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In der Schlacht von Tápióbicske (4. April 1849) gelang den Ungarn ein Sieg über die Österreicher

Von unserem Ungarn-Korrespondenten ELMAR FORSTER

“Hinrichtung der Märtyrer von Arad 1849” (János Thorma)

Katalonische Unabhängigkeitsdemonstration  2019 in Barcelona

Gestern wurde in ganz Ungarn, sowie in den ausländischen Gebieten mit einer ungarischen Minderheit, des 173. Jahrestages der sogenannten „Bluzeugen von Arad“ gedacht. Die Veranstaltung begann um 8 Uhr vor dem Parlament auf dem Kossuth-Lajos-Platz mit dem Hissen der ungarischen Nationalflagge auf Halbmast. In allen ungarsichen Schulen wurde mindestens eine ganze Unterrichtsstunde dafür aufgewendet.

Orban-Regierung: Nationale Identität

Die Veranstaltungen stehen in einem größeren Zusammenhang der, von der Orban-Regierung, umgesetzten nationalen Identität. Diesbezüglich verweise ich auch auf meine UM-Analyse: “101 Jahre Trianon – Das zerbrochene Schweigen” sowie auf die eindrucksvolle übernationale Solidarität aller Ungarn mittels einer Grußbotschaft mit der ungarischen Nationalhymne aus allen Minderheitengebieten.

Ungarisches Trauma: Totalitärer Habsburger-Kolonialismus als EU-Revival?

Die 13 ungarischen Märtyrer (allesamt Generäle der ungarischen Unabhängigkeits-Revolution von 1848-49) wurden am 6. Oktober 1849 in Arad (heute in Rumänien) hingerichtet – trotz Zusicherung von freiem Geleit. Außerdem wurde noch Graf Lajos Batthyány, Führer der ersten unabhängigen Regierung Ungarns, in Budapest hingerichtet. Weil die österreichisch-habsburger Henker danach mit Bier auf die Hinrichtung angestoßen haben sollen, verweigern die Ungarn bis heute diese Tischsitte standhaft.

Die Revolution gegen die kolonisatorische Unterdrückung in den damaligen Kronländern bzw. Provinzen des Habsburgerreiches (Ungarn, Böhmen, Oberitalien) konnte in Ungarn erst nach anfänglichen ungarischen militärischen Erfolgen durch Eingreifen der russischen Zaren-Armee niedergeschlagen werden – und zwar in der Schlacht von Segesvar (heute Rumänien), wodurch diese zusammen mit den österreichischen Verbänden mit über 250.000 Mann die ungarische Armee um das Doppelte übertraf.

Ungarischer Nationaldichter Sandor Petöfi: „Hängt die Fürsten auf!“

Während der vorletzten Schlacht von Segesvár (31. Juli 1849 – heute Sighișoara, Rumänien) fiel auch Sandor Petöfi im Kampf. Eines seiner eindrucksvollsten Gedichte wäre heute zur Zeit des postmodernen Totalitarismus der Political Correctess längst wegen Hass-Rede zensuriert.

Lamberg erdolcht, Latour gehenkt am Strick! Nun, schön und gut, doch ist’s ein Meisterstück? – Gewiss, das Volk zeigt endlich, was es kann. Doch hängt’s auch noch ein paar, was wäre dann? Es ändert nichts an der Geschichte Lauf! Zerschlagt die Throne, hängt die Fürsten auf!

Petöfi bezieht sich dabei auf die Lynchhinrichtungen der ungarischen Revolutionäre am Verräter Graf Lamberg. Dieser wurde beim Überqueren der Budapester Kettenbrücke von einem wütenden Mob erdolcht. Dessen verstümmelte, in Stücke gerissene Leiche wurde dann triumphierend, auf Sensen aufgespießt, herumgetragen. – Und außerdem an die Ermordung des österreichischen Kriegsministers Latour durch bürgerliche Revolutionäre in Wien 1848.

