Vor dreißig Jahren erhielt die Repu­blik Slowe­nien ihre erste demo­kra­ti­sche Verfassung

Slovenija, Ljubljana, 26.11.1990, 26. November 1990France Bucar govori na skupscini na kateri so razglasili rezultate plebiscita. Zgodovina, Alojzij Sustar, Dusan Plut, Janez Drnovsek, Milan Kucan, Ciril Zlobec Foto: Srdjan Zivulovic/Bobo

Geschrieben von Tomaž Kladnik, M. B.

Im Dezember 1991 erhielt Slowe­nien eine neue Verfas­sung und die inter­na­tio­nale Aner­ken­nung durch Deutsch­land und – mit zeit­li­cher Verzö­ge­rung – durch die anderen Länder der Euro­päi­schen Gemein­schaft. Damit war der Weg Slowe­niens zu einem demo­kra­ti­schen und inter­na­tional aner­kannten Land abgeschlossen.

Sie begann mit den ersten demo­kra­ti­schen Wahlen in der Geschichte des Landes im April 1990, setzte sich mit dem Plebiszit im Dezember desselben Jahres fort, wurde im Krieg zur Vertei­di­gung der Souve­rä­nität auf die Probe gestellt und schließ­lich mit einer neuen Verfas­sung und inter­na­tio­naler Aner­ken­nung gekrönt.

Die Trans­for­ma­tion der slowe­ni­schen Streitkräfte

Mit dem Abzug des letzten Besat­zungs­sol­daten aus dem slowe­ni­schen Staats­ge­biet begann die Umwand­lung der slowe­ni­schen Vertei­di­gungs­kräfte oder der slowe­ni­schen Armee, die offi­ziell immer noch als Terri­to­riale Vertei­di­gung der Repu­blik Slowe­nien (TO) bezeichnet wird, von einem Kriegs- in einen Frie­dens­zu­stand und von einer Reser­ve­armee in eine Wehr­pflich­ti­gen­armee mit einem profes­sio­nellen Kern, die mit der Aufstel­lung eines Ausbil­dungs- und Kampf­ba­tail­lons in der Kaserne Ljubljana-Sentvid begann.

Die einzige voll profes­sio­nelle Einheit war die 1. MORiS-Spezi­al­bri­gade, die Anfang Juli 1991 mit der Ausbil­dung von Berufs­sol­daten beauf­tragt wurde. Die Berufs­sol­da­ten­an­wärter mussten zunächst einen einwö­chigen Ausbil­dungs­kurs absol­vieren, in dem vor allem ihre psycho­phy­si­schen Eigen­schaften getestet wurden, was den Beginn der Profes­sio­na­li­sie­rung der TO, der slowe­ni­schen Armee, markierte.

Der Vorsitz der Repu­blik Slowe­nien verab­schie­dete den Gene­ral­plan für die Orga­ni­sa­tion, Ausrüs­tung, Bewaff­nung und Ausbil­dung der Streit­kräfte, auf dessen Grund­lage das Repu­bli­ka­ni­sche Haupt­quar­tier für Terri­to­riale Vertei­di­gung (RŠTO) ein Projekt für die Orga­ni­sa­tion der Streit­kräfte ausar­bei­tete. Die vorge­schla­gene Struktur der Streit­kräfte der Repu­blik Slowe­nien basierte auf den Erfah­rungen mit der Orga­ni­sa­tion der Streit­kräfte der Repu­blik Slowe­nien, auf den im Krieg gesam­melten Erfah­rungen, berück­sich­tigte die Merk­male der Streit­kräfte moderner Armeen und ging im Hinblick auf die Vorbe­rei­tung auf einen bewaff­neten Konflikt von der Einschät­zung aus, dass im Falle eines mögli­chen Angriffs auf den Staat Slowe­nien der Angriff nach den Grund­sätzen eines Luft- und Boden­kampfes durch­ge­führt worden wäre.

Das Verhältnis von Manöver zu Raum war 1:2, und die TO sollte etwa 45.000 Mann umfassen. Die grund­le­gende Defi­ni­tion der Landes­ver­tei­di­gung war die Möglich­keit der mili­tä­ri­schen Inte­gra­tion in die Vertei­di­gungs­vor­be­rei­tungen und die Planung einer gemein­samen Vertei­di­gung und vor allem in die gemein­same Führung eines Vertei­di­gungs­krieges im Falle eines Angriffs auf Slowe­nien. In dieser Frage gab es im Land unter­schied­liche Auffas­sungen, die argu­men­tierten, dass keine Notwen­dig­keit für eine mili­tä­ri­sche oder vertei­di­gungs­po­li­ti­sche Inte­gra­tion der Repu­blik Slowe­nien bestehe, da die Erklä­rung der bewaff­neten Neutra­lität die Achtung der terri­to­rialen Inte­grität des Landes garan­tiere, und dass ein lang­wie­riger Vertei­di­gungs­krieg trotz der voll­stän­digen Beset­zung des gesamten Terri­to­riums mit dem entspre­chenden Einsatz aller mögli­chen eigenen Kräfte und mit Unter­stüt­zung der inter­na­tio­nalen Öffent­lich­keit und der UNO erfolg­reich geführt werden könne. Es herrschte jedoch die Ansicht vor, dass eine erfolg­reiche und wirk­same Vertei­di­gung des Landes nur durch eine enge Inte­gra­tion in die NATO, das damals mäch­tigste Vertei­di­gungs­bündnis, erreicht werden könne und dass die mili­tä­ri­sche Inte­gra­tion und die Koor­di­nie­rung von Vertei­di­gungs­plänen der wirt­schaft­li­chen und poli­ti­schen Inte­gra­tion des Landes in moderne Inte­gra­ti­ons­pro­zesse unter­ge­ordnet werden sollte.

Dr. Peter Jambrek war von 1991 bis 1993 Präsi­dent des ersten demo­kra­tisch gewählten Verfas­sungs­ge­richts der Repu­blik Slowe­nien und gilt als einer der „Väter“ der slowe­ni­schen Verfas­sung. (Foto: Toni Lombar, Foto­thek des Museums für Zeit­ge­schichte Sloweniens)

Neue slowe­ni­sche Verfassung

Am 23. Dezember 1991, dem ersten Jahrestag des Plebis­zits über die Unab­hän­gig­keit Slowe­niens, nahm die Repu­bli­ka­ni­sche Versamm­lung mit 179 Stimmen eine neue Verfas­sung an. Damit erhielt Slowe­nien den wich­tigsten Verfas­sungsakt seiner Staat­lich­keit, der auch eine große verfas­sungs­recht­liche und allge­meine norma­tive Unklar­heit beseitigte.

Die Versamm­lung der Repu­blik Slowe­nien hat beschlossen, den Grund­satz der Konti­nuität des Prozesses der Verfas­sungs­re­vi­sion zu respek­tieren. Die neue Verfas­sung wurde auf der Grund­lage der Bestim­mungen der Verfas­sung von 1974 über das Verfahren zur Ände­rung der Verfas­sung ange­nommen, die teil­weise durch die sechs Punkte des Ände­rungs­an­trags LXVIII zu dieser Verfas­sung geän­dert wurden. Die Über­gangs- und Schluss­be­stim­mungen dieser Verfas­sung regelten deren Inkraft­treten, Umset­zung und Anwen­dung. Die Verfas­sung als Ganzes ist am Tag ihrer Verkün­dung in Kraft getreten. An diesem Tag traten alle Bestim­mungen der Verfas­sung in Kraft und wurden anwendbar, sofern das Verfas­sungs­ge­setz zur Umset­zung dieser Verfas­sung nichts anderes vorsieht. Die Verfas­sung unter­scheidet daher zwischen der Rechts­gül­tig­keit von Verfas­sungs­be­stim­mungen und ihrer Umset­zung und tatsäch­li­chen Anwen­dung. Der Über­gang zwischen beiden wurde durch das Verfas­sungs­ge­setz zur Umset­zung dieser Verfas­sung gewähr­leistet, das unter anderem Folgendes vorsah:

  • bleiben die zum Zeit­punkt der Verkün­dung dieser Verfas­sung geltenden Verord­nungen und sons­tigen allge­meinen Rechts­akte in Kraft. Die Bestim­mungen der Verord­nungen, die mit dieser Verfas­sung nicht in Einklang stehen, müssen spätes­tens am 31. Dezember 1993 mit ihr in Einklang gebracht werden;
  • Solange die Verfas­sung nicht erfüllt ist oder die Frist für die Erfül­lung der Verfas­sung nicht abge­laufen ist, kann kein Verfahren zur Über­prü­fung der Verfas­sungs­mä­ßig­keit von Verord­nungen und anderen allge­meinen Rechts­akten einge­leitet werden, die vor der Verkün­dung der Verfas­sungs­charta über die Unab­hän­gig­keit und die Selb­stän­dig­keit der Repu­blik Slowe­nien erlassen wurden oder durch ein Verfas­sungs­ge­setz zur Umset­zung der Verfas­sungs­charta über die Unab­hän­gig­keit und die Selb­stän­dig­keit der Repu­blik Slowe­nien erlassen wurden, es sei denn, diese Verord­nungen und anderen allge­meinen Rechts­akte verletzen die Menschen­rechte und die Grundfreiheiten;
  • Die ersten Wahlen zur Natio­nal­ver­samm­lung und zum Staatsrat finden spätes­tens ein Jahr nach der Annahme dieser Verfas­sung statt;
  • Bis zur Wahl des Präsi­denten der Repu­blik Slowe­nien werden die in dieser Verfas­sung vorge­se­henen Aufgaben des Präsi­denten der Repu­blik Slowe­nien vom Präsi­dium der Repu­blik Slowe­nien wahrgenommen;
  • Die erste Wahl des Präsi­denten der Repu­blik findet zur glei­chen Zeit wie die Wahlen zur Natio­nal­ver­samm­lung statt;
  • fungiert der Exeku­tivrat der Versamm­lung der Repu­blik Slowe­nien weiterhin als Regie­rung im Sinne dieser Verfassung;
  • Die Richter des Verfas­sungs­ge­richts, der Gerichte und der Staats­an­wälte bleiben bis zum Ablauf der Amts­zeit, für die sie gewählt oder ernannt wurden, im Amt;
  • Bis zur Verab­schie­dung des in Artikel 68 dieser Verfas­sung genannten Gesetzes können Ausländer kein Eigentum an unbe­weg­li­chem Vermögen erwerben

Histo­ri­sche Dimen­sionen der Verab­schie­dung der Verfassung

Wie Prof. Peter Jambrek geschrieben hat, war ein charak­te­ris­ti­sches Merkmal der gesell­schafts­po­li­ti­schen Dynamik in der zweiten Hälfte der Jahre 1990 und 1991 die gegen­sei­tige Bedingt­heit von Verfassungs‑, Regie­rungs- und Unab­hän­gig­keits­pro­zess. Die Prio­rität von Demos vor den Wahlen war der „konsti­tu­tio­nelle Weg zu einem unab­hän­gigen Staat“, d.h. eine Volks­ab­stim­mung (Refe­rendum) über eine neue Verfas­sung, die in ihrer endgül­tigen Unab­hän­gig­keits­be­stim­mung den Austritt aus Jugo­sla­wien regeln würde. Parallel dazu wurde die Stra­tegie verfolgt, die gesamte jugo­sla­wi­sche föde­rale Rechts­ord­nung auf der Grund­lage einer beson­deren Unab­hän­gig­keits­er­klä­rung des neu gewählten Parla­ments (Versamm­lung) außer Kraft zu setzen. Kurz nach seiner Konsti­tu­ie­rung verab­schie­dete das neue slowe­ni­sche Parla­ment im Hoch­sommer 1990 die Erklä­rung über die Souve­rä­nität des Staates der Repu­blik Slowe­nien, die wich­tige, aber weit weniger radi­kale Auswir­kungen vor allem poli­ti­scher Natur hatte als erwartet.

Auch nach ihrer Verab­schie­dung blieb also die Präfe­renz für die natio­nale Unab­hän­gig­keit durch ein Verfas­sungs­re­fe­rendum bestehen. Diese Stra­tegie enthielt jedoch eine unge­plante, wenn auch nicht völlig unvor­her­ge­se­hene Falle für die dama­lige Demos-Regie­rung, man könnte sagen, einen Kolla­te­ral­schaden. Mit der Verab­schie­dung einer neuen Verfas­sung hätte Demos seine beiden wich­tigsten Verspre­chen an das slowe­ni­sche Volk erfüllt: eine konsti­tu­tio­nelle Demo­kratie und einen unab­hän­gigen Staat. Die volle Erfül­lung dieses doppelten Verspre­chens würde wahr­schein­lich auch vorge­zo­gene Wahlen zu den neuen Verfas­sungs­or­ganen erfor­dern – und damit die Selbst­ver­bes­se­rung der Demos-Regie­rung. Dies geschah tatsäch­lich, wenn auch andert­halb Jahre später, nach der Verab­schie­dung der Verfas­sung im Dezember 1991, so dass das Mandat der ersten parla­men­ta­ri­schen Demos-Mehr­heit und damit der Regie­rung halbiert wurde. Beide Seiten waren ab dem Sommer 1990 in dieser Falle gefangen. Die Demos könnte ihre verfas­sungs­mä­ßigen – und bis zur Entschei­dung des Plebis­zits in Poljčane im November auch ihre natio­nalen – Ziele nur errei­chen, wenn sie auf ihre derzei­tige Macht verzichten würde, während die Oppo­si­tion nur dann auf eine Wieder­erlan­gung der Macht hoffen könnte, wenn sie der Verfas­sung zustimmt, die in einem Paket mit der natio­nalen Unab­hän­gig­keit ange­boten wird.

