Sergei Lawrow im großen Interview am 2.2.2023
Frage: Die erste Frage ist vielleicht nicht ganz fachlich, sondern eher menschlich, dennoch beunruhigt sie Millionen, wenn nicht Milliarden von Menschen. Wann wird diese ganze Sache beendet sein?
Sergej Lawrow: Ich kann nicht sagen, dass dies meine einzige Sorge ist. Ich denke, die Diplomaten und Militärs, die Männer, die jetzt die lebenswichtigen Aufgaben zur Sicherung unserer Unabhängigkeit und des Schutzes der Interessen unserer Kultur und der Menschen, die Teil der russischen Zivilisation bleiben wollen, verrichten, denken wahrscheinlich nicht darüber nach, wann es endet.
Sie werden vom Wunsch geleitet, ihre Arbeit sorgfältig und zügig voranzubringen und die Verluste zu minimieren. Umso mehr wir sie moralisch und politisch stützen und umso besser wir die Quintessenz der laufenden geopolitischen Spiele erklären, desto eher wird die Welt erkennen, dass es notwendig wäre, es zu beenden. Wir sehen nicht einmal Versuche, doch nur hartnäckige und beharrliche Politik des von der USA geführten Westens, den Krieg je zu beenden. Sie werden den Krieg so lange fortsetzen, bis sie zur Meinung gelangen, dass alle Bedrohungen für ihre Hegemonie beseitigt worden wären.
In der gegenwärtigen Phase handeln wir im Einklang mit den Worten unserer westlichen Kollegen, dass es einen Sieg auf dem Schlachtfeld wird geben müssen. Das sind ihre Worte. Sie verzichteten auf Gespräche und zwangen das Kiewer Regime, die Verhandlungen Ende März 2022 abzubrechen, als es noch möglich war, eine politische Lösung zu realisieren.
Kiew wurde nicht erlaubt, das zu tun. Seitdem hat niemand auch nur versucht, das Kiewer Regime von der Notwendigkeit zu Gesprächen zu überzeugen. Niemand widersprach, als Wladimir Zelenskyj Gespräche mit der Russischen Föderation per Exekutiv-Verfügung untersagte. Niemand hat ihm einen Dämpfer versetzt, als er wiederholt in „Hochstimmung“ erklärte, dass er nicht verstehe, wer in Russland Entscheidungen träfe und mit wem man reden müsste, falls sich die Frage stellte. Das ist direkt über Freud zu erklären: Er spürt seine Abhängigkeit und begreift, dass er manipuliert wird. Wir alle wollen, dass es ein Ende hat. Aber es ist nicht der Zeitfaktor, sondern der Substanz- und Qualitätsfaktor der Ergebnisse, die wir für unser Volk und diejenigen, die Teil der russischen Kultur bleiben wollen, erzielen werden. Doch die Kiewer Junta hat diesen Menschen mit Ermunterung aus dem Westen jahrelang alles Russische vorenthalten.
Zusätzlich zu den Gesetzen, die unter Petr Poroschenko und Wladimir Zelenskyj erlassen wurden, hat Kiew Folgendes getan: Russische Bildung und russische Medien – alles wurde geschlossen – bzw. ukrainische Medien in russischer Sprache verboten. Abgeordnete, die Initiative für eine Einigung mit Russland suchten, wurden verhaftet. Es wurden Beschlüsse gefasst, die es erlaubten, Verwaltungsstrafen gegen diejenigen zu verhängen, die im täglichen Leben – in Geschäften und Ambulanzen – nicht Ukrainisch gebrauchten. Kürzlich hat der Kommissar zum Schutz der Staatssprache, Taras Kremen, eine Initiative für das Verbot der persönlichen Kommunikation auf Russisch vorgelegt. Nehmen wir an, ein Ehepaar trinkt in der Küche Tee, und irgendein Spitzel – wie wir sie von früher her kennen – kann sie so einer Straftat bezichtigen: Die Oberschicht dieses Regimes verfolgt wahrlich „gute Absichten“.
Frage: Das alles klingt ziemlich heuchlerisch: Zum Beispiel hat die Kiew-Mohyla-Akademie die russische Sprache verboten. Das begann innerhalb der Mauern dieser geheiligten Bildungseinrichtung und hat sich weiterverbreitet. Das ist ihr Plan. Junge russischsprachige Männer werden buchstäblich von der Straße entführt und an die Front verfrachtet. Es ist für sie in Ordnung, diese für eine unabhängige Ukraine kämpfen zu lassen, ohne die ukrainische Sprache zu beherrschen, aber andere Dinge sind für sie verboten. Die Russischsprachigen sind berechtigt, Waffen zu tragen und ihr Mutterland zu verteidigen, was eine erhabene Pflicht darstellt. Das ist ein interessanter Ansatz.
Aber hinter jedem internationalen Prozess steht eine gewisse Logik. Wir sprechen über ein Ende und versuchen es uns vorzustellen. Es ist jedoch nirgends auszumachen, zumal der Konflikt weiter eskaliert. Es ist schwer zu sagen, wie das aufhören soll ohne einen Ansatz zur Umkehr zu sehen. Es werden schwere Waffen eingesetzt. Es ist von Raketen die Rede. Worauf müssen wir uns gefasst machen?
Sergej Lawrow: Wir gehen von der Voraussetzung objektiver Realitäten aus, in erster Linie von den Realitäten, die in unserer Gesetzgebung, insbesondere in der Verfassung, verankert sind. Nach dem Ergebnis des Referendums sind vier neue Territorien – zwei Volksrepubliken und zwei Regionen – der Russischen Föderation beigetreten. Dies steht außer Zweifel. Der Westen kann sich damit nicht abfinden und gerät wie in einem Märchen mit traurigem Ausgang mit jedem Schritt tiefer in den Morast. Er hat jedoch einen erheblichen Einfluss auf die Operationen. Wir versuchen jetzt, die ukrainische Artillerie auf Distanz zu halten, sodass keine Bedrohung für unsere Gebiete entsteht, aber je mehr an Langstreckenwaffen sie nach Kiew entsenden, desto weiter entfernt müssten sie von den Gebieten, die unserem Land angehören, weggehalten werden.
Sie haben völlig Recht, die Eskalation begann mit der Lieferung von Helmen für das ukrainische Militär, gefolgt von der Lieferung von Kleinwaffen, und jetzt sprechen sie über die Lieferung von Kampfflugzeugen. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz schwört, dass das nie passieren würde, aber er ist bekannt dafür, seine Meinung schnell ändern zu können. Und er ist bei weitem nicht der Einzige, der das tut. Bundeskanzler Scholz sagte, NATO würde niemals Krieg gegen Russland führen, doch seine Außenministerin Annalena Baerbock erklärte, dass sie sich bereits im Krieg gegen Russland befänden. Die Pressesprecherin des Pentagon, Sabrina Singh, sagte, es wäre nichts daran falsch, falls Kiew gegebenenfalls die Krim bombardierte. Entweder versuchen sie, sich selbst Mut zu machen oder sie wissen einfach nicht, wovon sie sprechen.
Olaf Scholz sagte einmal, dass die derzeitige Krise mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine begonnen hätte. Er hört dabei nicht einmal auf das, was seine Vorgängerin mitzuteilen hatte: Denn, die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, dass niemand die Absicht gehabt hätte, die Minsker Vereinbarungen zu erfüllen, selbst nachdem sie 2015 unterzeichnet worden waren. Wer nicht anerkennt, dass die Saat der Krise schon damals gelegt wurde, muss ein Politiker sein, der sich der Wahrheit verschließt. Aber nicht erst seit 2015 ging es los. Erinnern wir uns an den Staatsstreich im Jahr 2014, der trotz der Garantien der Deutschen, Franzosen und Polen dank einem Dokument zur Beruhigung der Lage und zur Durchführung vorgezogener Wahlen, durchgezogen wurde. Am Morgen danach fand man besagte Garantien schon eingestampft und ein offen nazistisches Regime, einschließlich der Swoboda-Partei, (über einen Putsch nur) an der Macht. Es gab da diesen Oleh Tjahnybok, von dem man schon lange nichts mehr gehört hat, der damals in vielen europäischen Ländern als Neonazi galt. Es gab Slogans wie „Tod den Russen, Judenmauschel und Polacken“. Man setzte auf solche Leute und Neonazis aus den Asow-, Aidar- und anderen Bataillonen. Nun werden penibel solche Informationen weggeräumt, nachdem deutlich wurde, dass diese Gruppen im Westen als extremistisch und terroristisch angesehen werden. Vor nicht allzu langer Zeit haben die Japaner Entschuldigungen erlassen und die Asow von der Liste der extremistischen Organisationen streichen lassen.
Vielleicht sollten wir hier einem marxistischen Grundsatz folgen und nach den tieferen Ursachen forschen, welchen diese Entwicklungen voraus gingen. Ich würde empfehlen, zumindest bis zur Amtszeit von Präsident Obama zurückzugehen und nachzulesen – dies sollte kein Problem sein, zumal die Texte zu beschaffen sind – was der US-Präsident über den Exzeptionalismus der Vereinigten Staaten zu sagen hatte. Man konnte ähnliche Äußerungen auch vom ehemaligen Präsidenten Trump vernehmen, der sagte, dass Amerika eine außergewöhnliche Nation sei und es keine andere auf der Welt gäbe, was eine enorme Verpflichtung sei. Präsident Biden hat solche Gedanken an mehreren Gelegenheiten von sich gegeben, und sein Stab hat es formalisiert: So sagte beispielsweise US-Außenminister Antony Blinken, dass die USA ihre Führungsrolle und ihre außergewöhnliche Fähigkeiten einsetzen müssten, weil die Welt ansonsten im Chaos versinke. Ganz sicher keine unbescheidene Aussage!
Kaum hatte John Sullivan 2021 sein Amt als Nationaler Sicherheitsberater des Präsidenten der Vereinigten Staaten angetreten, schrieb er einen Artikel, in dem er den amerikanischen Exzeptionalismus thematisierte und erklärte – ich finde es schlimm so etwas auszusprechen -, dass dieser Exzeptionalismus es verlange, dass die Vereinigten Staaten es sich nicht leisten könnten, sich auf ihre ethnische oder historische Identität zu besinnen, sondern eine neue, freie Demokratie rund um die ganze Welt zu verbreiten hätten. Das bedeutet nur eines: Allen anderen wird das Recht verweigert, sich an ihrer Geschichte zu orientieren. Die Amerikaner – so wie sie jeden, der nach Amerika kam, durch den Schmelztiegel zogen -, wollen auch den Rest der Welt einschmelzen, damit alle tatsächlich nur zu Amerikanern werden.
Frage: Haben sie auch die US-Eingeborenen eingeschmolzen?
Sergej Lawrow: In der Tat, sie haben sie fast weggeschmolzen, so dass fast nichts mehr von ihnen übrigblieb. Schauen Sie sich an, was jetzt in den Vereinigten Staaten abgeht. Schauen Sie sich an, wie die Gesellschaft gespalten ist und wie die herrschenden Behörden jetzt versuchen, alles zu unterdrücken, indem sie, um ihre eigene Terminologie zu verwenden, ziemlich „autoritäre Werkzeuge“ nun anwenden.
Die Gründe dafür sind dort zu finden: Ich glaube, dass der US-Exzeptionalismus und die absolute Überzeugung von ihrer eigenen Unfehlbarkeit und Überlegenheit der Hauptgrund dafür ist, dass wir uns jetzt den Ländern entgegenstellen, die das Kiewer Regime dazu benutzen, um einen hybriden Krieg gegen uns zu führen, auch wenn es nicht exakt nur ein hybrider Krieg ist.
Vor kurzem gab es eine breite Debatte zu historischen Parallelen, die aus Äußerungen der ukrainischen Führung gezogen wurden. Ich habe auch darüber gesprochen, dass genau wie im Jahr 1812 und 1941 diejenigen, die die Welt unterjochen wollten, mit Europa anfingen, um einen großen Teil des Kontinents zusammenzufassen und einen Krieg gegen Russland zu beginnen. Ich sehe heute keine großen Unterschiede. So wurde während des Großen Vaterländischen Krieges, im Zweiten Weltkrieg, die Nazi-Ideologie gegen uns in Stellung gebracht. Warum weigern sich Menschen, die Nazi-Ideologie, welche dem Kiewer Regime heute zugrunde liegt, zu erkennen? Die Erklärungen, die von den Befürwortern und Puppenspielern des Regimes abgegeben werden, können nicht anders interpretiert werden als der Versuch, die russische Frage endgültig zu lösen. Russland soll eine strategische Niederlage bereitet werden. Damit es für lange Zeit nicht mehr zurückkommen könne. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, sagte, der Krieg müsse mit einer russischen Niederlage enden, die es Russland über Jahrzehnte unmöglich machte, seine Wirtschaft wiederaufzubauen. Klingt das nicht nach Rassismus, Nazismus und dem Versuch, die russische Frage zu lösen? Nein, noch nicht in den Gaskammern. Es gibt noch viele anständige Menschen in Deutschland, die ein Wiederaufleben des Nazismus nicht zulassen wollen. Doch, einige hätten wohl nichts dagegen, wenn es dazu käme.
Wir befinden uns inmitten einer geopolitischen Schlacht. Darüber gibt es keinen Zweifel. All jene, die sich an der Front mit praktischen Fragen beschäftigen, erfüllen eine lebenswichtige Aufgabe und sind Helden. Die Heldentaten, die sie im Namen der Zukunft der Menschheit vollbringen, werden es ermöglichen Entwicklungen zu durchkreuzen, die zu einer vollständigen Hegemonie der Vereinigten Staaten gemäß ihrer Doktrin geführt hätten.
Frage: Wie ich Ihren Ausführungen entnehme, besteht das Ziel darin, Russland eine strategische Niederlage zu bereiten. Das bedeutet, der Westen weist die Vorstellung, zurück, dass Russland überhaupt als Staat existieren dürfe. Russland muss entweder zerstückelt oder geteilt werden, jetzt gibt es sogar einen neuen Begriff „Re-Föderalisierung“ dafür. Die Polen reden wie üblich viel darüber. Was bleibt noch für Diplomatie unter solchen Umständen?
Sergej Lawrow: Ich glaube nicht, dass wir arbeitslos werden. Wir arbeiten jetzt in mehreren Bereichen. Erstens arbeiten wir hart daran, unsere Politik, unsere Argumente und die Wahrheit auf der internationalen Bühne zu vertreten. Niemand im Westen, in Europa oder Amerika versucht ernsthaft zu erörtern, ob sie Fehler gemacht hätten. Nein – es scheint so, als hätte alles erst am 24. Februar 2022 begonnen. Genau wie nach ihren Augen alles mit dem, was sie es als „Annexion“ der Krim bezeichnen, im Jahr 2014 begonnen hätte – nicht mit dem Putsch im Februar.
Ich war bei den Gesprächen von Präsident Wladimir Putin mit der vormaligen deutschen Kanzlerin Angela Merkel, dem vormaligen französischen Präsidenten Francois Hollande und dem derzeitigen französischen Präsidenten Emmanuel Macron zugegen. Wladimir Putin fragte, warum sich die Dinge so entwickelt hätten, wie es geschah. Sie sagten, wenn es die „Annexion“ nicht gegeben hätte, wäre alles in Ordnung geblieben. Aber die „Annexion“ fand statt, weil die „Behörde“, die die Macht in der Ukraine an sich gerissen hatte, es für wichtig hielt – es war ihre erste Bauchreaktion -, den regionalen Status der russischen Sprache abzuschaffen. Damals wurde das nicht erreicht.
Aber das waren die Instinkte, die das Wesen dieser „Macht“ genau beschreiben. Zwei Tage später forderten sie Russland auf, die Krim zu verlassen, und schickten ihre Schläger dorthin. Die Krim reagierte nur darauf und auf nichts anderes. Aber die westlichen Politiker sagten immer wieder, dass ohne die „Annexion,“ „alles in Ordnung“ geblieben wäre. „In Ordnung“ in welchem Sinn? Dass die Ukraine von Nazis regiert worden wäre, von Leuten, wie Tjahnybok oder Jazenjuk, die die Menschen, die sich weigerten, die Ergebnisse ihres Putsches zu akzeptieren, als „Untermenschen“ abqualifizierten. Wladimir Zelenskjy entfernte sich nicht weit von ihnen, als er die Menschen, die eine Wiedervereinigung mit der Ukraine ohne Umsetzung der „Bedingungen & Konditionen“ der Minsker Vereinbarungen ablehnten, als „Individuen“ titulierte. Denjenigen, die in der Ukraine leben und sich als Teil der russischen Kultur, Tradition und Geschichte betrachten, riet er, sich ihren Kindern und Enkeln zuliebe, nach Russland abzusetzen. Hat jemand darauf reagiert? Hat jemand darin nicht nur die Keime, sondern die volle Blüte des Nazismus entdeckt? Niemand hat das. Unsere Diplomaten haben all diese inakzeptablen Handlungen und Erklärungen den zuständigen Gremien der UNO, der OSZE und dem berüchtigten Europarat zur Kenntnis gebracht. Nicht ein einziges Mal hat der Westen versucht, auch nur mit dem Finger seinem Mündel und Regime zu drohen. Es wurde ständig nur gedeckt, auch von der OSZE-Mission, die sich vor Ort für die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen einsetzte. Viele Mitarbeiter der Mission – die Fakten sind bekannt – halfen dem Kiewer Militär bei der Planung seiner Operationen und gewährten ihm Zugang zu den Daten der Drohnen, die ausschließlich für Zwecke der OSZE-Sonderbeobachtungsmission zu verwenden gewesen wären.
