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13.2.2024: Wahlen auf Taiwan – kann zumindest in Fernost die Vernunft siegen?

Eine scharfe Konfrontation zwischen den USA und China in der asiatisch-pazifischen Region ist unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen

Von JURY TAWROWSKY | Die für den 13. Januar 2024 angesetzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Taiwan sind vielleicht das interessanteste politische Ereignis zu Beginn dieses Jahres. Die von kaum einem Land anerkannte Republik China mit ihren 23,5 Millionen Einwohnern würde ohne besonderen Anlass kaum ein so großes internationales Interesse hervorrufen. Selbst Taiwans beträchtliches wirtschaftliches Gewicht – 2/3 des russischen BIP – und seine Schlüsselrolle bei der Produktion leistungsfähiger Produkte der Halbleiterindustrie würden nicht reichen, den Mainstream, welcher mit den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten beschäftigt scheint, entscheidend abzulenken. Doch einige Experten sagen aufgrund des möglichen Wahlergebnisses in Taiwan den Beginn eines weiteren großen Krieges voraus. Ein solcher Krieg um Taiwan ist in der Tat wesentlicher Bestandteil des alten Spiels der USA, um China zu schwächen.

Nach der Vereinigung des Reichs der Mitte und Ausrufung der Volksrepublik China am 1. Oktober 1949 war die Regierung unter Mao Zedong in Feindseligkeiten rund um verschiedene Randgebiete verwickelt. Tibet zum Beispiel wurde erst 1951 annektiert. Es gab noch weitere wichtige Ziele für abschließende Operationen der Volksbefreiungsarmee (VBA), darunter Taiwan.

Mehr als zwei Millionen Soldaten und Funktionäre der Kuomintang-Partei, die China jahrzehntelang regiert, doch einen erbitterten Bürgerkrieg gegen die Kommunisten verloren hatte, flohen auf die Insel Taiwan, die zu diesem Zeitpunkt sechs Millionen Einwohner hatte. Kaum jemand zweifelte am Erfolg der gut aufgestellten roten Truppen, nachdem die USA dem gescheiterten Kuomintang unter ihrem Führer Chiang Kai-shek inzwischen den Rücken zugekehrt hatte. Doch 1950 brach der Koreakrieg aus. Im Oktober verschob Mao Zedong die besten Truppen gegen Norden, um den Führer Nordkoreas, Kim Il-sung vor der endgültigen Niederlage zu bewahren. Darauf änderten die Amerikaner ihre Haltung gegenüber Chiang Kai-shek und stellten Schiffe der 7. Flotte zum Schutz der Insel ab. Die Insel Taiwan selbst wurde in einen “unsinkbaren Flugzeugträger” verwandelt, von dem aus im Anschluss die Amerikaner die bevölkerungsreichen Städte der benachbarten Küstenprovinzen Chinas bedrohten.

Chiang Kai-shek vor der Flagge von Taiwan

Washington beschloss, die Beziehungen mit Taipeh zu “formalisieren” und unterzeichnete im Jahr 1954 einen “Sicherheitsvertrag”. Zugleich stationierte die USA Einheiten der Luftwaffe, Marine und des Marinekorps auf der Insel. Die Armee der Kuomintang wurde mit modernen Waffen aufgerüstet, die Produktion eigener Waffen begann und 1961 wurde sogar ein Nuklearprogramm gestartet. Chiang Kai-shek bereitete sich ernsthaft auf einen Revenge-Feldzug gegen Festland-China vor und ließ deshalb in der von dort mitgebrachten “Verfassung der Republik China” die Bestimmung zur Einheit Chinas so stehen.

Mit Hilfe großzügiger Unterstützung aus Übersee, eines harten Militärregimes und einer effektiven Verwaltung von Staat und Privatwirtschaft, machte Chiang Kai-shek Taiwan bereits in den 60er Jahren zu einem der “asiatischen Tiger”. Seine Erfolge standen ganz im Gegensatz zu den Zerwürfnissen im Zuge des “Großen Sprungs nach vorn” und der “Kulturrevolution” in Festlandchina, die erste Gefühle einer eigenen “taiwanesischen Identität” aufkommen ließen.

Eine bequeme Existenz unter dem amerikanischen “Nuklearschirm” hätte noch lange fortbestehen können. Doch Washington sah die Chance, einen noch viel größeren politischen Coup zu landen: Um China auf die Seite des Westens zu ziehen, ließen die USA zu, dass Taiwan 1971 aus der UNO ausgeschlossen wurde und die VR China Taiwans Platz übernahm. Im Jahr 1978 nahm Washington diplomatische Beziehungen zu Peking auf, während die Beziehungen zu Taipeh abgebrochen wurden. Allerdings verabschiedete der US-Kongress als “Trostpflaster” ein Gesetz, das die Fortsetzung von US-Waffenlieferungen an Taiwan weiterhin ermöglichte. Dieses Schlupfloch erlaubte seither der USA, Taiwan wieder als Druckmittel gegen Peking einzusetzen.

Der von Deng Xiaoping eingeleitete Wechsel der VR China auf die Seite des Westens während der westlichen Konfrontation gegen das sozialistischen Lager verhinderte für mehrere Jahrzehnte westliche Feindseligkeit gegenüber “Rotchina” sowie das Druckmittel “Taiwan” im Tagesgeschäft. Doch die Erfolge der “Reform- und Öffnungspolitik” unter Deng Xiaoping und seinen Nachfolgern aufgrund beunruhigte westliche Politiker. Während des Besuchs des damaligen US-Präsidenten Barack Obama 2009 in Peking, überraschte die USA Peking mit ihrem Angebot, gegebenenfalls die globale Rolle des kleinen Bruders in einem “G-2 Format” – im Tandem mit den USA – einzunehmen. Die Chinesen lehnten jedoch eine untergeordnete Rolle ab, was Washington im Nachgang veranlasste eine Politik der “Eindämmung” gegen die VR China einzuschlagen.

Außenministerin Hillary Clinton verkündete als neue US-Strategie einen “Schwenk nach Asien” zusammen mit der Verlegung von militärischen Kräften nach Fernost. Die Militärbündnisse im pazifischen Raum wurden erneuert und die Militärbasen in Japan, Südkorea und auf den Philippinen ausgebaut. Zur wirtschaftlichen Eindämmung wurde der Handelsblock der Transpazifischen Partnerschaft erfunden, zu dem China, die größte Volkswirtschaft der Region, jedoch nicht eingeladen worden war.

Kann die USA den friedlichen Zusammenschluss von Taiwan mit China verhindern?

Zugleich wurden umfangreiche Waffenlieferungen an die rebellische Insel einmal mehr aufgenommen. Die CIA begann mit Nachdruck anti-chinesische Organisationen aufzubauen: Man legte den Schwerpunkt auf Stimulierung nationaler Gefühle “taiwanesischer Identität” und das Narrativ der vermeintlichen Überlegenheit eines “demokratischen” Taiwan gegenüber dem “autoritär” geführten China. Die Demokratische Fortschrittspartei (DPP), die einen Kurs der “Souveränität” mit endgültiger Loslösung Taiwans vom Reich der Mitte einschlug, wurde zum Treiber solcher Gefühle. Im Jahr 2000 gewannen die Separatisten der DPP erstmals bei Wahlen. Seither zeigte der Kampf zwischen DPP und Kuomintang wechselseitige Erfolge und der nächste Schlagabtausch wird am 13. Januar 2024 entschieden.

Es scheint unwahrscheinlich, dass der Ausgang dieser Wahlen zu den von Washington so sehnlichst erwünschten katastrophalen Ereignissen führen würde. Der Präsidentschaftskandidat der regierenden DPP und derzeitige “Vizepräsident Taiwans”, Lai Ching-te, erklärte bereits, dass man keine konkreten Pläne verfolge, die komplizierten Verfahren zur Erörterung, geschweige denn zur rechtlichen Formalisierung einer “Unabhängigkeit” von Taiwan einzuleiten. Er gehe davon aus, dass Taiwan bereits unabhängig von Peking sei.

Hou Yu-ih, der Kuomintang-Kandidat und Bürgermeister von Taipeh, betont, dass die derzeitige “Verfassung der Republik China”, d.h. Taiwans, eindeutig den Grundsatz einer “Ein-China-Politik” festschreibe.

Ko Wen-je, der die neu gegründete Volkspartei (TPP) vertritt, wird nicht als wirklicher Konkurrent zu den Führern der beiden anderen Parteien gesehen. Auch er ist kein Befürworter der “Unabhängigkeit” und bezeichnet Festlandchina und Taiwan als “eine Familie”. Als Bürgermeister von Taipeh von 2014 bis 2022 pflegte er aktiv Kontakte zur VR China.

Die einzige Möglichkeit, die Situation zu anzuheizen und Peking zu einer Präventivmaßnahme zu provozieren, wäre ein Aufstand von Provokateuren nach dem Muster der Unruhen in Hongkong im Jahr 2019. Damals nutzten Gruppen von Extremisten, zumeist junge Leute mit aufgestauter Unzufriedenheit gegenüber der Sonderverwaltungsregion Hongkong (SAR) und inszenierten Tumulte in der Legislativversammlung, in den U-Bahn-Stationen und besetzten sogar den internationalen Flughafen von Hongkong. Nur Xi Jinpings angeborene “strategische Geduld” machte es möglich, auf den Einsatz von Truppen über die Grenze hinweg zu verzichten und die Situation lokal zu lösen.

Hongkong bildet einen integralen Bestandteil Chinas

Zuvor schon nutzten taiwanesische Gleichgesinnte ein Skript nach dem Vorbild der Hongkonger Randalierer. Es sei daran erinnert, dass im Jahr 2014 Gruppen junger Menschen das Parlamentsgebäude in Taipeh besetzten und die Verwaltung von Präsident Ma Ying-jeou, dem Vorsitzenden der Kuomintang-Partei, stürmten. Er war dabei, Taiwan der VR China anzunähern und ein Abkommen zur Erleichterung von Investitionen aus dem “Festland” für Taiwan abzuschliessen. Dieses Abkommen, das für die Wirtschaft und die Bevölkerung der Insel äußerst günstig war, vermochte die Position der Separatisten der DPP-Partei zu schwächen.

Die nächste Runde der Konfrontation wurde von den Separatisten entschieden: Im Jahr 2016 gewann die DPP die Präsidentschaftswahlen. Taiwan wurde seither von der Präsidentin Tsai Ing-wen geführt.

Das Ausbleiben eines raschen und dramatischen Wandels in Taipeh nach Ausgang der aktuellen Wahlen bedeutet nicht, dass die regionale oder gar globale Situation davon unberührt bliebe. Ein militärisches Eingreifen Chinas scheint praktisch ausgeschlossen: Eine offensichtliche Tatsache, die Xi Jinping gegenüber Biden bei dem Treffen in San Francisco bestätigte. Die maximal mögliche Reaktion selbst auf ungünstige Ereignisse wäre eine kurze Wirtschaftsblockade der Insel, ähnlich der in Folge der Taiwanreise von Nancy Pelosi im August des Jahres 2022. Die Amerikaner beabsichtigen auch nicht über die Verlegung von Flugzeugträgergruppen in die Nähe von Taiwan und ins Südchinesische Meer hinausgehen.

Wie es weitergeht, wird vom Ausgang der Wahlen abhängen. Ein Sieg der Separatisten würde die militärische und wirtschaftliche Lage auf beiden Seiten der Straße von Taiwan weiter verschärfen: Chinesische Flugzeuge und Schiffe würden zunehmend Manöver abhalten und damit ihre Bereitschaft signalisieren, die Wiedervereinigung nicht nur mit friedlichen Mitteln durchzusetzen.

Die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen, deren Volumen beeindruckend ist – die Investitionen taiwanesischer Unternehmen auf dem Festland belaufen sich auf über 200 Milliarden Dollar und der bilaterale Handel belief sich im Jahr 2022 auf 320 Milliarden Dollar – könnten darunter leiden. Mehr als eine Million Taiwaner sind dauerhaft in der VR China ansässig – Geschäftsleute, Ingenieure, Ärzte, Lehrer und Künstler. Kurz vor den Wahlen kündigte Peking einige Beschränkungen für taiwanesische Firmen an….

Der Sieg der Befürworter der Einheit Chinas gemäß Deng Xiaopings Formel “ein Land, zwei Systeme” würde es nicht nur ermöglichen, die militärischen Spannungen abzubauen, sondern auch zum Aufbau einer für beide Seiten vorteilhaften wirtschaftlichen Zusammenarbeit führen. Der Bau der Autobahn Peking-Taipeh könnte ein Symbol für eine Rückkehr zur Normalität werden: Sie soll die Meerenge – die Straße von Taiwan – mit einem etwa 120 Kilometer langen Unterwassertunnel unterqueren. Die Chinesen haben die Technik solcher Bauwerke bereits beim Bau der Unterwasserverbindung zwischen Zhuhai und Hongkong erfolgreich gemeistert. Der Preis von 50-60 Milliarden Dollar wäre erschwinglich. Alles, was nötig ist, wäre die politische Entscheidung von beiden Seiten.

Für Washington bedeutete der Sieg der Separatisten, dass der “Hebel Taiwan” weiterhin eingesetzt werden könnte, um Druck auf Peking zu verstärken. Die amerikanischen Strategen würden versuchen, Peking in die “Taiwan-Falle” zu locken und China zu einem Präventivschlag gegen die “rebellischen Separatisten” zu verleiten. Eine Wiederholung des “ukrainischen Szenarios” bleibt trotzdem unwahrscheinlich, kann aber nicht völlig ausgeschlossen werden.

Der Sieg der vernünftigen Kräfte könnte Washington dazu veranlassen, die Taiwan-Karte nicht mehr auszuspielen und der “Respekt vor dem Willen der Taiwanesen” könnte zu einem bequemen Vorwand werden, um die kostspielige und unwirksame Intervention gegen China zu beenden. Die Verlierer der DPP würden wieder schnell vergessen sein und in der Versenkung verschwinden. Der Verrat an “verbrauchten Vasallen” war schon immer ein beliebter Trick im Arsenal der Vereinigten Staaten. Darüber wird heute in Taipeh am Vorabend der Wahlen am 13. Januar sicherlich nachgedacht!

***

 Übersetzung aus dem Russischen: UNSER-MITTELEUROPA


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Von Redaktion

5 Gedanken zu „Wahlen in Taiwan diese Woche: Werden die Karten in Fernost neu gemischt?“
  1. Taiwan ist glücklicherweise militärisch ganz anders ausgestattet als die Ukraine und die Insel ist durch die Landschaft schon eine reine Festung.
    Zur Zeit hat China nicht die militärischen Kapazitäten Taiwan einzunehmen. Und das erst recht nicht, wenn die USA Taiwan militärisch beistehen. Das weiss man auch in Peking.

  2. man muss nur lange genug am flusse verweilen
    um den leichnam des feindes vorbeizreiben
    zu sehen

    der westsystem lebt nur noch von zinsen, luft$,
    luft€, hollywood propaganda und seiner sprich-
    wörtlich mittelalterlichen arroganz…

    das weiss der chinese, der russe, der inder und
    morgen auch der letzte afrikaner…
    nur der gebildete.westeuropäer anscheinend nicht

  3. Der chinesische Drache ist kein Hitzkopf sondern hat die kühle Gelassenheit eines jahrtausendealten Giganten.
    Fragt sich ob die VsVA es soweit treiben um selbst diesen Drachen zur Weißglut zu treiben – sind ja bloß die Formosaer die dafür ihren Kopf hinhalten müssen, und danach hängen Wohl und Verderben der modernen Weltwirtschaft endgültig nur noch vom Wohlergehen einer kleinen Halbinsel in umittelbarer Nachbarschaft eines nordkoreanischen Wonneproppens ab.

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