Ungarn und Deutsch­land geraten wegen des aufgrund seiner „rechter Ansichten“ entlas­senen Trai­ners aneinander

Zsolt Petry (Ex-Torwarttrainer bei Hertha BSC) · Bildquelle: Centro Machiavelli

Von Marcell Dengi

Zsolt Petry, ehema­liger unga­ri­scher Natio­nal­spieler und heutiger Torwart­trainer des deut­schen Fußball­ver­eins Hertha Berlin, ist nach einem Inter­view mit der unga­ri­schen Tages­zei­tung „Magyar Nemzet“ entlassen worden. In dem Inter­view vom 5. April zu Fußball­themen äußerte er sich auch zu der Unter­stüt­zung, die ein Lands­mann von ihm, der Torhüter Peter Gulacsi, für die soge­nannten „Regen­bo­gen­fa­mi­lien“ geäu­ßert hat. Auch die Einwan­de­rung wurde in dem Inter­view erwähnt. Deshalb wurde Petry zunächst von der Hertha-Geschäfts­füh­rung abbe­rufen und zwei Tage später entlassen. Der unga­ri­sche Außen­mi­nister reagierte darauf und bat die deut­sche Botschaft in Buda­pest um eine Stellungnahme.

Hertha ist ein beson­ders multi­kul­tu­reller Fußball­verein: Die meisten seiner Spieler haben die doppelte Staats­bür­ger­schaft, weil sie Kinder von Einwan­de­rern sind. In der jüngeren Vergan­gen­heit hat der Verein gegen Rassismus und Poli­zei­ge­walt in den USA und Groß­bri­tan­nien Stel­lung bezogen. Der Club fühlte sich durch die Art und Weise gestört, wie Petry sich zu Einwan­de­rung und anderen sozialen Themen äußerte und dabei seine konser­va­tive Ausrich­tung offen­barte. Der Trainer sagte, er sei tief besorgt über die Zukunft, da die euro­päi­schen Länder den christ­li­chen Weg verlassen:

Ich kann wirk­lich nicht verstehen, wie Europa in den mora­li­schen Abgrund sinken konnte, in dem es sich befindet. Für mich ist die Migra­ti­ons­po­litik eine Mani­fes­ta­tion des mora­li­schen Verfalls. In Europa sollten wir weiterhin nach den natio­nalen Werten leben, die wir über viele Jahre hinweg gelernt haben. Europa ist ein christ­li­cher Konti­nent, und ich sehe mit Wider­willen auf den mora­li­schen Verfall, der dort wütet.

Es gibt eine voraus­schau­ende Passage in dem Inter­view, in der Petry die Progres­siven der Into­le­ranz gegen­über Anders­den­kenden beschuldigt:

Wer gegen die Einwan­de­rung ist, weil eine erschre­ckend hohe Zahl von Krimi­nellen nach Europa gekommen ist, wird als Rassist gebrand­markt. Das darf nicht sein: Die Meinung anderer wird immer weniger tole­riert, vor allem auf der rechten Seite.

Es ist beschä­mend, dass eine Gesell­schaft ihren Mitglie­dern eine multi­kul­tu­relle, libe­rale und scheinbar tole­rante Atmo­sphäre aufzwingt, nur um dann auf einen von ihnen einzu­prü­geln, wenn er konser­va­tive Ideen hat und genug Mut, sie zu äußern. Diese Tatsache zeigt weiter, wie Progres­sive nur gegen­über denen tole­rant sind, die wie sie denken, aber bereit sind, dieje­nigen anzu­greifen, die es wagen, anderer Meinung zu sein. Als er über Gulacsys Unter­stüt­zung für homo­se­xu­elle Part­ner­schaften sprach, war Petry vorsichtig, sein Recht auf Meinungs­äu­ße­rung zu vertei­digen (ein Recht, das Hertha Petry selbst nicht zuge­standen hat):

Die Mehr­heit der unga­ri­schen Gesell­schaft ist mit Peter Gulacsis progres­siven Ansichten über „Regen­bo­gen­fa­mi­lien“ nicht einver­standen. Deshalb wird er von vielen kriti­siert, obwohl Meinungs­äu­ße­rungen nicht mora­lisch verwerf­lich sind. Schließ­lich steht Peter nur zu seinen Prin­zi­pien. Er kann und sollte nicht dafür verur­teilt werden, dass er eine Meinung äußert. Ob man mit seiner Haltung einver­standen sein kann, ist eine andere Sache. Wenn ich ein Sportler in seiner Posi­tion wäre, würde ich mich auf den Fußball konzen­trieren und mich nicht in der Öffent­lich­keit zu gesell­schafts­po­li­ti­schen Themen äußern.

Die Entlas­sung Petrys hat die unga­ri­sche Regie­rung und die öffent­liche Meinung tief erschüt­tert. Nicht zuletzt wegen der laufenden Kampagne der Euro­päi­schen Union gegen die Meinungs­frei­heit in Ungarn. Außen- und Handels­mi­nister Peter Szij­jarto schal­tete sich mit einem Posting auf „Face­book“ in die Debatte ein:

Liebe Vera Jourova, Didier Reyn­ders, Frans Timmer­mans, Judith Sargen­tini und alle euro­päi­schen progres­siven Poli­tiker, die sich darauf spezia­li­siert haben, anderen krude Lektionen über Meinungs­frei­heit zu erteilen! In Deutsch­land verlor ein Mann seinen Job, weil er seine Ansichten über Einwan­de­rung und Familie frei geäu­ßert hatte. Wo sind Sie jetzt? Wann werden Sie gegen das Gesche­hene aufstehen? Wann werden Sie ein Vertrags­ver­let­zungs­ver­fahren einleiten und auf der Grund­lage welcher Klausel?

Dieser Beitrag zeigt, wie sehr sich die unga­ri­sche Regie­rung von der Affäre berührt fühlte. Daraufhin bat das Minis­te­rium die deut­sche Botschaft um eine Klärung. Szij­jarto gab dazu auch eine Erklä­rung ab:

Deutsch­land hat, wie Ungarn, unmit­tel­bare histo­ri­sche Erfah­rungen mit voll­stän­digster Repres­sion, und deshalb ist es unsere gemein­same Aufgabe, das Grund­recht auf freie Meinungs­äu­ße­rung zu bewahren. Die Einschrän­kung der Meinungs­frei­heit ist für Ungarn inak­zep­tabel, weil sie an ein System erin­nert, gegen das Tausende unserer Lands­leute mit ihrem Leben gekämpft haben.

Marcell Dengi
MCC Visi­ting Fellow am Centro Studi Machia­velli. Student der Inter­na­tio­nalen Wirt­schaft an der Buda­pester Univer­sität für Tech­no­logie und Wirt­schaft und der School of Econo­mics am Mathias Corvinus Collegium.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei CENTRO MACHIAVELLI, unserem Partner in der EUROPÄISCHEN MEDIENKOOPERATION.


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