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US-Waschmittelwerbung «Chinesen haben zu gehen» aus dem Jahr 1886 | Quelle: The George Dee Magic Washing Machine Company, Public domain, via Wikimedia Commons

Aus dem «Goldenen Berg», namens
San Francisco schlüpfte nur eine Maus

 

Von JURY TAVROVSKY | «Jin shan oder Goldenen Berg» – so nennen Chinesen San Francisco seit den Tagen, als Tausende von chinesische Migranten-Kulis auf kalifornischen Goldfeldern unter schrecklichen Bedingungen zu schuften hatten. Als der «Goldrausch» zu Ende war, wurden die Chinesen für den Bau von Eisenbahnen zwischen der Ost- und der Westküste der USA verpflichtet. Auch der «Oberste Chinese unserer Zeit», namens Xi Jinping, hat es bis heute nicht geschafft, an das edle Metall aus dem «Goldenen Berg» heranzukommen.

Es scheint, dass die Minimalagenda zur Teilnahme am APEC Gipfel in San Francisco (11. – 17.11.2023) von chinesischer Seite darin bestand, die Durchführungsverordnungen von Präsident Biden, welche Investitionen in Chinas Hightech-Industrien beschränken und chinesischer Forschung  des Bereichs «Künstliche Intelligenz (KI)» den Zugang zu amerikanischen Halbleitern versperren, wieder rückgängig zu machen. Die Maximalagenda bestand darin, wenigstens einige der 1.300 Handels- und Technologiesanktionen, die Washington seit 2018 – erst unter Trump und dann unter Biden – über China verhängen ließ, wieder aufgehoben zu sehen.

Dazu vermochte Chinas Nachrichtenagentur Xinhua zu berichten: «Bei einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden am 15. November in San Francisco merkte Xi Jinping an, dass Chinas Entwicklung und Wachstum einer internen Logik folgten, die nicht durch externe Kräfte gestoppt werden können.» Der chinesische Staatschef hoffe, dass «die USA die Bedenken Chinas ernst nehmen, Maßnahmen ergreifen und die einseitigen Sanktionen aufheben werden, um ein faires, gerechtes und diskriminierungsfreies Umfeld für chinesische Unternehmen zu gewährleisten.»

Nichts davon ist geschehen, obwohl die Normalisierung von Handel und Finanzen seit dem Besuch von US-Finanzministerin Janet Yellen im Juli in Peking lange und heftig diskutiert worden war. Damals erklärte die Ministerin:

«Wir wollen die Beziehungen diversifizieren, nicht abreißen lassen. Eine Abkopplung der beiden größten Volkswirtschaften der Welt wäre für die Weltwirtschaft destabilisierend und nahezu unmöglich [zu verantworten].»

Yellens wichtigster Gesprächspartner war Vizepremier He Lifeng, der im Politbüro des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) für die Planung der Wirtschaft und Entwicklung verantwortlich ist und seit kurzem auch für den gesamten Finanzsektor im Reich der Mitte ernannt wurde. Die Führung der Kommunistischen Partei wies der Zentralbank (People’s Bank of China – PBOC) und dem Finanzministerium eine Mitschuld an der langsamen Erholung der Volkswirtschaft nach den drei Jahren mit CoV zu. Es wurde eine Finanzkommission des Zentralkomitees eingerichtet, die PBOC-Manager unter Aufsicht stellt, welche bisher völlig unabhängig agierten, indem sie die Strukturen und den Arbeitsstil des amerikanischen Federal Reserve Systems kopierten. An die Spitze dieser neuen Parteistruktur wurde He Lifeng (Minister und Vorsitzender der Staatliche Kommission für Entwicklung und Reform im Staatsrat der PRC) berufen, der an Xi Jinping persönlich berichtet.

Die hohen Erwartungen an die Verhandlungsführer

Der hohe Status von He Lifeng innerhalb der chinesischen Führung sowie der von Janet Yellen in der Biden Administration sowie Parteiführung der US-Demokraten versprachen konstruktive Verhandlungen, um etwas zu erreichen, was anderen chinesischen und amerikanischen politischen Vertretern nicht möglich wäre. Die Reise von Präsident Xi Jinping in die Vereinigten Staaten und das Treffen mit Präsident Biden wurden vereinbart. Schließlich hatten diese beiden Verhandlungsführer Trümpfe, wie Handel und Sanktionen in der Hand. Es versteht sich von selbst, dass Xi Jinping nicht mit leeren Händen aus Amerika zurückkehren sollte. …

Einige Wochen vor dem APEC-Treffen in Peking wurde die endgültige Entscheidung, am Gipfel teilnehmen zu wollen, gefällt. Es war aus dem veränderten Tonfall in den Verlautbarungen und Äußerungen von Offiziellen des Außenministeriums Chinas abzulesen. «Renmin Ribao», das Organ des Zentralkomitees der KPCh, hielt in einem Leitartikel fest, dass «die bilateralen Beziehungen Stabilisierungstendenzen aufweisen, aber nach drei Prinzipien verlangen, nämlich gegenseitigen Respekt, friedliche Koexistenz und Kooperation mit Win-Win, um die Beziehungen zwischen China und den USA stabilisieren und verbessern zu können.» «Renmin Ribao» erläuterte zu den Prioritäten, wonach «gegenseitiger Respekt die Voraussetzung, friedliche Koexistenz die Grundlage und Kooperation und Win-Win die Ziele» dazu darstellten.

Mit Blick auf den konzeptionellen Inhalt der Verhandlungsposition von Xi Jinping bei dem Treffen mit Biden verlautete das Hauptorgan der KPCh:

«Die US-Seite sollte die Mentalität des Kalten Krieges und der Konfrontation ablegen, doch jene ‘Lücken’ mit konkreten Aktionen und politischen Maßnahmen schließen, um das gegenseitige Vertrauen zwischen China und den Vereinigten Staaten zu vertiefen. Es gibt weit mehr gemeinsame Interessen als Widersprüche. Beide Seiten können gemeinsamen Erfolg und gemeinsamen Wohlstand erreichen. Als zwei große Länder haben China und die USA eine besondere Verantwortung.»

Die Kehrtwende des Weißen Hauses

Doch dann lief etwas schief: Es wurde bekannt, dass das Weiße Haus nicht in der Lage wäre, seinen Versprechen nachzukommen. Lifeng war gezwungen einmal mehr nach Amerika zu reisen, um die Verhandlungen mit Yellen wiederaufzunehmen und nahezu bis zur Ankunft Xi Jinpings in San Francisco anhielten. Die Nichteinhaltung der Vorabvereinbarungen konnte nicht ohne Auswirkungen auf den Ton der persönlichen Gespräche und die offiziellen Erklärungen zu den Ergebnissen bleiben.

Jene fielen ziemlich bescheiden aus:

  • Die militärischen Konsultationsmechanismen, die nach dem Zwischenfall mit dem «Großen Weißen Ballon» [Abschuss eines verirrten chinesischen Wetterballons durch die US Airforce] ausgesetzt worden waren, wurden reaktiviert.
  • Es wurden Gruppen gebildet, die sich mit Drogen, der Nutzung künstlicher Intelligenz für militärische Zwecke und der Sicherheit auf See befassen.

Vor dem Hintergrund selbst dieser begrenzten Fortschritte, sticht hervor, dass Veränderungen im Handel und in der Wirtschaft mit keinem Wort Erwähnung fanden. Doch, gerade solche wären für China, welches nach drei Jahren CoV und fünf Jahren US-Sanktionen um eine Wiederbelebung seines Wirtschaftswachstums kämpft, von größter Bedeutung. Biden hatte nicht einmal seine neuesten Durchführungsverordnungen aufgehoben, die US-Investitionen und Lieferung von Halbleitern an die High-Tech-Sektoren der chinesischen Wirtschaft einschränken. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Sanktionen, die seit 2018 verhängt worden waren und in ihrer Gesamtheit den Charakter eines Handelskriegs angenommen haben und die Fortschritte des Reichs der Mitte auf dem Weg zur «großen Renaissance der chinesischen Nation» verlangsamen.

Die wirtschaftliche Lage in China ist in der Tat nicht die beste – es gibt viele Probleme. Doch, welcher Staat erlebt keine wirtschaftlichen Probleme. In der Tat setzen die amerikanischen Sanktionen Peking unter Druck: Sie verstärken Ungleichgewichte der Entwicklungen zwischen Binnen- und Küstenprovinzen, verlangsamen den Zustrom ausländischer Investitionen und Technologien, fördern die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen und Landbewohnern und lassen Zweifel an der Stabilität einer Wirtschaft aufkommen, die nach wie vor von ausländischen Märkten abhängig ist. Aber es geht hier nicht um Sein oder Nicht-Sein, sondern nur um das Schritttempo der Entwicklung. Denn, das Wachstum der chinesischen Wirtschaft hält weiter an und wird sich laut IWF-Prognose bis Ende dieses Jahres auf 5,4 Prozent belaufen. Trotz aller bestehenden US-Sanktionen geht der bilaterale Handel zwischen den USA und der VR China weiter.

Als Donald Trump 2018 den Handelskrieg gegen China aufnehmen ließ, wurde Peking unvorbereitet getroffen. Die Chinesen hatten den bevorstehenden Sturm vermutet, aber nicht so schnell erwartet. Jetzt muss Peking Zeit gewinnen, um seine Abhängigkeit von Amerika bzw. dem Westen generell zu verringern. Xi Jinping setzt auf Langfristigkeit: Die “große Wiedergeburt der chinesischen Nation” ist für 2049 geplant. Biden absolviert einen 4×100-Meter-Lauf, aber mit Hürden. Er kann keine langfristigen Versprechungen abgeben und es gibt kein Vertrauen in solche kurzfristiger Natur – nur in begrenzte und vorübergehende Kompromisse. In Peking herrscht also keine große Enttäuschung.

«Die wichtigsten Beziehungen der Welt» in Nöten

Xi Jinping konnte keinen «historischen Sieg» aus San Francisco mitgebringen. Aber er ist sich der Kräfteverhältnisse auf der Weltbühne und der wahren Absichten Washingtons bewusster geworden. Am 14. November, dem Tag der Abreise Xi Jinpings nach Amerika, veröffentlichte die Zeitung Renmin Ribao einen Abschiedsartikel. Er spiegelt die Illusionen eines Teils der chinesischen Elite über die Rückkehr der «guten alten Zeiten» wieder. Die Zeitung schrieb: «Die Beziehungen zwischen China und den USA sind die wichtigsten bilateralen Beziehungen der Welt. Ob die VR China und USA den richtigen Weg der Kommunikation finden können, tangiert die friedliche Entwicklung der Welt und das zukünftige Schicksal der Menschheit.» Zur gleichen Zeit wurde Russland in der zentralen Presse Chinas merklich weniger erwähnt.

In seiner Rede in San Francisco verwendete Xi Jinping seinen Lieblingssatz:

«Die Welt unterliegt einem so gewaltigen Wandel, wie man ihn in den letzten 100 Jahren nicht erleben konnte».

Er fügte hinzu, dass es nun an Washington und Peking läge, zusammenzuarbeiten oder Konfrontation zu wählen. Während seinen Gesprächen mit Präsident Putin wurden die Beziehungen zwischen China und Russland nicht als die «wichtigsten Beziehungen der Welt» bewertet. Aber den Worten über die «eindrucksvollen Umwälzungen, wie es sie seit 100 Jahren nicht mehr gegeben hat» auf den Stufen des Großen Kremlpalastes im März dieses Jahres folgte ein wichtiger Zusatz: «Sie [Putin] und ich [Xi] treiben diese Umwälzungen vorwärts».

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Übersetzung aus dem Russischen: UNSER-MITTELEUROPA



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