Im letzten Teil des Interviews zum Buch „Vom Niedergang des Westens zur Neuerfindung Europas“ von Hauke Ritz, seziert der Autor nicht nur den Niedergang des Westens, sondern zeigt die einzige Lösung zur Rettung der „europäischen Kultur“ durch überfällige Befreiung Europas vom „Westen“!
Hauke Ritz: „Eine intakte europäische Kultur würde die
heutige oligarchische Machtkonzentration in Frage stellen!“
Flavio von Witzleben: Jetzt hatten sie eben schon ausgeführt, dass sie diesen transatlantischen Bruch [USA verließen NATO] nicht sehen – zumindest noch nicht in der Form, wie das jetzt in vielen Mainstream Medien hier in Berlin herbeigeschrieben wird. Dennoch muss ich noch mal widersprechen: Donald Trump hat ja enormen Druck auf Deutschland ausgeübt und beispielsweise angekündigt, dass wenn Deutschland seine Position im Ukrainekonflikt nicht verändert, nicht auf den aktuellen Kurs der US-Administration aufspringen und sich nicht zu Friedensverhandlungen bereit erklären würde, die USA alle Solldaten – knapp 37.000 – aus Deutschland abziehen werde. Danach würden wahrscheinlich auch [die US-Basen in] Stuttgart und Rostock und womöglich viele andere US-Basen hier aufgekündet werden. Also von daher ist dieser Bruch natürlich noch nicht final durch. Aber, es ist doch klar erkennbar, dass da zurzeit die USA und Europa konsequent getrennte Wege gehen oder sehen Sie das anders?
Dr. Hauke Ritz: Erst muss man sehen, dass die USA mehr als ihre aktuelle Regierung verkörpern: Es gibt eine Bürokratie, es gibt große Konzerne, es gibt Banken. Die Verflechtungen zwischen Europa und den USA sind so groß, …
… dass selbst, wenn jetzt die bestehende US-Regierung die Truppen abzieht und ein paar Militärbasen schließt, die ganzen anderen Verflechtungen noch bestehen blieben!
BlackRock wird weiter in deutsche DAX-Konzerne investiert sein. Die ganzen Einflussnetzwerke sind noch da: Eine Verbindung, welche über 80 Jahre entstanden ist, lässt sich nicht einfach durch die Worte eines Präsidenten auflösen.
Deswegen meine Skepsis, um erst abzuwarten, was mit der Trump-Regierung noch passiert – ich meine auch in den USA stoßen die Veränderungen, welche Trump jetzt versucht einzuleiten, auf großen Widerstand. Da gibt es viele Leute, die dadurch an Einfluss verlieren und etwas dagegen haben. Man muss noch abwarten, wie dieser Prozess weitergeht, ob Trump erfolgreich ist oder nicht. Der Prozess könnte immer noch umgedreht werden. Darauf hoffen ja viele Politiker hier in Deutschland.
Hingegen, wäre es sehr schön, wenn US-Stützpunkte, wie in Stuttgart und Ramstein geschlossen werden könnten. Das würde mich mit großer Hoffnung und Freude erfüllen!
Ich verstehe auch nicht die transatlantische Klasse, die unbedingt möchte, dass die Europäische Union und Deutschland in einem ewigen Abhängigkeitsverhältnis zu den USA blieben. Eigentlich müsste doch auch ein…
Flavio von Witzleben: … das ist doch unsere Schutzmacht, Herr Ritz! Wer soll denn unsere Sicherheit in Europa gewährleisten, wenn nicht die Amerikaner? [eingeworfen mit Ironie]
Dr. Hauke Ritz: Ja – allerdings leben in der Europäischen Union 450 Millionen Menschen. Wir haben auch eine industrielle Basis. Natürlich können wir selbst eine Verteidigungsarmee aufbauen.
Dazu kommt: Kriege werden heute nicht nur dadurch verhindert, dass man rüstet und Feindbilder produziert. Sie werden auf gewisse Weise durch Diplomatie unmöglich gemacht. Wenn wir wieder zur Politik von Egon Bahr und Willy Brandt, zurückfinden könnten, dann gäbe es zumindest aus dem Osten keine Bedrohung.
Es gibt das Projekt der Neuen Seidenstraße von China. Falls es ökonomische Verflechtungen mit Russland, China und Indien – das vor allem sind die Wachstumsregionen der Zukunft – gäbe, könnte enormer Wohlstand für Europa generiert werden. Wenn Handelsbeziehungen an die Stelle von Konfrontation treten würden, könnte man sich die [Auf-]Rüstung sparen. Dann brauchte Europa auch keinen Atomschirm. Wie ich schon sagte:
In der multipolaren Welt gewinnt der, der auf Kooperation, Dialog und Diplomatie setzt. Das müsste Europa eben noch lernen!
Flavio von Witzleben: Vielleicht noch abschließend, bevor wir gleich auf ihr Buch zu sprechen kommen, Herr Ritz. Was ist denn ihrer Ansicht nach das geopolitische Kalkül hinter der Annäherung der USA an Russland? Es gibt inzwischen Verlautbarungen aus der Trump Administration, welche darauf abzielen, dass US-Firmen in Russland ihr Geschäft wieder aufnähmen. Wir wissen ja – nach der Zeitenwende haben die meisten großen US-Firmen in Russland ihre Pforten geschlossen. Doch unter Trump zeichnet sich eine Annäherung zwischen den beiden Ländern klar ab. Putin sagt ganz offen, dass er diese neue Gangart der neuen Administration in Washington begrüße.
Dennoch sollte man im Hinterkopf behalten, dass diese Annäherung und solche Freundschaften immer mit einem gewissen Kalkül und gegenseitiger Abhängigkeit verbunden sind. Sie sagten, um ein Stück auf ihre Interpretation einzugehen: Die USA hätten verstanden in der multipolaren Welt erfolgreich bestehen zu müssen. Und die USA wollten diese multipolare Welt anführen und brauchten dafür auch gute Beziehung zu Russland. Entspräche dies ihrer Interpretation?
Oder gilt eine andere Interpretation – auf die ich kürzlich stieß: Im Zuge der Zeitenwende und des Ausbruchs des Ukrainekrieges stünden die Beziehungen zwischen Russland und China – wir haben es alle mitbekommen – auf einem historisch so hohen Niveau, wie noch nie. Ein riesiger [russischer] Bär entstünde, wobei die große Kooperation zwischen beiden Ländern [Russland und China] für die USA in jeglicher Hinsicht eine enorme Bedrohung darstelle. Dies wäre dabei auch der Hintergrund der US-Annäherung [an Russland]. Was sagen Sie zu dieser Interpretation?
Dr. Hauke Ritz: Ja – das ist natürlich auch richtig – mehrere Sachen sind gleichzeitig wahr! Vielleicht träumen auch Trump oder einige Leute in seinem Kabinett davon, dass man besagtes Bündnis zwischen Russland und China wieder auflösen könnte, indem man Russland umarmte. Das wird aber nicht möglich sein, weil Russland und China über eine extrem lange gemeinsame Grenze verfügen und gegenseitig voneinander abhängig sind:
Russland und China werden verbunden bleiben!
Das schließt aber nicht aus, dass es trotzdem zu einer Annäherung [Russlands] in einzelnen Punkten gegenüber den USA kommen könnte. In Bezug auf die USA muss man sich klar darüber sein, dass die USA Europa über die letzten 80 Jahre in einen abhängigen Diener seiner geopolitischen Interessen verwandelt haben.
Das heißt, die Europäer können nicht, wie noch zu Zeiten von Willi Brandt oder Helmut Schmidt, über ihre eigenen Interessen nachdenken – das haben sie verlernt!
Sie haben auch gar nicht mehr die Institutionen dafür, die das tun könnten. Und dieser abhängige geopolitische Brückenkopf „Europa“ war für die Amerikaner im Kalten Krieg, wie auch in [Zeiten der] unipolaren Welt sehr sinnvoll. Aber jetzt in [Zeiten] der multipolaren Welt[-ordnung] ist dieser abhängige und selbst nicht mehr reflektionsfähige sowie verteidigungsfähige Brückenkopf zu einem Ballast für die Amerikaner geworden. Er kostet ihnen nur noch Geld. Nun wollen sie sozusagen Europa los werden. Die USA möchten, dass Europa endlich auf eigenen Beinen stünde und um sich selbst kümmerte.
Sicherlich haben Sie – auch die Trump Administration – immer noch Interessen in Europa. Wenn Trump sagt, irgendwie die deutschen Autokonzerne könnten auch amerikanische Konzerne werden, dann ist da durchaus das Interesse wahrnehmbar, Wohlstand aus Europa zu extrahieren und in die USA zu überführen. Solche Interessen werden sie weiterhin haben!
Doch, sie wollen nicht diesen Ballast – NATO fängt zum Ballast für die USA zu werden: Es könnte tatsächlich darauf hinauslaufen, dass sie NATO auflösen oder sich aus Europa zurückziehen würden – man hat das noch abzuwarten.
Flavio von Witzleben: Halten sie tatsächlich die Auflösung der NATO im Zuge der größten militärischen Bedrohung seit dem Ende des Zweiten Welt für möglich?
Dr. Hauke Ritz: Man muss sich klar machen, dass Russland im Moment für die USA den attraktiveren Partner darstellt: Denn, Russland ist selbstständig – Russland kann die Welt interpretieren. Russland hat ein selbständiges Militär. Russland hat eine eigene Rohstoffbasis. Russland versteht die Gesetze der Geschichte, die sich jetzt vollziehen.
Das heißt: Eine auf sich selbst konzentrierte USA würde quasi in Russland einen Dialogpartner finden, mit dem man ernsthaft und bewusst – wie ein Erwachsener – reden kann. Dagegen werden die Europäer von ideologisierten Einflussagenten der zurückliegenden amerikanischen Administrationen angeführt, die jegliches analytisches Verständnis für die Wirklichkeit vermissen lassen und nur in ideologischen Feindbildern in Versatzstücken postmoderner Ideologie, von Gender Studies bis zum Klimawandel, denken.
Für die Trump Administration, die versucht Realismus in die amerikanische Politik zu zurückzubringen und sich in der multipolaren Welt neu zu positionieren, werden solche Ideologen aus Europa zum Ballast. Hinzu kommt, dass die Europäische Union auch gegen die Trump-Administration tätig geworden war: Man hat ja kein Hehl daraus gemacht, wen man in den USA unterstützte. Als Joe Biden in seinen letzten Wochen die Ukraine – und Russland Politik „Trump-sicher“ machen wollte – also die Administration und ihre Politik absichern wollte – da haben die Europäer geholfen.
Diesbezüglich kann jetzt die neue amerikanische Regierung argumentieren: Jene Politiker, die jetzt in Europa regieren, wären eigentlich gegen die Administration von Trump eingestellt, denn, sie hätten versucht, die Politik von Trump zu verhindern. Während die Russen ehrlich wären und die Welt verstünden. Russen könnten sich in der Welt geistig orientieren und selbständig auftreten. So mache es für die USA – z.B. in der Iran Frage – mehr Sinn mit Russland zusammenarbeiten, um viel mehr zu erreichen, als mit besagten ideologisierten Europäern, welche die Welt nicht verstünden!
Flavio von Witzleben: Sicher, das wird noch interessant werden. Dennoch sehe ich auch einige Konfliktherde zwischen Russland und den USA, beispielsweise wenn es um Grönland geht. Da wird Russland sicherlich auch noch ein Wörtchen mitzureden haben: Man wird sehen, ob sich Grönland tatsächlich den USA anschließen wird. Darüber lässt sich spekulieren: Auch wenn es um die US-Feindschaft gegenüber China geht. Das ist ein potentieller Konflikt, den Russland aufgrund seiner enormen wirtschaftlichen und diplomatischen Verstrickungen nicht einfach tatenlos hinnehmen wird – vor allen Dingen auch, falls es um die Taiwan -Frage unter Trump ginge. Es gibt einige Konflikte, denen sich beide Länder gegenübersehen?
Dr. Hauke Ritz: Doch, ich glaube, man muss sich auch klar vor Augen führen, wie stark die USA militärisch abgestiegen sind. Nehmen wir nur an, es käme zu einem offenen militärischen Konflikt um Taiwan. Die ganze Flugzeugträgerflotte der USA gleicht einem Dinosaurier. Modernen Antischiffsraketen könnten diese Gefährte ausschalten:
US-Flugzeugträger stellen für hochentwickelte Militärmächte, wie China und Russland keine Bedrohung mehr dar!
Ich meine, der Pazifik erstreckt sich über 6.000 km. Es wäre ein logistischer Albtraum Taiwan zu unterstützen, falls ein Krieg mit Festland-China ausbräche. Hinzu kommt, dass die chinesische Flotte inzwischen genauso groß ist, wie die amerikanische nur mit dem Unterschied, dass die chinesische Werften im Vergleich zu den USA die zig-fachen Schiffsbaukapazitäten vorhalten können. Im Fall, dass beide Seiten die Hälfte ihrer Flotte verlören, könnte China dies im Null-Koma-Nichts nachbauen – die USA nicht!
Dazu kommen die ganzen Defizite rund um Korruption, die sich im Pentagon eingeschlichen haben. Weil enorme Geldsummen investiert werden, hat sich auch ein riesiger Korruptionssumpf dort ausgebreitet – dazu kommt die ganze Woke- Agenda, welche die Wehrfähigkeit des US-Militärs reduziert und vieles mehr…
Flavio von Witzleben: … das versucht Trump ja gerade rückgängig zu machen?
Dr. Hauke Ritz: Das lässt sich nicht in wenigen Jahren rückgängig machen! Die USA sind nicht mehr in der Lage, wie 1991 einen Golfkrieg mit hunderttausenden Soldaten zu führen. Sie können auch in der Ukraine nichts tun, weil sie auf den Drohnenkrieg nicht so, wie jetzt die Russen eingestellt sind.
Die russischen Waffensysteme haben sich in vielen Bereichen als besser erwiesen: Die amerikanischen Waffensysteme wurden für einen militärisch industriellen Komplex, der kapitalistisch funktioniert, gebaut Das heißt:
Man hat US-Waffen so gebaut, dass sie oft gewartet werden müssen, um mehr Geld mit der Wartung zu verdienen – doch das macht diese Waffen unbrauchbar für einen [echten] Krieg!
Das heißt, die USA schwenken auch jetzt auf die multipolare Welt über, weil es ihnen an militärischen Kapazitäten zur Durchsetzung der unipolaren Welt[-ordnung] fehlt. Die USA sind inzwischen nicht mehr in der Lage tatsächlich in einen neuen Kalten Krieg, weder mit Russland noch mit China, einzutreten. China wächst nach wie vor mit großer Geschwindigkeit. Die Kooperation der BRICS-Staaten geht auch weiter. Es geht jetzt darum, wie man mit den BRICS-Staaten über die Ablösung des US-Dollars als Weltwährung verhandelt. Der Dollar wird früher oder später als Weltwährung abgewickelt werden – die Frage dreht sich nur noch um die Geschwindigkeit.
Flavio von Witzleben: Donald Trump hat angekündigt, dass er das nicht hinnehmen wolle: Er drohte, dass im Fall einer eigenen Währung der BRICS-Staaten, diese mit Strafzöllen von bis zu 100% belegt werden würden. Er hält am US-Dollar als Weltleitwährung bis zuletzt aktuell noch fest!
Dr. Hauke Ritz: Doch, es ist trotzdem so, dass es im 21. Jahrhundert kein singuläres mehr Land geben wird, das für die Welt die [Leit-]Währung stellt. Das ist sozusagen eine rückständige Position, die aus dem 20 Jahrhundert herrührt, doch im 21. Jahrhundert zur Disposition gestellt wird. Nochmal: Es ist nur eine Frage der Geschwindigkeit!
