil Heißenberger als Bürgermeister und Wahlleiter der Gemeindewahlbehörde gehandelt hatte.
Er gestand schließlich, 16 Wahlkarten selbst ausgefüllt, unterschrieben und zur Post gebracht haben. Davon seien 15 Stimmen in die Ermittlung des Wahlergebnisses einbezogen worden. Außerdem soll er im Vorfeld der Wahl für einige Wahlkarten auch die Anträge gestellt haben. Wahrscheinlich sei auch dazugekommen, „daß die Ausstellung der Wahlkarten sehr leicht war.“ Man habe sie telefonisch bestellen können oder persönlich „und es hat genügt, wenn das jemand abgeholt hat“, rechtfertigte sich der Angerklagte vor Gericht. Wegen Amtsmißbrauchs wurde der ehemaligen Bürgermeister schließlich zu sechs Monaten bedingter Freiheitsstrafe und einer unbedingten Geldstrafe von 7.200 Euro verurteilt. – Die FPÖ verfehlte damals ihr viertes Landtagsmandat um eine Stimme.

Quellen:
NEWS/Nr. 36, vom 09. September 2010 – S. 11
APA0361, vom 06. Oktober 2010
NEWS/Nr. 40, vom 07. Oktober 2010 – S. 30
APA0539, vom 7. Oktober 2010
APA0618, vom 7. Oktober 2010
APA0282, vom 8. Oktober 2010
APA0337, vom 20. Oktober 2011


23.03. 2015: Bürgermeisterstichwahl in Neumarkt am Wallersee:
Der Verfassungsge­richtshof stellt am 13. Oktober 2014 einen Verstoß gegen die Gemeindewahl­ordnung fest, weil der Wahlakt unverschlossen aufbewahrt war. Die Ermittlungen ergaben, daß sämtliche 25 Gemeindevertreter sowie elf Amtsmitarbeiter für jenen Raum, in dem die Wahlakten aufbewahrt waren, einen sperrbaren Schlüssel hatten. Dieser Umstand war insofern von besonderer Bedeutung, als der Wahlakt bis zum 11. April nicht versiegelt war. Dies stellt einen Verstoß gegen das Gebot der sicheren Verwahrung der Wahlakten dar und verhinderte, daß der VfGH das Wahlergebnis anhand der Wahlakten mit objektiver Verläßlichkeit feststellen konnte. Die von der SPÖ beantragte Korrektur des Wahlergebnisses konnte daher nicht vorgenommen werden.
Zu einer Aufhebung und Neudurchführung der Wahl war der VfGH hingegen nicht befugt, weil die SPÖ, eine Neudurchführung der Wahl nicht beantragt hatte. Der Verfassungsgerichtshof ist an den Antrag gebunden und kann diesen nicht selbst erweitern. Einem Neuantrag stand die inzwischen eigetretene Verfristung entgegen.

Quellen:
APA0282, vom 13. Oktober 2015
https://www.vfgh.gv.at/cms/vfgh-site/attachments/8/8/6/CH0006/CMS1413185117607/neumarkt_wallersee.pdf


25.01. 2015: Gemeinderatswahlen in Baden – Aufhebung durch den VfGH und Anordnung einer Wahlwiederholung in den vier Sprengeln 8, 14, 21 und 28 wegen doppelter Stimmabgabe.
Die SPÖ brachte dazu eine Wahlanfechtung am 18.04. 2015 beim VfGH ein. Grund: eine Besonderheit des niederösterreichischen Wahlrechts, das neben amtlichen Stimmzetteln auch private zuläßt. – Geschieht dies, müssen die beiden Stimmzettel zusammengeheftet werden, damit sichergestellt ist, daß der Wahlberechtigte nur einmal wählt. In einigen Sprengeln wurden zu viele Stimmzettel abgegeben. Der SPÖ fehlte nur eine Stimme auf das achte Mandat, das in der Folge auch die ÖVP verlor. Dementsprechend hatte die Landeswahlbehörde den SPÖ-Einspruch gegen das Wahlergebnis auch abgelehnt. Der VfGH gab am 8. Juli 2015 dem Begehren der SPÖ statt.

Quellen:
APA0037, vom 18. April 2015
APA0217, vom 08. Juli 2015
https://www.vfgh.gv.at/cms/vfgh-site/attachments/7/1/0/CH0006/CMS1436344505480/wahl_baden.pdf


15.03. 2015: Bürgermeisterstichwahl in Sittersdorf – Aufhebung durch den VfGH und Anordnung einer Wahlwiederholung, weil Staatsorgane in einem Wahlkampf objektive Information mit subjektiven Wertungen – also mit Wahlwerbung – vermischten.
Bürgermeister Jakob Strauß (SPÖ) hatte kurz vor dem Urnengang Eigenwerbung samt Angriffen auf seinen Konkurrenten, den früheren SPÖ’ler Willibald Wutte in Form einer „amtlichen Mitteilung“ versandt. Wutte beklagte sich auch über die Zuordnung der Wahlkarten.

Quellen:
APA0230, vom 13. Oktober 2015
APA0385, vom 20. Oktober 2015
https://www.vfgh.gv.at/cms/vfgh-site/attachments/1/1/6/CH0006/CMS1444722352760/buergermeisterwahl_sittersdorf_entscheidung.pdf


29.03. 2015: Bürgermeisterstichwahlen in Bludenz und Hohenems – Aufhebung durch den VfGH und Anordnung einer Wahlwiederholung.
In beiden Fällen geht es um Unregelmäßigkeiten bei der Ausstellung von Wahlkarten. In Bludenz monierte der SPÖ-Kandidat Mario Leitner, daß in über 60 Fällen Wahlkarten von Parteifunktionären für andere Personen beantragt und ausgestellt worden waren, in Hohenems focht FPÖ-Kandidat Dieter Egger die Wahl an, Wahlkarten waren nicht nur an Familienmitglieder ohne Vollmacht ausgegeben worden, sondern auch an Dritte. Die Aushändigung ohne Vollmacht sei in über 100 Fällen erfolgt, die genaue Anzahl könne aber nicht mehr festgestellt werden, weil Teile des Wahlakts entsorgt worden waren.
Zudem seien Wahlkarten von Dritten organisiert worden, etwa für zwei Seniorenheime. Diesbezüglich seien 24 Fälle dokumentiert. Gravierenden Zeugenaussagen zufolge sind auch Stimmzettel für andere Personen ausgefüllt worden, von denen manche nicht einmal lesen konnten. Weiters habe man Kuverts mit Wahlausweisen entgegen dem Gesetz unverschlossen in der Bürgerservicestelle verwahrt und auch so einer möglichen Manipulation Tür und Tor geöffnet. In den Sprengeln war Egger vorne, das Wahlkarten-Resultat drehte das Ergebnis. Der VfGH beurteilte sämtliche dieser Vorgänge als „rechtswid­rig“.

Quellen:
APA0246, vom 21. April 2015
APA0175, vom 16. September 2015
APA0085, vom 10. Oktober 2015
APA0204, vom 23. November 2015
https://www.vfgh.gv.at/cms/vfgh-site/attachments/0/0/0/CH0006/CMS1448272826906/entscheidung_bludenz_w_i_3-2015.pdf
https://www.vfgh.gv.at/cms/vfgh-site/attachments/0/0/0/CH0006/CMS1448272826906/entscheidung_hohenems_w_i_4-2015.pdf


11.10. 2015: Bezirksvertretungswahlen in Wien-Leopoldstadt – Aufhebung durch den VfGH und Anordnung einer Wahlwiederholung.
Bei der ersten Auszählung durch die Bezirkswahlbehörde wurden 82 Stimmzettel weniger als abgegebene Wahlkarten gezählt. Eine zweite Zählung der Stadtwahlbehörde ergab wiederum 23 Stimmzettel mehr als abgegebene Wahlkarten. Dagegen brachte die FPÖ-Leopoldstadt eine 25seitige Wahlanfechtung beim VfGH ein, die feststellte, daß „kein Zweifel“ bestehe, „daß die festgestellten Unstimmigkeiten auf die Verletzung der Wiener Wahlordnung und damit auf Rechtswidrigkeiten zurückzuführen sind.“

Quellen:
APA0044, vom 11.November 2015
APA0123, vom 15. Juni 2016
https://www.vfgh.gv.at/cms/vfgh-site/attachments/0/6/6/CH0006/CMS1465973831530/bezirksvertretungswahl_entscheidung.pdf


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