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Teil II – Der russische Außenminister Sergej Lawrow
bestreitet Podiumsdiskussion an den Primakow-Lesungen
des internationalen Forums in Moskau

Frage: Jedes System der internationalen Beziehungen (Versailles, Jalta-Potsdam) ist nach einem großen Krieg entstanden. Die Unipolarität entstand nach dem Kalten Krieg. Ist es möglich, eine zukünftige internationale Ordnung ohne tragische Ereignisse zu errichten?

Sergej Lawrow: Inwiefern ist die derzeitige Situation besser und sicherer als zu Zeiten des Kalten Krieges?

Frage: Wollen Sie damit sagen, dass wir derzeit mitten in einem zweiten Kalten Krieg stecken?

Sergej Lawrow: Es sollte anders bezeichnet werden. Während des Kalten Krieges gab es gegenseitige Kontrollen. Die beiden Supermächte und ihre jeweiligen Blöcke (Vereinigte Staaten – Sowjetunion, NATO – Warschauer Pakt) waren bestrebt, die Rivalität zwischen ihnen im politischen und diplomatischen Rahmen zu halten. Der Dialog über Rüstungskontrolle mit konkreten praktischen Ergebnissen wurde in dieser Zeit aufgenommen und rasch weiterentwickelt. Das vermittelte ein Gefühl der Sicherheit. Zumindest äußerten die Vereinigten Staaten, die Sowjetunion, die Länder des sozialistischen Blocks, NATO oder EWG keine Besorgnis zu den laufenden Ereignissen und äußerten keine ernsthaften Befürchtungen zu ihrer existentiellen Zukunft.

Heute sind diese Befürchtungen weit verbreitet und werden von vielen Politikern und NGOs (Nicht-Regierungsorganisationen) geäußert. Dies ist eine andere Situation, die nicht nur deshalb entstanden ist, weil der von den USA angeführte Westen beschlossen hat, uns im wahrsten Sinne des Wortes einen hybriden Krieg zu erklären. Hören Sie sich an, was sie sagen, wenn sie über die Situation in der Ukraine sprechen.

Die Ukraine wurde als Mittel gewählt, um uns eine strategische Niederlage zu bereiten. Das ist ihr erklärtes Ziel. Sie machen den Wählern Angst, indem sie sagen, dass dies erst der Anfang sei. Sie behaupten, dass Russland unersättlich wäre. Sie beziehen sich auf die baltischen Staaten, Polen und andere Verbindungen der US-Politik in Europa, auch im Sinne einer Schwächung der Europäischen Union. Der Chef des Pentagon, Lloyd Austin, hat kürzlich bei Anhörungen im Kongress mehrfach erklärt, dass Russland, wenn der Westen die Ukraine nicht unterstütze, als Sieger hervorgehen, doch es dabei nicht belassen würde: Angeblich würden die nächsten Ziele die baltischen Staaten, Polen und andere Nachbarländer sein.

Solche Aussagen werden von einer Person in einer Vertrauensstellung gemacht. Er hat Zugang zu Expertenbeurteilungen, auch von Pentagon-Analysten, die Staatsangelegenheiten zwischen Moskau und Washington auswerten. Es steht außer Zweifel, dass sie verstehen, was in der Ukraine auf dem Spiel steht und dass Russland keine aggressiven Pläne verfolgt, nie welche hatte und auch nicht haben kann. Ich werde nicht näher auf die Gründe der speziellen Militäroperation eingehen. Hauptgrund war das neonazistische Regime, welches aus dem verfassungswidrigen Staatsstreich vom Februar 2014 hervorgegangen war und vom Westen offen unterstützt wird. Es schlug einen Kurs ein, der auf eine gesetzliche und in einigen Fällen existentielle Vernichtung alles Russischem in all jenen Landstrichen abzielt, die seit Jahrhunderten von Russen besiedelt und entwickelt worden waren. Gleichzeitig wurde das neonazistische Regime zu einem Instrument gemacht, um Russland im Interesse des Westens eine strategische Niederlage auf dem Schlachtfeld zuzufügen. Wenn dies nicht eine direkte Bedrohung unserer Interessen, Sicherheit und Menschen darstellt, die sich seit Generationen als Russen verstehen, dann gibt es im Westen keine klardenkenden Analysten oder Menschen mit einem Gewissen.

Lange vor Beginn der militärischen Sonderoperation wurde der ukrainische Präsident Selenskyj gefragt, was er von den Menschen im Donbass halte, die unter der Schirmherrschaft der Minsker Vereinbarungen stünden. Er machte eine (rassistische) Bemerkung und erklärte, es gebe Menschen und es gebe Spezies. Er forderte von den Menschen, die in der Ukraine lebten und eine Verbindung zur russischen Kultur hätten, «sich – um ihrer Kinder und Enkel willen – nach Russland zu verdrücken». Diese Aussage wurde vom zivilisierten und aufgeklärten Westen mit Totenstille quittiert.

In Anbetracht solcher Entwicklungen heute, bin ich mir nicht sicher, wie Historiker diese Zeit einst bewerten werden. Tatsache ist jedoch, dass das Vorgehen der Vereinigten Staaten zur Zerstörung fast aller Rüstungskontrollvereinbarungen geführt hat. Darüber sind schon hunderte Seiten geschrieben worden. Ich würde die aktuelle Periode der Weltgeschichte nur unter größter Verantwortung angehen.

Frage: Wie stehen die Aussichten für die russisch-europäischen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen? Wenn man bedenkt, dass Russland fast ein Drittel der in Europa verbrauchten Kohlenwasserstoffe liefert, doch Europa sich nach alternativen Lieferanten umsehen dürfte. Wie sieht Moskau die Zukunft dieser Beziehungen?

Sergej Lawrow: Ich möchte nicht versuchen zu spekulieren, was Europa tun könnte. Ich denke, dass außer dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz und Vizekanzler Robert Habeck sich alle der Situation bewusst sind, in der sie sich jetzt befinden.

Ein Blick auf Statistiken genügt zu erkennen, um wieviel das Wirtschaftswachstum der Vereinigten Staaten das der Europäer übertrifft. Frankreich scheint ein Nullwachstum auszuweisen und die vormaligen europäischen Wirtschaftsmotoren, Deutschland und Vereinigtes Königreich werden negatives Wachstum zeigen. Nach einer Reihe von Gesetzen, welche die Amerikaner zur Bekämpfung der Inflation und anderer Probleme erlassen haben, sind die Energiepreise in den Vereinigten Staaten vier- bis fünfmal niedriger als in Europa, wo die Deindustrialisierung herrscht.

Unternehmen, die um ihre Zukunft besorgt sind, verlagern ihren Standort in die Vereinigten Staaten: Ich bin sicher, dass dies kein Zufall ist, sondern eine kalkulierte Politik Washingtons, denn Europa ist ein Konkurrent, den die USA nicht brauchen.

Sie brauchen eine Gruppe farbloser Menschen, die tun, was man ihnen befiehlt. Ich möchte den Europäern nicht zu nahetreten, aber die derzeitigen politischen Eliten verhalten sich genauso.

Schauen wir uns die Statistiken an. Es ist wichtig, sich gewahr zu werden, was vor sich geht. Zum jetzigen Zeitpunkt brauchen wir nicht über Wege zu denken, um die Beziehungen zu Europa wiederherzustellen. Im Moment müssen wir uns darauf konzentrieren, unabhängig von den Marotten europäischer Politik (insbesondere in den Bereichen Handel, Wirtschaft und Investitionen), die sie unter dem Einfluss Washingtons einführen, zu bleiben. Wir müssen uns in allen Schlüsselbereichen unserer Wirtschaft (einschließlich der Sicherheit und dem täglichen Leben im Allgemeinen) absichern, von denen die Zukunft des Landes abhängt. Wir müssen alles, was wir für die Sicherheit, das Wirtschaftswachstum, die Bewältigung sozialer Probleme und die Einführung moderner Technologien benötigen, selbst produzieren (erst vor kurzem fand eine weitere KI-Veranstaltung statt), damit wir nicht von ihren Launen und der möglichen Verhängung weiterer Sanktionen in Mitleidenschaft gezogen würden.