Die BRICS-Staaten verzichteten selbst darauf, die USA in die Ecke zu drängen, um eine gesichtswahrende Lösung für die USA sicherzustellen. Möglicherweise wird man fragen, wie viele Jahre die USA brauchen würden, um ihre Industrie umzustellen und zu re-industrialisieren. Diese Jahre würde man den USA zugestehen, falls diese im Gegenzug auf ihr unipolares Weltprojekt verzichteten, sodass eine Weltordnung mit Einflusszonen nach den Prinzipien der Westfälischen Friedensordnung und der UN-Charter wieder Geltung erhalten könnte.
Flavio von Witzleben: Herr Ritz, lassen wir das zunächst mal so stehen und kommen auf die zentralen Aussagen in ihrem Buch zu sprechen, das jetzt in zweiter Auflage im Dezember letzten Jahres erschienen ist…
Dr. Hauke Ritz: … die dritte Auflage ist gerade in Vorbereitung!
Flavio von Witzleben: … die dritte Auflage ist gerade in Vorbereitung! Sie schreiben im hinteren Teil Ihres Buches: Wer die Welt [globalmonopolar] beherrschen wollte, der müsste den „Code der europäischen Kultur“ umschreiben…
Dr. Hauke Ritz: … Sie zitieren mich etwas einseitig…
Flavio von Witzleben: … die Frage ist noch nicht fertig gestellt: Sie schreiben, es ginge in diesem Konflikt in der Ukraine um die Deutung der europäischen Kultur. Könnten Sie das näher ausführen, um dieses Zitat besser zu verstehen – auch für unsere Zuhörer: Was meinen Sie mit dem „Code der europäischen Kultur?“
Dr. Hauke Ritz: Das Buch umfasst 300 Seiten. Was sie gerade zitierten, steht am Ende des Buches. Doch zuvor arbeitete ich mich durch sehr viel Material durch, um gegen Ende des Buches diesen Satz zu schreiben. Doch, wenn man jetzt diesen Satz aus dem Kontext herausreißt, dann erscheint er irgendwie radikal und unverständlich.
Ich habe zuvor [vor diesem Satz] auf über 100 Seiten dargelegt, dass der Kalte Krieg eine kulturelle Dimension hatte und daraus bestimmte Institutionen mit bestimmten Denkweisen erwachsen sind. Ich führe im Buch aus, dass ein Bereich des ideologischen Gegensatzes im Kalten Krieg zwischen zwei Weltbereichen durch eine Beamtenherrschaft geprägt war: Das war sozusagen der von der Sowjetunion kontrollierte Bereich – das war ein Sozialismus, aber kein demokratischer. Letztlich waren es Beamte, die nicht Oligarchen waren und dort die Volkswirtschaft führten:
Die Beamten hatten zwar ein paar Privilegien, aber diese sind nicht vergleichbar mit den Privilegien, welche Oligarchen zu eigen sind!
Und auf der anderen Seite der Welt gab es eben ein kapitalistisches System, das zwar während des Kalten Krieges noch begrenzt – noch etwas reguliert war:
Aber nach dem Kalten Krieg im Zuge des Sieges des Neoliberalismus zunehmend unreguliert, eine fantastische Vermögenskonzentration größer als die vor der Französischen Revolution hervorgerufen hat!
Das heißt, wir haben es heute sozusagen mit Vermögenskonzentrationen, die einfach unfassbar sind, zu tun. Doch, das wirft nun die Fragen auf:
- Hat das Bestand oder nicht?
- Bildet die europäische Kultur in ihrer Verfasstheit, wie sie sich über die viele Jahrhunderte aufgebaut hat, da tatsächlich eine Art Hindernis, weil es diesbezüglich Gerechtigkeitsvorstellungen gibt, die tief in die europäische Kultur eingesenkt sind, vermittelt über das Christentum und auch die politische Kultur Europas, die nach der französischen Revolution entstanden sind und von einer Verweltlichung des Christentums geprägt waren?
Das heißt, die christliche Grundbotschaft wurde auf andere Bereiche übertragen. Das bedeutet beispielsweise die Gleichheit aller Seelen vor Gott:
Alle Seelen vor Gott sind gleich!
Daraus wurde die Gleichheit vor dem Recht. In vielen Grundannahmen, welche die europäische Kultur prägen, kann man als unbefangener Bürger da das christliche Element gar nicht mehr erkennen: Das sieht alles so vernünftig aus – ausgedrückt in ökonomischen Begriffen, rechtlichen Begriffen, philosophischen Begriffen:
Aber tatsächlich steht die gesamte moderne Welt, wie sie aus der französischen Revolution hervorgegangen ist, auf dem säkularisierten, verweltlichten Christentum!
Doch, das Christentum ist – wie schon erwähnt – davon geprägt, dass alle Seelen vor Gott gleich sind:
Darin kodiert liegen tiefsitzende Gerechtigkeitsvorstellungen!
