Péter Márki-Zay, der Mann, der Orbán heraus­for­dern will

Péter Márki-Zay · Bildqulle: CM

Péter Márki-Zay, Bürger­meister der südun­ga­ri­schen Stadt Hódme­ző­vá­sá­r­hely, hat die gemein­samen Vorwahlen gewonnen und wird der Kandidat der unga­ri­schen Oppo­si­tion für das Amt des Minis­ter­prä­si­denten bei den Wahlen 2022 sein.

Von Marton Aron Kovacs

Warum Vorwahlen in Ungarn?

Vorwahlen sind bekannt­lich Vorwahlen, die theo­re­tisch dazu dienen, die Macht der Kandi­da­ten­aus­wahl von den Händen der Partei­elite auf die des Volkes zu über­tragen. Sie stammen zum Teil aus den Verei­nigten Staaten von Amerika, wo diese Auswahl­me­thode seit andert­halb Jahr­hun­derten ange­wandt wird und wo es die komple­xesten Regeln gibt. Der Haupt­un­ter­schied zwischen dem euro­päi­schen und dem ameri­ka­ni­schen Vorwahl­mo­dell besteht darin, dass in den USA die öffent­liche Verwal­tung eine aktive Rolle bei der Orga­ni­sa­tion dieser Wahlen spielt, während es in Europa keine solche Betei­li­gung gibt.

Im Jahr 2005 erkannte die zersplit­terte italie­ni­sche Linke, dass sie isoliert keine Chance hatte, eine Wahl zu gewinnen, und wandte daher die Praxis der Vorwahlen an, um ihre Kräfte zu bündeln und einen künf­tigen Heraus­for­derer für Silvio Berlus­coni zu finden. Ursprüng­lich war nur Romano Prodi im Rennen, doch dann traten andere Kandi­daten auf den Plan. Der italie­ni­sche Präze­denz­fall war eine Quelle der Inspi­ra­tion für die unga­ri­sche Oppo­si­tion, wie der Verfas­sungs­rechtler Zoltán Lomnici schreibt.

Die Oppo­si­ti­ons­ko­ali­tion

Im Jahr 2020 schlossen sechs unga­ri­sche Oppo­si­ti­ons­par­teien – DK (Demo­kra­ti­sche Koali­tion), Jobbik, LMP (Grüne), MSZP (Sozia­lis­ti­sche Partei), Momentum und Párbeszéd – eine Koope­ra­ti­ons­ver­ein­ba­rung mit Blick auf die Parla­ments­wahlen 2022. Diese sechs Parteien decken fast das gesamte poli­ti­sche Spek­trum ab, von rechts bis links. Die Oppo­si­ti­ons­ko­ali­tion steht den Regie­rungs­par­teien, nämlich FIDESZ und KDNP, gegen­über. Der Plan sah vor, dass die Wähler in jedem Wahl­be­zirk einen einzigen Gegner der FIDESZ-KDNP wählen und Viktor Orbán einen einzigen Heraus­for­derer gegen­über stellen.

Nachdem sie bei den letzten Wahlen geschei­tert waren, sahen diese Parteien keinen anderen Weg zur Macht, als einige ihrer jewei­ligen Grund­sätze aufzu­geben und sich zu vereinen. Sie alle haben die Idee aufge­geben, eine eigen­stän­dige Politik zu verfolgen, eine starke beson­dere Unter­stüt­zung aufzu­bauen, an ihren ursprüng­li­chen poli­ti­schen Prin­zi­pien fest­zu­halten und die Inter­essen ihrer Wähler zu vertreten. Es stellt sich jedoch die Frage, wie sie ange­sichts der unter­schied­li­chen Vorstel­lungen, die bereits zu Beginn bestehen, über­haupt regieren können.

Der Fall Jobbik

Der Fall Jobbik hilft uns, die Viel­falt der Koali­tion zu veran­schau­li­chen. Kürz­lich kam es zu einem Bruch der Einheit, als Jobbik für ein Gesetz stimmte, das von der übrigen Oppo­si­tion boykot­tiert wurde. „Das erste Ziel der Jobbik-Bewe­gung für Ungarn ist es, die Nach­fol­ge­partei des Kommu­nismus und die mit ihr verbun­denen libe­ralen Extre­misten von der Macht zu entfernen“, heißt es in der Grün­dungs­er­klä­rung von Jobbik, die sich vor zwei Jahren entschlossen hat, sich mit der Nach­fol­ge­partei des Kommu­nismus zusam­men­zu­schließen. Kurz gesagt: Wir sehen eine Partei, die die Einheit der Koali­tion aufgrund ihrer ursprüng­li­chen Prin­zi­pien bricht, und dieselbe Partei, die diese Prin­zi­pien verrät, indem sie sich entscheidet, dieser Koali­tion beizutreten.