Die Beschränkungen sind nicht verschwunden. Der Westen will die Dinge zu Ende bringen, ohne dass es jemand merkt. Er will die Dinge einfrieren, um Zeit zu gewinnen (wie es bei den Minsker Vereinbarungen der Fall war), das Nazi-Regime in Kiew aufrüsten und seine hybride (oder nicht hybride) Aggression gegen die Russische Föderation fortsetzen zu lassen. Doch, selbst nachdem alles vorbei sein sollte, würden die meisten Sanktionen bestehen bleiben.

Wir müssen uns auf unseren eigenen Verstand verlassen. Wenn sie zur Vernunft kommen und ihre Angebote unterbreiten, werden wir es uns zweimal überlegen, bevor wir handeln und abwägen, ob ihre Vorschläge unseren Interessen entsprechen sowie die Vertrauenswürdigkeit unserer europäischen Kollegen bewerten. Sie haben ihre Verhandlungsfähigkeit und ihren Ruf ernsthaft untergraben. Doch, vielleicht ist noch nicht alle Hoffnung verloren.

Frage: Wir geben seit etwa 30 Jahren die Zeitung Russia Today und seit 15 Jahren China Today heraus. Unsere Gruppe berichtet ausführlich über die Fortschritte in den Beziehungen zwischen Russland, Indien und China sowie über die beispiellose Expansion der BRICS. Die Welt, die sich um Amerika dreht, steht vor dem Aus, aber sie widersetzt sich noch.

Wir sehen, wie sich das nordatlantische Bündnis nach Osten, in den asiatisch-pazifischen Raum, ausdehnt – es ist sogar von einer pazifischen NATO die Rede. Dies stellt eine Bedrohung für die globale Sicherheit dar. Wie werden Russland, China, die BRICS-Staaten und alle Organisationen, die sich einem solch aggressiven Verhalten widersetzen, darauf reagieren?

Sergej Lawrow: Wir werden Zeugen neokolonialer Reflexe des Westens. Es besteht der Wunsch, weiterhin auf Kosten anderer zu leben, so wie sie es seit über 500 Jahren getan haben. Es ist für jeden klar, dass diese Epoche zu Ende geht. Dessen sind sie sich bewusst. Manche bezeichnen die gegenwärtigen Versuche des Westens, seine Hegemonie zu bewahren, als die Agonie der Epoche. Dieser Vergleich hat seine Berechtigung, aber die Epoche wird noch lange dauern. Es ist ja nicht so, dass man erwacht wäre und neue faire Regeln der Weltwirtschaft vor sich sieht.

Die USA sind nach wie vor eine mächtige Nation mit einer riesigen Wirtschaft. Die Europäische Union hat ihr Gewicht noch nicht verloren, obwohl dieser Prozess im Gange ist und sich beschleunigen wird. Aufgrund bestimmter Umstände wurde Russland nicht so tief in das Globalisierungsmodell hineingezogen, das von den Amerikanern vorangetrieben und allen angeboten wurde, indem sie buchstäblich sagen: «Benutzt es!» Angeblich wäre das alles nicht nur für sie getan worden und der Dollar eine Währung für alle. Hinzu kommen alle anderen Prinzipien hinzu, wie: Eigentum, Unschuldsvermutung, internationales Recht, das universell akzeptabel und anwendbar sein soll.

All das wurde mit Füßen getreten und in dem Moment über Bord geworfen, als man beschloss, die Russische Föderation zu «bestrafen». Der Plan besteht darin, die Ukraine in eine direkte Bedrohung gegen Russland zu verwandeln, einschließlich der Zerstörung und Eliminierung alles Russischem in diesem Land.

