Polexit, oder die letzte Festung

Sitzung der polnischen Nationalversammlung · Bildquelle: Wikimedia Commons

Von László Bogár
 

Das kürz­lich geprägte Wort „Polexit“ bezeichnet den mögli­chen Austritt Polens aus der Euro­päi­schen Union. Doch unter der Ober­fläche geht es um die Zukunft der Union selbst, schreibt Magyar Hírlap-Kolum­nist László Bogár.

Heut­zu­tage gibt es so etwas wie einen „Polexit“. „Exit Poll“ ist natür­lich eine Umfra­ge­me­thode, die den Ausgang einer Wahl in der Regel genau vorher­sagen kann. Die beiden Begriffe sind nun aber dadurch verbunden, dass der Wähler­wille der polni­schen Gesell­schaft und der aktu­elle Beschluss der herr­schenden Elite in einen drama­ti­schen Konflikt geraten könnten.

Denn zumin­dest scheinbar unter­stützt die große Mehr­heit der polni­schen Gesell­schaft eindeutig die Mitglied­schaft ihres Landes in der Euro­päi­schen Union, und die gesell­schaft­liche Unter­stüt­zung für die Mitglied­schaft ist die höchste inner­halb der EU. Doch nun hat das polni­sche Verfas­sungs­ge­richt entschieden, dass EU-Recht nicht mit dem natio­nalen Recht kolli­dieren darf, das die grund­le­genden Werte und Bestre­bungen der polni­schen Gesell­schaft verkörpert.

Aber weiß die polni­sche Gesell­schaft wirk­lich, was die Euro­päi­sche Union ist, wenn sie ihre eigene Teil­nahme mit einer solchen Mehr­heit unter­stützt, und was im Falle eines Inter­es­sen­kon­flikts zu tun ist?

In der Tat mehren sich die Anzei­chen, dass die immer schwer­wie­gen­deren Konflikte, die vor allem Ungarn und Polen mit den Macht­struk­turen der Euro­päi­schen Union haben, darauf hindeuten, dass der in der Euro­päi­schen Union vorherr­schende Erzähl­stil nicht mehr zu konstruk­tiven Diskus­sionen und Verein­ba­rungen führt.

Denn das in der EU vorherr­schende Narrativ ist „erfunden“ – das heißt, die EU versucht, den Mitglieds­staaten ein verstecktes globales Ziel­system aufzu­zwingen, als ob es sich um univer­selle Werte handeln würde, was sich verhee­rend auf den sozialen Zusam­men­halt der einzelnen Länder auswirkt und elemen­tare Proteste zunehmen lässt. Es wird aber auch immer deut­li­cher, dass Proteste und eska­lie­rende Konflikte nicht nur nicht in der Lage sind, die Regie­rungs­struk­turen der Union zu einer Ände­rung ihres Inter­pre­ta­ti­ons­rah­mens zu zwingen, sondern dass viel­mehr das genaue Gegen­teil zu beob­achten ist.

Das Euro­päi­sche Parla­ment scheint in den letzten Jahren zu einer global gesteu­erten, jako­bi­ni­schen Terror­ma­schine geworden zu sein. Selbst in seiner Stim­mung und seinen Begriff­lich­keiten passt es sich den jako­bi­ni­schen und bolsche­wis­ti­schen Tradi­tionen an, und seine Verfahren erin­nern zuneh­mend an die (kommu­nis­ti­schen) Schau­pro­zesse der 1950er Jahre.

Es geht also nicht um Polen und zum größten Teil auch nicht um abstrakte juris­tisch-profes­sio­nelle Fragen, sondern um die Exis­tenz von Europa. Es geht darum, ob in den Völkern der Mitglieds­staaten der Euro­päi­schen Union noch genü­gend geis­tige, mora­li­sche und spiri­tu­elle Energie vorhanden ist, um diesen fatalen Prozess aufzuhalten.

Ungarn und Polen sind damit zu Kampf­na­tionen geworden, und es ist kein Zufall, dass Mittel­eu­ropa, das im letzten Jahr­hun­dert alle histo­ri­schen Illu­sionen verloren hat, nun zur letzten Festung der weißen euro­päi­schen Christen werden könnte.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei MAGYAR HÍRLAP, unserem Partner in der EUROPÄISCHEN MEDIENKOOPERATION.


1 Kommentar

  1. Ich kenne genü­gend Polen. Die EU ist für die so etwas wie der Heilige Gral.

    Eher wird eine alte Kuh auf der Wiese wieder jung, bevor Polen aus der EU ausscheidet.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein