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Parlament in Budapest · Foto: Centro Machiavelli

Von Marcell Dengi

Die kommenden Wahlen in Ungarn könnten knapper ausfallen, als man denkt. Die Wahlmaschinerie wurde von den Parteien bereits in Gang gesetzt. Es ist bekannt, dass es im Krieg und in der Liebe keine Regeln gibt, und politische Parteien behandeln Wahlkämpfe als ernsthafte Kriege, in denen kein Preis zu hoch ist, um mehr Stimmen zu bekommen. Die ungarischen Oppositionsparteien machen sich nicht einmal die Mühe, unschuldige Menschenleben in Gefahr zu bringen: Sie benutzen die Covid-Epidemie vielmehr, um Propaganda gegen die derzeitige Regierung zu machen. Auf der anderen Seite gibt es Unterschiede in der Art und Weise, wie sie ihre jeweiligen Kampagnen durchführen. Gábor Vona, ehemaliger Vorsitzender von Jobbik, äußerte in einem Interview zu den bevorstehenden Wahlen einige Kritikpunkte an der Art und Weise, wie die Oppositionsparteien vorgehen.

Wie uns die Alten lehrten, ist panem et circenses die ideale Kombination, um sich beim Volk einzuschmeicheln. Der derzeitige Vorsitzende von Jobbik Prer Jakab hat diese Maxime sehr ernst genommen. Auf seiner Facebook-Seite lässt er sich porträtieren, wie er billige Salami zwischen zwei einfachen Brotscheiben isst. Ein sehr starkes Bild in Ungarn, denn im sozialistischen System war es das Symbol der Armen. Eine traditionelle Methode, um Sympathien zu wecken, die aber nur bei armen Menschen funktioniert, die starke Ressentiments gegenüber der Regierung hegen. Und selbst wenn es auf diese Weise gelänge, Sympathien zu wecken, ist es nicht sicher, dass diese Menschen zu echten Unterstützern und wirklich überzeugten Wählern werden. Vona nennt sie “Katastrophentouristen”, die sich an diejenigen hängen, die ihre Feindseligkeit gegenüber der Regierung auf die extremste Weise zum Ausdruck bringen: Im Laufe der Zeit werden sie sich jedoch an eine andere Partei hängen, denn der Klebstoff, der einen Wähler stabilisieren kann, besteht aus einer langfristigen Strategie und einer attraktiven Perspektive. Da Jobbik nichts dergleichen hat, wird sie wahrscheinlich in ihrer Mission scheitern.

Vona macht keinen Hehl daraus, dass er gerne einen Regimewechsel in Ungarn sehen würde, aber er hält die Opposition für unfähig, die Aufmerksamkeit der Bürger zu erlangen. Auch die Demokratische Koalition (DK, die Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány) wird es seiner Meinung nach nicht schaffen, der Oppositionskoalition neue Stimmen zuzuführen. Dennoch ist DK die einzige Partei, die eine normale politische Strategie verfolgt, und da der Einäugige König unter den Blinden ist, kann die DK als die Partei mit dem größten Potenzial angesehen werden. Die anderen Oppositionsparteien fokussieren ihre jeweiligen Strategien lediglich auf die Markenbindung der Wähler und vernachlässigen die tiefer gehende Politik.

Ein anderes Mitglied der Koalition, die Partei Momentum, hätte die ungarische politische Landschaft für immer verändern können, wenn sie eine große bürgerliche Einheit gegründet hätte, aber sie verpasste den Moment und erkannte die Gelegenheit erst, als sie bereits verblasst war. Zu Beginn (2017) war sie so stark, dass sie die Regierung dazu zwang, die Kandidatur zur Ausrichtung der Olympischen Spiele aufzugeben. Heute, nachdem sie die Chance verpasst hat, schnell eine große Partei zu werden, hat sich Momentum unter den schützenden Flügel der Oppositionskoalition begeben und verfolgt weit linke Ideen. Zu ihren “Wahlvorschlägen” gehört der, rechte Politiker an der Ausübung ihres Berufes zu hindern.

Die Radikalität der Opposition betrifft auch die Impfkampagne der Regierung. Es war zu erwarten, dass die Parteien die Krise für Wahlkampfzwecke nutzen würden, aber wenn das Leben von Menschen auf dem Spiel steht, ist das Spiel nicht mehr unreguliert. Im Frühjahr 2020 beschloss die ungarische Regierung ein Gesetz, das die rechtliche Verfolgung von Personen ermöglicht, die Lügen und irreführende Informationen über Covid verbreiten. Ein Gesetz, das die Mitglieder der Opposition hingegen nicht zu schrecken scheint, insbesondere DK und Momentum, die sich gegen nicht-westliche Impfstoffe aussprechen und die Menschen ermutigen, sich nicht impfen zu lassen.