Wir müssen die Wahrheit bekannt machen und einen gnadenlosen Kampf gegen falsche Behauptungen führen. Wir haben auf unserer Website einen Bereich, der diesen Themen behandelt, eingerichtet. Darüber hinaus reagieren wir täglich live auf alle die neuen Tricks derjenigen, die versuchen, das wahre Bild zu verfälschen.
Auch die diplomatische Arbeit mit unseren Partnern in der ganzen Welt ist Teil unserer Bemühungen. Wir unterhalten Austausch mit Delegationen auf der Ebene von Ministern und stellvertretenden Ministern. Wir reisen in Länder, mit denen wir eine konstruktive Zusammenarbeit aufbauen wollen. Delegationen kommen zu uns. Diese Arbeit ist wichtig.
Die Vereinigten Staaten und alle anderen westlichen Länder, die von den Amerikanern gefügig gemacht wurden und der EU die letzten Reste ihrer Unabhängigkeit raubten, sind weithin als „große Demokratien“ bekannt. Sie verstehen Demokratie jedoch nur als ihr Recht, allen anderen ihr Verständnis der Dinge aufzudrücken. Diskussionen über demokratische Ansätze in internationalen Fragen lassen sie ungerührt.
Frage: Ist das totalitär?
Sergej Lawrow: Ja – totalitär: In der UN-Charta wird „Demokratie“ nicht erwähnt, was vielleicht zum Besten ist. Es wird hingegen das Hauptprinzip erwähnt, das demokratischer ist als alles andere: Die UNO basiert auf der souveränen Gleichheit der Staaten. Falls jemand einen Beweis für die Achtung dieses Prinzips in den Handlungen unserer westlichen Kollegen fände, würde ich diese Person für den Friedensnobelpreis vorschlagen.
Falls es Demokraten wären, würde man Meinungen äußern lassen und dem Gegner seine Positionen darlegen lassen. Sie würden allen anderen zugestehen, sich wie erwachsene Menschen zu verhalten, um selbst entscheiden zu dürfen, wen man unterstützen und wessen Ansichten und Positionen man stärker zuneigen wollte.
So hätten sich alle auch in Bezug auf die Krise in der Ukraine verhalten sollen. Präsident Putin hat bis ins kleinste Detail die Ziele, die Ursachen und die Unvermeidbarkeit unserer speziellen Militäroperation ausgeführt. Dies geschah nicht plötzlich, sondern nach acht Jahren oder vielleicht sogar früher, seit Putins Münchner Rede im Jahr 2007, in der er versucht hat, darzulegen, dass der Westen sich in die falsche Richtung bewege und alle Grundsätze untergrabe, zu deren Einhaltung man sich verpflichtet hatte: Wie unteilbare Sicherheit für Europa mit gleichen Sicherheitsinteressen; wie die Unzulässigkeit, dass ein Staat seine Sicherheit auf Kosten der Sicherheit anderer ausbaue, und was äußerst wichtig scheint, wie die Unzulässigkeit, dass eine Organisation in Europa, für sich eine militärisch-politische Vorherrschaft beansprucht. Die NATO hat das getan, was nicht hinnehmbar ist.
Diese Grundsätze wurden 1999 zu Papier gebracht und sind 2010 erneut bekräftigt worden. Doch alle unsere Versuche, den Westen zur Einhaltung der von unseren Präsidenten und Premierministern unterzeichneten Dokumente zu bewegen, sind gescheitert. Oder besser gesagt, sie erwiderten, dass es sich um politische Slogans handle, während nur die NATO rechtliche Sicherheitsgarantien liefern könne. Damit verletzten sie erneut jeden einzelnen Grundsatz.
Wir haben viele Jahre lang versucht, unseren Standpunkt zu erklären, und schließlich sagten wir uns, dass sie alles gehört hätten, was wir zu sagen hatten, sodass wir unsere Entscheidung trafen. Die westliche Reaktion war negativ und verurteilend. Doch, die Mehrheit aller Entwicklungsländer nahm eine neutrale Haltung ein. Nur, eine neutrale Haltung wäre zu respektieren. Aber der Westen sendet täglich – das ist keine Übertreibung – über seine Botschafter an alle Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas Aufforderungen aus, sich nicht mit russischen Delegationen zu treffen. Er fordert auf, [Russland] zu verurteilen und sich den westlichen Sanktionen anzuschließen. Die überwältigende Mehrheit der Staaten hat Selbstachtung. Daher sagen selbst kleine afrikanische Staaten mit 1,5 oder 2 Millionen Einwohnern, dass sie ihre eigenen Pläne für die Zusammenarbeit mit Russland verfolgen. Diese Länder akzeptieren unsere Besuche und besuchen unser Land, obwohl ihnen dafür Strafen angedroht werden.
Wofür sind die Amerikaner bekannt? Wenn sie ein Land auffordern das zu tun, was sie wünschen, bieten sie keine Gegenleistung. Stattdessen sagen sie, das Land habe es zu durchzuführen oder sie würden es bestrafen. Das ist die ultimative Form von Pragmatismus samt Zynismus. Unsere Diplomaten haben in dieser Hinsicht eine Menge zu tun. Wir bieten Erklärungen an, entlarven Lügen, insbesondere die jüngsten Lügen über unsere Weigerung, Verhandlungen zu führen und fördern jeden Tag neue Fakten ans Licht.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat gesagt, dass „Waffen der Weg zum Frieden“ wären, so dass die Ukraine auf dem Schlachtfeld gewinnen müsse. Wladimir Zelenskyj hat eine 10-Punkte-Friedensformel vorgelegt: Eine vielseitige Enchilada (mexikanisches Misch-Gericht) mit allem, was dazugehört, einschließlich Lebensmittelversorgung, Energie und biologische Sicherheit. Dazu fordert man den Rückzug Russlands hinter die Grenzen von 1991, ein Tribunal zur Bestrafung Russlands, die Zahlung von Reparationen und schließlich die Unterzeichnung eines Friedensabkommens. Das ist keine realistische Initiative. Ich glaube, dass Wladimir Zelenskyjs Fantasie manchmal überbordet. Und jetzt hat der Westen sein Elaborat auch noch zu studieren.
Unsere Diplomaten werden ihr Bestes tun, um dafür zu sorgen, dass die antirussischen Veranstaltungen, die der Westen und das Kiewer Regime in New York und auf anderen Plattformen zum ersten Jahrestag der besonderen Militäroperation abzuhalten gedenken, nicht die einzigen Schlagzeilen bleiben.
Wir bereiten eine Übersicht über die Ereignisse des letzten Jahres und Dinge, die wir aufgedeckt haben, vor. Es geht nicht nur um die biologischen Militärprogramme der USA, über die sie, wie üblich nach Strich und Faden lügen und auch nicht um die direkte Beteiligung der USA an den Nord-Stream-Pipeline-Sprengungen. Die Unterstaatssekretärin für politische Angelegenheiten, Victoria Nuland („fuck the EU“, Anm. der Red.), hat sogar ein umfassendes Geständnis abgelegt. Es gibt viele Dinge, an die wir uns erinnern, und wir können aufzeigen, welche Methoden die Vereinigten Staaten anwenden, um ihre Hegemonie durchzusetzen. Nach den von mir genannten Aussagen, bereiteten die Amerikaner die Ukraine schon seit langem darauf vor und bildeten sie aus, um einen Krieg gegen Russland unter westlicher Lizenz loszutreten. Die Vereinigten Staaten konzentrieren sich jetzt darauf, die EU für diesen Krieg zu mobilisieren und wovon ich überzeugt bin, schon seit langem planten, indem sie die EU zwingen, alle ihre Waffen an die Ukraine abzugeben. Dieser Prozess steht nun kurz vor dem Abschluss.
Gleichzeitig erhöhen die Vereinigten Staaten die Produktion ihrer Waffen und zwingen Europa, diese zu kaufen. Die NATO-Länder sind verpflichtet, zwei Prozent ihres BIP für Waffen auszugeben. Und sie werden gezwungen, Produkte aus den USA zu kaufen. Es besteht kein Zweifel daran, dass diejenigen, die an den amerikanischen Exzeptionalismus glauben und der Meinung sind, dass die USA die Welt zu beherrschen hat, auch die Absicht verfolgen, Europa wirtschaftlich niederzuhalten.
Emmanuel Macron und Olaf Scholz beschweren sich öffentlich über die US-Gesetze zur Bekämpfung der Inflation, die in Wirklichkeit darauf abzielen, [europäische] Produktionsstätten in die Vereinigten Staaten zu locken. Dieser Prozess ist im Gange. Die deutschen Hersteller verlagern dorthin, wo sie Vorteile erwarten. Doch, diese Vorteile sind eindeutig diskriminierend und zielen darauf ab, die europäische Industrie zu untergraben.
