web analytics
Roman Babayan, Editor-in-Chief stellt seine Frage an den russischen Außenminister

Episode 4: Der russische Außenminister hat am 19. April 2024  – nur einen Tag bevor der US-Kongress sein Geburtstagsgeschenk über 91 Milliarden US-Dollar an seine treuesten Bandera-Nachfahren auf fernen Kontinenten zeitgerecht verabschiedete – drei russischen Medienkanälen, nämlich Komsomolskaya Prawda vertreten durch Olesya Nosova, Sputnik vertreten durch Magarita Simonyan und Govorit Moskva vertreten durch Roman Babayan – ein Interview gewährt:

UNSER-MITTELEUROPA greift einzelne Themen aus diesem Interview auf: Heute in Episode 4 geht es um die Frage der Zeitenwende mit der Abkehr vom atlantischen Hegemoniemodell der 15 Prozent hin zu einer neuen multipolaren Weltordnung, getragen von den restlichen 85 Prozent der Erdbevölkerungen.

Der Plan der atlantischen Kriegsfalken nach dem “NS-Bandera-Modell” gemäss Blaupause des “Führers” Russland zu zerschlagen und endgültig auszurauben, steht inzwischen vor seinem Aus: Rund eine halbe Million Ukrainer hat die westliche Wertegesellschaft in ihrem Ostfeldzug schon verheizen lassen und noch rund weitere zweihunderttausend an Opfern ist man bereit nachzuschieben. Doch, die westliche Eroberungspolitik auf gleich drei Fronten – in Europa, Nah- und Fernost – hat den Schulterschluss der beiden Super-Grossmächte Russland und China noch weiter vorangetrieben und die Notwendigkeit zur Realisierung des neuen multipolaren Globalisierungskonzeptes dringlicher gemacht. Dazu kommt: Über sechseinhalb Milliarden an Erdenbürgern warten darauf, doch noch ist der Westen nicht bereit das Handtuch zu werfen und seine Parasitenrolle endgültig aufzugeben.

Sergey Lawrow: Das euro-atlantische Sicherheitskonzept, wie von NATO & OSZE repräsentiert, erreichte seine Grenzen.

 Govorit Moskva: Was die Pläne von Vladimir Selenskyj betrifft, so ist alles klar: Sie sind indiskutabel. Istanbul geht auch nicht mehr, weil man dort versucht hatte, uns hineinzulegen. Welche andere Möglichkeit sehen Sie? Gibt es Alternativen oder eine dritte Optionen? Wenn wir über die Situation “vor Ort” sprechen, haben wir immer noch einen Teil der Region Charkow unter Kontrolle. Es ist völlig unklar, was morgen aus dieser Richtung passieren könnte. Die Lage “vor Ort” ändert sich laufend. Und was noch zu erwarten wäre, bis zu unserem Sieg? Oder ließe sich noch ein Vorschlag für ein Abkommen formulieren, um es zur Diskussion zu stellen?

Sergej Lawrow: Der russische Präsident hat bereits alles ausformuliert: Istanbul gehört der Vergangenheit an. Der Westen hat begonnen, den Ukrainern nicht nur Langstreckenwaffen zu liefern, sondern ihnen auch die Hilfe westlicher Militärspezialisten zukommen zu lassen, viele Raketentypen zu modernisieren, um deren Reichweite zu erhöhen. Die Ukraine begann, mit diesen Raketen zivile Ziele anzugreifen. Einmal versuchten die Ukrainer, mit Drohnen größerer Sprengstoffladung einen unserer strategischen Flugplätze anzugreifen. Wir haben es analysiert: Die Flugträger waren modernisiert worden, um die Reichweite zu erhöhen. Die Anschläge auf die Krim-Brücke sind ein weiteres Beispiel. Dies setzt sich fort in Bezug auf Sewastopol und die Schifffahrt im Schwarzen Meer sowie auf Handelsschiffe und Kriegsschiffe der Schwarzmeerflotte – ganz zu schweigen von Belgorod, Kursk und anderen terroristischen Anschlägen.

Präsident Putin drückte es klar aus, als er die Frage beantwortete, wie wir unser Territorium sicher machen können. Er sagte, dass wir die Linie, von der aus sie unser Territorium angreifen könnten, zurückverlegen sollten. Ich verstehe, dass Charkow in dieser Hinsicht keine geringe Rolle spielt.

Govorit Moskva: Wieweit werden wir vordringen? Werden wir über Charkow hinaus vorrücken, um es sicher zu machen. Diese Gebiete könnten unter Beschuss geraten: Müssen wir weiter vorrücken?

Sergej Lawrow: Wir sind fest davon überzeugt, dass wir die militärische Sonderoperation fortsetzen müssen. Wir werden keine Verhandlungsbereitschaft erkennen lassen, nur um Eindruck zu erwecken. Das ist in der Tat wahr. Doch, Gespräche mit Selenskyj sind aus vielen Gründen sinnlos. Seine Meister sind besorgt, dass sie ihre Vormachtstellung einbüßen könnten und dies einer geopolitischen Niederlage des Westen gleichkäme. Josep Borrell gestand, dass es ihnen schwerfallen würde, eine solche Niederlage einzugestehen und dass dies ihren Ruf beschädigen würde. Aber das zählt für sie alles nichts. Nehmen Sie nur die Amerikaner: Nach Vietnam war ihr Ruf jedem bekannt, nach Afghanistan, von wo sie ebenfalls flohen, das Gleiche. Jetzt werden sie aus dem Irak rausgeschmissen und in Syrien von verschiedenen Gruppen militärisch unter Druck gesetzt. Wo konnten die Amerikaner bleiben, wenn auch nur einmal?

Es sei denn, das Ziel wäre gewesen, Verwüstung anzurichten und das zu hinterlassen, was wir überall sehen. Wenn es das Ziel gewesen wäre, was immer sie erklärten, dann haben die Amerikaner überall versagt. Ich nenne als Beispiel das kleine Land Haiti, das die Vereinigten Staaten seit über 100 Jahren (seit 1915) “kontrollieren”. Aber sie können nichts ausrichten: Das Banditentum grassiert und ein Krimineller hat die Macht ergriffen. Sie versuchen, mit ihm zu kollaborieren. Sie haben ein Land [Kuba] nebenan, dem sie große Aufmerksamkeit schenken, auch im UN-Sicherheitsrat. Doch sie kommen nicht weiter. Wir klären die Dinge gerade in der Ukraine ab, weil wir von dort bedroht werden. Für die Vereinigten Staaten andererseits ist die Bedrohung jedenfalls der Drogenhandel, der von Haiti ausgeht.

Sputnik: … wir sind uns einig, dass es erstrebenswert wäre, sich weiter in Richtung Unabhängigkeit weg vom Westen zu bewegen. Es wäre sogar noch besser, falls wir von überhaupt niemanden abhängig wären.

Entsteht durch unsere derzeitigen Beziehungen zu China eine Gefahr für uns? Laufen wir Gefahr, von China abhängig zu werden, nachdem wir die Abhängigkeit vom Westen gelöst hätten? Oder wäre das in Ordnung, falls das passierte, weil wir für immer so tolle Freunde blieben?

Sergej Lawrow: China ist in der Tat eine andere Zivilisation. Ihr liegen andere Prinzipien zugrunde, die der Wahrung ihrer Interessen insbesondere in Bezug auf die Entwicklung der eigenen Wirtschaft, des sozialen Bereichs und eigenen Sicherheitsbereichs nicht entgegenstehen. Diese Dinge sind kulturell verankert.

China ist also kein junger Staat. Zugleich hat diese jahrtausendealte Kultur eine Geschichte der kolonialen Unterdrückung von verschiedenen Seiten her erfahren: Man erinnere sich nur an jene Zeiten unter Europäern und Japanern.

Die Chinesen lassen sich Zeit: Das ist Teil ihrer Kultur und ihres Nationalcharakters. Lao Tzu sagte seinerzeit, dass eine Reise von tausend Meilen mit einem kleinen Schritt begänne. In der Tat hat China in kleinen Schritten seine derzeitige Vormachtstellung in der Weltwirtschaft angestrebt. Nach und nach wurde es vor 20 Jahren zur einer globalen Produktionsstätte für westliche Marken, wie z.B. aus der Konsumindustrie. Heute gehört das Land zu den größten Volkswirtschaften der Welt. Geduld ist eine der wertvollsten Qualitäten, die das chinesische Volk auszeichnet.

Seither hat China Momentum aufgenommen und globale Ambitionen entwickelt. Xi Jinping hat mehrere Initiativen für eine Gemeinschaft der Menschheit mit gemeinsamer Bestimmung, in der sich alle an gemeinsam akzeptierte Prinzipien und Ansätze hielten, entwickelt. Die Belt & Road Initiative [BRI oder das Seidenstraßen-Projekt] ist ein Wirtschaftsprojekt, das im besten Sinne auf Internationalisierung chinesischen Kapitals, der Industrie und Lieferketten abzielt. Das beinhaltet auch eine globale Sicherheitsinitiative, die sich in vielerlei Hinsicht mit dem, woran wir arbeiten, deckt.

Als wir in Peking waren, haben wir mit der chinesischen Führung über die Förderung dieser Initiativen gesprochen. Es ist klar, dass dem eurasischen Sicherheitskonzept heute im globalen Kontext zentrale Bedeutung zukommt. Denn, das euro-atlantische Modell, auf dem die Sicherheit seit Gründung der OSZE und Zeiten der Sowjetunion beruhte und auf das wir uns nach dem Zerfall der Sowjetunion stützten, konnte der Westen nicht halten. Ich möchte es mir ersparen, auf all die Dokumente einzugehen, auf die wir uns geeinigt hatten und die für allseitige Sicherheit hätten sorgen sollen, doch vom Westen übergangen wurden. Das euro-atlantische Sicherheitskonzept, wie von NATO repräsentiert mit Mechanismen, wie dem Russland-NATO-Rat, flankiert von der OSZE hat in seiner heutigen Form seine Grenzen erreicht.

Wir wollen uns auf das eurasische Sicherheitskonzept konzentrieren, was viel natürlicher ist. Eurasien ist ein einziger Kontinent in dessen System kein Akteur von jenseits des Ozeans eingebunden steht. Das eurasische Sicherheitskonzept wird sich auf die Vereinigung aller bestehenden Projekte von EAEU [Eurasische Wirtschaftsunion; 5 Mitgliedstaaten mit total 182,6 Millionen Einwohnern], OVKS [Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit; 6 Mitgliedstaaten], SOZ [Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, 9 Mitgliedstaaten] und GUS [Gemeinschaft Unabhängiger Staaten; total 221 Millionen Einwohner] stützen. Chinas Belt & Road initiative wird eine materielle Grundlage für künftige Sicherheitsvereinbarungen schaffen. Wir werden die Tür für den westlichen Teil des Kontinents – sprich für alle – offenhalten.

Natürlich ist dies unser gemeinsames Haus. Jeder sollte sich anständig benehmen und vermeiden den Wünschen der Amerikaner nachzukommen, die sicher versuchen werden ihre Nase in all diese Zukunftsprojekte zu stecken. So, wie sie sich schon heute in alle möglichen Dinge in der asiatisch-pazifischen Region, im Indischen Ozean und in anderen Regionen einmischen.

Aber China ist ein mächtiger Akteur. Wenn China seine Initiativen vorschlägt, setzt es nie jemanden unter Druck. Peking kann ein wirtschaftliches Projekt vorschlagen, z. B. den Bau einer Eisenbahn in Zentralasien oder in Afrika oder sonst irgendwo, aber alle Entscheidungen werden auf der Grundlage von Interessenabwägungen getroffen. Dies ist in unseren Beziehungen mit China der Fall: Wir konnten im abgelaufenen Jahr einen Rekordanstieg des Handels auf 240 Milliarden Dollar verzeichnen. Er wird mit Sicherheit weiterwachsen. Ein großer Teil unserer industriellen Zusammenarbeit betrifft Hochtechnologie, wie Kernenergie oder den Bau modernster Flugzeugtypen und vieles mehr.

Aber ich verstand Ihre Frage dahingehend, dass wir gerade eine grosse Menge an chinesischen Waren sehen…

Sputnik: Ich sehe da nichts Falsches dran. Ich fragte Sie [nur] nach Ihrer Meinung…

Sergey Lawrow:… genau das wollte ich auch sagen. Wir sehen jetzt eine große Anzahl von chinesischen Produkten [auf dem russischen Markt]: Ich sehe darin keinerlei Problem.

Sputnik: Das teile ich…

Sergey Lawrow: … eben: Wettbewerbsfähige chinesische Autos sind großartig und helfen, unsere Autoindustrie zu verbessern. Wettbewerb beschleunigt den Fortschritt. Wir hatten in der Sowjetunion lange Zeit keinen Wettbewerb, doch um es ganz offen zu sagen, jeder mochte es: Ich hatte einen Shiguli [Anmerkung der Redaktion: Produziert von AvtoVAZ mit Exporten unter dem Brand “Lada”; zuletzt mit einer Kontroll-Beteiligung von Renault, die Russland im Jahr 2022 rückabwickelte], aber die Qualität wäre höher gewesen, wenn es früher schon Wettbewerb gegeben hätte.

Moskwitsch 6 | Quelle: Dilemmaespanol, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Jetzt bemühen sich das Shiguli-Werk in Togliatti, GAZ [Gorky Autowerk] und Moskwitsch nach Kräften. Doch, manche sagen: Was ist das für ein Moskwitsch, der die Hälfte seiner Teile aus China bezieht? Ja, und? Nun geht es los: Auch die chinesische Automobilindustrie begann mit Montagelösungen.

***

Übersetzung aus dem Russischen: UNSER-MITTELEUROPA



UNSER MITTELEUROPA erscheint ohne lästige und automatisierte Werbung innerhalb der Artikel, die teilweise das Lesen erschwert. Falls Sie das zu schätzen wissen, sind wir für eine Unterstützung unseres Projektes dankbar.

Details zu Spenden (PayPal oder Banküberweisung) hier.





 

Von Redaktion

2 Gedanken zu „Sergey Lawrow: Warum das eurasische Sicherheitskonzept künftig Vorrang hat“
  1. …ob unsere EU-Elite dem Inhalt des Interviews geistig folgen können. Glaube nicht, denn Sie sind sogar zu blöd, um fertigzulesen…

    6
    1
  2. Immer wieder eine große Freude, Sergei Lawrow zuzuhören. So Vollprofis haben die Menschheitsfeinde vom WEF nicht im Angebot, dort gibts nur geistig Verhinderte und Behinderte siehe Bierbock, Merkel, Makron und Co

    10

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert