Slowe­nien: Justiz­ver­sagen – berüch­tigte inter­na­tio­nale Drogen­händler gehen frei, während das Parla­ment die EP-Entschlie­ßung zu Tota­li­ta­rismen ablehnt

Slowe­niens versa­gende Justiz: Berüch­tigte inter­na­tio­nale Drogen­händler werden vom Obersten Gerichtshof frei­ge­lassen, während das Parla­ment Entschlie­ßung des Euro­päi­schen Parla­mentes zu Tota­li­ta­rismen erneut ablehnt
 

Von Peter Truden | Nach drei Jahr­zehnten Demo­kratie in Slowe­nien sind die Grund­sätze der Demo­kratie noch nicht voll­ständig von der staat­li­chen Justiz und dem poli­ti­schen System über­nommen worden.

Der Über­gang vom ehema­ligen kommu­nis­ti­schen Tota­li­ta­rismus ist noch nicht abge­schlossen – weder mora­lisch noch poli­tisch. Das bedeutet, dass Sozi­al­ka­pital und insti­tu­tio­nelle Zwänge die Über­gangs­justiz beein­flussen. Studien haben gezeigt, dass die Korrup­tion in einem Land umso geringer ist, je inten­siver die Lustra­tion zu Beginn des Demo­kra­ti­sie­rungs­pro­zesses erfolgt. Doch was passiert, wenn die Lustra­tion nicht statt­findet? Auto­ri­täre Eliten schreiben dann die Regeln und Gesetze neu und gestalten den poli­ti­schen Prozess, um auch in einer neu entstan­denen Demo­kratie die poli­ti­sche Macht zu erhalten.

Ehemals tota­li­täre Struk­turen haben sich auch im demo­kra­ti­schen Slowe­nien fest­ge­setzt. Zwei aktu­elle Fälle bestä­tigen den enormen Einfluss dieser Struk­turen, die als tiefer Staat agieren:

Das erste Beispiel stammt vom 26. November 2021, als der slowe­ni­sche Oberste Gerichtshof das Urteil des Bezirks­ge­richts in einem berüch­tigten Fall namens Balkan Warrior aufhob. In diesem Fall ging es um ein Drogen­han­dels­kar­tell aus dem Balkan, an dem Beamte aus mehreren EU-Mitglied­staaten und euro­päi­schen Dritt­län­dern sowie Geheim­dienst­in­for­ma­tionen aus den USA betei­ligt waren. Der Haupt­prot­ago­nist, Dragan Tosić, wurde nach Rechts­kraft des Urteils im März 2018 zu 15 Jahren Haft verur­teilt. Der Fall ist nicht nur ein Beispiel für die gute Praxis der Zusam­men­ar­beit verschie­dener Staaten in Justiz­an­ge­le­gen­heiten, sondern auch ein Silber­streif am Hori­zont für den mora­li­schen Kompass der euro­päi­schen Gesellschaft.

Doch zwei Monate, nachdem ein abge­ord­neter Richter Kmet mit dem Fall betraut wurde, ließ der Oberste Gerichtshof Tosić und seine Komplizen auf der Grund­lage der Verfah­rens­ent­schei­dung aus dem Gefängnis frei, obwohl die Über­prü­fungs­akte mehr als 40.000 Seiten umfasste und das Urteil noch nicht öffent­lich verkündet oder seine Begrün­dung geschrieben wurde. Es ist daher unklar, wie und auf welcher Grund­lage eine solche Entschei­dung getroffen wurde. Es ist auch sehr wahr­schein­lich, dass ein Gremium von Rich­tern es beson­ders eilig hatte, das Urteil bis nächste Woche aufzu­heben, wenn ein Gesetz in Kraft tritt, das solche Fälle nicht mehr verjähren lässt. Nun wird das Verfahren verjähren und eine weitere Verhand­lung verhin­dert werden. Was wir jedoch wissen, ist, dass der Prozess von einem Inter­es­sen­kon­flikt geprägt war. Einer der Richter, die die Entschei­dung ausar­bei­teten, wurde nämlich von dem Richter des Obersten Gerichts­hofs betreut, der sich in der Schluss­phase aus dem Bera­tungs­ver­fahren zurückzog, weil er einst Tosić vertrat. Außerdem war Masleša – der Präsi­dent des Senats – der letzte Richter, der im früheren tota­li­tären Regime die Todes­strafe verhängte.

Ein solch ekla­tanter Inter­es­sen­kon­flikt, eine verblüf­fende Intrans­pa­renz und eine über­heb­liche Anspruchs­hal­tung sind charak­te­ris­tisch für das slowe­ni­sche Justiz­system. Meri­to­kratie, öffent­li­cher Dienst und Gerech­tig­keit für alle sind Begriffe, die ihm noch immer fremd sind.

Das zweite Beispiel stammt vom 25. November 2021, als das slowe­ni­sche Parla­ment erneut nicht in der Lage war, die Entschlie­ßung des Euro­päi­schen Parla­ments aus dem Jahr 2009 zu euro­päi­schem Gewissen und Tota­li­ta­rismus anzu­nehmen (ange­nommen im EP mit 553 Ja-Stimmen, 44 Nein-Stimmen und 33 Enthal­tungen). Das slowe­ni­sche Parla­ment lehnte die Entschlie­ßung bereits zum vierten Mal seit 2015 ab. Mit anderen Worten: Das slowe­ni­sche Parla­ment ist nicht in der Lage, tota­li­täre Regime für all das Böse, das sie verur­sacht haben, zu verur­teilen. Trotz der Millionen von Menschen­leben, die sie welt­weit und Zehn­tau­sende in Slowe­nien gefor­dert haben, ist das slowe­ni­sche Parla­ment nicht in der Lage, Nazismus, Faschismus und Kommu­nismus zu verur­teilen. Von den 90 Mitglie­dern des Parla­ments haben 45 gegen etwas gestimmt, das eine große Mehr­heit der Mitglieder des Euro­päi­schen Parla­ments ange­nommen hat. Damit haben diese Abge­ord­neten gegen die histo­ri­schen, mora­li­schen und poli­ti­schen Grund­lagen der EU gestimmt.

Sie sind offen­sicht­lich ein Teil der hart­nä­ckigen tota­li­tären Struk­turen, die in Slowe­nien noch immer bestehen. Ihr Verständnis von Recht und Gesetz beruht eindeutig auf der Weige­rung, sich mit der realen, histo­ri­schen Wahr­heit tota­li­tärer Regime – im Falle Slowe­niens des Kommu­nismus – ausein­an­der­zu­setzen. Dies erlaubt ihnen, weiterhin einen selek­tiven Ansatz im Umgang mit Tota­li­ta­rismen zu verfolgen und die massiven, syste­ma­ti­schen Menschen­rechts­ver­let­zungen, die im Kommu­nismus statt­ge­funden haben, nicht anzu­er­kennen. Das entspricht natür­lich nicht den Idealen, die die EU vertritt und anstrebt, und auch nicht den demo­kra­ti­schen Werten, Normen und Grund­sätzen, auf denen die Rechts­staat­lich­keit beruht. Entfernt man die Fassade und die hoch­tra­benden Worte, kommt ein tota­li­tärer Wolf im demo­kra­ti­schen Gewand zum Vorschein.



4 Kommentare

  1. Sodniki, ki so jim diplome pogo­rele. Ob kandi­da­turi za so samo izja­vili, da diplo­mi­rani prav­niki Očitno so zasedli sodniško mesto brez dokazil.

    • Über­set­zung aus dem Slowe­ni­schen: „Richter, deren Diplome verbrannt wurden. Als sie sich um das Rich­teramt bewarben, gaben sie ledig­lich an, dass sie ein Jura­stu­dium absol­viert hatten.“

  2. Viel­leicht sollten unsere Juristen und Poli­tiker mal alle nach Slowe­nien um denen zu erklären wie man es richtig macht?

    Dann wird es dort zwar auch nicht besser, aber wir wären die Misch­poke wenigs­tens hier­zu­lande los.

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