Das ist Exzeptionalismus in Reinkultur. Vor zwei oder drei Wochen hat die EU eine Erklärung zur Zusammenarbeit mit NATO unterzeichnet, wonach die EU alles zu tun gedenke, was NATO brauche. Die Amerikaner arbeiten hartnäckig auf ihre Ziele hin.
Das muss so laut wie möglich ausgesprochen werden. Im Moment geschieht das in Europa. Aber sie schmieden auch schon Pläne für Asien. Jens Stoltenberg spricht darüber in der NATO. Auf dem Madrider Gipfel im Juni 2022 wurde angekündigt, dass sie globale Verantwortung übernehmen und Militärblöcke gegen China und Russland im asiatisch-pazifischen Raum (AUKUS) schaffen müssten. Sie haben eine Politik zur Aufnahme neuer Mitglieder beschlossen. Auch die großen Pazifikmächte wie Großbritannien und Frankreich sind dort aktiv und beteiligen sich an den eindeutig chinafeindlichen Übungen im Südchinesischen Meer.
Alle beobachten die Formen, die jener Exzeptionalismus nach sich zieht, wie den Wunsch, alle zu dominieren, um daraus einmal mehr einseitige wirtschaftliche Vorteile zu ziehen, die Wirtschaftskrise in den USA zu vermeiden und dazu andere Länder auszubeuten. Präsident Putin hat darauf hingewiesen, dass diese Entwicklungen im Sinne einer kolonialen Philosophie darauf abzielen, auf Kosten anderer zu leben.
Frage: Die Ukraine in ein „Anti-Russland“ zu verwandeln, schien ein erfolgreiches Projekt in dem Sinn, dass diese Ziele aufgegangen sind. Welches andere Land im Schlepptau könnte diesen Weg ebenfalls beschreiten? Kirgisistan oder Kasachstan?
Sergej Lawrow: Gegenwärtig wird die Republik Moldau für diese Rolle „abgecheckt“, vor allem weil es gelungen ist, an die Spitze dieses Landes – mit maßgeschneiderten Mitteln, die weit von freien und demokratischen Methoden entfernt bleiben – eine Präsidentin zu setzen, die darauf brennt, der NATO beizutreten. Eine rumänische Staatsbürgerin, Maia Sandu ist bereit, Rumänien beizutreten und scheint praktisch bereit alles mitzumachen. Es ist bezeichnend, dass der Westen und Kischinau [Hauptstadt Moldawiens] nicht nur pro-NATO und pro-EU sind, sondern sich auch weigern, die 5+2-Gespräche wiederzubeleben, an denen Kischinau, Tiraspol [Hauptstadt Transnistriens], Russland, die Ukraine, die OSZE, die EU und die USA teilnehmen. Der Westen hält dieses Format nicht mehr für angemessen, denn es wurde gebraucht, als es den Behörden in Kischinau noch um die Wahrung der territorialen Integrität ihres Landes und um eine Einigung mit Transnistrien ging. Aber nach der Machtübernahme, die eine Regierung an die Macht gebracht hat, die bereit ist, das Transnistrien-Problem mit Gewalt zu lösen und auf den Abzug der russischen Friedenstruppen und des Kontingents zur Bewachung der Munitionsdepots in Kolbasna zu bestehen, sind keine Verhandlungsformate mehr nötig. In diesem Fall geht es nur darum, die Behörden zu unterstützen.
Ich will nicht ins Detail gehen, aber Georgien ist ein weiteres Land, das der Westen zu einem „Anti-Russland“ umwandeln will. Ich bin eng mit Präsidentin Salome Surabischwili bekannt. Sie war zwischen 2004 und 2005 Außenministerin [Georgiens]. Gemeinsam mit dem Militär haben wir Vereinbarungen über den Abzug der beiden verbleibenden russischen Militärstützpunkte ausgearbeitet. Hierzu gibt es einen interessanten Punkt. Die Abzugserklärung enthielt die Vereinbarung, dass Russland und Georgien in einem dieser ehemaligen Stützpunkte ein gemeinsames Antiterrorzentrum einrichten, um gemeinsam an der Beseitigung solcher Bedrohungen zu arbeiten. Es war vorgesehen, dass Georgien den größten Teil dieses Kontingents – etwa 700 Soldaten – zur Verfügung stellen sollte. Wir sollten ein viel kleineres mit etwa 100 Offizieren nur entsenden.
Das war Teil des Paketabkommens: Nachdem wir unsere Stützpunkte geräumt und unseren Teil des Abkommens erfüllt hatten, weigerte sich Micheil Saakaschwili rundheraus, besagtes Zentrum zu schaffen. Die Zeiten waren noch „freundlich“ und niemand ahnte, dass er Südossetien angreifen werde.
Doch der georgische Präsident täuschte uns selbst in einer amikalen Angelegenheit, die von dem Wunsch beseelt war, eine neue Art von Beziehungen aufzubauen. Zweifellos wurde ihm von seinen „Kuratoren“ eingeflüstert, dass es keine Notwendigkeit für gemeinsame Zentren mit Russland gäbe. Heute hat Georgien eine Regierung mit einem Präsidenten, der Gott sei Dank nicht den Entwicklungsweg des Landes bestimmt und hauptsächlich zeremonielle Aufgaben wahrnimmt. Niemand soll denken, dass ich [die georgische Regierung] mit Lob kompromittieren möchte. Ich werde den Premierminister und die Minister zitieren, die sagen, dass sie sich von ihren nationalen Interessen leiten ließen, um auf den beispiellosen Druck und die Forderungen zu reagieren, sich den Sanktionen anzuschließen und eine „zweite Front“ zu eröffnen (sie haben sogar diesen Begriff verwendet). Sie unterhalten Handels- und Tourismusbeziehungen mit Russland und beziehen von dort Energielieferungen. Dies entspricht den Interessen des georgischen Staates und Volkes. Aber ich habe keinen Zweifel daran, dass sie auch Georgien zu einem weiteren Zankapfel verwandeln und die Situation in aggressivere Zeiten, wie einst unter Saakaschwili, zurückführen wollen.
Damit sich in der Region ein konstruktiver Fokus mit „Kreativität“ durchsetzt, setzen wir uns für ein 3+3-Format für die drei südkaukasischen Länder Georgien, Armenien und Aserbaidschan mit den drei Nachbarländern – Russland, Türkei und Iran -, ein. Das erste vorläufige Treffen hat bereits stattgefunden. Wir werden dies fortsetzen.
Was die zentralasiatischen Staaten angeht, so haben das russische Außenministerium und die Sicherheitsdienste recht offene Gespräche mit allen geführt. Dies steht in direktem Zusammenhang mit ihrer Sicherheit. Unsere westlichen Kollegen haben jahrelang versucht, einige pro-amerikanische, pro-europäische und pro-NATO-NGOs dort zu etablieren. So gibt es beispielsweise Organisationen wie die Agentur für internationale Entwicklung des US-Außenministeriums (USAID) und andere, die Ausübung „weicher Macht“ (soft power) verfolgen, die sich später regelmäßig in „harte Macht“ verwandelt. Ich denke, das lässt sich nicht leugnen. Der Westen will diese „Soft Power“-Instrumente einsetzen, um die weitere Entwicklung der freundschaftlichen und verbündeten Beziehungen zwischen Russland und seinen Nachbarn, einschließlich bestimmter zentralasiatischer Länder, zumindest in Frage zu stellen. Aber ich sehe hier keinen Anlass zu der Vermutung, dass diese „Bemühungen“ des Westens auf eine ernsthafte positive Resonanz stoßen werden.
Russlands Nachbarn, Verbündete und strategische Partner durchschauen diese „Spiele“. Gestern hatte ich ein Treffen mit Ausschussvorsitzenden, die die Parlamente der OVKS [Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit mit den Mitgliedsländern: Armenien, Weißrussland, Kasachstan, Kirgistan, Russland, Tadschikistan und dem Beobachter Serbien] vertreten. Sie nahmen an einer Veranstaltung in der Staatsduma der Bundesversammlung der Russischen Föderation in Moskau teil. Wir können feststellen, dass unsere Freunde ebenso wie die Staats- und Regierungschefs und Außenminister der OVKS verstehen, welche Ziele der Westen in unserem gemeinsamen Raum verfolgt. Sie wollen zusätzliche Mechanismen konstruieren und schaffen, um die Weiterentwicklung unserer Integrationspläne in Formen zu gewährleisten, die keinen westlichen Einflüssen ausgesetzt und vor illegaler Einflussnahme von außen geschützt sind. Der Westen arbeitet immer gegen Russland, wo immer er im postsowjetischen Raum präsent ist.
Frage: Kiew bietet Minsk einen Nichtangriffspakt an. Betrifft dies auch uns im Rahmen des Unionsstaates? Was ist der Ansatz Russlands dazu?
