Unseren Stolz und den Regen­bogen zurückgewinnen

Bildquelle: El Correo de España

Von José Papparelli
 

Ohne dass es von und bemerkt wurde, haben sie ihn uns gestohlen. Und das alles aufgrund unserer Unacht­sam­keit oder Untä­tig­keit. Der Regen­bogen, jene sieben Farben, die Gott in den Himmel zeich­nete, um sein Bündnis mit den Menschen nach der Sint­flut zu symbo­li­sieren, ist heute zu einer Flagge sexu­eller Ansprüche nach dem Geschmack der Konsu­menten geworden. Nicht nur das leuch­tende und heilige Symbol wurde entweiht, sondern auch das Wort Stolz in seinem posi­tiven Sinn. Die „pride festi­vals“ sind heute die Feste des soge­nannten LGTBI-Kollek­tivs. Der seman­ti­sche und semio­ti­sche Kampf scheint im kultu­rellen Wett­streit zwischen poli­ti­scher Korrekt­heit und gesundem Menschen­ver­stand für immer verloren gegangen zu sein.

Versu­chen wir, die Dinge auf ihren Platz zu stellen. Wir können behaupten, dass es kein Volk und keine mensch­liche Kultur gibt, die den Regen­bogen nicht mit dem Gött­li­chen, mit dem Heiligen und dem Magi­schen in Verbin­dung bringt, ein klares Zeichen für die Exis­tenz eines über­na­tür­li­chen und tran­szen­denten Bereichs. Wir können seine Refe­renz in den ältesten Texten der Mensch­heit wie im sume­ri­schen Epos von Gilga­mesch finden. Dort ist der Regen­bogen die Hals­kette der großen Mutter Ishtar, die sie zum Himmel erhebt als Verspre­chen, dass sie die Tage der großen Flut, die ihre Kinder zerstörte, nie vergessen wird.

Szene aua Richard Wagners „Das Rhein­gold“ · Foto­quelle: El Correo de España

Bei den alten Grie­chen war es ein Attribut der Boten­göttin Iris, Tochter von Taumante und Elektra, Schwester Ahorns und der Harpyien. Homer beschreibt sie in der Ilias als Botin der Götter. In Rom stellt Vergil Iris als die Göttin vor, die am Ende des Sturms den Pakt der Verei­ni­gung zwischen Olymp und Erde verkündet. Iris war mit einem durch­sich­tigen Schleier bedeckt, der nur zu sehen war, wenn sie durch die Wolken hindurch­ging und von den Sonnen­strahlen beleuchtet wurde, wobei sie eine Spur aus viel­far­bigem Licht auf ihrem Weg hinter­ließ. Dieser Schleier ist ein eindeu­tiges Binde­glied zwischen zwei Universen, eine heilige Brücke, die die Welt der Menschen mit der der Götter verbindet, zwei Exis­tenz­ebenen, die kosmisch durch jene strah­lenden und schönen Strahlen verbunden sind, die nur die Unsterb­li­chen besitzen.

Die Über­schnei­dungen zwischen verschie­denen Kulturen und Mytho­lo­gien sind signi­fi­kant. Für die nordi­schen Völker zum Beispiel ist der Regen­bogen die Brücke, der magi­sche Steg, die soge­nannte Bifröst, die Asgard, die Heimat der Götter, mit Midgar, dem Land der Menschen, verbindet. Während des Ragnarök, der finalen Schlacht zwischen Licht und Dunkel­heit, wird der Bifröst zerstört und markiert das Ende der Zeit, kurz gesagt, das unaus­weich­liche Schicksal der Götter.

Hindus, Kelten, Azteken, Inkas, Hopis sowie verschie­dene afri­ka­ni­sche, asia­ti­sche, poly­ne­si­sche, ameri­ka­ni­sche Kulturen haben ihre Verbin­dung mit dem sieben­far­bigen Regen­bogen über Zeit und Geogra­phie hinaus. Der Regen­bogen ist ein heiliges Symbol, das es sich nicht erlauben kann, durch ideo­lo­gi­sche Dumm­heit trivia­li­siert und dekon­stru­iert zu werden.

Für Juden und Christen symbo­li­sierte der Regen­bogen den Bund Jehovas mit Noah und sein Verspre­chen, dass er die Erde nicht wieder mit einer Flut zerstören würde. Mose 9,12–17 heißt es deut­lich: „Gott fügte hinzu: ‚Das soll das Zeichen des Bundes sein, den ich mit euch und mit allen Lebe­wesen, die bei euch sind, schließe für alle Zeit: Ich setze meinen Bogen in die Wolken als Zeichen meines Bundes mit der Erde. Wenn ich die Erde mit Wolken bedecke und mein Bogen unter ihnen erscheint, werde ich an meinen Bund mit euch und mit allen Lebe­wesen denken, und die Wasser der Sint­flut werden nicht mehr herab­stürzen, um die Menschen zu verderben. Wenn mein Bogen in den Wolken erscheint, werde ich ihn sehen, und ich werde an meinen ewigen Bund mit allen Lebe­wesen auf der Erde denken.‘ Dies, sagte Gott zu Noah, ist das Zeichen des Bundes, den ich mit allen Sterb­li­chen geschlossen habe.“

Der Regen­bogen hat nichts mit Sexua­lität, Hedo­nismus, Vergnügen oder anderen Lebens­ent­schei­dungen zu tun, die mit sexu­ellem Genuss oder angeb­li­chen und zwei­fel­haften Ansprü­chen auf verwei­gerte Rechte zu tun haben. Berück­sich­tigen wir auch, dass die LGTB-Flagge nicht sieben, sondern sechs Farben hat, das Hell­blau, symbo­li­sche Farbe der Jung­frau Maria, fehlt, und dieses Fehlen ist auch nicht zufällig. Die LGTB-Flagge ist ein falscher Regen­bogen oder ein Regen­bogen der Substi­tu­tion oder des Ersatzes.

Warum stellt der Regen­bogen in unseren Tagen etwas dar, was er nicht ist? Warum bedeutet das Wort „pride“ („Stolz“) Homo­se­xua­lität und nicht das Gefühl der Zufrie­den­heit für die eigenen Leis­tungen, Fähig­keiten oder Verdienste, wie etwa die RAE (Spani­sche König­liche Akademie) den Begriff defi­niert? Wann und wie haben wir uns des heiligen Symbols und des Wortes berauben lassen, das das Gefühl, ohne Komplexe, die Liebe für die eigene und die authen­ti­sche Iden­tität positiv defi­niert? Irgend­wann – und das ist noch gar nicht so lange her – haben wir uns ausplün­dern lassen und ein gött­li­ches, einzig­ar­tiges und tran­szen­dentes Geschenk kampflos den Schän­dern des Heiligen zu ihrem eigenen klein­li­chen und nieder­träch­tigen Vorteil überlassen.

Noahs Regen­bogen

Könnte es sein, dass der Verlust des Regen­bo­gens oder die Zerstö­rung des Bifröst das Jüngste Gericht oder die Ragnarök ankün­digt? Um die Antwort zu kennen, müssen wir auf die Zeichen achten, die sich von den Zeiten des alten Sume­riens bis zu denen der globa­lis­ti­schen Big Tech mani­fes­tiert haben. Und auch, um nicht zuzu­lassen, dass wir weiterhin schamlos ausge­raubt werden.

José Pappa­relli
Italie­nisch-argen­ti­ni­scher Jour­na­list und Lieb­haber der euro­päi­schen Iden­tität, Spaniens und der Hispa­nidad. Ausge­bildet in Kommu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaften und Kultur­ma­nage­ment, ist er ein Analy­tiker des poli­ti­schen, sozialen und kultu­rellen Lebens.

Er arbeitet mit dem Programm „En La Boca Del Lobo“ von Radio Ya und im Kanal „Historia con Patricio Lons“.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei EL CORREO DE ESPAÑA, unserem Partner in der EUROPÄISCHEN MEDIENKOOPERATION.


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