Die USA und das Vereinigte Königreich planten den Bau von Marinestützpunkten am Schwarzen Meer und Asowschen Meer. Der Plan ist gescheitert, und wir haben so reagiert, wie wir es taten. Es geschah nicht über Nacht. Wir hatten sie seit über acht Jahren gewarnt. Wir schlugen Verträge zur europäischen Sicherheit vor, die für Stabilität auf dem Kontinent sorgen würden, ohne dass es zu einer Ausweitung militärisch-politischer Blöcke käme. Wir waren bereit, die CSTO nicht zu erweitern. Dies war seit 2009 der Fall.

Im Dezember 2021 legten wir den USA auf Anweisung des russischen Präsidenten Wladimir Putin neue und endgültige Vorschläge vor, die ausgeschlagen wurden. Wir wurden gefragt, welche Art von Sicherheit wir wollten. Angeblich könnte rechtlich garantierte Sicherheit nur innerhalb der NATO gewährleistet werden. Dieselbe Antwort wiederholte sich, als wir sie daran erinnerten, dass sie auf der OSZE-Tagung in Astana 2010 ihre Unterschrift unter den Grundsatz der unteilbaren Sicherheit gesetzt hatten, demzufolge keine Organisation zu dominieren berechtigt wäre. Genau das tun sie jetzt. Wir haben gefragt, warum sie nicht bereit wären, rechtsverbindliche Garantien an alle zu erlassen, wo doch sämtliche OSZE-Mitglieder dafür wären. Einige Junior-Diplomaten in Brüssel und Washington erklärten uns, dass es ihnen völlig gleichgültig sei, was Präsidenten und Premierminister, einschließlich ihrer eigenen, auf OSZE-Gipfeltreffen zur unteilbaren Sicherheit beschlossen hätten: Rechtliche Sicherheitsgarantien gebe es nur für NATO-Mitglieder. Deshalb versuchten sie, das Bündnis attraktiver zu machen, um neue Mitglieder zu gewinnen, entgegen früher abgegebener Versprechen.

Russland war nicht so tief in dieses Globalisierungsmodell integriert. Unser Handelsumsatz mit den USA war unbedeutend. Mit der EU war er bedeutend, aber basierend auf einer Entwicklung, die noch in die Sowjetzeit zurückreichte. Sie versuchten, diese Zusammenarbeit zu blockieren, die sich jedoch durchsetzte und zur Grundlage für den Wohlstand Europas und zur Lösung seiner sozioökonomischen Probleme in einem noch nie dagewesenen Ausmaß, wurde.

Wir haben mit dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank zusammengearbeitet, aber wir waren nicht so stark in diese Systeme eingebunden wie beispielsweise China oder Indien. Jetzt erkennen Letztere, dass sie für ihre Unabhängigkeit eintreten müssen. Daran gibt es keinen Zweifel. Wir diskutieren dieses Thema innerhalb der BRICS und der SCO. Es werden alternative Zahlungsplattformen eingeführt, und der Übergang zur nationalen Währung schreitet rasch voran. Neu-Delhi und Peking sind jedoch um ihre Interessen besorgt und sehen, dass ihre Volkswirtschaften leiden würden, wenn sie dieses System verlassen und beginnen würden neue Strukturen aufzubauen.

Es hat eine allmähliche Abkehr von der Abhängigkeit vom Dollar, den Zahlungssystemen und den vom Westen geschaffenen Lieferketten stattgefunden.

Niemand weiß, was mit dem neuen US-Präsidenten in fünf oder sechs Jahren geschehen wird, aus welchen Abkommen er aussteigen und für welche neuen er eintreten würde. Sie haben die universellen Handelsabkommen in Asien aufgegeben und begonnen, ihre eigenen ohne China zu schaffen.

Indien und China haben diese Botschaft verstanden und beginnen damit, ihre Abhängigkeit von der Gesetzlosigkeit der Urheber dieses Globalisierungsmodells, die immer noch eine wichtige Rolle darin spielen, zu verringern. Dies wird nicht schnell und abrupt geschehen, wie es bei uns der Fall war.

Wir wurden gezwungen entschlossen und in großem Umfang zu handeln, als Reaktion auf über 11.000 Sanktionen, die darauf abzielten, die russische Wirtschaft abzuwürgen, um die Lebensbedingungen der Menschen zu verschlechtern, in der Hoffnung, dass diese sich erheben und aufbegehren würden. Sie sagen offen, dass es dies genau wäre, was sie beabsichtigen.

Wenn wir die Statistiken von Chinas Dollarreserven vor drei Jahren und heute vergleichen, spricht die Situation für sich. Ich glaube, unsere indischen Freunde denken über ähnliche Ansätze nach. Niemand will zur Geisel eines weiteren «geopolitischen Nervenzusammenbruchs» werden. Wir setzen niemanden unter Druck. Es gibt die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, BRICS und andere Strukturen. Es gibt Beziehungen zwischen der EAEU und SOZ [Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit], ASEAN und der chinesischen Belt and Road Initiative [BRI, Seidenstraße]. Nachhaltige Formen der Zusammenarbeit und der Versorgung unserer Volkswirtschaften werden ganz natürlich, ohne Zwang an der Basis diskutiert. Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen, aber er wird von Dauer sein.

Frage: Die Möglichkeit der Einführung einer gemeinsamen Währung innerhalb der BRICS wurde auf dem diesjährigen BRICS-Gipfel ausgiebig diskutiert. Wird Russland, welches 2024 den Vorsitz der BRICS übernehmen wird, dieses Thema erneut aufgreifen? Gibt es ähnliche Pläne innerhalb der SOZ?

Sergej Lawrow: Dies war eines der am meisten diskutierten Themen auf dem BRICS-Gipfel in Johannesburg. Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva widmete diesem Thema große Aufmerksamkeit. Das hat niemanden überrascht, denn als er vor dem Gipfel wieder Präsident wurde, rief er dazu auf, wenn schon nicht eine gemeinsame Währung, so doch zumindest einen Mechanismus zu schaffen, bei dem die nationalen Währungen eine entscheidende Rolle spielen würden. Er schlug vor, dies im Rahmen der CELAC und BRICS zu tun.

Als Ergebnis dieser Diskussionen verabschiedeten die Staatschefs der Vereinigung in Johannesburg eine Erklärung, in der sie die Finanzminister und Zentralbankgouverneure beauftragten, Empfehlungen für alternative Zahlungssysteme auszuarbeiten. Wir gehen davon aus, dass diese Empfehlungen im Jahr 2024 vorgelegt werden. Da Russland den BRICS-Vorsitz übernimmt, werden wir eine gründliche Überprüfung mit Schwerpunkt auf die Entscheidungsfindung organisieren. In der SOZ fanden Diskussionen über gemeinsame Zahlungsplattformen statt, aber konkrete Anweisungen wurden noch nicht entwickelt.

In unserem Zahlungsverkehr mit der Volksrepublik China ersetzen nationale Währungen zunehmend den Dollar – bis zu 90 Prozent der Zahlungen werden bereits in Rubel und Yuan abgewickelt. Mit Indien liegt der Anteil bei knapp bzw. etwas über 50 Prozent. Die gleichen Zahlen gelten auch für alle anderen Mitglieder dieser Verbände.

Frage: Es gibt viele Phänomene, darunter staatliche Akteure und [nicht staatliche] Bewegungen sowie die Globalisierung mit der Erkenntnis, dass die Welt eine Einheit bildet und auf der Ebene der Menschen eng miteinander verbunden ist. Wie werden diese nichtstaatlichen Akteure sowie Mitglieder von Bewegungen Ihrer Meinung nach an dieser komplexen multipolaren Welt, die sich herausbildet, partizipieren?

Sergej Lawrow: Ich mag das Wort «Akteure» nicht. Es gibt ein besseres Wort dafür – «Darsteller».

Das ist eine ernste Frage. Ein Teil der Philosophie, die die Amerikaner im Rahmen ihres Globalisierungsmodells weltweit propagiert haben und die sie den einen beharrlich anbieten und den anderen aufzwingen, betrifft die Rolle der Nichtregierungsorganisationen und die der Zivilgesellschaft. Die Amerikaner haben Tausende von NGOs [Nicht-Regierungsorganisationen / Non-governmental organizations] gegründet. Hunderte von ihnen sind im postsowjetischen Raum tätig, insbesondere in Armenien und Kirgisistan. Sie werden auch in anderen zentralasiatischen Ländern aktiv eingeführt. Die Ukraine ist definitiv ein solches Land. Auch in Weißrussland gab es einige von ihnen. Doch als die Ereignisse im August 2020 deutlich zeigten, welche Rolle diese NGOs bei der Destabilisierung der Lage in Belarus spielten, wurde ihre Zahl drastisch reduziert.

Sie als «Nicht-Regierungsorganisationen» zu bezeichnen, geht zu weit. Schauen Sie sich alle wichtigen Einrichtungen in den Vereinigten Staaten an, alle ihre Stiftungen – das «National Democratic Institute» oder das «International Republican Institute» – viele sind nicht mehr mit den führenden US-Parteien verbunden. Praktisch 90 Prozent der Mittel für diese «NGOs» kommen aus dem US-Haushalt, auch von USAID und diese NGOs bilden Teil der US-Bürokratie. Es handelt sich um Haushaltsmittel. Die Finanzierung kann auch über andere Kanäle erfolgen, die ebenfalls mit Haushaltsmitteln verbunden sind. Sie verfolgen die «Parteilinie» unabhängig davon, welche Partei (Demokraten oder Republikaner) in Washington das Sagen hat. Die Politik besteht darin, die Prozesse in den Ländern, in denen diese NGOs tätig sind, direkt zu beeinflussen.

Die Behauptung, dass die Zivilgesellschaft breiter vertreten sein sollte, ist eine weitere Tatsachenverdrehung. Wir wissen, was diejenigen, die solche Forderungen stellen, im Sinn haben. Nehmen wir die (nahezu optimale) Stellung der NGOs in globalen Angelegenheiten. Es gibt den Ausschuss für Nichtregierungsorganisationen des UN-Wirtschafts- und Sozialrats. Es gibt ein Verfahren für die Zusammenarbeit mit öffentlichen Einrichtungen. Bewerber, die sich um den Status beim Wirtschafts- und Sozialrat oder bei der UN-Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit bewerben, müssen sich an diesen Ausschuss wenden. Sie füllen ein Formular aus, und es wird ein Hintergrundcheck über sie durchgeführt. Sie nehmen an einer Anhörung teil und beantworten Fragen. Die Ausschussmitglieder vergewissern sich, dass diese Organisation wirklich die Zivilgesellschaft vertritt und nicht ein Werkzeug einer ausländischen Regierung ist. Natürlich passieren auch Fehler. Man kann nicht alles vorhersehen und aufdecken, aber insgesamt handelt es sich um einen normalen, transparenten und ehrlichen Prozess.

Es gibt aber auch die OSZE mit ihren drei «Körben». Der «militärisch-politische Korb» basiert auf Vereinbarungen über Rüstungskontrolle und vertrauensbildende Maßnahmen, der von den Amerikanern demontiert wurde. Es gibt den «wirtschaftlichen Korb», der ebenfalls durch den Zusammenbruch der Beziehungen Russlands zu Europa zusammengebrochen ist. Und es gibt den «humanitären Korb», vertreten durch das «Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte», den «Hohen Kommissar für nationale Minderheiten» und den «Beauftragten für Medienfreiheit». Für keine dieser OSZE-Institutionen gelten ähnliche Regeln wie die von mir genannten. Wenn das jährliche OSZE-Implementierungstreffen zur «humanitären Dimension» stattfindet (in der Regel im Herbst), kann jeder «von der Straße» erscheinen und behaupten, er setze sich für die «Rechte der Armen» ein, oder jemand anderer kann behaupten, er setze sich für die «Rechte von Transgender-Personen» ein, und wieder andere behaupten, sie würden die Rechte derjenigen verteidigen, die gegen den Kommunismus kämpften. Damit ist die Sache besiegelt: Eine Person würde ein Amt antreten und Reden halten und dabei die gleichen Rechte genießen wie Regierungsbeamte.

Wir haben dieser Praxis ein Ende gesetzt. Jetzt gibt es zumindest eine Art von Verfahren. Wir haben dem auf einfache Weise ein Ende gesetzt. Nach der Wiedervereinigung der Krim mit Russland begannen NGOs aus der Republik Krim, dorthin [z.B. zur OSCE] zu reisen. Können Sie sich die Reaktion vorstellen? Wenn die einen nicht reingelassen werden, werden wir auch keine anderen reinlassen.

Aber das lässt die Dinge immer noch unreguliert. Es gibt immer noch keine Regeln. Die OSZE existiert ohne eine Charta. Es gab eine Zeit, da waren alle begeistert und begrüßten die erweiterte Beteiligung der Zivilgesellschaft, der transnationalen Unternehmen und der Wirtschaft im Allgemeinen auf gleicher Augenhöhe mit den staatlichen Behörden.

Bei den Konferenzen, die der Westen zu Klima, Umwelt und vielen anderen Themen abhielt, bestanden die Teilnehmer darauf, dass Unternehmen und NGOs gleichberechtigt mit den Regierungen mitwirken. Jetzt sind viele dagegen. Der Enthusiasmus hat stark nachgelassen.

Es ist deutlich geworden, wie sie schwache Staaten behandeln. Ich glaube nicht, dass sich eine solche Situation zu unseren Lebzeiten wiederholen wird.

***

Übersetzung aus dem Russischen: UNSER-MITTELEUROPA

Fortsetzung vom letzten Teil III zur Podiumsdiskussion folgt

Teil I: Die Rede von Sergej Lawrow an den Primakow-Lesungen: Hier



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Von Redaktion

8 Gedanken zu „Sergej Lawrow antwortet: «Wir werden Zeugen neo-kolonialer Reflexe des Westens!““
  1. die russen sind nicht nur weitaus die besseren
    schachspieler…sie haben bei weitem das prof
    essioneller politpersonal als das abgefrackte
    ami-arsckriecherland….teusche…lande

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  2. Gegen Lawrow ist Annalena mittlerweile nur noch ein bemitleidenswertes “Gänseblümchen” welches von der ganzen Welt nur noch freundlich belächelt wird. Unsere derzeitigen Eliten hat mit Sicherheit keiner so gewählt. Denn es gibt auch bei Grünen und SPD (ganz zu schweigen bei AfD) genügend Fachleute, die ihr Handwerk verstehen.

    1. Gänseblümchen???? – Also aus meiner Sicht eher hochgiftiges Unkraut. Gänseblümchen haben positive Energie, sind essbar und sehr gesund. Hochgiftiges Unkraut muss dagegen mit Stumpf und Stiel ausgeröttet werden.

      Meiner Ansicht nach.

  3. Als Deutscher kann ich nur sagen: Es waren GB und USA, welche deutsche Städte bombardiert haben, also Frauen (die wehrfähigen Männer waren meist in der Armee), Kinder, Kranke und Senioren gezielt getötet haben. Von sowjetischer Seite sind 1941-45 auf deutschem Boden sporadisch militärisch relevante Einrichtungen angegriffen worden.

    In Korea und Vietnam haben die USA noch schlimmeren gezielten millionenfachen Völkermord an Zivilisten verübt. Berüchtigt sind bis heute das Napalm und das Dioxin enthaltende Agent Orange.

    1. Wozu haben die Amis wohl ca. 800 Militärbasen auf der ganzen Welt?
      Weil sie ja so friedlich sind!
      Irgendwann werden sie noch versuchen, den Russen die Ausrottung der Indianer unter zu jubeln!

  4. Wie auch immer – der schon immer hier lebenden (f. n. M.) Bev.lkerung läuft die Zeit davon. Je länger diese m. A. n. SAT-AN-istischen völlig Durchgeknöllten hier schalten und walten können, umso schlimmer für die schon immer hier lebende Bev.lkerung. Die müssen schnellstens WEG und durch vernünftige pro-teutsche Leute ersetzt werden.

    Meiner Ansicht nach.

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