Sergej Lawrow: Der Unionsstaat ist hier nicht das wichtigste Argument. Russland und Weißrussland haben Verträge, einschließlich Sicherheitsabkommen, mit vielen anderen Ländern. Was Kiew getan hat, ist „lustig“ und zeigt die „Kreativität“ der Kiewer Regimeführer. Es scheinen in der Tat „begabte“ Leute…
Doch, es ist nicht einmal ein „Spiel mit zwei Zügen“. Wie der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko verlautete, wurde den Weißrussen ein Nichtangriffspakt angeboten, während ihre Opposition kultiviert, bewaffnet und ausgebildet wurde, um an der Front gegen die Russische Föderation zu kämpfen, insbesondere als Teil des berüchtigten „Kalinowski-Regiments“. Diese Einheit wird offen unterstützt, und es heißt, sie bereite sich darauf vor, ähnliche Missionen in Belarus selbst durchzuführen. Offensichtlich hat die ukrainische Seite ein ungewöhnliches Verständnis von Nicht-Aggression.
Ich habe dies bei einem Treffen mit Alexander Lukaschenko in Minsk erwähnt. Er sieht solche Initiativen eindeutig als das an, was sie sind – eklatante Provokationen und bestenfalls sinnlos.
Frage: Artikel 5 des Washingtoner NATO-Vertrags besagt, dass ein Angriff auf ein NATO-Mitglied als ein Angriff auf alle angesehen würde. Artikel 4 der OVKS lautet ähnlich: „Im Falle einer Aggression – bewaffneter Angriff, der die Sicherheit, Stabilität, territoriale Unversehrtheit und Souveränität eines Mitglieds bedroht – gegen einen der Teilnehmerstaaten werden alle anderen Teilnehmerstaaten auf Ersuchen dieses Staates unverzüglich die erforderliche Hilfe, einschließlich militärischer Hilfe, leisten.“ Ist das nicht jetzt der Fall?
Sergej Lawrow: Es heißt „auf Ersuchen dieses Staates“. Wir haben niemanden um Hilfe gebeten. Wir glauben, dass wir über alle Mittel verfügen, um die Ziele der militärischen Sonderoperation umzusetzen und den Krieg zu beenden, den der Westen mit Hilfe des ukrainischen Regimes nach dem Staatsstreich beginnen liess.
Wir können sehen, dass es die NATO ist, die uns bekämpft. All diese Worte, dieses Mantra, die Ukraine „nur“ mit Waffen zu versorgen, sind nur lächerlich. Experten zufolge würden die Ukrainer selbst nach einer ein- bis zweimonatigen Schulung nicht in der Lage sein, die bereits teilweise gelieferten Waffen zu benutzen, geschweige denn die angekündigten. Es handelt sich um hochentwickelte Systeme, für deren Einsatz die Ukrainer in absehbarer Zeit nicht ausgebildet werden können. Wenn die NATO solche Systeme liefert, dann müssten diese Waffen höchstwahrscheinlich von Kampfmannschaften begleitet werden. Diese hätten sich von der Armee zu „verabschieden“ und würden dann als Söldner mit den entsprechenden Papieren ausgerüstet. Aber Russland wird alle Fragen selbst lösen. Wir haben nicht darum gebeten. Ich werde jetzt nicht die Gründe analysieren, warum wir es nicht getan haben. Wir brauchen keine Hilfe.
Die OVKS reagierte innerhalb von 24 Stunden auf das Ersuchen des kasachischen Präsidenten Qassym-Schomart Toqajew um Hilfe bei der Stabilisierung der Lage im Januar 2022, als es zu einem von außen angestifteten Gewaltausbruch und zu Versuchen kam, staatliche Gebäude zu besetzen.
Da Armenien und Aserbaidschan weiterhin nach Wegen zur Stabilisierung des Kaukasus suchen, war auch die OVKS bereit zu helfen: Nach dem Aufflammen von Gewalt im September 2022, bei dem auf beiden Seiten etwa 300 Menschen getötet wurden, erhielten wir ein Ersuchen aus Eriwan [Hauptstadt Armeniens]. Der Generalsekretär der OVKS und ein Expertenteam reisten an die Grenze und brachten einen Plan für die Entsendung einer OVKS-Mission in die an Aserbaidschan grenzende Region Armeniens mit. Dieser Plan wurde schon vor langer Zeit fertig gestellt, aber die armenische Seite hatte uns nie darum gebeten, die Dinge zu beschleunigen.
Der Text des entsprechenden Beschlusses wurde auf dem Gipfeltreffen in Eriwan fertiggestellt, aber unsere armenischen Kollegen sagten, sie würden ihn nur akzeptieren, wenn das Vorgehen Aserbaidschans kategorisch verurteilt würde. Nicht alle waren bereit dazu. Nicht nur, weil sie jemanden schützen oder Armenien nicht unterstützten wollen. Der Krieg in Karabach geht über Jahrzehnte zurück: Armenien hat sieben Bezirke Aserbaidschans über viele Jahre hinweg besetzt. Russland hat zahlreiche Optionen vorgeschlagen. Die frühere armenische Führung akzeptierte sie nicht und beanspruchte Gebiete, die sie nie zuvor beansprucht hatte. Aserbaidschan verzweifelte daran, die Probleme politisch zu lösen, und nahm Gebiete zurück, die ihm gehörten.
Nun haben Armenien, Aserbaidschan und die Europäische Union ein Dokument unterzeichnet, in dem sie sich bereit erklären, einen Friedensvertrag zu den in der Erklärung von Alma-Ata vom Dezember 1991 festgelegten Bedingungen zu unterzeichnen. In diesem Dokument heißt es: Die Grenzen zwischen den neuen unabhängigen Staaten werden entlang der Verwaltungsgrenzen der ehemaligen Republiken der Sowjetunion, einschließlich Armeniens und Aserbaidschans, zu denen auch das Autonome Gebiet Berg-Karabach gehört, festgelegt.
Diese Situation ist vielschichtig. Ich halte es für eine wichtige Errungenschaft, dass die OVKS einen Plan für die Entsendung einer friedenserhaltenden Mission in einer schwierigen Situation ausgearbeitet hat. Dieser Vorschlag liegt noch immer auf dem Tisch. Wenn unsere armenischen Verbündeten und Freunde noch daran interessiert sind, kann die Mission innerhalb von ein oder zwei Tagen entsandt werden.
Frage: Behalten wir uns möglicherweise die Möglichkeit vor, die Verbündeten der OVKS um Hilfe zu bitten, falls die Aggression gegen Russland eskalieren würde?
Sergej Lawrow: Es heißt, dass jede Partei dieses Recht hat. Ich habe bereits beantwortet, warum Russland dieses Recht nicht nutzt. Es sollte dies auch in Zukunft nicht tun müssen. Wir sehen keine Notwendigkeit, was die Ausrüstung unserer Streitkräfte und die Art und Weise, wie sie im Raum der speziellen militärischen Operation operiert, betrifft.
Die OVKS entwickelt derzeit auf Initiative Kasachstans friedenserhaltende Fähigkeiten. Einer der Untergeneralsekretäre ist auch für die Friedenssicherung zuständig, und es gibt ein Abkommen über friedenserhaltende Maßnahmen der OVKS (2007).
Wir unsererseits arbeiten an Ergänzungen zu diesem Abkommen, denn es besagt, dass die OVKS-Friedenstruppen nur im Einvernehmen und mit Zustimmung des UN-Sicherheitsrats eingesetzt werden dürfen. Wir halten diese Anforderung für übertrieben, denn ein Ersuchen einer rechtmäßigen Regierung reicht für die Entsendung von OVKS-Friedenstruppen völlig aus. So auch im Januar 2022, während der Unruhen in Kasachstan. Solche Klarstellungen des OVKS-Rechtsrahmens für die Friedenssicherung würden seine Wirksamkeit erhöhen.
Wir sehen die Notwendigkeit einer alliierten Unterstützung bei der außenpolitischen Koordinierung. Nicht immer und nicht über jede Frage stimmen alle OVKS-Mitgliedsländer gleich ab, wenn eine Frage auf die Tagesordnung gesetzt wird, die die grundlegenden Interessen des einen oder anderen Mitglieds berührt. Dies wurde auf dem Rat der Staatschefs und dem Rat der OVKS-Außenminister in Eriwan erörtert. Die außenpolitische Koordinierung nimmt an Bedeutung zu.
Frage: Neulich sprachen sich die beiden ehemaligen polnischen Außenminister Radoslaw Sikorski und Anna Fotyga für eine „Re-Föderalisierung“ Russlands aus. Der ehemalige polnische Präsident Lech Walesa sagte, es sei an der Zeit, mit Russland „endlich ins Reine zu kommen“. Was ist mit Polen los? Spielt es eine besondere Rolle wie am Vorabend des Zweiten Weltkriegs? Möchte unser bösartigster Nachbar alle gegen uns aufbringen?
Sergej Lawrow: In diesem Zusammenhang gibt es viele Dinge zu besprechen. Polen hat eine schwierige Geschichte mit viel Schmerz und nicht minder morbiden Ambitionen, die deutlich zeigen, dass ein gewisser Teil der Elite immer noch expansionistische Pläne hegt, wie die Drei-Meere-Initiative, Anspielungen auf die heutige Westukraine und Russophobie.
Radoslaw Sikorski hat eng mit uns zusammengearbeitet. Er gehört nicht zum Lager der Russland-Bewunderer, sondern ist ein pragmatischer und erfahrener Politiker. Er tut kaum etwas, was nicht kalkuliert ist. Jetzt, wo er Mitglied des Europäischen Parlaments ist, hat er mehr Spielraum. Nach der Explosion an der Nord-Stream-Pipeline twitterte er: „Danke, USA!“ Dieser Tweet wurde später entfernt, aber es gibt viele Beweise. Wir haben gut mit ihm zusammengearbeitet. Damals gab es eine von den Außenministern geleitete gemeinsame Kommission, der die stellvertretenden Minister der meisten anderen Behörden angehörten und die „Mini“-Konsultationen zwischen den Ländern durchführte. Es gab auch eine Kommission von Historikern. Man kann es heute kaum glauben, aber sie haben gemeinsam Lehrbücher geschrieben. Einige Kapitel wurden gemeinsam verfasst, und wo die Meinungen auseinandergingen, wurden zwei Versionen gedruckt. Es war ein Dialog, eine Plattform, auf der man sich ständig austauschte, und es entstand zwangsläufig ein zusätzliches Maß an Vertrauen. Jetzt ist das nicht mehr der Fall.
Es gibt einen Vorschlag von Anna Fotyga und eine Erklärung von Lech Walesa, dass Russland „entkolonialisiert“ werden muss – sie haben sogar diesen Begriff dafür geprägt. Es ist immer wieder die Rede von einigen unangenehmen und undurchsichtigen Vertretern der Nogai-Volksgruppen, die in der Region Astrachan einen unabhängigen Staat gründen wollen. Auch im Leningrader Gebiet gibt es jetzt einige „einheimische“ Bewohner. Auf diese Weise werden bestimmte kleine Völker ermuntert, indem man ihnen vorgaukelt, sie würden von Russland diskriminiert, obwohl es genau andersherum ist: Sie können ihre Sprachen sprechen und leben nicht in Reservaten wie in den Vereinigten Staaten oder Kanada, wo sie, wie sich herausstellte, brutal getötet wurden.
Gleichzeitig wird gesagt, dass wir einfach „zu groß“ wären. Sie zitierten Madeleine Albright, die sagte, dass „Russland groß ist“, aber dann nahmen sie es zurück: Sie mag das nicht gesagt haben, aber es ist eine Tatsache, dass es viele Menschen in den Vereinigten Staaten und Europa gibt, die so denken und diese Botschaft auf die eine oder andere Weise ausstreuen. Das ist eine Schande. Wir hatten einen umfassenden Mechanismus der Beziehungen zu Polen.
Es gibt noch eine weitere Sache, denn sie müssten sich zuletzt „mit Russland auseinandersetzen“. Was ist das anderes als ein Aufruf, die russische Frage endlich zu lösen? Ich habe vor kurzem die Vordenker aus Hitlerdeutschland zitiert, die sich um die endgültige Lösung der Judenfrage bemühten. Fast das gesamte von den USA geführte Europa hat sich gegen uns versammelt, und es werden verschiedene Slogans vorgebracht, aber der Sinn bleibt derselbe, nämlich die Lösung der russischen Frage noch zu Lebzeiten der jetzigen Generation. Vielleicht nicht in Gaskammern, aber doch so, dass Russland aufhört, als Großmacht zu existieren, es in den Hintergrund rückt und seine Wirtschaft degradiert würde.
Korrupte Politiker begannen zu behaupten, dass meine Vergleiche die Opfer des Holocaust beleidigten. Das kann nur eines bedeuten: Sie befinden sich in der Defensive. Sie haben keine Argumente. Ich habe die Opfer des Holocaust nicht beleidigt. Wir ehren sie, halten Veranstaltungen ab und laden alle ein, die auf die eine oder andere Weise an den historischen Ereignissen beteiligt sind.
Anders als die Polen, die uns schon vor der militärischen Sonderaktion nicht eingeladen haben, auf einer Veranstaltung zur Befreiung von Auschwitz zu sprechen. Wir haben nur gesagt, dass das Gedenken an die Opfer des Holocaust niemanden davon entbindet, heute Anstrengungen zu unternehmen, damit die Erinnerung das Aufkommen neuer Nazi-Bewegungen verhindere: Wir erleben dies in der Ukraine, in Estland und in Lettland, wo neonazistisches Gedankengut und neonazistische Praktiken wiederbelebt werden.
Frage: Die EU wird Anfang Februar einen Gipfel abhalten. Russland ist kein EU-Mitgliedstaat, aber wir sind Nachbarn auf dem Kontinent, und die Tagesordnung, die dort besprochen wird, ist für uns nicht gleichgültig. Welche Tagesordnungspunkte würden Sie als guter Nachbar vorschlagen?
Sergej Lawrow: Ich verfolge die EU-Gipfel nicht mehr.
Frage: Sie werden zusammenkommen und sich wieder fragen: „Wer sind wir, was ist zu tun, und wohin gehen wir?“
Sergej Lawrow: Die Europäer kannibalisieren sich selbst. Es ist angekündigt worden, wer die Entscheidung treffen werde. Sie haben die Gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO unterzeichnet, in der sie sich verpflichten, der NATO alles zu liefern, was sie will, einschließlich des Territoriums von Nicht-NATO-Ländern, falls sie Waffen jeglicher Art näher an die russischen Grenzen verlegen müssten. All dies ist schwarz auf weiß festgelegt.
Olaf Scholz hat neulich zu Protokoll gegeben, dass die Sicherheit Europas allein von den Vereinigten Staaten abhänge. Es macht keinen Sinn, dass die EU Washington bittet, die europäische Wirtschaft und Industrie zu schonen oder bei den Subventionen für Unternehmen auf US-Territorium großzügig zu sein.
Wie der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire vor einiger Zeit sagte, sind die Stromkosten für Unternehmen in Europa derzeit viermal so hoch wie in den Vereinigten Staaten. Präsident Emmanuel Macron erklärte, man werde Washington dazu drängen, Anpassungen vorzunehmen und Rabatte oder Ausnahmen zu gewähren. Ich denke, das werden sie versuchen.
Frage: Er war bereits mit dem Hut in der Hand dort: Sie haben nichts getan!
Sergej Lawrow: Deshalb interessiert es mich nicht besonders, was die EU bespricht. Ich habe gehört, dass sie Vladimir Zelenskyj einladen wollen. Ich weiß nicht, ob dies per Videokonferenz oder live geschehen wird. Sie werden es uns später mitteilen.
Sie haben die Entscheidung schon vor geraumer Zeit getroffen und sind nun dabei, Zelenskyj zu einem Symbol für den Kampf der Demokratie gegen die Autokratie zu machen. Das ist genau das gleiche Schwarz-Weiß-Bild einer Welt, wie es unter anderem von den Amerikanern propagiert wird.
Der zweite Gipfel für Demokratie, den sie für Ende März dieses Jahres einberufen, wird eine einfache Aufgabe formulieren: Alle Demokraten müssen gegen alle Autokraten kämpfen, wobei Russland, China, Iran, Nordkorea, Syrien und Venezuela als Autokraten gebrandmarkt werden sollen. Das sind alles Länder, die sich weigern, den Forderungen des Westens nachzukommen. Wenn Sie sich die Liste der Eingeladenen zum ersten Gipfel ansehen, ergibt sich ein recht interessantes Bild. Darauf stehen Länder – ich will niemandem zu nahetreten -, die die Amerikaner selbst noch nie als demokratisch eingestuft hatten.
Gegenwärtig versucht dieses „revolutionäre“ Team, das den Gipfel der „Demokratien“ einberuft, soweit wir wissen, einen Beschlussentwurf auszuarbeiten, in dem die Philosophie „Demokratien gegen Autokratien“ propagiert und in die Praxis umgesetzt werden soll. Die Idee ist, zumindest in diesem Stadium, soweit wir wissen, dass die Demokratien ihre Forderungen an die Autokratien inkl. eigene Rechte formulieren, um diese als Druckmittel zur Unterstützung über den Kopf der autokratischen Regierungen hinweg an die von diesen Regierungen vermeintlich „unterdrückten“ Nationen zu vermitteln.
