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Klára Dobrev · Foto: Europäuisches Parlament / Wikinedia CC BY 2.0

Etwas mehr als ein Jahr vor der landesweiten Neuwahl des Parlaments zerbricht sich die ungarische Linksopposition („Soros-Block“) den Kopf über einen gemeinsamen Spitzenkandidaten. Zu diesem Zweck beauftragte die Századvég-Stiftung ein Meinungsforschungsinstitut mit einer Umfrage. Nun liegt das Ergebnis vor. Danach wollen 23 % der Wähler, die für das in Aussicht genommene oppositionelle Bündnis (Postkommunisten, Gruppe um den vormaligen Premier Ferenc Gyurcsány, Jobbik, Momentum-Bewegung, Linksgrüne und dem Politzwerg namens „Dialog“) stimmen wollen, am liebsten die EU-Abgeordnete der DK, Klára Dobrev, die Ehefrau von Ex-Premier Gyurcsány, als Spitzenkandidatin sehen.

Der Budapester Oberbürgermeister Gergely Karácsony, Vorsitzender von „Dialog“, bringt es lediglich auf 14 % und landet hinter dem parteilosen Ex-Ministerpräsidenten Gordon Bajnai (20 %) und Péter Márki-Zay mit 17 % auf dem medaillenlosen vierten Platz. Márki-Zay ist Bürgermeister von Hódmezővásárhely. Der Name der Stadt ist vielen Menschen im deutschen Sprachraum geläufig, spielt doch der Film „Ich denke oft an Piroska“ in jener Gegend, nämlich in Hódmezővásárhelykutasipuszta.

Das Ergebnis der Umfrage bedeutet für den Budapester Stadtchef Gergely Karácsony eine herbe Schlappe, sah er sich doch nach seinem knappen Sieg bei den Gemeinderatswahlen schon als präsumtiver Nachfolger von Viktor Orbán. Die gesunkene Popularität von Karácsony sei, so Beobachter, auf unerfüllte Wahlversprechen, die Verzögerung wichtiger Budapester Entwicklungsprojekte und das schwache Management in der Corona-Krise zurückzuführen. Bekanntlich entfällt ein gewichtiger Teil der Corona-Toten auf Patienten in den hauptstädtischen Rentner- und Pflegeheimen.

Die eher farblose 49-jährige Klára Dobrev ist eine von zwei Dutzend Vizepräsidenten des EU-Parlaments, ist freilich in Straßburg nicht weiter positiv aufgefallen. Diesbezüglich erinnert sie ein wenig an Ulrike Lunacek. Ihren slawischen Familiennamen hat sie von ihrem bulgarischen Vater. Es ist in Budapest ein offenes Geheimnis, wonach Ferenc Gyurcsány seine Gemahlin mit allen Mitteln fördert, damit sie das Oppositionsbündnis anführt. Gyurcsány selbst ist soweit Realist, um eine eigene Spitzenkandidatur auszuschließen. Gilt er doch als der am meisten von der Bevölkerung abgelehnte Politiker des Landes.

Natürlich überzuckert Gyurcsánys Rivale András Fekete-Györ das höchst durchschaubare Manöver, hier eine Art weiblichen „Strohmann“ aufzubauen, der das tut, was Gyurcsány will. Der Momentum-Chef Fekete-Györ (32) ist um eine Generation jünger als Dobrev und strebt das Amt des Regierungschefs an. In der oben erwähnten Meinungsumfrage scheint er wahrscheinlich nur unter „ferner liefen“ auf. Was ihn vermutlich noch mehr anstacheln wird, Dobrev zu verhindern. Ein gemeinsames Antreten der Opposition im Frühjahr 2022 ist daher wenig wahrscheinlich.

Neben dem Regierungsbündnis Fidesz-KDNP und dem linken Soros-Block geht auf der rechten Seite des politischen Spektrums die Unsere-Heimat-Bewegung („Mi hazánk“) bei der nächsten Wahl ins Rennen; sie ist die patriotische Abspaltung der Jobbik. Laut deren Vize-Vorsitzender Dóra Dúró wird die Bewegung in allen 106 Wahlkreisen Einzelkandidaten sowie einen eigenen Spitzenkandidaten und eine Landesliste aufstellen. Mit dem Zusammenschluss zu einem Soros-affinen Block wollten, so „Mi hazánk“, die linken Parteien erneut Ferenc Gyurcsány an die Macht bringen, eine Person, die sie früher als „Lügenpremier“ am heftigsten kritisierten.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Zur Zeit [Autor: E.K.-L.]

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