Ich könnte das jetzt minutenlang weiter ausführen: Man muss sich auch vergegenwärtigen, dass Jesus Christus als Sohn Gottes nicht als Adliger auf die Welt gekommen ist – nicht als Prinz – nicht als Angehöriger ein höheren Klasse, sondern sozusagen vielmehr als Bettelmönch – als jemand der zur Unterschicht gehört und der besitzlos lebte. Wenn das Gottes Sohn ist, dann ist darin die Logik einer Umkehr manifestiert. Das heißt, wenn sozusagen Gott sagt, dieser unterste der Untersten, der den Sklaventod am Kreuz gestorben ist: „Das ist mein Sohn!“
… dann ist die ganze herrschende Klasse der römischen Antike damit gerichtet – das war die revolutionäre Grundbotschaft des frühen Christentums!
Deswegen musste das Christentum 200 Jahre im Verborgenen wirken, bis es sich nach und nach zu einer dominanten Religion entwickelt hatte und dann auch staatlich abgesegnet wurde.
Aber das war ein langer Prozess! Diese Grundcodierung des Christentums als eine von unten kommende Religion, die nicht von herrschenden Klassen eingesetzt worden war, hat dann auch die europäische Neuzeit in diesem Sinnen geprägt: Die europäische Neuzeit von den deutschen Bauernkriegen bis zum spanischen Bürgerkrieg ist von Revolutionen geprägt, die ebenfalls immer dieser Logik der Umkehrung und Aktualisierung gefolgt sind.
Die wahre Ordnung ist nicht die weltliche Ordnung, wobei die natürliche Rangordnung des Lebens mit den Reichen und Armen in Frage gestellt werden muss:
Das ist ein Grundvorstellung der europäischen Kultur!
Das heißt, wenn die europäische Kultur intakt bleibt und sich so weiterentwickelt, wie sie sich die letzten Jahrhunderte weiterentwickelt hat, würde…
… diese oligarchische Machtkonzentration, die im Kalten Krieg und noch verstärkt nach dem Kalten Krieg entstanden ist, herausgefordert werden!
Wenn man jetzt aber jemand ist, der von der derzeitigen Vermögensverteilung profitiert und mit solchen Strukturen wie BlackRock oder den Monopolen digitaler Konzerne verbunden ist und das sicherstellen möchte:
Dann müsste man tatsächlich die europäische Kultur und dieses Element der europäischen Kultur, dass ich gerade genannt habe, umschreiben bzw. verändern!
Aber, wie gesagt: Sie haben das eben ein bisschen aus dem Kontext gerissen. Es ist so, dass ich in diesem Buch lange über diesen kulturellen Kalten Krieg schreibe und mich dann am Ende sozusagen zu diesen Aussagen hinarbeite. Ich leite dabei ab:
- warum der Kalte Krieg nach dem Ende des Kalten Krieges weiterging.
- warum Russland ein Feind für den Westen geblieben ist, obwohl doch die Kooperation mit Russland von der reinen machtpolitischen Perspektive aus betrachtet, viel sinnvoller gewesen wäre
Beispielsweise bereitet der Aufstieg Chinas und Indiens jetzt den USA enorme Probleme. Falls man jedoch Russland nach dem Mauerfall als Verbündeten gewonnen hätten, was leicht möglich gewesen wäre, hätte man Russland nur umarmen müssen. Die USA wären in einer solchen Konstruktion trotzdem der Chef geblieben. Dann wäre der Aufstieg Indiens, Chinas und der südlichen Hemisphäre gar kein Problem für die USA.
Es stellt sich die Frage, warum sie diese einfache machtstrategische Möglichkeit abgelehnt hatten, doch stattdessen in Konfrontation zu Russland gingen, was inzwischen dazu geführt hat, dass Russland ein Gegenbündnis mit den BRICS-Staaten aufgebaut hat, was jetzt den USA enorme Probleme bereitet.
Dazu sage ich: Diese Antwort auf diese Frage findet man nur, wenn man sich mit besagter kulturellen Dimension des Kalten Krieges, ihrem Fortbestehen und ihrer Weiterentwicklung nach dem Kalten Krieg beschäftigt.
Andere Argumente, die immer angeführt werden, beziehen sich [nur] auf geografische Hintergründe, wonach Russland der Feind gemäß Halford Mackinder und seiner Herzland-Theorie sei. Darauf gehe im dritten Kapitel des Buches auch ein, aber ich sage, dies sei nicht der letzte Grund: Diese geographischen Vorteile bzw. den Rohstoffreichtum Russlands hätte man auch im Bündnis mit Russland nutzen können. Die USA und Europäer hätten in einem Bündnis mit Russland vom Rohstoffreichtum und der geographischen Lage Russlands auch profitieren können. Das heißt, diese Denkweisen, die auf Mackinder zurückgehen und von Zbignew Brzeziński erneuert wurden, spielt zwar eine Teilrolle, liefern aber nicht den letzten Grund:
Den letzten Grund für die derzeitige Konfrontation mit Russland, findet man, wenn man sich mit dem kulturellen Kalten Krieg und seinen Folgen beschäftigt!
Flavio von Witzleben: Deswegen hatte ich erwähnt, dass nach der zentralen Aussage Ihres Buches es im Konflikt in der Ukraine eigentlich im Kern um die Deutung der europäischen Kultur geht. Sie schreiben auch in der Einleitung zum Buch über das Wesen der Gegnerschaft zwischen dem Westen und Russland. Ihre eingangs zitierte Frage, die in der Einleitung steht, lautet: „Warum hasst der Westen Russland so sehr?“
Dieser Frage wollten Sie in Ihrem Buch auf den Grund gehen. Wir können jetzt in diesem Gespräch hier nicht mehr alle Facetten beleuchten, aber wenn sie doch noch mal ausführen könnten, wie sie zu dem Schluss kommen, dass es bei diesem geopolitisch anmutenden Konflikt eigentlich um die Deutung der europäischen Kultur geht. Wie kommen Sie zu diesem Schluss, Herr Ritz?