Das hätte ich vor einem Jahr oder gar zwei Jahren nicht glauben können. Heute wird es ernsthaft diskutiert. Ihr Plan besteht im Wesentlichen darin, sich dieselben Rechte anzumaßen, die sie gerne hätten, indem sie auf Biegen und Brechen und unter Verstoß gegen die Geschäftsordnung die Idee durchsetzen, ein Tribunal gegen Russland zu errichten und von Russland Reparationen zu verlangen. All dies ist ein grober Verstoß gegen das Völkerrecht. Aber das ist ihnen ja nicht fremd. Sie haben mit einem Fingerschnippen alle ihre Prinzipien über Bord geworfen, Prinzipien wie die Unverletzlichkeit des Privateigentums, die Unschuldsvermutung, den Wettbewerb nach Treu und Glauben, die Marktmechanismen etc. – alles, was sie jahrzehntelang im Rahmen des Globalisierungspakets kultiviert und anderen aufgezwungen haben. All das wurde gestrichen, nachdem es notwendig schien, die Russische Föderation bestrafen zu wollen.
Dass dies nicht funktioniert hat, ist eine andere Sache. Allein die Tatsache, dass die Amerikaner zu diesen illegalen Methoden gegriffen haben, macht alle misstrauisch. Die derzeitige Diskussion über den Übergang zu nationalen Währungen kommt nicht von ungefähr. Wer weiß, auf welcher Seite des Bettes der US-Präsident morgen aufwachen wird oder wen er dann als „unsympathisch“ empfinden könnte.
Die Präsidenten von Brasilien und Argentinien haben bereits die Möglichkeit der Schaffung einer bilateralen Währung erörtert. Dann gingen sie noch weiter und schlugen vor, über eine Währung für alle lateinamerikanischen und karibischen Staaten nachzudenken. Luiz Inacio Lula da Silva schlug vor, dasselbe innerhalb der BRICS zu diskutieren. Dies ist bereits ein globaler und kein regionaler Ansatz für die Frage, was mit dem Währungssystem in einer Situation geschehen soll, in der die Amerikaner mit ihrem Dollar jede nur denkbare Ungerechtigkeit begehen.
Dieser Prozess ist bereits im Gange. Saudi-Arabien verkauft sein Öl in RMB an China. Russland ist dabei, den Anteil der nationalen Währungen im Handel mit seinen wichtigsten Partnern auf 50 Prozent zu erhöhen. Und der Prozess geht weiter und weiter.
Frage: Eine Frage zu China. Die Beziehungen zu Peking machen rasche Fortschritte. Wir sind dabei, mit der VR China eine neue Weltordnung aufzubauen. Welche Berührungspunkte könnten wir haben? Oder gibt es vielleicht sogar einige Risiken? Es ist immer gefährlich, mit einem Riesen zu tanzen. Er könnte einem auf die Füße treten. Sind die Beziehungen zu China mit gewissen Risiken behaftet?
Sergej Lawrow: „Berührungspunkte“ scheint eine sehr bescheidene Beschreibung unserer bilateralen Beziehungen. In unseren Erklärungen heißt es, dass wir zwar kein Militärbündnis gründen werden, dass diese Beziehungen aber über Militärbündnisse im klassischen Sinne dieses Wortes hinausgehen, weil es keine Einschränkungen, Grenzen oder Tabuthemen gibt. Besagte Beziehungen sind die besten in der gesamten Geschichte der UdSSR, der VR China und der Russischen Föderation.
Unser gemeinsames Interesse besteht in erster Linie darin, dass wir uns gemäß unseren nationalen Plänen entwickeln können, in Übereinstimmung mit den Normen des internationalen Handels (zum Teil gemäß WTO-Normen) und dem vom Westen geschaffenen System: den Bretton-Woods-Institutionen, dem IWF und der Weltbank. Als wir diesen Institutionen beitraten, gab es bestimmte Regeln, die wir akzeptierten. Es hat 17 Jahre gedauert, bis wir der WTO beigetreten sind. Wir akzeptierten die Regeln, die einen fairen Wettbewerb garantierten.
Jetzt ist auch dies alles zerstört. Die WTO hat die Arbeit des Streitbeilegungsgremiums (Dispute Settlement Body, DSB) blockiert, weil China Amerika auf seinem Gebiet und nach seinen Regeln „ausgespielt hat“. China hat jedes Recht, eine Entschädigung zu fordern, und das Streitbeilegungsgremium würde diesen Fall sicherlich zu Chinas Gunsten entscheiden, wenn die Vereinigten Staaten die Arbeit dieses Gremiums zuließen. Die Amerikaner blockieren lediglich die Ernennung neuer Mitglieder des Gremiums für die noch freien Stellen. Es gibt kein Quorum. Dies ist ein rein bürokratischer Ansatz, ein „sowjetischer Parteiansatz“ im schlimmsten Sinne. Das geht nun schon seit vielen Jahren so. Weil China alle Streitigkeiten mit den USA gewonnen hat, hat die USA die WTO-Reform ins Leben gerufen, nachdem sie öffentlich verkündet hatten, dass sie sich auf die Interessen der USA und der EU stützen sollte. Ganz einfach: Anderen wird ihr Platz zugewiesen und gesagt, wie sie sich zu verhalten hätten!
Das Gleiche geschieht im Internationalen Währungsfonds. Wenn man die Kriterien anwendet, nach denen der IWF und die Weltbank gegründet wurden, könnten die BRICS-Länder heute eine größere Anzahl von Anteilen und Stimmen für sich beanspruchen, als in der derzeitigen Situation, in der die USA alle Entscheidungen im Alleingang blockieren und auf den Kopf stellen können – eine Situation, die sich eigentlich schon seit einigen Jahren abzeichnete.
Wenn alles gerecht wäre, würden wir den Leitern unseres Wirtschaftsblocks, die über die positiven Aspekte der Globalisierung sprechen, aufmerksamer zuhören. Diese Merkmale gibt es aber nicht mehr. Wir haben das früher erkannt, weil wir die ersten waren, die im Zusammenhang mit dem, was die USA über die Ukraine gegen uns geplant hatten, „einen Schlag einstecken“ mussten.
Außerdem sind wir nicht so stark in dieses System eingebunden wie China, was den Handel betrifft. China hat US-Wertpapiere im Wert von 1,5 Billionen Dollar gekauft. Die Tiefe der Verstrickung Chinas in das derzeitige System, kann nicht mit unserer Lage verglichen werden. China ist verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um diese Abhängigkeit zu verringern. Daran habe ich keine Zweifel. China hat bereits damit begonnen, diese Schritte einzuleiten. Dafür gibt es zahlreiche Anzeichen. Peking wird mehr Zeit brauchen, um parallele Instrumente und Mechanismen zu schaffen, mit denen es sich gegen die Willkür der USA als Hauptverwalter des weltweiten Währungs-, Finanz- und Handelssystems in dieser Phase zu schützen vermag. Diese Mechanismen und Instrumente sollten jedoch nicht über Nacht entstehen. Andernfalls könnten sie schwerwiegende wirtschaftliche Verwerfungen auslösen, wenn man bedenkt, wie sehr die Volkswirtschaften der USA und Chinas miteinander verflochten sind, wobei Billionen von Dollar auf dem Spiel stünden.
Dieses Thema wird nicht nur diskutiert: Es wird ständig nach Möglichkeiten gesucht, neue Mechanismen zu schaffen. Dieser Prozess führt zu einer Fragmentierung der globalen Mechanismen. Im Moment sind diese Mechanismen noch mit den USA und ihren Satelliten verbunden. Sie sind jedoch nicht mehr global und dienen nur einer Gruppe von Staaten.
Wenn die Länder Lateinamerikas und der Karibik aufgefordert werden, über ihre eigenen Finanzinstrumente nachzudenken, so ist dies eher eine „Regionalisierung“ der Globalisierung.
In unserer Region schlug Präsident Wladimir Putin vor, sich mit den Integrationsprozessen im größeren eurasischen Raum zu befassen. Dazu gehören die EAEU, die ASEAN mit ihren weitreichenden Plänen und die SCO, die neben ihrer Sicherheitsagenda auch gute Verkehrs-, Logistik- und Wirtschaftsaussichten versprechen. An dieser Stelle möchte ich Chinas Seidenstraßeninitiative und das Abkommen über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Eurasischen Wirtschaftsunion und ihren Mitgliedsländern einerseits und der Volksrepublik China andererseits erwähnen.
Auf dem Russland-ASEAN-Gipfel in Sotschi 2015 schlug Wladimir Putin vor, die Pläne zu harmonisieren, anstatt die Positionen anderer Organisationen den Strukturen aufzuzwingen.
Frage: Widersprechen sich diese Projekte nicht gegenseitig?
Sergej Lawrow: Es gibt keine Widersprüche. Die Hauptsache ist, dass Doppelarbeit oder die Verschwendung von Ressourcen vermieden wird. Der Prozess ist bereits in Gang gekommen. Es gibt eine Vereinbarung über die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Eurasischen Wirtschaftskommission und dem Verband Südostasiatischer Nationen sowie eine Vereinbarung zwischen der Eurasischen Wirtschaftskommission und dem Sekretariat der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit. Die SCO hat auch ein Memorandum mit ASEAN geschlossen.
Präsident Putin schlug vor, den Prozess der Harmonisierung der Integrationsbestrebungen als die Bildung der Großen Eurasischen Partnerschaft (Greater Eurasian Partnership) zu bezeichnen. Bereits 2015 gab es die objektive Forderung, nach einer Alternative zur Globalisierung zu suchen, die uns viele Jahre lang aufgezwungen worden war, aber immer noch als mehr oder weniger zufriedenstellendes Arrangement angesehen wird. Die Alternative dazu ist die Große Eurasische Partnerschaft als Ausdruck eines Trends zur Regionalisierung globaler Prozesse.
Frage: Aber wie steht es um die Risiken? Es gibt die weit verbreitete Meinung, dass China so groß ist und wir so klein sind. Es könnte sich etwas ändern, und wir würden mit etwas Unüberwindbarem konfrontiert. Wie berechtigt sind solche Befürchtungen?
Sergej Lawrow: Man wirft uns auch vor, dass wir groß wären und alle um uns herum beleidigten. Es wird behauptet, dass den ehemaligen Sowjetrepubliken nicht der ihnen gebührende Respekt entgegengebracht würde. Viele werden mit solchen Anschuldigungen kommen. Und es gibt auch viele, die uns mit China Angst einjagen wollen. Meiner Meinung nach handelt es sich dabei um ein Spiel, das darauf abzielt, uns daran zu hindern, zu kooperieren und unsere Positionen in der Wirtschaft oder in internationalen Angelegenheiten zu koordinieren. Es besteht kein Zweifel, dass die von Russland und der VR China unterzeichneten Pläne den Interessen sowohl Moskaus als auch Pekings entsprechen. Sie definieren die Rolle unseres Landes nicht als untergeordnet. Diese Pläne sind für beide Seiten von Vorteil. Sie beschränken sich keineswegs auf Energielieferungen an China. Sie erstrecken sich auch auf den Weltraum, die Kernenergietechnik und viele andere Hochtechnologiebereiche.
Ich möchte daran erinnern, dass der Westen Russland und China als Autarkien und Hauptbedrohung bezeichnet hat. Unser Land stellt eine unmittelbare Gefahr dar, die irgendwie sofort im Keim erstickt werden muss. Ihr Kampf gegen China wird mehr an Zeit verlangen.
Der Westen will, dass China an uns keine Militärhilfe leistet. Das ist ein routinemäßiger Vorwurf auch an die Demokratische Volksrepublik von Korea (DVRK), den Iran und andere Länder in der ganzen Welt. Unsere Verteidigungsindustrie funktioniert. Alles wird gut.
Wir mögen es nicht und halten es für inakzeptabel, wenn auf der internationalen Bühne schamlos Entscheidungen gefördert werden, die nur den USA und ihren Satelliten nützen. Wir werden uns gegen diese Praxis zur Wehr setzen.
Frage: Hatten Sie Gelegenheit, russischen Whiskey im Rahmen der Importsubstitution zu probieren?
Sergej Lawrow: Er wurde mir vorgestellt. Wenn ich richtig liege, heißt diese Whiskeymarke Praskoveiskoye. Aber ich denke, der Ehrenplatz gehört der Flasche mit der Aufschrift „Kirgisischer Whiskey“.
Frage: Sind Sie für den Frieden?
Sergej Lawrow: Ich bin für den Frieden ohne Wenn und Aber! Ich kann mich nicht erinnern, aber jemand aus der Antike hat einst gesagt: „Wenn du Frieden willst, rüste zum Krieg.“ [„Si vis pacem para bellum“ – Marcus Tullius Cicero]. Ich teile diese Philosophie nicht. Doch, ich würde es so formulieren: „Wenn du Frieden willst, sei immer bereit, dich zu verteidigen.“
Ich denke, dass wir aus der gegenwärtigen geopolitischen Situation gestärkt hervorgehen werden und in der Lage sein werden, uns in jeder Situation noch besser zu verteidigen!
Übersetzung aus dem Russischen – Unser Mitteleuropa
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die russische Frage endgültig zu lösen. Russland soll eine strategische Niederlage bereitet werden. Damit es für lange Zeit nicht mehr zurückkommen könne.
Setzen wir dafür ein: die deutsche FRage endgültig zu lösen. Den Deutschen soll eine strategische Niederlage bereitet werden. Damit Preußen nicht mehr zurückkommen könne.
Angefangen mit dem Versailler Vertrag 1918 und nach 1945 wurden wir Deutschen als Land zerfleddert, als Volk aufgeteilt, dieser Tage las ich bei Gerard Menuhin, daß den Deutschen in Elsaß Lothringen die Bankkonten leergeräumt worden waren. Dumm, daß sich 1945 die Russen an Raub und Aufteilung beteiligt und bereichert haben. Auch Lawrow genau wie Putin nagt auf dem alten Knochen der „Nazis“ herum und verkennt die tatsächlichen Sachverhalte. Zugeben muß man, daß nur die Amerikaner unsere Kultur, Architektur, Kunst und Sprache zerstörten oder es bis heute versuchen.
Ist es nicht eher ein Machtkampf zwischen den Russen und den Amis um den Einfluß in Europa?
Dann kann uns egal sein, wer über uns herrscht. Die Knute der Russen wird unsere Kultur nicht zerstören, eher also das kleinere Übel.
Vielleicht hätte Lavrow auch erwähnen können das er tatschälich auch anwesend war während der G20 gipfel in Indonesien. Es gab photos davon in der Bild. Was ich damit meine ist dass dieser krieg nur theater sei. Die wahren gründe für diesen krieg kennen wir einfach nicht. Hat Russland auch nicht beliebig teilgenommen an diese covid masche?
Ich meinte: tatschächlich
werner, zu deiner letzten Frage: Ganz sicher nicht!
Das Gemeinsame Haus Europa, noch im Ideenreich, bald in Inkarnation?
Anpassen ist das falsche Wort! Anpassen soll sich eigentlich niemand müssen! Dann nur von vornherein passende Puzzleteile ergeben ein Puzzlebild. Wer nicht passt, hat hier nix verloren! Ebenso wenig, wie Neger ins Deutsche Reich passen, passen wir nicht ins Negerland.
Ergänzung:
Das war an H.M. Weiter unten gerichtet…
Umfangreiches Interview – interessant es in dieser Länge lesen zu können und nicht wie andernorts üblich nur einzelne herausgerupfte Aussagen oder gar nichts.
Wenn man die einzelnen Aussagen mit denen aus dem washingtonzentrischen Umfeld vergleicht bekommt man einen guten Eindruck was man von der Gesamtsituation halten kann – und welche Aspekte (warum?) komplett verschwiegen werden.
In friedlicher Coexistenz geht nur, wenn alle ideologiefrei denken. Eher ein frommer Wunsch.
Friedliche Co-Existenz geht in Kooperation, aber insbesondere die westlichen Gesellschaften sind auf Konkurrenz dressiert. Im Westen lernen schon die Kleinsten, dass man besser sein muss als der andere. Das ist das Gegenteil von Kooperation, bei der gegenseitiger Nutzen aus den Fähigkeiten des jeweils anderen gezogen wird, um gemeinsam Ziele zu erreichen. Frommes Teilen gilt bei uns nur an Sankt Martin, ein Kinderlied, das keiner wirklich glaubt und erst recht keiner lebt. Wer hat das größte Haus, das teuerste Auto und die dickste Konto? Einzig materieller Reichtum zählt, alles vergänglich, nichts davon bleibt. Mit solchen Lebenszielen kann eine Gesellschaft nur untergehen.
Sehr aufschlussreich! wir werden nur Belogen und Betrogen! für Deutschland gibt es nur eine Lösung Raus aus der Nato, Keine Unterstützung für die Nato, weg mit der Transatlantic Brücke,
Raus aus der EU also ein Dexit; Alle US Stützpunkte Kündigen, Und Neutralität herstellen, Und alle Parteien Verbieten und deren Vermögen den Aufbau der Deutschen Staaten übergeben. und Diereckte Demokratie Vom Volk, von mir aus auch mit einem König oder Kaiser an der Spitze zum Präsentieren. Und zurück zum Goldstandart für ein Freies Deutsches Reich Wo alle Deutschen Staaten jn Frieden und Freiheit leben können, in Friedlicher Co Excistens mit allen Europäischen Nachbaren
Sowie Ausweisung aller Asylanten , Straffälligen Ausländer wer sich anpasst und fleißig ist dem soll es auch gut gehen..
und genau das wird unter der jetzigen Marionettenregierung NIEMALS passieren.