Diese Falle hat die Oppo­si­tion gezwungen, einen umfas­senden und schnellen Verfas­sungs­kom­pro­miss zu schließen, und Demos hat seit der Unab­hän­gig­keits­er­klä­rung des Landes zu vorge­zo­genen Wahlen aufge­rufen. Bei den dama­ligen poli­ti­schen Verhand­lungen stand viel auf dem Spiel, und als sich Kučan und Bučar bei der feier­li­chen Sitzung anläss­lich der Verkün­dung der neuen Verfas­sung die Hände reichten, jeder auch im Namen seines poli­ti­schen Blocks, war klar, dass beide etwas gewonnen und verloren hatten: Kučan hatte für seine Genossen die Möglich­keit einer baldigen Wieder­erlan­gung der Macht gewonnen, und Bučar die Verwirk­li­chung des verfas­sungs­mä­ßigen und natio­nalen Programms von Demos. Die Verab­schie­dung einer radikal neuen Verfas­sungs­ord­nung inner­halb von einein­halb Kalen­der­jahren war eine bemer­kens­werte Leis­tung des Staats­auf­baus. Gleich­zeitig war der rasche Rückzug aus Jugo­sla­wien im Jahr 1990 gerecht­fer­tigt und notwendig. Die Forde­rung nach einem Plebiszit durch­schlug den Knoten und ermög­lichte es erstens, das natio­nale Programm von Demos inner­halb eines unge­fähren Zeit­rah­mens umzu­setzen, zwei­tens dem dama­ligen Parla­ments­prä­si­denten France Bučar genü­gend Zeit zu geben, um ein Programm der konsti­tu­tio­nellen Demo­kratie umzu­setzen, wie es bereits in der Verfas­sung des Schrift­stel­lers und Sozio­logen enthalten war, und drit­tens der Oppo­si­tion das Zucker­brot der vorge­zo­genen Neuwahlen im Austausch gegen einen libe­ralen Verfas­sungs­ent­wurf wirksam genug anzubieten.

Eine offene Tür für die Repu­blik Slowenien

Auf jeden Fall war dies eine Zeit, in der unser Land kurz vor der inter­na­tio­nalen Aner­ken­nung stand; dies wurde unter anderem vom Euro­päi­schen Rat am 9. und 10. Dezember 1991 erör­tert; es wurde auch von den EG-Außen­mi­nis­tern in jenen Tagen disku­tiert. Am 19. Dezember 1991 wandte sich der slowe­ni­sche Außen­mi­nister Dimitrij Rupel mit einem Schreiben an den Präsi­denten des Minis­ter­rats der Euro­päi­schen Gemein­schaft, Hans van den Broek, und bat um die Aner­ken­nung Slowe­niens als unab­hän­gigen und souve­ränen Staat. Am 30. Dezember wurden die Antworten auf die Fragen an die Badinter-Kommis­sion fertig­ge­stellt, zusammen mit einer Reihe von Anhängen – von der Verfas­sung, dem Verfas­sungs­ge­setz und einigen anderen Gesetzen bis hin zu zusätz­li­chen Anmer­kungen und Erläu­te­rungen zum poli­ti­schen und admi­nis­tra­tiven Aufbau Slowe­niens. Am 11. Januar 1992 gab die Badinter-Kommis­sion Stel­lung­nahmen zur inter­na­tio­nalen Aner­ken­nung für die vier Länder ab, die Anträge gestellt hatten, nämlich Bosnien und Herze­go­wina, Kroa­tien, Maze­do­nien und Slowe­nien. Die Kommis­sion war der Ansicht, dass Kroa­tien und Bosnien und Herze­go­wina noch nicht alle Voraus­set­zungen für die Aner­ken­nung erfüllen, während die beiden anderen Länder positiv bewertet wurden. Dies öffnete die Tür zur inter­na­tio­nalen Aner­ken­nung. Während Deutsch­land Slowe­nien am 23. Dezember 1991 förm­lich aner­kannte, wurden die übrigen EG-Mitglied­staaten mit Verzö­ge­rung am 15. Januar 1992 anerkannt.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei DEMOKRACIJA, unserem Partner in der EUROPÄISCHEN MEDIENKOOPERATION

1 Kommentar

  1. Und wann, wie, wo und von wem wurde die „Slowe­ni­sche Verfas­sung“ zusam­men­ge­schus­tert? In Slowe­nien jeden­falls nicht. Aber im Pentagon, da hängen die vorge­pö­kelten Verfas­sungen wie die Speck­seiten im Rauch­fang. Und von dort nahmen sie auch den weiten Weg in die BRD, Öster­reich, die Ukraine, das Baltikum, nach Slowe­nien usw. Wenn man genau nach­forscht, dann riecht man noch den Dampf der India­ner­feuer. Die Indianer haben nämlich eben­falls ihre Verfas­sung aus dem US-Räucherschrank

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