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27.8.2024: Der russische und jemenitische Aussenminister vor der Presse

Das Hasardspiel atlantischer Kriegstreiber zeigt stark suizidale Züge: US-Kriegsfalken arbeiten weiterhin auf einen begrenzten Nuklearkrieg in Europa hin. Sie selbst meinen, das Ereignis fernab in den USA unbeschadet überstehen zu können. Sergey Lawrow warnt jedoch seine Amtskollegen im Westen, nicht weiter “wie Kinder mit dem Feuer” zu spielen.

Auch ist klar, dass der westliche Kriegsplan absolute Medienkontrolle erfordert und auf fünfte Kolonnen im Osten zu setzen hat: Pavel Durov von Telegram war das letzte Opfer einer solchen atlantischen Hochrisiko-Kriegspolitik.

Auszüge aus der Pressekonferenz von Sergey Lawrow und Shaya Mohsen Al-Zindani in Moskau

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben ausführliche und nützliche Gespräche mit dem Aussenminister der Republik Jemen, Shaya Mohsen Al-Zindani, geführt. Wir haben nahezu alle Schlüsselbereiche sowie aktuelle und künftige Bereiche der weiteren Entwicklung der traditionell freundschaftlichen russisch-jemenitischen Beziehungen erörtert. Wir betonten, dass diese Beziehungen den Grundsätzen von Gleichheit, gegenseitigem Respekt und beidseitig ausgewogenen Interessen unterliegen.

Im November 2023 feierten wir den 95. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit dem Vertrag über Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern. Dank der in diesem grundlegenden Dokument niedergelegten Prinzipien ist es uns trotz der vielen Schwierigkeiten, mit denen Russland und Jemen derzeit konfrontiert sind, gelungen, eine multilaterale und vielseitige Zusammenarbeit zu entwickeln, die in allen Bereichen gute Fortschritte erzielt.

Wir stellten die gute Entwicklung unseres gegenseitigen Handels fest. Nach dem Besuch des Vorsitzenden des Ministerrats der Republik Jemen, A. Awad bin Mubarak, im Februar 2024 in Moskau wurden Maßnahmen ergriffen, um die positive Entwicklung des bilateralen Austausches zu stärken. Im Jahr 2023 hat sich der Handelsumsatz fast verdoppelt. Dies zeigt deutlich das Interesse der Wirtschaftskreise beider Länder an einer Intensivierung der Handels- und Investitionsbeziehungen, auch vor dem Hintergrund der laufenden Stabilisierung der sozioökonomischen Lage in der Republik Jemen.

Wir kamen überein, die Arbeit der bilateralen zwischenstaatlichen Kommission für Handel, Wirtschaft, Wissenschaft und technische Zusammenarbeit wieder aufzunehmen. Ein Treffen der Vize-Vorsitzenden ist für die zweite Septemberhälfte 2024 in Moskau geplant. Wir sind zuversichtlich, dass dieses wichtige zwischenstaatliche Gremium noch vor Jahresende zu einer Plenarsitzung zusammentreten wird.

Wir haben über die Aufrechterhaltung der Kontakte zwischen den militärischen Dienststellen, die auf eine lange und gute Zusammenarbeit zurückblicken, gesprochen. Viele Offiziere, die in den Streitkräften und anderen Sicherheitsbehörden der Republik Jemen heute dienen, haben ihre Ausbildung in der Sowjetunion oder der Russischen Föderation erhalten. Dazu wurden Zehntausende von zivilen Fachkräften in unserem Land ausgebildet und arbeiten nun zum Nutzen der jemenitischen Volkswirtschaft auf einer Vielzahl von Fachgebieten.

Als Reaktion auf das große Interesse der Jemeniten an einem Studium bei uns, hat Russland beschlossen, die Zahl der jährlich zu vergebenden Stipendien zu erhöhen. Derzeit sind es 140. Ab dem akademischen Jahr 2024-2025 werden zusätzlich 30 Stipendien vergeben und werden auch in den folgenden Jahren die Zahl der Stipendien für unsere Freunde erhöhen.

Wir erörterten die militärische und politische Lage in und um die Republik Jemen. Seit fast zehn Jahren tobt dort ein blutiger Konflikt, der Jemen geteilt hinterliess. Heute bekräftigten wir nachdrücklich unsere Linie der Zusammenarbeit mit allen Bemühungen um eine nationale Aussöhnung. Wir legten große Hoffnungen in die Vermittlungsbemühungen Saudi-Arabiens und des Sultanats Oman. Zu unserem großen Bedauern wurden diese Bemühungen jedoch durch eine Kette von Ereignissen, die nach dem 7. Oktober 2023 einsetzten, als Hamas israelische Bürger angriff, unterbrochen.

Während wir alle besagten Terroranschlag [der Hamas] verurteilen, verweigern wir einhellig die Legitimität der darauf folgenden Reaktion [Israels], die einer kollektiven Bestrafung des palästinensischen Volkes – unabhängig von Geschlecht und Alter [der Opfer] und einer flagranten Verletzung, gleich jedem terroristischen Akt, gleichkommt.

Kollektivbestrafung ist ein Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht. Es ist eine Reaktion, die wir im Gazastreifen immer wieder erleben und die weltweit große Empörung hervorruft.

Das hat Vergeltungsreaktionen einer Reihe von Gruppen, wie von Hamas, Hisbollah oder von Gruppen im Irak, darunter Ansar Allah, die Sanaa und große Teile des Jemen kontrollieren, nach sich gezogen: Ansah Allah verkündete als Reaktion auf das Vorgehen Israels ein Sonderregime über das Rote Meer und den Golf von Aden zu verhängen, indem die Durchfahrt von Schiffen mit Fracht für Israel verhindert würde.

Wir sind davon überzeugt, dass solche Aktionen eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit der Seeschifffahrt darstellen. Wir unterstützen Massnahmen, welche diese Sicherheit gewährleisten, aber können zugleich nicht mit dem Vorgehen der Vereinigten Staaten und des Vereinigten Königreichs, welche die vom UN-Sicherheitsrat verabschiedete Resolution grob entstellen, einverstanden sein: Unter dem Deckmantel die Sicherheit der Seeschifffahrt wiederherzustellen, haben diese gegen den Jemen eine Militäraktion ergriffen, indem sie Raketen- und Bombenangriffe gegen jemenitisches Hoheitsgebiet praktizieren und die Lage weiter verschärfen.

Wir sind für die Rückkehr zum Verhandlungstisch: Wir würden es begrüßen, wenn Saudi-Arabien, das Sultanat Oman, die Vereinigten Arabischen Emirate und der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Herr H. Grundberg ihre Vermittlungsbemühungen wieder aufnehmen würden, um die Situation auf eine politische und diplomatische Ebene zu bringen.

Ich habe bereits die Krise im Gaza-Streifen erwähnt. Wir vertreten dazu einen gemeinsamen Ansatz. Gewaltmassnahmen sind umgehend einzustellen und unsere Aufmerksamkeit zur Lösung der kritischen humanitären Fragen muss um ein Vielfaches gesteigert werden. Gleichzeitig dürfen wir, neben der Behandlung aktueller Fragen zur Wiederherstellung des normalen Lebens, keinesfalls die grundlegenden Probleme in der Region übersehen: Ich beziehe mich insbesondere auf die ungeklärte und ungelöste Frage der Errichtung eines palästinensischen Staates auf Grundlage der Grenzen von 1967, in Koexistenz, Frieden und Sicherheit mit Israel, wie es in zahlreichen Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und der Generalversammlung gefordert wird.

Wir sind dem Jemen für sein Verständnis für die Geschehnisse in der Ukraine und seine ausgewogene Position in dieser Frage dankbar. Im Gegenzug halten wir an unseren bekannten Ansätzen fest, die von Präsident Putin, vielfach bekräftigt wurden: Sie lauten, dass es notwendig sei, Gerechtigkeit wiederherzustellen und die in der UN-Charta verankerten Rechte für alle Bewohner dieser Gebiete ohne Ausnahme, unabhängig von Ethnie, Geschlecht, Sprache oder Religion, wiederherzustellen. Sie bilden die Wurzel aller bisherigen Probleme.

Die Junta, welche im Februar 2014 mit direkter Unterstützung durch Angelsachsen in der Ukraine die Macht ergriff, löste einen regelrechten Krieg gegen die russische Sprache und alles Russische aus. Wer nicht einsehen will, wie das russische Volk und orthodoxe Christen, die ihre Religion in kanonischen Kirchen ausüben, darüber denken, wird ein Problem haben zu verstehen, was wirklich geschieht und der Versuchung unterliegen, immerzu nur das Gleiche zu äussern: Es gäbe nur Souveränität und territoriale Integrität und nichts anderes. Doch, es gibt eine ganze Reihe weiterer Verpflichtungen gemäss UN-Charta, die vom Kiewer Regime und seinen Kuratoren mit Füßen getreten werden. Ich habe eine davon erwähnt – die Menschenrechte und eine andere Verpflichtung besagt, dass das Selbstbestimmungsrecht der Völker zu achten sei.

Auf jeden Fall hatten wir ein nützliches Gespräch. Wir sind übereingekommen, unsere Schritte in der UNO weiterhin zu koordinieren. Das werden wir künftig tun und schätze den Besuch des Ministers.

Frage der Medien: Was sagen Sie zur ukrainischen Forderung, die im “The Guardian” zitiert wurde, bezüglich der Erlaubnis, Storm Shadow-Raketen für Angriffe gegen Moskau und St. Petersburg einzusetzen, um Verhandlungen mit Russland zu erzwingen?

Sergej Lawrow: Das kommt einer Erpressung gleich. Es stellt den Versuch dar, vorzutäuschen eine übermäßige Eskalation durch den Westen vermeiden zu wollen. In Wahrheit ist das jedoch eine Böswilligkeit: Der Westen will die Eskalation nicht vermeiden, doch – um es auf Russisch auszudrücken – den Streit vom Zaun brechen.

Ich denke, das ist für jeden offensichtlich. Ich habe kürzlich eine Erklärung des Nationalen Sicherheitsberaters des Weißen Hauses, J. Kirby, zitiert. Vor einigen Monaten sagte er, dass eine Eskalation höchst gefährlich und unerwünscht sei, da die Situation zum Weltkrieg führen könnte und Europa darunter leiden würde. Kürzlich hat J. Kirby es noch einmal erwähnt:

Die Amerikaner assoziieren mit dem Gerede über den dritten Weltkrieg eindeutig etwas, was -Gott bewahre, dass es dazu kommt – ausschließlich Europa betreffen würde.

Das ist eine bezeichnende Aussage, welche die Mentalität der amerikanischen Planer und Geostrategen, widerspiegelt: Sie gehen fest davon aus, dass sie diesen Krieg unbeschadet [in den USA – weit fernab] “aussitzen” könnten.

Dazu ist es wichtig zu verstehen, dass wir unsere eigene Doktrin verfolgen, einschließlich jene über den Einsatz von Atomwaffen. Sie wird derzeit verfeinert. Die US-Planer scheinen sich dessen bewusst. Doch daraus ergibt sich ihr Freud’scher Versprecher [unbeabsichtigte Äusserung, welche die wahre Intention verrät], dass der Dritte Weltkrieg schlecht sei, weil sie nicht wollten, dass Europa darunter leide. Das entspricht ganz der amerikanischen Mentalität:

Es ist die Mentalität des Meisters, der am „anderen“ Ufer [des Atlantiks] sitzt und von seiner Sicherheit so überzeugt scheint, dass nicht nur die Ukrainer, sondern, wie sie meinen, jetzt auch die Europäer dazu bereit wären, die Drecksarbeit für die USA zu verrichten und für die USA zu sterben.

Die Spekulationen, dass nicht nur Storm Shadow Raketen, sondern auch amerikanische Langstreckenraketen zum Einsatz kommen könnten, sind schon lange bekannt. Eine anonyme Quelle in Washington erklärte, dass solche Planungen im Gang wären. Das Ersuchen der Ukraine werde generell wohlwollend geprüft, hieß es. Ich möchte hierzu nichts mehr anfügen: Der russische Präsident Wladimir Putin hat schon vor einiger Zeit dazu alles gesagt. [Anmerkung der Redaktion: Die USA sollten sich nicht zu sicher sein, am Ende nicht auch ihre nukleare Antwort mit abzubekommen… Alles wäre in 20 Minuten vorüber…].

 

Was wir an dieser Stelle tun können, ist nur zu bekräftigen:

Es ist ein Spiel mit dem Feuer, wie das von Kindern mit Streichhölzern. Es ist eine gefährliche Sache durch Erwachsene, die infantilisiert scheinen, doch in dem einen oder anderen westlichen Land über Atomwaffen gebieten.

Frage: Wie beurteilen Sie die Situation im Zusammenhang mit der Verhaftung des Telegram-Gründers Pavel Durov in Frankreich? Gab es eine Reaktion aus Paris auf die russische Note? Erwägt das russische Außenministerium, die Nutzung der Plattform aufzugeben, falls Durov entscheiden sollte, mit den französischen Ermittlern zu kooperieren? Wie wird sich dies Ihrer Meinung nach auf die bilateralen Beziehungen zwischen Moskau und Paris auswirken?

Sergej Lawrow: Ich werde mit ihren Fragen vom Ende her beginnen.

Die Beziehungen zwischen Moskau und Paris befinden sich auf dem absoluten Tiefpunkt, unter anderem wegen der Haltung Frankreichs zur Meinungsfreiheit, zur Verbreitung von Informationen und ganz allgemein zur Achtung des Berufs von Journalisten.

Lange vor den aktuellen Ereignissen, ich meine viele Jahre bevor die Ukraine-Krise noch nicht in die heiße Phase eingetreten war, hatten wir ein Problem mit den französischen Behörden, nachdem sie RT und Sputnik die Akkreditierung verweigerten. Wir haben uns wiederholt an die zuständigen Dienststellen des Elysee-Palastes gewandt und unsere Bedenken an die Berater des französischen Präsidenten Macron herangetragen. Die Antwort war unnachgiebig:

RT und Sputnik wären keine Nachrichtenmedien, sondern Medien für nur Staatspropaganda, [hiess es]. Dies ist nur eines der Merkmale zur Haltung unserer französischen Kollegen gegenüber Meinungs- und Medienfreiheit.

Im Übrigen wurde 1990, als es so aussah, als sei – nach den Worten Fukuyamas – das Zeitalter vom “Ende der Geschichte” angebrochen, in der OSZE (auf Initiative Frankreichs) eine besondere Erklärung verabschiedet, über die feierlich versprochen wurde:

Den freien Zugang zu allen Informationen sowohl auf dem eigenen Territorium als auch auf dem Territorium der anderen OSZE-Mitgliedsstaaten zu 100 Prozent zu gewährleisten. Das war die Charta von Paris für ein neues Europa und zwar unter dem allgemeinen Jubel aller.

Als sich die UdSSR im Zerfall bzw. die Russische Föderation Anfang bis Mitte der 1990er Jahre in einem solchen Zustand befand, bestand der Westen darauf, dass diese sakrosankte Verpflichtung vor allem von unserem Land eingehalten würde. Als wir dann zu unserer eigenen Geschichte, unserer nationalen Identität und unseren Wurzeln zurückfanden und begannen, unsere eigenen Interessen auf der internationalen Bühne einzumahnen, begann der Westen selbst, von dieser seiner Verpflichtung abzuweichen. Jetzt sind wir in der OSZE die einzigen, die an diese Verpflichtung gemahnen – den Zugang zu Informationen in unseren eigenen Ländern und im Ausland zu gewährleisten. Alle anderen haben Gesetze und Sonderanweisungen verabschiedet, darunter auch solche, deren Verletzung Pavel Durov zur Last gelegt werden. Obwohl ein belgisches Unternehmen, das die Anwendung dieses EU-Gesetzes überwacht, bestreitet, dass keine Beschwerden [gegen Telegram] eingereicht worden wären. Das heisst, dass hier eine Menge an Ungereimtheiten dahinterzustecken scheinen.

Die Reaktion Frankreichs auf die Meinungsfreiheit ist uns seit langem bekannt. Die Beziehungen sind, wie ich schon sagte, schlechter denn je. Das ist nicht unsere Schuld.

Sowohl in der NATO als auch in der Europäischen Union nimmt Präsident Macron bezüglich der Verschärfung der Politik gegenüber Russland, Aufstockung der Militärhilfe für die Ukraine sowie Sicherstellung des Sieges des Naziregimes auf dem Schlachtfeld eine führende Position ein.

Das kann man sehen – dem gibt es nichts hinzuzufügen.

Was unsere konkreten Maßnahmen [in der Sache Telegram] angeht: Unsere diplomatische Note wird derzeit geprüft. Wir warten auf eine Antwort. Wie Sie vielleicht wissen, befassen sich auch die Vereinigten Arabischen Emirate in der gleichen Causa. Auch sie haben eine Gruppe von Anwälten, die um sofortigen Zugang zu Herrn Durov gebeten haben, eingeschaltet.

Was die Nutzung der sozialen Plattform [Telegram] angeht, so ist sie praktisch und wirklich sicher. Falls irgendjemand daran gezweifelt haben sollte, so macht das Vorgehen der Franzosen klar, nachdem P. Durov auf einen Wink von irgendjemand abgeführt und mit harter Strafe bedroht wurde, man offenbar nun erwartet, Zugang zu den Verschlüsselungscodes von Telegram zu erhalten. Das beweist zumindest, dass Telegram eine wirklich zuverlässige und beliebte soziale Medienplattform ist.

Es gab auch eine frühe Zeit, als Russland Fragen zu Telegram hatte. Dabei handelte es sich jedoch ausschließlich um juristische Details, die im Einklang mit dem Gesetz behandelt und gelöst wurden. Es war nie die Rede davon, die Freiheit von Pavel Durov oder seinem Team einzuschränken. Doch, er selbst hat mehrmals wissen lassen, dass er nicht bereit wäre, Kompromisse bezüglich seiner Prinzipien auf denen Telegram fusste, kompromittieren zu lassen.

Frage: Was die Situation im Nahen Osten betrifft, könnten Sie bitte die derzeitige Situation kommentieren? Besteht die Chance, dass sich die Parteien in naher Zukunft auf einen Waffenstillstand einigen können?

Sergej Lawrow: Der Minister und ich haben bereits unsere Einschätzungen und Kommentare zu diesem Thema abgegeben. Es entsteht der starke Eindruck, dass nicht alle an einen Waffenstillstand interessiert scheinen. Sogar mehr als das. Einige Teilnehmer an diesem Prozess zeigen ihr dringendes Bedürfnis, die Feindseligkeiten fortzusetzen und die Situation im gewalttätigen Zustand zu halten, mit der Erwartung, dass sich die globale politische Landschaft in Zukunft ändern werde. Die Wahlen in den USA werden ausdrücklich erwähnt: Die israelische Führung will das Ergebnis der Wahlen Anfang November dieses Jahres abwarten, in der Hoffnung, dass dieses Resultat den Druck auf Israel seitens der Weltgemeinschaft zugunsten der Beendigung dieser grauenhaften Operation, die im Gazastreifen unter Verletzung des humanitären Völkerrechts fortgesetzt wird und bereits mehr als 40.000 zivile Opfer forderte, abmildern würde. Mehr als die Hälfte der Opfer waren Frauen, Kinder und ältere Menschen.

Ich habe zuvor schon diese Statistiken erwähnt, doch möchte nicht, dass sie in Vergessenheit geraten: In zehn Monaten wurden 40.000 Menschen getötet. In den zehn Jahren der Ukraine-Krise nach dem Staatsstreich [2014 in Kiew] haben auf beiden Seiten im Donbass halb so viele Zivilisten ihr Leben gelassen. So vergleiche man zehn Jahre gegenüber zehn Monaten.

Ich möchte noch einmal betonen, dass wir, wie alle anderen Länder auch, den Terroranschlag vom 7. Oktober 2023 verurteilen. Doch es ist eine illegale Handlung, mit kollektiver Bestrafung als Vergeltung zu reagieren: Die verstößt gegen alle Grundsätze des humanitären Völkerrechts. Besonders besorgniserregend und empörend sind Erklärungen von Führern der israelischen Streitkräfte zu Beginn dieser Operation, dass es «dort [in Gaza] keine Zivilisten» gebe.

Sie sagen, dass jeder im Gaza-Streifen ab dem dritten Lebensjahr ein Terrorist sei. Das stellt eine gefährliche Linie der Argumentation dar.

Mehr als andere, sollten unsere israelischen Partner von einer Art solcher Äußerungen Abstand nehmen, nachdem diesen der Beigeschmack einer Ideologie anhaftet, unter der Juden selbst zu leiden hatten.

Frage: Der ukrainische Präsident Selenskyj hat in einem Interview mit indischen Medien gesagt, dass er das nächste und zweite Gipfeltreffen zur friedlichen Beilegung des Konflikts um die Ukraine gerne in einem der Länder des Globalen Südens sehen würde. Würde Russland an einer solchen Zusammenkunft teilnehmen, falls sie tatsächlich in einem der Länder des Globalen Südens stattfinden würde?

Sergej Lawrow: Der nächste Gipfel impliziert eine Art Fortsetzung von Initiativen einer gewissen Sorte. Es begann mit dem Kopenhagener Format und wandelte sich dann in die “Konferenz am Bürgenstock”. Aber der Kern all dieser Prozesse ist die absolut nutzlose, in die Sackgasse führende Friedensformel, die von Wolodymyr Selenskyj vorgeschlagen wurde. Nur Träumer in der Ukraine, in Kiew und im Westen können alles, was zu den Funktionen, die diese Formel als alternative Lösung propagiert, gehört, als etwas ansehen, auf das Russland hereinfallen werde.

Wir sprechen hier von einem Spiel. Sie wollen uns in eine Situation locken, in der wir auf etwas hereinfallen, was Selenskyj passte. Wie der russische Präsident Wladimir Putin wiederholt sagte, könnte es sich nur um Verhandlungen handeln, bei denen niemand jemandem ein Ultimatum vorschreibt.

Dies war im Februar 2014 der Fall, als Janukowitsch, der damalige Präsident der Ukraine, mit der Opposition – unter der Garantie Frankreichs, Deutschlands und Polens – vereinbarte, dass sie eine Regierung der nationalen Einheit bilden und nationale Wahlen abhalten würden. Am nächsten Morgen wurde diese faire Vereinbarung von der Opposition auf Betreiben der Vereinigten Staaten und anderer westlicher Länder zunichte gemacht, welche die Ergebnisse dieses blutigen verfassungsfeindlichen Staatsstreichs sofort anerkannten. Hätten sie sich an die Vereinbarung gehalten, würde die Ukraine heute noch in den Grenzen von 1991 existieren, einschließlich der Krim.

Dann war da noch die Vereinbarung von Minsk im Februar 2015, die vom UN-Sicherheitsrat gebilligt wurde. Sowohl der ukrainische Präsident Poroschenko als auch die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Merkel und der damalige französische Präsident Hollande gaben zu, dass keiner von ihnen den Beschluss des UN-Sicherheitsrats umzusetzen beabsichtigte. Eine Entscheidung, zu der ein Dokument gebilligt wurde, das ihre Unterschriften trug. Sie mussten Zeit gewinnen. Dann gab es auch faire Verhandlungen in Minsk, wo sich die Präsidenten und die Bundeskanzlerin zusammensetzten und 17 Stunden lang alles diskutierten, vereinbarten und harmonisierten. Es war ein Ausgleich der Interessen. Den wollten sie auch nicht erfüllen: Jetzt ist klar, warum.

Genau, wie in Istanbul wollten sie das paraphierte Abkommen nicht einhalten. Der Grund dafür ist, dass weder die Putschisten im Februar 2014, noch Poroschenko im Februar 2015, noch Selenskyj im April 2022 ein faires Abkommen brauchten, sondern nur ein Papier, auf dem ein Ultimatum stünde.

Doch nicht alle Menschen in der Ukraine sind so naiv. Sie erkannten, dass ein Ultimatum heute und insbesondere gegen Russland völlig sinnlos sei. Aber es gab nur ein Kalkül: Die Angelsachsen und alle möglichen Brüsseler Borrells, Ursula von der Leyens sowie Macrons aus Paris haben alle mit einer Stimme gesprochen, um verlauten zu lassen, dass die Ukraine Russland auf dem Schlachtfeld besiegen müsse und sie alles tun wollten, um dies zu erreichen. Das heißt, der Westen hält die Ukraine von Verhandlungen nach allgemein anerkannten Prinzipien ab, doch tut alles, damit die Ukraine die Lage weiter eskaliert (wie sie es nennen), in der Hoffnung, dass Russland Unbedachtes täte, was dem Westen ermöglichte das Schachspiel zu drehen. Das wird aber nicht funktionieren.

Wir werden unsere Ziele erreichen und wir werden diese auf eine Weise erreichen, die, wie der russische Präsident Wladimir Putin feststellte, unserem besten Interesse entsprechen: Erstens, um unser Volk zu retten und zweitens, um die Menschen zu schützen, die das faschistische Regime in Kiew zu Terroristen erklärte und ihrer elementaren Rechte beraubte, einschließlich des Rechts auf ihre Religion, ihren Glauben, ihre Sprache und vieles mehr. Es wird nicht möglich sein, uns zu provozieren. All diese Burgenstocks und Friedensformeln sind Werke des Teufels.

Wenn der Westen – hier geht es nicht um Selenskyj – wirklich an einer Normalisierung der Situation in Europa, unter der die Europäer selbst schon stöhnen und leiden, interessiert ist, dann sollten wir uns ruhig an den Verhandlungstisch setzen, ohne irgendwelche Papiere in der Hand, die Selenskyj-Formel heißen, doch anfangen, ehrlich zu reden. Der russische Präsident hat bestätigt, dass wir dazu bereit wären. Ich hatte eben drei Beispiele genannt, wonach wir solche Verhandlungen unterstützt hatten.

Aber jetzt, nachdem der Westen dreimal gelogen hatte, wer will Ihnen da noch glauben?

Aber wir werden sehen: Sie haben ihre eigenen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.

***

Übersetzung aus dem Russischen: UNSER-MITTELEUROPA



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Von Redaktion

5 Gedanken zu „Lawrow zum US-Vabanquespiel «begrenzter Atomkrieg» unter totalitärer Medienkontrolle“
  1. Ich sach’s ja immer – falls die VSA es so weit treiben, dass es richtig eskaliert bzw. die VSA Ru richtig angreifen würden, sollten die Ru und ihre Verbündeten nur in eine Richtung gen Übersee antworten mit allem was sie haben.
    Meiner Ansicht nach.

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  2. https://de.wikipedia.org/wiki/Jemen

    Das Land war geteilt und die 4 üblichen Verdächtigen, London, Moskau, Peking, Washington mischen es seit 1949 auf. Nebenbei rührten die Saudis mit, aber das waren Nachbarn.
    Erinnerungen an das zerfledderte Deutsche Reich kommen auf, wenn man an den Sykes-Picot- Vertrag (Diktat) denkt. Im Nahen Osten brodelt es, hier mußten erst Fremdkörper in Form von Asiaten, Negern, Orientalen hereingesetzt werden, ehe es zu Aufständen kommt wie jetzt in England.

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  3. Herr Lawrow täte gut daran, der ganzen westlichen Politiker Bande nicht ein einziges Wort zu glauben. Diese Lumpen verstoßen selbst gegen demokratisches Recht. Und wenn man sich die Zustände der Länder in Europa so ansieht, kommt man zu dem Schluss, sie betrügen, belügen und verarschen die eigenen Völker!

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