Laut einer Umfrage des Századvég-Instituts lehnen 73% der Ungarn Politiker ab, die gegen die Covid-Impfung sind. 62% sind der Meinung, dass diese Politiker das Leben unschuldiger Menschen in Gefahr bringen. Damit riskieren sie nicht nur rechtliche Konsequenzen, sondern vertiefen auch die Kluft zwischen ihnen und dem wahrscheinlichen Gewinner der nächsten Wahl.

Marcell Dengi
MCC Visiting Fellow am Centro Studi Machiavelli. Student der Internationalen Wirtschaft an der Budapester Universität für Technologie und Wirtschaft und der School of Economics am Mathias Corvinus Collegium.
 
 


 
Dieser Beitrag erschien zuerst bei CENTRO MACHIAVELLI, unserem Partner bei der EUROPÄISCHEN MEDIENKOOPERATION.


5 Gedanken zu „Ungarn: Wahkampfbeginn mit Brot, Salami und Impfstoffen“
  1. Wenn 73 % der Ungarn an die Wunder von PCR-Test und Impfungen glauben, kann es sein, dass es bald keine Ungarn mehr geben wird. Für mich nur deshalb erklärbar, weil die alleinige Herrschaft der Kommunisten, obwohl es schon lange her ist, noch immer seine Wirkung hat. Das Glauben an die da oben, anderes kann nicht sein.
    Habe Ungarn seit 1984 vor Ort hautnah erlebt und weiß wovon ich rede.

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    1. @Wolfgang Pietsch

      Und auch das wohl in Bezug auf doitsches Ossiland dort wie hier. – Auch die Ossis haben 40 Jahre Prägung durch söziolöstische Döktatür hinter sich.

      Wir dürfen nicht vergessen, dass bei der letzten Wohl in Thüringen zwar der Anteil der ÖfD-Wöhler hochstilisiert wurde, diese aber nur an 3. Stelle der Stimmenanzahl standen – die meisten Stimmen hatten sogar im Hücke-Bundesland die LÖNKE – die ehemalige SÄD – sozusagen.

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    2. Wenn die Zahl noch einigermaßen aktuell ist, dann haben sich angeblich ca. 3 Mio Ungarn zur “freiwilligen Impfung” angemeldet. Das wäre nicht einmal die Hälfte von den behaupteten 73%.
      Ganz so obrigkeitshörig wie es die Umfrageergebnisse glauben machen wollen, scheinen die Ungarn also nicht zu sein.
      Ich persönlich mag 3 Mio als schlimm genug ansehen, aber das ist eben nur eine “Ansicht”.

      Was die Wirksamkeit von Propaganda betrifft, sitzen wir im “Westen” in einem Glashaus mit sehr dünnen Scheiben.
      Dennoch betrachte ich mit Erstaunen, wie schnell Diktaturen in Vergessenheit geraten können – es wird wohl mal wieder an der Zeit sein, die Erinnerungen aufzufrischen, so bedauerlich das sein mag.

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  2. “Laut einer Umfrage des Századvég-Instituts lehnen 73% der Ungarn Politiker ab, die gegen die Covid-Impfung sind. 62% sind der Meinung, dass diese Politiker das Leben unschuldiger Menschen in Gefahr bringen. ”

    Dort wie hier – was will man dazu noch sagen.

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    1. Gehen wir davon aus, daß Umfragen nicht die Aufgabe haben, Meinungen einen quantitativen Kontext zu geben, relativiert sich das Bild.

      Umfragen sind Werkzeuge. Sie dienen der Steuerung und Pflege dessen, was Elisabeth Noelle-Neumann dereinst als die Schweigespirale beschrieb. Nennen wir es etwas zeitgemäßer “Fußball-Vereins-Effekt” – das wohlige Gefühl der großen Herde, die Zugehörigkeit zur Mehrheit, die Sicherheit der größeren Gruppe.
      Umfragen widerspiegeln keine Überzeugungen, sie schaffen Meinungen.

      Das Századvég-Institut gilt gemeinhin als “regierungsnah”. So muß es nicht verwundern, daß dessen “Umfrageergebnisse” ganz auftragsgemäß nahe an der Regierungslinie liegen, bzw. zu liegen haben. Und die will oder “muß” den Vorgaben einer übergeordneten Ordnung folgen.

      Alleine schon die Fragestellung impliziert zumeist schon die gewünschte Antwort. Anders wären derlei Umfragen auch nicht zu bewerkstelligen. Wer sollte denn schon in der Lage sein, auf gestellte Fragen fundiert oder gar vernünftig zu antworten.
      Sich zuvor seines Verstandes zu bedienen braucht Zeit. Spontane Antworten, wie sie bei Meinungsumfragen verlangt werden, geben also bestenfalls Auskunft über den Erfolg vorangegangener Propaganda.

      So gesehen will ich die 73% den Befragten nicht anlasten oder gar die Hoffnung aufgeben, daß sich noch ein wenig Sachverstand verbreiten möge.
      …und zu Parteipräferenzen kann und will ich mich besser nicht äußern, schließlich bin ich “nur” Gast in diesem Land.

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