Dr. Hauke Ritz: Zuerst muss man verstehen, dass die europäische Kultur- ich hatte die eine Facette eben genannt – etwas geschafft hat: Nämlich die Energien, die in der Religion gebunden waren zu verweltlichen! Das haben andere Kulturkreise mit anderen Religionen in diesem Ausmaß nicht noch nicht geschafft oder es steht ihn erst bevor.
Dadurch ist die Moderne – die europäische Kultur zur Weltkultur geworden!
Natürlich auch dadurch, dass Europa im 18. und 19. Jahrhundert und davor überall auf der Welt Kolonien entwickelt hat. Es war dieser Status der europäischen Kultur als Weltkultur, wo nicht nur irgendwie Volkstänze aufgeführt und irgendwelche Feste gefeiert werden:
Sondern eine Kultur, die alles was in den Religionen versprochen wurde, versucht hat in weltlichen Domänen zu erreichen.
Der Sozialismus oder Kommunismus ist ein Beispiel dafür und war der Versuch gewesen, das Paradies auf Erden, sprich eine gerechte Gesellschaft ohne den Gegensatz zwischen Arm und Reich auf der Erde zu errichten.
Man hat versucht, diesen Traum vom Paradies, wo die Gleichheit und die Konflikte aufgelöst sind, auf die Erde herunterzuholen. Das gleiche könnte man jetzt auch der modernen Medizin zuschreiben – dem modernen Recht – oder der Rolle der Kunst in der modernen Welt in Europa. Europa hat da Enormes geleistet. Das Resultat ist, dass die europäische Kultur Weltkultur geworden ist. Das heißt, auch wenn man heute in Indien oder in Südamerika ist, wird in Kategorien der europäischen Kultur gedacht.
Es gibt keine andere Kultur auf der Welt, die einen Rahmen anbieten kann, in dem beispielsweise die Zukunft der künstlichen Intelligenz, die Probleme, die mit der Gentechnik verbunden sind, so verhandelt werden können, wie in den Begriffen der europäischen Philosophie. Das heißt, es ist sehr wichtig, wer jetzt die Evolution der europäischen Kultur weiter bestimmt:
Sind das jetzt die Amerikaner oder was bis vor kurzem noch die Amerikaner waren? Das sind die Biden-Administration und die ganzen davor, die eine ganz klare postmoderne Interpretation mit der europäischen Kultur verbunden haben. Es wurde versucht diese Energien, die in der europäischen Kultur aufgespeichert sind, irgendwie mit Gender Studies zu verbinden, mit der Befreiung des Individuums – ich liste jetzt die ganzen Narrative nicht auf.
Man hat versucht einen spezifischen Rahmen zu schaffen, in dem diese Energien in der europäischen Kultur weiterverhandelt und wirken können. Oder ist es vielmehr die klassische hergebrachte Interpretation der europäischen Kultur, wie sie derzeit von Russland und tendenziell auch von Ungarn, der Slowakei und einigen osteuropäischen Staaten vertreten wird, die dadurch, dass sie im Kalten Krieg auf der östlichen Seite waren, nicht so fundamental tief amerikanisiert wurden, wie z.B. Westdeutschland, Frankreich, Großbritannien und so weiter und dadurch noch eher über ein traditionelleres Verständnis der europäischen Kultur verfügen.
Das Problem ist, dass der Mensch so eingestellt ist: Wir glauben dem, was wir sehen! Wir glauben dem, was wir als etabliert, zumindest am Anfang erkennen:
Wenn Russland seine Souveränität verlieren würde, auch amerikanisiert werden würde und auch die Gender Studies dort eingeführt werden würden und all das was wir hier in Europa heute als Postmoderne Auslegung unserer Kultur kennen und das auch in Russland herrschen würde – dann gäbe es keine Vergleichbarkeit mehr. Dann gäbe es nur diese eine Interpretation der europäischen Kultur und dann wäre diese auch vorherrschend.
Sie könnte dann auch nicht mehr von China oder Indien und Iran herausgefordert werden, weil die leben in einer anderen Kultur. Wenn man in einer anderen Kultur lebt, kann man die Differenzen einer Kultur nicht richtig verstehen. Uns Europäern fällt es schwer den Unterschied zwischen China und Japan wirklich benennen zu können. Chinesen oder Japanern fällt das aber sehr leicht. Chinesen und Inder und Iraner können den Unterschied zwischen den USA und Europa nur sehr schwer verstehen. Und auch den Unterschied zwischen der Moderne und der Postmoderne können sie nicht wirklich erkennen.
Das heißt diese postmoderne Interpretation der europäischen Kultur kann nur aus Europa selbst herausgefordert, erkannt und kritisiert werden:
Und das ist Russland – sozusagen das letzte europäische Land mit Souveränität, dass dies (noch) tun kann!
Flavio von Witzleben: Auch als ein Brückenbauer in Teilen: Russland ist durch seine elf Zeitzonen über den europäischen und asiatischen Kontinent quasi ein Bindeglied zwischen Asien und Europa. Ich war letztes Jahr das erste Mal in St. Petersburg, das ein Tor zum Westen ist, wie es von Puschkin bezeichnet worden ist: Eine sehr europäische Stadt. Zugleich ist man, wenn nach Wladiwostok fährt in ein paar Stunden in Pyongyang und Nordkorea. Dieses Land ist ein Bindeglied und ein Brückenbauer zwischen dem Westen und Asien. Es hat sich jetzt im Zuge der Zuspitzung des Konfliktes für Asien entschieden, obwohl es die Hand weiterhin ausgestreckt hält und Putin immer wieder betont. Dennoch wird diese ausgestreckte Hand vom Westen zurückgewiesen. Man möchte scheinbar oder zumindest nichts mehr vom kollektiven Westen, wie Russland immer gesagt hat. Vielleicht sollten wir auch mal über den kollektiven Westen sprechen, denn dieser löst sich ja gerade auf nach der Ernennung von Trump, auf.
Sie sagen, dass Europa Opfer einer postmodernen Fehlinterpretation seiner eigenen Kultur geworden sei!
Das ist im Grunde genommen ein kultureller Bruch im Zuge dieser Entwicklung, den wir hier erlebt zwischen Russland, dem Westen und Europa. Sehen Sie das auch so?
Dr. Hauke Ritz: Ja – ich beschreibe in meinem Buch, dass der kulturelle Kalte Krieg letztlich eine kulturelle Dimension hatte. Es gab einen Wettstreit zwischen zwei Philosophien, die aus Europa kamen: Sozialismus und Liberalismus.
Die Frage, welche dieser Philosophien den Sieg davontrug, dafür war Kulturarbeit entscheidend:
Viel entscheidender, als die Zahl der Atomraketen oder auch die Höhe des Wohlstandsniveaus!
Das hat dazu geführt, dass es im Westen zu einer Militarisierung unserer Kultur, die wir gar nicht so bemerkt haben, gekommen ist. Alles sah so liberal und so freizügig aus. Wir haben gar nicht genau verstanden, dass dies Militarisierung ist. Doch Kultur ist nicht dafür da, militarisiert zu werden. Kultur ist das, was uns zum Menschen macht:
Wenn man vom Menschen die Kultur wegnimmt, dann wird er wieder zum Tier!
Doch, wenn sich die Kulturentwicklung jetzt nicht mehr nach ihren eigenen Gesetzen vollzieht, geleitet von den Lebensinteressen der Menschen und den vorhandenen Überlieferungen, sondern mit geopolitischen Zielsetzungen eingegriffen wird:
Dann verändert sich die Kultur und dadurch auch das Menschsein!
Wir haben mit diesen Eingriffen in die Kulturentwicklung tatsächlich eine hegemoniale Position im Kalten Krieg errungen. Dass die Russen am Ende selbst alles aufgegeben haben und freiwillig ihre Truppen aus Osteuropa zurückgezogen haben, lag auch daran, dass sie teilweise selbst anfingen davon überzeugt zu sein, dass der Westen das bessere Modell habe. Dass sie diese Überzeugung gewonnen haben, lag an der kulturellen Hegemonie, die der Westen im Kalten Krieg erringen konnte.
Flavio von Witzleben: Und diese kulturelle Hegemonie befindet sich gegenwärtig im Niedergang?
Dr. Hauke Ritz: Diese kulturelle Hegemonie hatte einen Preis: Nachdem man in die Kulturentwicklung eingreift, dann verändert man die Kulturentwicklung, wie ich schon sagte: Dann verändert die Kultur ihr Wesen – das ist, sozusagen wie ein faustischer Pakt mit dem Teufel, den der Westen eingegangen ist:
Jetzt muss er den Preis, den er für die Hegemonie im Kalten Krieg eingegangen ist, entrichten: Der Preis besteht darin, dass wir jetzt eine zunehmend künstliche Kultur haben, die den Menschen keine Orientierung in ihrer Lebensführung mehr gibt!
Dadurch kommt es zum Zerfall der westlichen Gesellschaften und dadurch verliert der Westen jetzt wieder die Hegemonie, die er vor 30 Jahren nach dem gleichen Prinzip errungen hat.
Flavio von Witzleben: Der Westen oder Europa unter Trump?
Dr. Hauke Ritz: Ja – ich unterscheide auch in diesem Buch. Deswegen kommen beide Begriffe vor:
- vom Niedergang des Westens.
- zur Neuerfindung Europa.
Ich sage, der Westen sei etwas sehr Junges – den gibt es erst seit 80 Jahren – so richtig erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Man könnte vielleicht noch auf die Anfänge kurz vor dem Ersten Weltkrieg zurückführen Entente cordial – das Bündnis zwischen Frankreich und Großbritannien. Der Westen ist etwas sehr Junges und er hat sich in drei Kriegen ausgedehnt. Er beruft sich zwar auf das Erbe der bürgerlichen Revolution in England, Frankreich, USA und Holland. Aber letztlich ist der Westen so groß geworden und schließt auch Japan, Taiwan, Australien, Israel das diese Selbstbegründung nicht mehr trägt:
Der Westen ist eigentlich [nur] die amerikanische Einflusszone,
entstanden durch zufällige Frontverläufe in Kriegen.
Das, was sozusagen uns hier in Westeuropa mit Japan, Taiwan und Südkorea verbindet, ist die gemeinsame Erfahrung westlicher Dominanz an der wir auch teilhaben können, indem wir dazu gehören:
Wenn jetzt die USA aber ihre Dominanz verlieren dann verliert der Westen auch seine Identität.
Dann bleibt nur das übrig was hier in der zweiten Hälfte des Titels steht: Europa ist doch erheblich älter als der Westen: 2500 Jahre! Europa hat einen solch reichen Schatz an Kultur und Geistesgeschichte, dass das in keinster Weise vergleichbar mit diesen ideologischen Eigen-Narrativen des Westens ist. Das heißt:
Der Niedergang des Westens wird zu Wiederentdeckung Europas führen müssen!
Wir müssen uns wieder daran erinnern, was es heißt Europäer zu sein. Europäer haben eben ein ganz anderes Weltbild als innerhalb dieser 80 Jahre westlicher Dominanz – in diesen 80 Jahren westlicher Dominanz haben wir Weltordnungskonzepte aus den USA übernommen:
Wir haben auch angefangen, die Welt in Freund und Feind einzuteilen. Wir haben auch angefangen, uns irgendwie als ein auserwählter exzeptioneller Bereich der Welt zu begreifen.
Aber das ist eigentlich sehr uneuropäisch: die Europäer sind geprägt durch die Prinzipien des westfälischen Friedens – dadurch, dass wir schon früher furchtbare Kriege auf diesem Kontinent hatten – lange vor den beiden Weltkriegen und dass wir gelernt haben auf den anderen zu reflektieren, indem wir gelernt haben, dass es mehrere Mächte in der Welt gibt, die in einem Machtgleichgewicht existieren müssen.
Das ist das europäische Weltordnungskonzept und daran müssen wir wieder anschließen:
Das verlangt aber eine Wiedererinnerung dessen, was wir eigentlich sind, denn im Moment betrachten sich die Europäer mit amerikanischen Augen – die Europäer haben heute ein kolonialisiertes Bewusstsein!
Sie sind so abhängig von den USA geworden, dass wir jetzt auch nicht mehr den Respekt der USA haben. Die Trump Administration behandelt die Europäer, wie einen Haussklaven, die lästig geworden sind, die man abstoßen möchte. Das sind wir auch tatsächlich für die Amerikaner.
Wir sind auch für die USA ökonomisch zu einer Belastung geworden. Wir haben in der multipolaren Welt für sie keinen Wert mehr:
Deswegen geht es jetzt darum, uns [die EU Europäer] irgendwie meistbietend zu verkaufen!
Das einzige wie die Europäer darauf reagieren können, ist, dass wir selbst anfangen müssen darüber nachzudenken, welche Position wir in der multipolaren Welt einnehmen wollen.
Das kann nur mit Selbstständigkeit und Souveränität verkoppelt sein!
Kann diese Souveränität mit der EU verbunden sein oder funktioniert das nicht, weil die EU ist genauso künstlich aufgebaut ist, wie der gesamte Westen – sie wird möglicherweise auch zerfallen.
Dann müsste es Souveränität in den Nationalstaaten geben. Diese müssten aber auch irgendwie verbunden sein. Denn, wir wollen nicht in die die national Konkurrenz zurückfallen, die wir vor den beiden Weltkriegen erlebt hatten. Damit sind viele Fragen verbunden, über die nachgedacht werden muss.
Die gegenwärtigen politischen Eliten sind von ihrer Ausbildung und ihrer Weltsicht her, nicht in der Lage darüber nachzudenken. Deswegen wird es natürlich darauf hinauslaufen, dass da irgendwie auch politische Wechsel eingeleitet werden müssen!
Flavio von Witzleben: Ein Satz, der mir in Erinnerung geblieben ist, den sie jetzt gerade gesagt haben ist: Der Niedergang des Westens werde zur Wiederentdeckung Europas führen.
Ich denke das ist ein schönes abschließendes Zitat für dieses Gespräch, Herr Ritz! Das waren sehr spannende, erkenntnisreiche Momente, die wir hier heute in diesem Gespräch durchschritten haben.
Und vielleicht zum Abschluss auch an unsere Zuschauer: Das Buch von Herr Ritz ist nun bald in dritter Auflage verfügbar. [Details siehe unten].
Ich danke Ihnen vielmals für ihre Zeit und wünsche Ihnen alles Gute!
Haben sie vielen Dank, Herr Ritz für ihre Zeit und das Gespräch!
Dr. Hauke Ritz: Ja – vielen Dank, Herr Witzleben für diese Einladung!
***
Teil 1 des Interviews von Dr. Hauke Ritz: HIER
Das ganze Interview als Video: HIER
Das Interview zum ähnlichen Thema mit Emmanuel Todd: HIER
Wie Deutschland im Zuge der Wiedervereinigung auf die Souveränität vergaß: HIER
ISBN: 978-3-85371-526-0
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Europa ist in der knöchrigen US-Faust des Tiefen Staates. Reich gewordene Betrüger vom Typen eines Soros. Diese Kreise lügen und betrügen nicht nur, sie schrecken auch nicht vor bizarren Morden zurück, denken wir nur an Uwe Barschel oder Jürgen Möllemann. Da ist man brav und läßt sich bezahlen. Der Dollar ist zwar nur grünes Papier, aber wie beim „Des Kaisers neue Kleider“ traut sich niemand an die Wahrheit. Wir leben in einer total verrückten Zeit. Verbrecher regieren die Welt.