Die Oppo­si­tion hat ein Narrativ konstru­iert, wonach es nur darauf ankäme, Orbán abzu­lösen. Es gäbe nur die Wahl zwischen der Koali­tion und dem derzei­tigen Regime. Natür­lich gäbe es noch eine dritte Möglich­keit: eine kompe­tente Partei, die in der Lage ist, genü­gend Wähler­stimmen auf sich zu vereinen, aber sie haben es alle versucht, und keine hat es geschafft. Die Bürge­rinnen und Bürger werden sich also mit einer Koali­tion zufrieden geben müssen, die sich aus einzelnen schwa­chen poli­ti­schen Parteien mit unter­schied­li­chen Ideo­lo­gien zusam­men­setzt und bei der viele Zweifel an ihrer Regie­rungs­fä­hig­keit bestehen.

Wird Márki-Zay die Koali­tion zusam­men­halten können?

Eine Mehr­par­tei­en­ko­ali­tion zu führen ist immer schwierig, vor allem wenn – wie im Fall von Márki-Zay – die stärksten Kompo­nenten DK und Jobbik heißen.

Klára Dobrev, DK-Kandi­datin bei den Vorwahlen, die ihm in der Stich­wahl unterlag, warf Márki-Zay vor, unauf­richtig und für das Amt des Minis­ter­prä­si­denten unge­eignet zu sein. Dies geschah, nachdem Márki-Zay erklärt hatte, dass dieje­nigen, die für Dobrev stimmen, „nicht nur Karác­sony, sondern auch das Land verraten“. Bevor er den Vorwurf des Verrats erhob, hatte Márki-Zay erklärt, er arbeite daran, die DK zur ersten Partei in der künf­tigen Regie­rung zu machen. (Zu seinen anderen merk­wür­digen Aussagen gehört, dass die Hälfte der FIDESZ-KDNP-Regie­rung aus Schwulen besteht).

Nach solchen Äuße­rungen fragen sich viele Menschen, ob die Koali­tion wirk­lich geeint ist, und immer mehr DK-Wähler denken darüber nach, im nächsten April nicht wählen zu gehen. Imre Urbán, ein DK-Akti­vist, ist einer derje­nigen, die deut­lich gemacht haben, dass er nicht für einen Kandi­daten wie Márki-Zay stimmen wird. Einige DK-Sympa­thi­santen schlagen vor, dass Ferenc Gyurcsány und seine Partei 2022 allein antreten sollten, andere argu­men­tieren, dass ein Sieg bei den Vorwahlen Márki-Zay nicht auto­ma­tisch zum Premier­mi­nis­ter­kan­di­daten machen sollte. Auch der DK-Vorsit­zende Gyurcsány äußerte sich nach Bekannt­werden der Ergeb­nisse der Vorwahlen zwei­deutig: Er sagte, dass die Koali­tion zunächst eine parla­men­ta­ri­sche Mehr­heit errei­chen müsse und dann der Regie­rungs­chef gewählt werde.

Ist Márki-Zay wirk­lich ein Verfechter der Demokratie?

Die inter­na­tio­nale Presse vergleicht Márki-Zay mit einem David, der Goliath heraus­for­dert, einem Kämpfer für Demo­kratie und Rechts­staat­lich­keit. Márki Zay befür­wortet jedoch (wie seine gesamte Koali­tion) die Idee, eine einfache Mehr­heit im Parla­ment zur Ände­rung der Verfas­sung zuzu­lassen (heute ist eine Zwei­drit­tel­mehr­heit erfor­der­lich). Es ist beson­ders lehr­reich, heraus­zu­finden, warum. In seinen Worten: „Sie über­schreiben keine Zwei-Drittel-Regel, denn sie wurde nie verab­schiedet, sie war ungültig“. Aber um es klar zu sagen: nicht die gesamte (2011 verab­schie­dete) Verfas­sung ist ungültig, da sie viele natür­liche und allge­mein akzep­tierte Para­gra­phen enthält, die auch in der alten Verfas­sung zu finden waren“, d.h. derje­nigen, die von den Kommu­nisten 1949 einge­führt und 1989 geän­dert wurde. Ja, aber wer entscheidet, was gültig und was ungültig ist? Seine Antwort lautet: „Norma­ler­weise wäre dies die Aufgabe des Verfas­sungs­ge­richts, aber da die FIDESZ dort ihre eigenen Leute einge­setzt hat, muss sich von nun an wohl ein Gremium aus ehema­ligen Rich­tern und Verfas­sungs­recht­lern darum kümmern“.

Die inter­na­tio­nalen Medien schwärmen von der Oppo­si­tion, weil sie über­zeugt sind, dass sie sich an die „Rechts­staat­lich­keit“ halten wird. Sie verspricht jedoch ausdrück­lich, sofor­tige verfas­sungs­wid­rige Maßnahmen zu ergreifen und Beamte und Poli­tiker zu inhaf­tieren. Es stellt sich die Frage: Wie würde die EU solche ersten Maßnahmen einer mögli­chen Anti-Orbán-Regie­rung begrüßen?

Marton Aron Kovacs
MCC-Stipen­diat am Centro Studi Machia­velli. Er studiert Jura an der Katho­li­schen Péter Pázmány-Univer­sität und ist Projekt­leiter von „RoLink Biotechnology“.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei CENTRO MACGHIAVELLI, unserem Partner in der EUROPÄISCHEN MEDIENKOOPERATION


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