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27. Juli 2024: Der ungarische Premierminister spricht über globale Umwälzungen

Falls Europa seine Kriegspolitik nicht ändert, werde es bald auf sich allein gestellt sein, erklärte Ministerpräsident Viktor Orbán am Samstag in einer grossen Rede am Schlusstag des 33. freien Sommeruniversitäts- und Studentenlagers in Tusnádfürdő (Bǎile Tușnad), Rumänien.

Der Ministerpräsident analysierte die kritische Lage, in der sich Europa zurzeit befindet, verstärkt durch die laufende Zeitenwende: Asien werde das dominierende Zentrum der Welt sein. In diesem Zusammenhang bedarf es aus europäischer Sicht einer übergreifenden Strategie, die Orbán detailliert darlegte.

UNSER-MITTELEUROPA bringt nachstehend die Zusammenfassung von Orbans Rede, doch plant aufgrund der grossen Wichtigkeit des Inhalts noch zusätzlich das Transkript in deutscher Übersetzung ungekürzt in zwei Teilen nachfolgen zu lassen.

Zusammenfassung der Rede von Viktor Orbán – Kurzfassung

Einleitend erwähnte Orbán, dass er am Freitag in Bukarest Gespräche mit seinem rumänischen Amtskollegen geführt habe: „Wir machen Fortschritte“, fasste Orbán zusammen. Rumänien sei heute der drittgrößte Wirtschaftspartner Ungarns und die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen bewegten sich auf Rekordniveau. Er habe zudem mit dem rumänischen Ministerpräsidenten, Marcel Ciolacu über das Projekt zum Bau einer Hochgeschwindigkeitseisenbahnline, Bukarest-Budapest konferiert. Er bestätigte, dass die ungarische EU-Ratspräsidentschaft die Frage des Schengen-Beitritts Rumäniens auf der Oktober-Tagung des Rates der EU-Innen- und Justizminister auf die Tagesordnung setzen werde.

Viele in Brüssel hätten die Bemühungen der ungarischen Friedensmission verurteilt, obwohl in den Verträgen der Union selbst festgeschrieben sei, dass „das Ziel der Union die Förderung des Friedens“ sei.

Die Zeit arbeite für die Seite der Friedensbefürworter, erklärte der ungarische Ministerpräsident. Er sagte in Bezug auf die Präsidentschaftswahlen in den USA voraus, dass „Trump ante portas“ stehe. Sollte Europa nicht noch vor den US-Präsidentschaftswahlen eine friedfertige Politik einschlagen, werde es nach dem Wahlsieg von Donald Trump gezwungen sein, eine Niederlage zu erleben, um dann im Alleingang dafür die politische Verantwortung übernehmen zu müssen.

Orbán sagte, dass Brüssel es als unangemessen empfände, die EU-Politik als eine Pro-Krieg zu bezeichnen. Nach Meinung in Brüssel unterstütze die EU den Krieg im Interesse des Friedens. Doch, gleichzeitig hätten seit dem Beginn der ungarischen Friedensinitiative der amerikanische – und russische Außenminister sowie auch der Schweizer miteinander gesprochen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj habe schließlich Donald Trump kontaktiert und der ukrainische Außenminister sei in Peking gewesen. Das bedeute, dass ein Prozess des Umdenkens begonnen hätte, fügte Orbán an. Langsam aber sicher bewege man sich von der europäischen Pro-Kriegs-Politik weg, hin zu einer Pro-Friedens-Politik, betonte der ungarische Premierminister.

Orbán sagte, der russisch-ukrainische Krieg habe die Wahrheit ans Licht gebracht, wie die rote Pille aus dem Film Matrix.

Mit seiner Erbarmungslosigkeit schaffe der Krieg neue Perspektiven, wie man sie vorher nicht kannte. In dieser wahren Realität verlören Ideologien ihre Bedeutung, ebenso wie Medienverzerrungen oder die „taktischen kleinen Lügen der Politiker“. Wahnvorstellungen spielten keine Rolle mehr, ebenso wenig wie Verschwörungstheorien, erwähnte der Ministerpräsident, doch was durchbreche, wäre die nackte, brutale Realität. Über diese Realität sprach dann der Ministerpräsident:

Als ersten Punkt hob er hervor, dass die Kriegsparteien im Kampf extreme Verluste zu beklagen hätten, doch trotzdem zu keiner Einigung kommen wollten. Dafür gebe es zwei Gründe: Einerseits glaubten beide, dass sie gewinnen könnten, andererseits werden beide von ihrer eigenen tatsächlichen bzw. vermeintlichen Wahrnehmung getrieben, sagte er.

Die Ukrainer glaubten, dass es sich um eine russische Invasion handle, die gegen das Völkerrecht und ihre territoriale Souveränität verstosse und sie in Wirklichkeit in Selbstverteidigung handelten und einen Unabhängigkeitskrieg führten. Im Gegensatz dazu meinen die Russen, dass der Ukraine die NATO-Mitgliedschaft versprochen worden wäre, doch sie weder NATO-Truppen noch NATO-Waffen an der russisch-ukrainischen Grenze dulden können. Das bedeutet, dass aus Sicht Russlands, sie daraus ihr Recht auf Selbstverteidigung ableiten. Dazu würde es sich nach ihrer Wahrnehmung um einen provozierten Krieg handeln. Mit anderen Worten, jede Partei sähe eine vermeintliche oder tatsächliche Wahrheit und keine der beiden Parteien wollte sich ergeben, fügte Herr Orbán an.

Dies führe zur Eskalation, erklärte der Ministerpräsident und betonte, dass es keinen Frieden geben könne, wenn es nach beiden Parteien ginge. Der Frieden könne nur von außen kommen.

Zweitens, fuhr Orbán fort: Obwohl die Vereinigten Staaten in den vergangenen Jahren China zu ihrem Herausforderer Nummer eins erklärt hätten, sähe man jetzt, dass sie einen Stellvertreterkrieg gegen Russland führten und China ständig beschuldigten, Russland verdeckt zu unterstützen.

Wenn dem so sei, fügte Herr Orbán hinzu, müsste folgende Frage noch beantwortet werden: Welchen Sinn es mache, zwei so große Länder ins feindliche Lager zusammenzutreiben?

Als drittes Element einer durch den Krieg entstandenen Realität hob der Ministerpräsident die über alle Erwartungen reichende Widerstandsfähigkeit der Ukraine hervor. Er führte dies auf die Tatsache zurück, dass die Ukraine mit ihrem Wunsch dem Westen anzugehören, einen neuen Sinn für ihre Existenz entdeckt hätte: Anstatt einer „Pufferzone“, verstünde sie sich als östliche Grenzregion des Westens.

Als Punkt Nummer vier stellte Orbán fest, dass Russland nicht eine starre und neostalinistische Autokratie repräsentiere, wie Brüsseler Staats- und Regierungschefs meinten. In Wirklichkeit handele es sich um ein Land, das gegenwärtig technische, wirtschaftliche und vielleicht sogar soziale Flexibilität zeige, sagte Orbán.

Im fünften Punkt stellte er fest, dass die europäische Politik zusammengebrochen sei, da Europa, seine eigenen Interessen wahrzunehmen, aufgegeben habe.

 Er fügte hinzu, dass Europa derzeit „bedingungslos der Politik der Demokratischen Partei der USA folgt, selbst auf Kosten seiner eigenen Zerstörung“, während die gegen Russland verhängten Sanktionen grundlegende europäische Interessen verletzten, die Energiepreise in die Höhe trieben und die europäische Wirtschaft wettbewerbsunfähig machten.

Orbán betonte, dass der Kern des europäischen Machtsystems früher in der Achse Paris-Berlin gelegen habe, die heute nicht mehr existiere bzw. „unbedeutend und vermeidbar“ geworden wäre. Hingegen gebe es nun eine neue Machtachse, die sich von London, Warschau, Kiew, den baltischen Staaten bis zu den skandinavischen Staaten zöge. Der Premierminister erinnerte daran, dass die Ablösung der Achse Paris-Berlin keine neue Idee sei, sondern „einem alten polnischen Plan“ folge, dessen Kern darin bestehe, dass Polen zum amerikanischen Stützpunkt Nummer eins auf dem Kontinent werde, was erst durch den aktuellen Krieg ermöglicht worden sei.

Das sei ein alter Plan gewesen: Russland zu schwächen und Deutschland zu überflügeln, sagte Orbán und erklärte, dass die Polen die scheinheiligste und doppelzüngigste Politik in ganz Europa verfolgten, da sie zwar „blindlings Geschäfte mit den Russen machen“, während sie Ungarn dafür moralisch belehrten.

Orbán sagte auch, dass Polen die Visegrád-Kooperation zugunsten dieser neuen Strategie aufgegeben hätte, weil V4 [Visegrád] ging davon aus, dass es ein starkes Deutschland, wie auch ein starkes Russland gebe und V4 zwischen diesen beiden, in Zusammenarbeit mit den Staaten Mitteleuropas, für einen dritten Faktor sorgte.

In Bezug auf die Stärke Warschaus verwies der Premierminister darauf, dass die polnische Armee nach der französischen die zweitgrößte Armee Europas sei und das Land fünf Prozent seines BIP für die Verteidigung ausgebe.

Orbáns Friedensmission ziele nicht nur auf Frieden ab, sondern auch darauf Europa zu drängen, endlich einer eigenen Politik nachzugehen, so der Ministerpräsident.

Als sechsten Punkt nannte er, dass der Krieg seiner Meinung nach auch gezeigt habe, dass sich der Westen in einer „intellektuellen Isolation“ befände, nachdem er sich bis dato als Bezugspunkt, als eine Art globaler Standard verstanden hätte, um Werte wie liberale Demokratie oder die grüne Wende vorzugeben und was die Welt zu akzeptieren hätte.

Diesbezüglich habe es in den letzten zwei Jahren eine 180-Grad-Wende gegeben: Während der Westen den Rest der Welt angewiesen habe, auf moralischer Basis gegen Russland und für den Westen Stellung zu beziehen, hätten in Wahrheit alle anderen Russland unterstützt, so der Premierminister.

Es sei nicht verwunderlich, dass beispielsweise Nordkorea und China Russland unterstützten. Auch Iran, Indien und das NATO-Mitglied Türkei hätten sich ihnen angeschlossen und auch die muslimische Welt sähe in Russland ihren Partner.

Im siebten Punkt sagte der Premierminister, der Krieg habe gezeigt, dass das größte Problem der Welt derzeit die Schwäche und der Zerfall des Westens sowie die von den westlichen Medien verbreitete Darstellung sei, wonach Russland die größte Bedrohung der Welt darstelle.

Dies wäre ein Irrtum: Russland sei ein Land unter extrem rationaler Führung, die verständlich und vorhersehbar sei, im Gegensatz zum Westen, dessen Verhalten weder rational noch vorhersehbar sei, so der Premierminister. Er fügte an, dass der Westen nicht in der Lage wäre, mit der Situation umzugehen, dass es inzwischen zwei Sonnen am Himmel gebe, d.h. dass mit dem Aufstieg Chinas und Asiens eine neue Herausforderung entstanden wäre.

Die eigentliche Aufgabe Ungarns bestehe darin, den Westen verständlich zu machen, zumal Mitteleuropäern der Westen irrational erscheine. Orbán erklärte, dass der Widerspruch damit erklärt werden könne, dass die mitteleuropäische Weltanschauung auf dem Konzept von Nationalstaaten beruhe. Hingegen spreche der Westen Nationalstaaten die Berechtigung ab.

Seiner Ansicht nach hätten Nationalstaaten eine „biblische“ Begründung, aber dieser Ansatz werde vom Westen geleugnet. In deren Augen gebe es keine Nationalstaaten. Auch zu anderen wichtigen Fragen, wie zur Migration, gebe es Differenzen. In seiner Rede hob der Premierminister hervor, dass in der östlichen Hälfte Europas Christen einander zu Hunderttausenden umbrächten, während in den westlichen Teilen des Kontinents Menschen aus fremden Zivilisationen zu Hunderttausenden ins Land gelassen würden.

Aus der Sicht Mitteleuropas ist das eine Absurdität schlechthin, aber diese Sichtweise, bemerkte der Ministerpräsident, würde von der Europäische Union nicht nur gedacht, sondern auch verkündet. Die EU verfolge damit das Ziel, „die Nationen zu transzendieren“ und die Souveränität der Nationalstaaten an Brüssel abzugeben.

Nach Ansicht von Orbán läuft in den Vereinigten Staaten ein ähnlicher Kampf ab, weswegen in Bezug auf die US-Präsidentschaftswahlen viel auf dem Spiel stehe. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat sich vorgenommen, das amerikanische Volk vom postnationalen liberalen Staat zum Nationalstaat zurückzuführen.

Aus diesem Grund werde versucht, Donald Trump von der Kandidatur abzuhalten. Deshalb wolle man ihn ins Gefängnis stecken, ihm sein Vermögen entziehen und gar töten. Er betonte, dass er am Freitag mit dem ehemaligen Präsidenten gesprochen habe, der den Teilnehmern des Camps seine Grüße übermitteln lasse.

Als politische Konsequenz des postnationalen Staates, der an den Grundfesten der Demokratie rüttle, sprach der Premierminister auch über die politischen Probleme des Elitismus und Populismus. Die Eliten verurteilen das Volk für seinen Rechtsruck und bezeichnen die Gefühle und Gedanken des Volkes als fremdenfeindlich, homophob und nationalistisch. Im Gegenzug wirft das Volk den Eliten vor, sich nicht um das zu kümmern, was für das Volk wichtig wäre, sondern in einer Art sinnlosem Globalismus zu versinken, so Orbán.

Damit stelle sich auch das Problem der repräsentativen Demokratie: Die Elite wolle das Volk gar nicht vertreten und sei sogar stolz darauf. So habe das Volk keine Vertretung.

Für die Eliten sind nur die Ansichten von Menschen mit Hochschulabschluss akzeptabel. Dies hat zur unmittelbaren Folge, dass Brüssel weiterhin von einer liberalen Oligarchie besetzt werde. Der Ministerpräsident betonte:

Diese linksliberale Elite organisiert in Wirklichkeit eine transatlantische Elite: Sie ist nicht europäisch, sondern global. Sie ist nicht nationalstaatlich, sondern föderal. Und sie ist nicht demokratisch, sondern politisch!

Nach dem Krieg werde es zu einem globalen Systemwechsel kommen, wie es ihn seit 500 Jahren nicht mehr gegeben habe, so Orbán. In den kommenden langen Jahrzehnten, vielleicht sogar Jahrhunderten, werde Asien das dominierende Zentrum der Welt sein, sagte er und erwähnte dabei ausdrücklich China, Indien, Pakistan und Indonesien. Die Demographie ist auf der Seite Asiens, der technologische Vorsprung sei in immer mehr Bereichen dort vorhanden: Es gebe auch einen Kapitalvorteil. Die militärische Macht im Vergleich zum Westen gleiche sich aus – das meiste Geld werde in Asien gemacht werden. Asiaten werden die weltgrößten Unternehmen, die besten Universitäten, die weltbesten Forschungsinstitute und die größten Börsen haben, führte er aus.

Victor Orbán sagte, Donald Trump arbeite daran, die amerikanische Antwort auf diese Situation zu finden: In Wirklichkeit, so sagte er, sei der Versuch von Donald Trump wahrscheinlich die letzte Chance für die Vereinigten Staaten, ihre Vormachtstellung in der Welt zu bewahren.

Europa habe zwei Möglichkeiten. Die erste Option, auf die es jetzt zusteuere, sei, ein Freilichtmuseum in einer untergeordneten Rolle zu bleiben, den Vereinigten Staaten unterworfen, was die Welt zwar weiterhin bewundern werde, aber „keine Wachstumsdynamik mehr“ brächte. Die zweite Option, die der französische Präsident Emmanuel Macron gefordert habe, sei eine strategische Autonomie: Mit anderen Worten, müsste Europa sich am Rennen des globalen Systemwechsels beteiligen, erklärte er.

Es sei möglich für Europa, Kapital anzuziehen. Es sei möglich, große Infrastrukturprojekte, insbesondere in Mitteleuropa, voranzutreiben. Es brauchte ein europäisches Militärbündnis mit einer starken europäischen Verteidigungsindustrie, inklusive Forschung und Innovation. Europa solle eine europäische Energieautarkie anstreben, die ohne Kernenergie nicht auskäme. Und nach dem Krieg wird sich Europa auf ein neues Verhältnis mit Russland einigen müssen, führte Orbán aus.

Der derzeitige globale Systemwandel sei jedoch in erster Linie eine Chance und keine Bedrohung: Unser Handlungsspielraum sei so groß, wie nie zuvor über die letzten 500 Jahren, so der Ministerpräsident.

Er betonte, dass Europa vor 500 Jahren der Gewinner, doch Ungarn der Verlierer des vorangegangenen globalen Systemwechsels gewesen wäre. Denn, während sich der westlichen Hälfte des Kontinents eine neue Wirtschaftslandschaft eröffnete, wurde Ungarn durch die islamische Eroberung für lange Zeit zum Kriegsgebiet, sodass das Land – da es sich nicht selbst befreien konnte – gezwungen war, sich einer deutschen – und Habsburger Welt anzuschließen.

Viktor Orbán vertrat die Ansicht, dass sich die Entwicklungen in den Vereinigten Staaten vorteilhaft entwickeln könnten, aber er glaube nicht, dass aus dem Ausland ein besseres wirtschaftliches und politisches Angebot als das der EU-Mitgliedschaft käme. Doch, falls notwendig, wäre es eine Option.

Er fügte hinzu, dass Ungarn von China ein Maximalangebot erhalten habe: Für China ist die EU-Mitgliedschaft Ungarns ein Wert, „im Gegensatz zu den Amerikanern, die immer wieder vorschlagen, dass wir austreten sollten“. Das Angebot Chinas bestehe darin, dass „wir uns gegenseitig an der Modernisierung beteiligen“, auch wenn die Grössenverhältnisse nicht ausser Acht zu lassen wären.

Der westliche Teil der Europäischen Union werde nicht mehr zum Format des Nationalstaats zurückkehren, schloss der Ministerpräsident und fügte an, dass die östliche Hälfte der Gemeinschaft das Format des Nationalstaats verteidigen könne.

Orbán sagte, die EU habe den gegenwärtigen Krieg verloren, die Vereinigten Staaten würden sie im Stich lassen. Er fügte hinzu, Brüssel werde nicht in der Lage sein, den Krieg in der Ukraine zu finanzieren, was bedeute, dass „die Europäische Union den Preis für das Kriegsabenteuer zu zahlen“ habe. Der werde „hoch sein und auch uns negativ beeinflussen“.

Daraus folge, so Orbán, dass die Europäische Union akzeptieren werde, dass die mitteleuropäischen Länder in der Europäischen Union blieben, dabei aber auf nationalstaatlichen Grundlagen eine eigenständige Außenpolitik verfolgen.

Das gefalle Brüssel nicht, sie müssten es aber tolerieren, zumal die Zahl solcher Länder zunehmen werde, so der Ministerpräsident. Er vertrat die Auffassung, dass „aus den Richtungen Amerika, Asien und Europa die Voraussetzungen für eine eigenständige Nationalitätenpolitik kommen“ und dem Handlungsspielraum weite Grenzen setzen werden.

Wenn es um einen globalen Systemwechsel geht, brauchte es auch „eine übergreifende ungarische Strategie“, so der Ministerpräsident. Er bekräftigte, die politischen Aktionspläne, die größtenteils 2010 begonnen worden wären und bis 2030 reichten, fortzusetzen und abzuschließen. Längerfristig, im Zuge eines globalen Systemwandels, der sogar Jahrhunderte dauern könne, werde dies jedoch nicht ausreichen.

Die Grundlage der ungarischen Gesamtstrategie sei die Konnektivität, um sich in beide – die westliche und östliche Weltwirtschaft einbinden zu lassen. Mitteleuropa dürfe sich weder in den Krieg gegen Osten, noch technischen und handelspolitischen Blöcken anschließen, betonte Herr Orbán. Er fügte hinzu, dass es gelte, Freunde und Partner zu suchen, doch sich nicht zu wirtschaftlichen oder ideologischen Feinden machen zu lassen. Das heißt, man müsse den härteren Weg der Unabhängigkeit beschreiten.

Der Ministerpräsident wies darauf hin, dass der Schutz der Souveränität auf wirtschaftlicher Grundlage ein ebenso wichtiges Prinzip sei. Nationale Champions, wettbewerbsfähige mittelständische Unternehmen, Unternehmen, die für die lokalen Märkte produzieren, sowie kleine und mittlere Unternehmen bilden die wirtschaftlichen Grundlagen.

Die ungarische Wirtschaft, hätte die Grundlage für Souveränität abzugeben, so der Ministerpräsident. Orbán sagte, dass es auch im Ausland wettbewerbsfähige nationale Champions im Bankensektor, Energiesektor, in der Lebensmittelindustrie, Produktion von landwirtschaftlichen Rohstoffen, Informationstechnologie, Telekommunikation, Medien, Bauindustrie, Immobilienentwicklung, pharmazeutischen Industrie, Verteidigungsindustrie, Logistik und durch die Universitäten in gewissem Maße auch in der Wissensindustrie gebe.

Der Mittelstand mit seinen rund 15.000 Unternehmen sei wettbewerbsfähig: Im „Friedenshaushalt“ 2025 werde die ungarische Regierung wichtige Programme für kleine und mittlere Unternehmen auflegen.

In seiner Rede bezeichnete Orbán die Stärkung der finanziellen Unabhängigkeit des Landes, die Reduzierung der Staatsverschuldung auf 30 Prozent und den Aufstieg Ungarns zu einem globalen Kreditgeber als wichtige Prioritäten.

Es sei wichtig, ein Produktionszentrum zu bleiben und nicht zu einer dienstleistungsorientierten Wirtschaft überzugehen. Orbán fügte hinzu, dass man nicht den Fehler des Westens begehen dürfe, nämlich Gastarbeiter zur Ausübung bestimmter Produktionsaufgaben einzustellen, da dies einen Prozess der sozialen Desintegration in Gang setze, der nur schwer zu stoppen sei.

Der Premierminister sagte, dass die ungarische Gesellschaft für die Umsetzung dieser Strategie über eine feste und flexible Sozialstruktur verfügen müsse und dass eine Umkehr des demografischen Rückgangs die Grundlage dafür bilde.

„Wir haben gut angefangen, aber jetzt sind wir zum Stillstand gekommen,“ bewertete der Ministerpräsident und stellte fest, dass man wieder in Schwung kommen müsse: Bis 2035 muss Ungarn ein sich selbst tragendes Niveau im demografischen Sinne erreichen, wobei der Import von Bevölkerung durch Migration ausgeschlossen werden müsste.

Im Falle der Verabschiedung des „Friedensbudgets“ müsse das Steuergeld für Kinder verdoppelt werden und zwar nicht in einem, sondern in zwei Schritten innerhalb eines Jahres, um den Schwung der demografischen Verbesserung wiederzuerlangen, erläuterte Orbán und fügte hinzu, dass man in der Zwischenzeit kontinuierlich diejenigen aus Westeuropa anziehen müsse, die in einem christlich-nationalen Land leben wollten. Ihre Zahl werde allmählich zunehmen, „es sollte keinen Automatismus geben, wir sind jetzt in der Lage zu wählen.“

Es sei wichtig, die eigene und finanzielle Unabhängigkeit der Mittelschichten – also der Familien – zu erreichen und Vollbeschäftigung zu halten, „und der Schlüssel dazu ist, die derzeitige Beziehung zwischen Arbeit und der Roma-Gemeinschaft aufrechtzuerhalten“.

„Es gibt Arbeitsplätze, aber ohne Arbeit kann man seinen Lebensunterhalt nicht verdienen – das ist die Essenz des Deals und des Angebots“, fasste der Ministerpräsident zusammen.

Er fügte hinzu, dass die derzeitige übergreifende ungarische Strategie noch „roh und starr“ sei, was bedeute, dass sie nicht leicht verdaulich und verständlich wäre: Es werde noch gut sechs Monate dauern, um dieses Stadium zu ändern.

Nach Ansicht des Ministerpräsidenten müsse die ungarische Gesamtstrategie auf nationalen Grundlagen beruhen.

Er wies darauf hin, dass in absehbarer Zeit alle Beihilfen, die der Stabilität und Flexibilität der ungarischen Gesellschaft dienten – wie etwa das System der Familienförderung – auf alle von Ungarn bewohnten Gebiete ausgedehnt werden müsse, auch auf jene jenseits der Grenzen.

Der Ministerpräsident sagte, das ungarische Dorfsystem müsse erhalten bleiben. Dörfer wären keine Symbole der Rückständigkeit. Dienstleistungen auf städtischem Niveau müssen auch in den Dörfern angeboten werden und die Städte hätten einen Teil der finanziellen Belastung dafür übernehmen.

In Bezug auf den Schutz der Souveränität betonte Herr Orbán, dass es wesentlich sei, nationale Verschiedenheit zu schützen. Neben der Bewahrung der Sprache besteht ein weiteres Mittel darin, einen religiösen Nullzustand zu vermeiden, falls das Christentum nicht mehr als moralischer Kompass und Orientierung diente.

Der Premierminister wies darauf hin, dass die Politik an den nationalen Charakter angepasst werden müsse. Die kollektive Essenz, die zu begreifen sei, ist die Freiheit, die wir auch nach innen aufbauen müssen. Nicht nur die Freiheit der Nation, sondern auch die persönliche Freiheit des einzelnen Ungarn müsse aufgebaut werden. Für einen Ungarn ist die Ordnung kein Wert an sich, sondern ein Zustand, der für die Freiheit notwendig sei, in dem wir ungestört leben können. „Mein Haus ist mein Haus, es ist mein Schloss, es ist mein Leben, und ich entscheide selbst, was mir ein gutes Gefühl gibt“, sagte er.

Die Veränderung der Weltordnung werde ein langer Prozess sein – er werde 20 bis 25 Jahre dauern – während es Debatten geben werde.

Unsere Gegner werden sagen, dass wir uns integrieren müssten, anstatt eine übergreifende nationale Strategie zu verfolgen. Deshalb werden sie uns ständig angreifen und auf einen Kurswechsel hinarbeiten. Sie werden nicht nur den Inhalt, sondern auch die Notwendigkeit der übergreifenden Strategie in Frage stellen, sagte Orbán und wies gleichzeitig darauf hin, dass man diesen Kampf aufnehmen müsse.

Zum Problem des Zeitrahmens sagte er, dass die Umsetzung der letzten Phase der Strategie den jungen Menschen in ihren Zwanzigern und Dreißigern obliegen werde. Deshalb müssen man schon jetzt damit beginnen, junge Menschen zu rekrutieren, und er fügte hinzu, dass das nationale Lager nur dann auftauche, wenn das Signalhorn ertöne, und sich nur unter hochgehaltenen Fahnen versammeln kann. Deshalb müssen wir tapfere junge Kämpfer mit nationalem Empfinden finden.

Auf eine Frage aus dem Publikum zur „Vielfalt“ anlässlich der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele und auf einen Vorschlag zur Unterdrückung der ungarischen Gender-Propaganda, antwortete Orbán mit einem Appell zur Ruhe.

Man solle die Franzosen nicht beleidigen, auch wenn wir uns durch das, was wir gesehen haben, beleidigt und verletzt fühlten, sagte er. Er wies darauf hin, dass die Franzosen jetzt und auch in Zukunft in vielen Punkten Ungarns Verbündete seien und es viel mehr Überschneidungen gebe, als man vermuten könnte. Wir werden mit jemandem zusammenarbeiten müssen, sagte der Ministerpräsident.

Herr Orbán sagte, „am Ende des Tages hat jede Nation das Recht, ihr wahres Gesicht zu zeigen; das haben wir gesehen!“

Auf eine andere Frage über den Wahnsinn in Europa antwortete er, dass das, was uns als Wahnsinn erscheine – indem die Menschen in Westeuropa sich irrational verhielten – in Wirklichkeit kein Wahnsinn oder irrationales Verhalten sei, sondern eine völlig andere Konstruktion der Welt [Weltanschauung].

Gleichzeitig wird es weiterhin Staaten geben und sie werden unsere Partner in der Europäischen Union „in diesem verrückten Zustand“ sein.

Er sagte, in gewisser Hinsicht genieße er sogar die Sitzungen des Europäischen Rates. Er muss als mitteleuropäischer Ministerpräsident zwei Haltungen gleichzeitig verkörpern – seine eigene und ihre – und müsse auch immer wieder versuchen, die komplexe Beziehung zwischen beiden zu finden. Das sei die schönste Facette der Politik im intellektuellen Sinne, so der Ministerpräsident.

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Übersetzung aus dem Englischen: UNSER-MITTELEUROPA

 



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Von Redaktion

2 Gedanken zu „Orbán zur Zeitenwende und Unfähigkeit Europas eigene Interessen zu vertreten“
  1. Neues zum „Vasallen-Staat“ BRD beim NJ: https://concept-veritas.com/nj/sz/hauptseite.htm
    Bei so was wie jener „BRD“ kommen wirklich nur die aller Dümmsten und aller Erpressbarsten nach oben, jeder Mensch mit Ehre im Leib hat damit nichts zu tun!
    Um das zu verifizieren schaue man sich nur die Vertreter dieser Politik an und man weiß bescheid

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