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18.9.2024 – Sergey Lawrow gibt Sky News Arabia in Moskau ein Interview

Unsere Welt ist am 13.9.2024 nur knapp dem Atomkrieg entronnen. Doch das Europäische Parlament schien davon voll und ganz unberührt: Kurz darauf hat es seine Entschliessung für di e “anhaltende finanzielle und militärische Unterstützung für die Ukraine” verabschiedet.

Sky News Arabia: «Der Westen heute verhält sich wie ein Kind, das mit Streichhölzern spielt!»

Von REDAKTION | Es scheint, dass die EU sich dafür entschieden hat, Kriegslasten der USA im immer stärkeren Maß selbst übernehmen bzw. finanziell ihren europäischen Steuerzahlern auflasten zu wollen: Die USA zetteln die Kriege an und die EU darf im Anschluss den Scherbenhaufen übernehmen. So schaut atlantische Arbeitsteilung in Zeiten des fortgesetzten Krieges aus!

Die Entschließung des Europäischen Parlaments, welche am 19. September 2024 mit 425 Stimmen, 131 Gegenstimmen und 63 Enthaltungen verabschiedet wurde, enthält unter Punkt 9 beispielsweise folgende Forderungen, um:

  • der Ukraine eine Million Schuss Munition zu liefern,
  • Waffenlieferungen in Reaktion auf eindeutig ermittelten Bedarf, insbesondere Lieferungen moderner Luftabwehrsysteme und anderer Waffen und Munition, einschließlich des Marschflugkörpers Taurus, zu beschleunigen;
  • die rasche Umsetzung der Verpflichtungen, die die EU und die Ukraine im Rahmen gemeinsamer Sicherheitszusagen eingegangen sind, zu fordern;
  • seinen Standpunkt, dass alle EU-Mitgliedstaaten und NATO-Verbündeten gemeinsam und individuell ihre Zusage geben sollten, jährlich mindestens 0,25% ihres BIP für die militärische Unterstützung der Ukraine aufzuwenden, zu bekräftigen

Aufgrund der russischen Klarstellung und deutlichen Drohung hat der US Präsident den schriftlichen Antrag der Briten auf Freigabe von Marschflugkörpern [Storm Shadow] aus britischer Produktion an die Ukraine am 12.9.2024 nicht unterschrieben. Nichtsdestotrotz hat die EU in ihrer Entschließung vom 19.9.2024 für die beschleunigte Lieferung von Taurus Marschflugkörpern [siehe im Text oben hervorgehoben] aus deutscher Produktion an die Ukraine votiert: Damit riskiert das Europäische Parlament vorsätzlich und bewusst eine atomare Eskalation mit den Zielvektoren auf insbesondere deutsches Territorium gerichtet!

Das Abstimmungsergebnis, welches symbolhaft für den Kriegsrausch und die Verblendung einer staatlichen Mehrheit von EU-Funktionären steht, beweist, dass besagtes EU-Establishment sich von einer Politik, bestehend aus einer Mischung von Kriegstreiberei, Geschichtsvergessenheit, Unwissenheit, Opportunismus sowie grenzenloser Verantwortungslosigkeit, ohne nachzudenken blind mitreissen lässt.

Stimmen im Westen, die einen besonnen Standpunkt vertreten, werden medial niedergemacht, gesellschaftlich verunglimpft und in besonderen Fällen sogar mit dem Leben bedroht oder politischen Attentaten ausgesetzt. Es ist bisher vor allem der Besonnenheit russischer Staatsmänner zu danken, dass die notorischen Grenzüberschreitungen und Provokationen von NATO und ihren politischen Hilfswilligen noch nicht in einen atomaren Schlagabtausch gemündet haben.

Die Situation wird durch den Umstand verschärft, dass atlantische Kartellmedien, flankiert durch Zensurmassnahmen dafür sorgen, dass ihre westliche Konsumenten unzureichend und falsch informiert werden: Weite Teile der Bevölkerung werden von der atlantischen Propaganda vernebelt und bleiben informationell vom relevanten Geschehen weitgehend abgekoppelt.

Am Ende sind es vielfach russische Staatsmänner, die komplexe politische Problemlagen einer interessierten Weltbevökerung im ganzen Zusammenhang und mit hinreichenden Details gebührend aufzeigen:

 Interview von Sky News Arabia mit dem russischen Aussenminister zu brennenden Fragen der Weltpolitik

Frage: Wir senden dieses Interview mit Außenminister Sergey Lawrow aus Moskau, Russland. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mit Sky News Arabia zu sprechen.

Sergey Lawrow: Vielen Dank für die Einladung.

Frage: Ich bin überaus erfreut, Sie in unseren historischen Zeiten zu treffen, zumal seit Beginn der militärischen Sonderoperation in der Ukraine mehr als zwei Jahre vergangen sind. Hält Moskau immer noch an seinen ursprünglichen Forderungen fest oder können wir hoffen, dass es seine Position zugunsten des Friedens aufgeweicht hat?

Sergey Lawrow:

Es geht nicht so sehr um die Forderungen Russlands, sondern um die Forderungen des Völkerrechts.

Wenn gefordert wird, den Konflikt auf der Grundlage der UN-Charta beizulegen, wird dies gerne durch den Nachsatz „auf der Grundlage der Achtung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine“ ergänzt. Dem Zusatz zur territorialen Integrität geht in der UN-Charta jedoch die Forderung nach Achtung des Selbstbestimmungsrechts der Völker voraus. Das Recht auf Selbstbestimmung war die Richtschnur aller Entkolonialisierungsprozesse – vor allem in Afrika. Die Sowjetunion gehörte zu den Ländern, die diese Prozesse initiiert hatten: Auf unsere Initiative hin wurde die entsprechende Erklärung 1960 angenommen.

Diskussionen darüber, was Vorrang habe – territoriale Integrität oder das Recht der Nationen auf Selbstbestimmung – haben in der Generalversammlung der Vereinten Nationen im 20. Jahrhundert eingesetzt. Die langwierigen Diskussionen führten zur Annahme einer umfangreichen Erklärung: Jenen Teil, den wir hier ansprechen, besagt eindeutig, dass alle Länder die territoriale Integrität von Staaten zu respektieren hätten, deren Regierungen das Recht der Nationen auf Selbstbestimmung respektierten und daher die gesamte Bevölkerung vertreten, die in ihrem Hoheitsgebiet lebt:

Doch es ist allgemein bekannt, dass die Neonazis, die im Februar 2014 durch einen Staatsstreich in der Ukraine an die Macht kamen, weder die Krim noch den Donbass repräsentieren.

Noch bevor das Recht der Nationen auf Selbstbestimmung adressiert wird, besagt die UN-Charta, dass jede Person Anspruch auf sämtliche Menschenrechte habe, ohne Unterschied durch Rasse, Geschlecht, Sprache oder Religion. Doch ukrainische Gesetze verbieten den Gebrauch der russischen Sprache in allen Lebensbereichen. Ein kürzlich verabschiedetes Gesetz hat sogar die kanonische Ukrainisch-Orthodoxe Kirche verboten. Mit anderen Worten: Diejenigen, die fordern, diesen Konflikt auf der Grundlage der UN-Charta beizulegen, sollten diese zuvor noch genauer durchlesen.

Frage: Die Farb-Revolution [Kiew, Maidan im Jahr 2014] war der Ausgangspunkt für alles. Wir sind uns bewusst, dass Russland jetzt eine wichtige Rolle bei der Lösung von Konflikten auf internationaler Ebene spielt. Ist die besondere Militäroperation ein wichtiger Meilenstein im Zuge der Umgestaltung der internationalen Gemeinschaft und Weltordnung? Ist Russland bereit in erweiterte Feindseligkeiten einzutreten?

Sergey Lawrow: Sie sagten, dass der Coup d’Etat [der Staatsstreich in Kiew im Jahr 2014] die wichtigsten Phasen vorgab und uns schließlich in jene Situation brachte, die wir heute erleben:

Dieser Staatsstreich wurde von westlichen Ländern initiiert und getragen

Danach haben wir viele Jahre lang davor gewarnt, dass eine russische Bevölkerung, welche ihr ganzes Leben in Gebieten verbrachte, die während der Sowjetzeit im ukrainischen Staat eingegliedert waren, nicht so behandelt werden dürfe. Über Jahrhunderte hinweg haben russische Menschen dieses Gebiet entwickelt. Dieses Gebiet sollte auf keinen Fall in die NATO hineingezogen werden. Wir haben lange davor gewarnt.

Aber nachdem der Westen Neonazis gefördert, hochgezogen bzw. gezüchtet hatte, unterstützte er sie weiterhin uneingeschränkt als Werkzeug für einen Krieg gegen die Russische Föderation.

Es ist für jeden, der weiß, was vor sich geht und wofür Gerechtigkeit steht, offensichtlich, dass diese auf unserer Seite steht: Gerechtigkeit bedeutet, dass jeder Mensch gemäß seiner Erziehung und seinen Wünschen das Recht hat, seine Identität zu bewahren.

Die globale Mehrheit, afrikanischer, asiatischer und lateinamerikanischer Länder, wurde nachdenklich, nachdem der Westen damit begonnen hatte, das neonazistische ukrainische Regime als Werkzeug im Kampf gegen Russland einzusetzen. Alle fragen sich, gegenüber wen sonst, den man ggfs. nicht leiden wollte, könnte Washington das nächste Mal seine Unzufriedenheit auslassen? Nun – das könnte künftig jedem, der ihnen nicht genehm wäre, treffen.

In diesem Sinne haben Sie absolut Recht:

Die besondere Militäroperation hat weltweite Bedeutung, weil sie eine multipolare Weltordnung, in der alle Länder ohne Ausnahme gleich sind, hochhält.

Ich möchte noch einmal auf die UNO-Charta zurückkommen:

Darin heißt es ausdrücklich, dass die UNO auf der souveränen Gleichheit aller Staaten beruht. Doch die Vereinigten Staaten und ihre Satelliten haben dieses Prinzip nie respektiert oder geachtet.

Die Globale Mehrheit zieht es nun vor, den aktuellen Stand der Dinge aufzugeben, nachdem Amerikaner von allen verlangen, der regelbasierten Ordnung statt der des Völkerrechtes zu folgen. Doch ihre Regeln scheinen von Gottes Launen, wie wir zu sagen pflegen, abzuhängen.

Als sie es für notwendig erachteten, Serbien um den Kosovo zu berauben, ließen sie dessen Unabhängigkeit einfach ohne ein Referendum ausrufen. Sie sagten, dass die Menschen im Kosovo sich auf ihr Recht auf Selbstbestimmung berufen hätten. Einige Jahre später, nachdem die Nazis in Kiew die Macht an sich gerissen hatten, hielten die Menschen auf der Krim ein Referendum ab und entschieden sich für die Wiedervereinigung mit Russland, wobei zahlreiche internationale Beobachter den Wahlvorgang überwachten. Die Amerikaner verurteilten dieses Vorgehen und sagten, es hätte die territoriale Integrität verletzt.

Doch die meisten Menschen mit denen ich kommuniziere aus Afrika, Asien und Lateinamerika wissen, worum es sich dreht!

Die Vereinigten Staaten wollen alle von ihrer Rolle als Hegemon überzeugen: Dem darf niemand widersprechen, was immer sie auch anstellen. Demnach ließen die Vereinigten Staaten verlauten, dass es jetzt notwendig wäre, Russland auf dem Schlachtfeld eine „strategische Niederlage“ zu bereiten. Sie empfinden uns als existenzielle Bedrohung gegen sich – als Bedrohung ihrer Hegemonie. Falls die Wahrheit sich durchsetzt – und sie wird sich durchsetzen – würden sie dies als eigene Niederlage unter Verlust ihres Ansehens, ihrer Autorität und ihres Prestiges verstehen. Dazu käme, dass viele die Furcht vor ihnen verlören.

Frage: Sie haben meine Frage vorweggenommen. Ich möchte über die „strategische Niederlage“ sprechen, nach welcher sich der Westen so sehr sehnt: Der Westen heute verhält sich wie ein Kind, das mit Streichhölzern spielt. Sucht Russland die Eskalation?

Sergey Lawrow: Wir möchten keine Eskalation. Doch Sie haben Recht: Die [im Westen] spielen.

Eine kindliche Mentalität scheint jene, die verantwortungsvolle Positionen einnehmen, auszuzeichnen, obwohl sie Erwachsene sind, wie Präsidenten, Premierminister, Kanzler, Minister etc.

Seit mehreren Monaten läuft schon die Diskussion, wonach Russland nur drohe und diverse „rote Linien“ setzte, die der Westen immer wieder überschritt, ohne dass etwas passierte. Tatsächlich hat der russische Präsident Wladimir Putin kürzlich in St. Petersburg zu dieser Frage Stellung bezogen:

Falls Initiativen, die Ukraine mit US-amerikanischen, französischen und britischen Langstreckenraketen auszustatten und grünes Licht für Angriffe auf jedes Ziel innerhalb Russlands zu geben, verwirklicht werden, bedeutete dies, dass die NATO-Staaten sich im Krieg mit Russland befänden.

Glücklicherweise gibt es in Washington einige vernünftige Leute, die das realisieren. Die NATO führt Krieg gegen Russland: Aber das ist ein hybrider Krieg – ein Stellvertreterkrieg – den die Ukrainer für sie ausführen. Was die Langstreckenraketensysteme des Westens betrifft, so ist jedem klar, dass die Ukrainer nicht in der Lage wären, sie einzusetzen. Nur Spezialisten aus dem Land des Waffenherstellers wären in der Lage die Zieldaten zu beschaffen bzw. von Satelliten abzurufen und Flugmissionen vorzugeben.

Um auf die „strategische Niederlage“ auf dem Schlachtfeld zurückkomme, möchte ich hier keine westlichen Politiker zitieren, aber es gibt Leute in den Vereinigten Staaten und in Europa, die in ihrem Geschichtsunterricht gut aufgepasst und daraus viel gelernt haben:

Schon Napoleon und später Adolf Hitler versuchten, uns eine strategische Niederlage zuzufügen. Beide brachten den größten Teil Europas unter ihr Banner – mit Ländern, die sich bereitwillig unterwarfen, besetzt wurden und ihr Militär samt Armeen zur Verfügung stellten, um von Bonaparte und Adolf Hitler kommandiert zu werden. Beide Feldzüge endeten in einem Desaster.

Auch das ist jedem, der belesen und geschichtsbewusst ist, vollkommen klar:

Heute, genau wie während des Zweiten Weltkriegs, greift uns die von den USA angeführte Koalition von etwa 50 willfährigen Länder an und benutzt das ukrainische Regime, um kämpfen zu lassen. Es ist ein unverhohlenes Nazi-Regime, genau wie das von Adolf Hitler!

In einer solchen Situation sollte niemand den Charakter des russischen Volkes vergessen haben. Das sehen wir jetzt an vorderster Front. Versuche, Unruhe zu stiften oder Zwietracht in unserer Gesellschaft zu säen, führen immer zum gegenteiligen Ergebnis. Das Land ist geschlossener denn je und wir sehen keine andere Möglichkeit, als die Nazis niederzuringen, die erneut auf unsere Geschichte, unser Land und unsere Sprache zugreifen.

Frage: Es gibt eine Frage im Zusammenhang mit Hinweisen auf den Einsatz von Atomwaffen durch Russland. Wir kennen die Doktrin der Russischen Föderation in diesem Bereich. Jedes Mal, wenn „roten Linien“ überschritten werden, stellt sich die Frage, wo diese im Zusammenhang mit Atomwaffen wirklich lägen?

Sergey Lawrow: Wir sprechen von „roten Linien“ in der Hoffnung, dass unsere Einschätzungen und Aussagen von klugen Entscheidungsträgern gehört werden. Es wäre einfältig zu sagen, dass wir den roten Knopf drücken werden, falls man morgen nicht täte, was wir verlangten. Ich bin zuversichtlich, dass die Entscheidungsträger wissen, was wir unter diesen Situationen verstehen:

Niemand will einen Atomkrieg. Das haben wir immer wieder betont!

Ich versichere Ihnen, dass wir über Waffen verfügen, deren Einsatz schwerwiegende Folgen für die Meister über das ukrainische Regimes nach sich ziehen würde: Diese Waffen sind verfügbar und in höchster Alarmbereitschaft.

Frage: Ich möchte über den Nahen Osten sprechen – über die Entwicklungen dort und insbesondere über die Beteiligung des Westens. Heute wird viel über die strategische Partnerschaft [Russlands] mit den Iranern gesprochen. In den Nachrichten heißt es, dass Russland Raketen aus dem Iran erhalten hätte und dass Russland seinerseits Nukleartechnologien an dieses Land weitergegeben hätte. Darüber wird geschrieben und gesprochen. Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen?

Sergey Lawrow: Das Gleiche wird über die Demokratische Volksrepublik Korea gesagt – ziemlich das Gleiche. Wir interagieren mit dem Iran, Nordkorea oder jedem anderen Land wirtschaftlich, politisch und im militärisch-technischen Bereich ausschließlich im Rahmen des Völkerrechts und verletzen keine unserer internationalen Verpflichtungen. Es ist irrelevant, wenn die Vereinigten Staaten zehn Lügengeschichten pro Tag auftischen und uns aller Todsünden bezichtigen. Oder anders gesagt, wobei es nur eines bedeutet: Sie schätzen es nicht Russland als Rivalen auf der internationalen Bühne zu sehen.

Ich möchte es noch einmal betonen, dass wir in unseren Beziehungen zum Iran oder zu jedem anderen Land keine Regeln des Völkerrechts verletzen – auch nicht die, welche militärisch-technische Zusammenarbeit regeln.

Ich glaube, dass der Iran und seine Nachbarn – die arabischen Monarchien und andere arabische Länder – an einer Zusammenarbeit untereinander interessiert sind. Sie gehören derselben Region an und es ist unvermeidlich, dass sie Seite an Seite miteinander leben. Ich begrüße den Prozess, der zwischen Saudi-Arabien und der Islamischen Republik Iran in Gang gekommen ist. Sie haben ihre Beziehungen normalisiert. Auch in vielen anderen Fragen wird der Dialog gefördert. Ich bin zuversichtlich, dass es im Interesse des Irans und seiner arabischen Nachbarn liegt, nachbarschaftliche, normale und gute Beziehungen zu unterhalten.

Das wird es ermöglichen, eine wirtschaftliche Zusammenarbeit zum Nutzen all dieser Länder zu entwickeln und auf internationaler Ebene effektiver zusammenzuarbeiten, um die Interessen der Länder des globalen Südens und Ostens zu wahren.

Frage: Während des Besuchs von Joe Biden in Saudi-Arabien hieß es, dass China und Russland möglicherweise die Lücke füllen müssten, welche die Vereinigten Staaten in der Region hinterlassen hätten. Wollten Sie das kommentieren? Gibt es dort wirklich ein Vakuum? Wie stehen die Beziehungen Russlands zu den Ländern in dieser Region? Ich möchte auch das Thema des palästinensisch-israelischen Konflikts ansprechen.

Sergey Lawrow: Was die von den USA hinterlassene Lücke betrifft, so sollten wir die letzten 50 bis 70 Jahre betrachten, in denen die USA zahlreiche Ziele lautstark und stolz verkündet hatten, wobei das wichtigste daraus besagte, in verschiedenen Regionen der Welt Demokratie einführen zu wollen:

  • Nehmen wir Vietnam: Welche Ziele wurden angekündigt? Welche wurden erreicht? Hunderttausende Zivilisten wurden getötet und verbotene Waffen eingesetzt. Die Ziele wurden verfehlt. Sie stiegen in ihre Hubschrauber und machten sich aus dem Staub.
  • Noch mehr Zeit [20 Jahre] verbrachten sie in Afghanistan: Sie unternahmen keinerlei Anstrengungen, die Wirtschaft des Landes zu entwickeln. Sie prahlten damit, die terroristische Bedrohung abgestellt zu haben. Am Ende flohen sie. Wir alle haben das Video gesehen, in dem ein Flugzeug Afghanen, die versuchten, mit ihnen gemeinsam zu fliehen, fast zerquetschte. Sie überließen all diejenigen, die mit ihnen zusammengearbeitet hatten, ihrem Schicksal – Tausende und Abertausende von Menschen.
  • Oder nehmen wir den Irak: Welche Ziele haben die Amerikaner im Irak erreicht? Jetzt werden sie aufgefordert, das Land zu verlassen. Seit mehr als zwei Jahren erklären die Regierung und das Parlament des Irak, dass sie die Amerikaner nicht mehr brauchen. Dennoch wollen die Amerikaner nicht gehen. Was versuchen sie dort zu erreichen?
  • Syrien: Was haben sie in Syrien erreicht?
  • Was zwischen Palästina und Israel geschieht, ist schockierend: Experten können sich kaum an eine Tragödie oder humanitäre Katastrophe ähnlich dieser erinnern. Ich möchte betonen, dass dies bald ein Jahr her ist. Vor einigen Monaten wurden im Westen Statistiken veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass in den zehn Monaten seit Beginn der israelischen Operation zwanzigmal mehr palästinensische Zivilisten starben als in den zehn Jahren des Krieges in Donbass nach dem Coup d’Etat im Jahr 2014. Im Donbass wurden beide Seiten [an Opfern] mitgezählt: Menschen, die im Donbass leben und Menschen, die in dem vom Kiewer Regime kontrollierten Gebiet geblieben sind: In den zehn Monaten [in Gaza] starben zwanzigmal mehr Menschen als in den zehn Jahren [im Donbass].

Der Terroranschlag vom 7. Oktober 2023 war empörend. Alle vernünftigen Menschen verurteilen ihn:

Es ist jedoch inakzeptabel, auf ein Verbrechen mit einem anderen Verbrechen zu reagieren, insbesondere mit der verbotenen Methode kollektiver Bestrafung von Zivilisten.

Sie haben die Lücke erwähnt, als Sie über die Politik der USA in Bezug auf die Region sprachen. Als der Terroranschlag am 7. Oktober 2023 stattfand und Israel seine brutale Operation begann, sagte UN-Generalsekretär Antonio Guterres in seiner Rede vor der Generalversammlung, dass er den Terroranschlag verurteile. Aber das sei nicht vor einem Vakuum [und historischem Hintergrund] geschehen. Er meinte, dass:

… die UN-Beschlüsse zur Gründung eines palästinensischen Staates seit Jahrzehnten nicht umgesetzt wurden. Von den Gebieten, die den palästinensischen Staat hätten bilden sollen, ist fast nichts mehr übriggeblieben.

Schauen Sie sich die Reaktion der israelischen Führung an, als Herr Guterres sagte, dass der Terroranschlag nicht vor einem [historischen] Vakuum stattgefunden habe. Der Ständige Vertreter Israels bei den Vereinten Nationen in New York – der zu diesem Zeitpunkt diese Position innehielt – geriet in Rage: Er forderte, dass Herr Guterres von seinem Posten zu entlassen wäre.

Straflosigkeit hat eine schädliche Qualität: Wir haben unseren israelischen Kollegen oft gesagt, dass die Sowjetunion, unser Land, mehr als jeder andere in diesem Land getan hat, um Juden zu retten und diejenigen zu besiegen, die den Holocaust entfesselten:

Durch den Holocaust sind nicht nur Juden umgekommen, sondern auch eine große Anzahl von Russen, Weißrussen, Ukrainern, Kasachen und andere Völker, die auf dem Gebiet des heutigen Russlands oder auf dem Gebiet der Sowjetunion lebten, haben im Zuge desselben ihr Leben verloren.

Wenn einige der Offiziellen ihre Handlungen damit rechtfertigen, dass es – das jüdische Volk – Opfer des Holocaust gewesen wäre und ihnen daher vergeben werden kann, ist dies ein beunruhigender Trend: Es ist ein Zeichen für den für Hitlerdeutschland und seine Ideologie charakteristischen Exzeptionalismus.

Ich habe viele Freunde in Israel. Die überwiegende Mehrheit von ihnen versteht, dass die Frage eines palästinensischen Staates gelöst werden muss und dass die Unterdrückung der natürlichen Rechte des palästinensischen Volkes inakzeptabel sei.

***

Morgen folgt Teil 2 des Interviews

Übersetzung: UNSER-MITTELEUROPA

UNSER-MITTELEUROPA berichtete zur Gefahr globaler & atomarer Eskalation:



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Von Redaktion

10 Gedanken zu „Sergey Lawrow: Westliche Staatslenker scheint eine kindliche Mentalität auszuzeichnen | Teil 1“
  1. Herr Lawrow, früher saßen solche Leute bei uns im Zuchthaus!
    Nur heute sitzen sie auf den Regierungsbänken, weil dem Michel das “Selbst Denken” aberzogen worden ist. Auch sein Leben in “Selbstverantwortung” zu bestreiten gelingt ihm nicht und deshalb wird er vom Staat gepampert! Nur hier habe ich die Hoffnung, das der ganze soziale Müll bald verschwindet!

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  2. Ich glaube nicht an das Ost/West-Feindbild. Sicher haben die Russen in Lawrow und Putin intelligentere Köpfe in der Regierung. Die Negativauslese im Westen ist offensichtlich, nicht nur geistig, sondern auch moralisch (Macron). Aber spielen sie uns etwas vor, um uns in pernanenter Angst zu halten? Was stand im 2+4 Vertrag? Sind die Russen wirklich raus und warum halten sich die Amis daran, in Mitteldeutschland keine Militärstützpunkte zu errichten? Rußland verwaltet immer noch einen Teil von Ostdeutschland. Beide setzen ihre Lügen über den II.WK gegen uns fort. Warum geben die Russen nicht zu, daß sie auf der Seite der Geldelite kämpften? Und beide halten über die Verbrecher auf der anderen Seite an deutschen Zivilisten nach dem Krieg einträchtig die Klappe? Man scheint sich einig zu sein. Archive hält man auf beiden Seiten vorsorglich geschlossen. Die Mittelmacht wurde 1918 zerfleddert und mit Stalin 1945 fortgesetzt.
    Karl Eduard hat uns Ossis auch nichts von den Panschereien in Lebens- und Arzeneimitteln erzählt. Warum? Feinde? Nicht wirklich!!!

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  3. Da hat Herr Lawröw mal wieder m. A. n. absolut r.cht. Die verhalten sich wie trotzige Kleinkinder, die einfach nur gegen alle Vernunft der Eltern ihren Willen durchsetzen wollen, mit den Füßen aufstampfen, sich die Ohren zuhalten und schreien, um die Worte der vernünftigen Eltern nicht zu hören, sich auf dem Boden schreiend und um sich schlagend auf den Boden werfen und was solchen kleinen Trotzköpfen noch alles einfällt, um die Eltern zu tyrännisieren und ihren Willen durchzusetzen.
    Meiner Ansicht nach.

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  4. Im Film „Terminator“ beschließen die Maschinen die Menschheit mittels Atomkrieg auszurotten. Damals hielt ich das für eine weit hergeholte Phantasie. Damals. Heute nicht mehr. Zieh´mir gerade das Buch von Anne Jacobsen „72 Minuten bis zur Vernichtung“ rein. Dieser Krieg ist so technisiert, dass eine falsche Entscheidung eine Kettenreaktion auslösen kann, die nicht mehr zu stoppen ist. Wir brauchen wieder die Entspannungspolitiker, die wir früher mal hatten. Die „young global leader“ sollten wir als Kriegsverbrecher an Putin ausliefern. Das Gesockse braucht echt keiner. Der Militärgeheimdienst soll endlich seine Arbeit machen und die Verbrecher wegsperren. Euer Hals ist auch in Gefahr.

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  5. Um diesen Kriegsrausch zu beenden, müssten wir Ursula Leyen und die gesamte EU und alle Kriegstreiber an die Front schicken, um selbst zu sehen, was Krieg ist.

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