Man stelle sich vor ! Was würde passieren…: Wenn fantasie-begabte Zeitgenossen diese Zeilen in einen aktuellen (und freilichst zutiefst verwerflichen und völlig an den Haaren herbeigezogenen) Zusammenhang mit Vertretern des Tiefen Staates stellen würden!

Verderbt sind sie, ihr Herz ist kalt und leer, schon niederträchtig von der Mutter her. Ihr Lasterleben spricht dem Volke Hohn. Schwarz ist die Luft von ihrem Atem schon. Noch aus dem Grab stinkt diese Pest herauf. Zerschlagt die Throne, hängt die Fürsten auf!

Denn laut Petöfi müsste eine Revolution eine solche sein, welche ihrem Namen als solche gerecht wird. Runde Tische und sanfte Rosenrevolutionen kamen für ihn nicht in Frage. Insofern hätte er wahrscheinlich auch den ungarisch-österreichischen Ausgleich von 1867 kritisch gesehen…

Nachsicht zu üben, edel ist’s fürwahr. Wer sie an Fürsten übt, der ist ein Narr! Nichts andres wendet der Geschichte Lauf! Zerschlagt die Throne, hängt die Fürsten auf!

Was wir freilich alle nicht hoffen mögen. Auch wenn sich die postmodernen Macht-Verweser gerade davor ängstigen…

Böhmisches Trauma: Jan Hus (1415) und Schlacht auf dem Weißen Berg (1620)

Die damalige – wortbrüchige – Hinrichtung erinnert an jene des böhmischen Reformators Jan Hus, der – trotz Zusicherung von freiem Geleit – am 6. Juli 1415 in Konstanz auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Seine mahnenden Worte seien an die EU-Eliten gerichtet: “Die Wahrheit stirbt nicht in den Flammen.”

Kupferstich von Matthus Merian, 1630.

Ebenfalls erinnert alles an die Hinrichtung von 61 böhmischen Revolutionären nach der verlorenen Schlacht auf dem Weißen Berg (Prag), während des 30-jährigen Krieges (8. November 1620). Unter ihnen exekutierten die Habsburger Bluthenker  27 Standesherren (22 tschechischen und 5 deutschen Ursprungs) am 21. Juni 1621 auf dem Altstädter Ring in einer wahren Blutorgie.

zeitgenössischer Holzschnitt

Interessant auch: Bei einer in Rom abgehaltenen Prozession zum Dank für den Sieg erlitt der Borghese-Papst Paul V auf dem Platz vor dem Quirinalspalast einen Schlaganfall, an dessen Folgen er wenige Wochen später starb.

Böhmen, Polen, Ungarn: Widerstand des östlichen Mitteleuropas gegen EU-Totalitarismus

Warum aber gerade nun der „Osten“?

Sowohl was Denken, Zeitempfinden und historische Erfahrungen betrifft, unterscheiden sich die neuen, (großteils) christlich[1] verankerten „östlichen“ mitteleuropäischen EU-Mitgliedstaaten diametral vom westlichen, multipluralistisch-entseelten 68-er-„Alt“-Europa. Daraus resultierte ein völlig anders gearteter historisch-politischer Bewusstseinszustand: eine tiefe und immer wieder gekehrte politisch-historische Enttäuschung[2] sowie das Gefühl, auf sich allein gestellt zu sein. Das erkannte auch der deutsche Philosoph Safranski:

„Die deutsche Politik will nicht begreifen, was mit den osteuropäischen Ländern los ist: Die sind eben der Knute der Sowjet­union entkommen und wollen nun erst einmal die neugewonnene Souveränität genießen. Sie möchten ihr Selbstbestimmungsrecht nicht gleich wieder nach Brüssel abgeben, bloß weil Deutschland mit seinem Europa-Traum das forciert. Die Deutschen blenden auch den histo­rischen Hintergrund der Abwehrhaltung in Osteuropa aus: Bulgarien war bis 1908 unter osmanischer Herrschaft. Die Türken standen Ende des 17. Jahrhunderts vor ­Wien. Das islamische Osmanische Reich war weit in den Balkan vorgedrungen. Das ist im kollektiven Gedächtnis dieser Länder präsent. Und es ist nun mal so, dass die großen Flüchtlingsströme vor allem aus der islamischen Welt kommen.“ (Safranski: „Politischer Kitsch“)

Das andere Denken des historischen (Mittel-)Europas

Während man im westlichen Teil Europas Freiheit mit materieller (Abge)Sicher(t)heit (also v.a. wirtschaftlicher Prosperität infolge des ausgeschütteten amerikanischen Füllhorns des Marschall Plans) verstand und sich dementsprechend sowohl politisch und kulturell an den american-way-of-life anpasste und durch diesen korrumpieren ließ, waren die Völker im östlichen Teil Europas unter den tektonischen Verwerfungen der Nachkriegsordnung vom Westen einfach schulterzuckend vergessen, verraten und dem ideologischen Erzfeind des Kommunismus überantwortet worden.

Doch: Diese Erfahrung ist dem westlichen Denken und seiner Mentalität seit drei Generationen abhanden gekommen: Warten, Warten müssen und daraus resultierend: Warten können. Doch auch die Freiheit von 1989 war wieder von neuen Enttäuschungen gekennzeichnet: Die wirtschaftlich bedingten sozialen Kollateralschäden auf dem Weg in den neoliberale Finanzkapitalismus; die verächtliche Bevormundung der eigenen Traditionen und kulturellen Werte (der Katholizismus Polens, der Nationalstolz Ungarns auf seine Krone, die schwejk´sche Subversivität Böhmens), die subtile Verachtung slawischer und magyarischer Völker durch die westlichen Eliten im Allgemeinen…: Allen Staaten im Osten blieb gemeinsam jene schmerzliche Erfahrung, dass staatliche Souveränität, kulturell-nationale Einheit brüchig und von fremden Mächten und Invasoren bedroht sind.

Daraus resultierte ein interessantes Paradoxon: Durch diese Verlust-Optionalität erfuhr der Staat, die Nation zwar einerseits eine bis ins Mystisch-Religiöse hinein gesteigerte Wertschätzung, wobei sich das Individuum gleichzeitig (sozusagen aus Eigeninitiative und Selbstverantwortungsbewusstsein heraus) dazu gezwungen sah, ein starkes familiäres und regionales soziales Netz aufzubauen.

Im Gegensatz dazu hatte sich in den Sozialstaaten W-Europas diese Wertschätzung der Nation und christlicher Kulturalistaion durch die nihilistische Kultur-Destruktion der 68-er aufgelöst, als dessen Endprodukt wir ab 2015 jene entwurzelten Single-Individualisten erleben, welche nun ihren Post-Post-Midlife-Crisis-Frust mit einem so naiv wie a-historischen Be-Wellcome-Klatschen von Flüchtlingsmassen als ihr mehrfaches biographisches Versagen kompensieren.

Somit aber, und damit schließt sich der Kreis auch schon wieder: „Es ist wichtig, dass jemand seiner Zeit den Spiegel vorhält.“ wie Václav Havel, ehemaliger tschechischer Staatspräsident und Dissident, es formuliert hatte. Dass dieser erneut aufklärerische Akt nun plötzlich von den Staaten des Ostens geleistet wird, kommt freilich – aus Sicht der überholt-senilisierten Alt-68er – einer tiefen Kränkung, kulturhistorisch einer kopernikanischen Wende am Himmel der Political Correctness gleich.

Wen mag es also verwundern, dass Skepsis gegenüber realen oder potentiellen „Bevormundern“ (egal ob damals in Moskau oder eben jetzt mit Hauptsitz im „links-nihilistischen“ Brüssel) so etwas wie eine geheime Staatsverfassung des Ostens sind.

Orbán, Ungarn, Polen, Slowakei, Tschechien…: Sie alle sahen im Spätsommer 2015 nicht nur im wörtlichen Sinne das, was kommt, nämlich jene (schier unbewältigbaren und des-integrierbaren) Menschenmassen, sondern auch den Culture-Clash, mit dem sich die 68er-Eliten im Westen in Form von Terroranschlägen und letztlich auch einem Back-slash gegen ihre (von sexueller Freizügigkeit und beliebig-kultureller Ersetzbarkeit von Werten geprägten) Kultur von nun an auseinandersetzen werden müssen. Doch (und dieses Gefühl ist den dekadenten 68-er-Selbsthassern völlig fremd): Die eigene nationale Identität wird in Ost-Europa großteils als etwas erlebt, was man immer schon (letztlich erfolgreich) verteidigen und bewahren musste und es auch weiterhin muss – und zwar immer wieder gegen neue Invasoren…

Zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise sprach ich am Bahnhof des ungarischen Grenzortes Hegyeshalom mit einem Polizei-Kommandanten über die mediale Verleumdungskampagne gegen Ungarn. Als von Neuem voll besetzte Flüchtlingszüge anrollten, und die ungarischen Polizisten die Flüchtlingsmassen kontrollierten, erwiderte der ungarische Beamte in einer Mischung aus Realitätssinn, Dienstethos und Volksweisheit lapidar: „Wir in Ungarn wissen: Jedes Wunder dauert genau drei Tage!“

Wo immer einer die Wahrheit sagt, da ist schon ein Stück Freiheit.“ (Vacláv Havel) — Doch steht diese Wahrheit nun nicht mehr unter dem Diktat der Gut-Menschen-Political-Correctness: Deren Rhetorik hat sich überholt, deren Sinn säkularisiert, deren Vertreter uneinsichtige Möchtegern-Propheten eines unmöglichen Post-Histoire-Zustandes…

https://youtu.be/1de8yb2cgkk

ANHANG:

[1] Tschechien bildet diesbezüglich eine Ausnahme, da es sich seit der Verbrennung des Kirchenreformators Jan Hus, 1415 in Konstanz, als religiös-indolentes Staatswesen begreift, welches sich durch die folgende katholisch-habsburgische Repression (Schlacht am Weißen Berg 1620) verfestigte.

[2] etwa über das Ausbleiben westlicher Unterstützung im Freiheitskampf der Ungarn 1956, obwohl der damalige amerikanische Präsident Eisenhower solche Hoffnungen subtil geschürt hatte, um diese dann aus wahltaktischen Gründen zu verraten.

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7 Gedanken zu „Ungarischer Gedenktag 1849: „Zerschlagt die Throne! Hängt die Fürsten auf!“ – Ein Menetekel für die linken EU-Eliten?“
  1. Das ist je aktueller, denn je.
    Die Westfürsten müssen zittern, kein Volk kann vergessen.
    Und was die Ösis in Arad gemacht haben, die 13 gewählten ung. Minister hingerichtet, darf nicht vergessen werden.
    Es war beispiellos in der Geschichte.

  2. Was ich von Ivo Sandric und seinem Buch Die Brücke über die Drina besonders in Erinneung behalten habe, ist das Aufkommen des Nationalismus. Diesen mache ich hauptsächlich für diese Ereignisse verantwortlich. Die übelste Sorte von Ideologien sind Sozialismus und Antisemitismus. Extremismus pur.

  3. Lieber Elmar,

    herzlichen Dank für diesen großartigen Essay -!
    Ja, Oswald Spengler hat es treffend formuliert: Die europäische Kultur ist in ihr Endstadium übergegangen und damit in bloße Zivilisation zerfallen, gekennzeichnet durch den Imperialismus der EU, dem es anscheinend gelingt, die (zumindest noch teilweise) existierende kulturfähige Bevölkerung vollends zu bloßen “Fellachen” herabzuwürdigen.
    Deswegen der Hass gegen die Ungarn, die sich ihr Sensorium für diesen Nihilismus noch bewahrt haben.

  4. Safranski vergißt, daß wir Deutschen seit 77 Jahren kolonisiert sind mit einer ausgetüftelten Gehirnwäsche zum Schuldkult. Auch wir wollen endlich unsere geraubten Gebiete und Freiheit zurück.

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      1. deutschland muss sich mit russland und china und anderen BRICS verbünden und nicht mit ein paar u.s.gekauften € lakaien.

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