Fairness. Freiheit. Fortschritt. Unter diesem Titel stellte die FPÖ am Mittwoch ihr neues Wirtschaftsprogramm vor. Auf mehr als 55 Seiten findet man zahlreiche Forderungen, mit denen die Freiheitlichen Österreichs Wirtschaft wieder an die internationale Spitze bringen wollen. Doch was genau steht in diesem Programm und was bedeutet es wirklich für Österreich?
Gastkommentar von Alexander Markovics https://www.facebook.com/AlexanderMarkovicsIB/
Unter den vorgeschlagenen Maßnahmen findet man zahlreiche Punkte, die eine soziale Handschrift tragen: So fordert die FPÖ eine Re-Industrialisierung Österreichs, um einer Abwanderung der Arbeitsplätze entgegenzuwirken. Auch ihr Kampf gegen die Überbürokratisierung der Wirtschaft spricht sicher vielen Klein- und Mittelunternehmen aus der Seele.
Auch der ländliche Raum findet im Programm der FPÖ Beachtung: So soll die Nahversorgung im ländlichen Raum wiederhergestellt werden. Die Lösung des Fachkräftemangels wollen die Freiheitlichen nicht durch Zuwanderung regeln, sondern durch die gezielte Unterstützung von Firmen, welche Lehrlinge aufnehmen.
Der heimische Tourismus soll massiv gestärkt, die Gewerbeordnung vereinfacht und vereinheitlicht werden. Hierbei fordert die FPÖ auch einen Ausbau des Ökotourismus (Biobauernhöfe), was mit der Forderung nach mehr erneuerbaren Energieträgern im Programm im Einklang steht.
Auf den Universitäten fordert man eine „Entpolitisierung“ der Lehre, womit wohl eine Bekämpfung des an den Universitäten herrschende (Links-)Liberalismus und Genderwahns gemeint sein soll, der nicht namentlich erwähnt wird. Wie das genau geschehen soll, bleibt im Programm offen.
Quasi in der freiheitlichen DNA seit Haider verankert ist die Forderung nach einem Ende des Proporzes und der Zwangsmitgliedschaft in Arbeiter- und Wirtschaftskammer. Ebenso fordert die FPÖ ein Ende der ORF-Zwangsgebühren – in dieser Angelegenheit hat sie zweifellos einen Wandel zum Besseren durchgemacht.
Der freie Universitätszugang für Österreicher soll gewahrt bleiben. Numerus-Clausus-Flüchtlingen will man dadurch einen Riegel vorschieben, dass an österreichischen Unis nur noch studieren darf, wer auch in seiner Heimat die Zugangsvoraussetzungen für bestimmte Studien erfüllt. Ausländische Studenten sollen Studiengebühren zahlen, wobei EU-Studenten über noch mit der EU zu verhandelnde Ausgleichszahlungen finanziert werden sollen.
Bis jetzt alles Forderungen, die allesamt logisch und nachvollziehbar klingen, doch schlägt in vielen Bereichen, in denen das Wirtschaftsprogramm Profil gewinnen könnte, die liberale Ader der FPÖ durch. Dadurch werden zahlreiche soziale Maßnahmen konterkariert beziehungsweise ad absurdum geführt. Man gewinnt so den Eindruck, es handle sich bei ihnen nur um Verhandlungsmasse, welche dem restlichen, neoliberalen Teil des Programmes massiv widerspricht. Doch sehen wir uns die Punkte der Reihe nach an.
So kündigt die FPÖ etwa am Anfang des Programmes an, gegen jeden Klassenkampf zu sein. Eine Aussage, unter der man sich viel vorstellen kann. Doch in der Praxis bedeutet dies, dass sie sich kategorisch gegen eine Erbschaftssteuer ausspricht. Das Ergebnis: Oligarchen und Industrielle wie der österreichische George Soros für Arme, Hans Peter Haselsteiner und Martin Schlaff werden noch reicher. Gleichzeitig wird damit die soziale Ungleichheit in Österreich stärker.
Ebenso stellt sich die FPÖ gegen eine Maschinensteuer. Dies hat zum Ergebnis, dass Unternehmen, welche ihre Arbeit von Maschinen und Robotern erledigen lassen steuerlich bevorzugt werden. Menschen werden noch stärker durch Maschinen ersetzt – die FPÖ tritt dem nicht entgegen.
Es entsteht also unweigerlich der Eindruck, dass die FPÖ ihre eigentliche Kernklientel, nämlich die österreichischen Arbeiter, zunehmend durch die Reichen ersetzt. Man könnte glauben, dass die FPÖ im schlechten Sinne den Weg der SPÖ geht.
Auch in Sachen EU und Euro geht die FPÖ mittlerweile neoliberale Wege: So setzt man sich mittlerweile nicht mehr für einen EU-Austritt ein, der angesichts der Unreformierbarkeit dieser Institution nötig wäre. Stattdessen will man die EU von Innen verändern und auch nicht den krisengeschüttelten Euro aufgeben, sondern nur „neu verhandeln“.
Auch bei den skandalösen Handelsabkommen TTIP und CETA will man nicht mehr einfach „Nein!“ sagen, sondern diese neu verhandeln und die endgültige Entscheidung einer Volksabstimmung überlassen. Die FPÖ weigert sich anscheinend hier klar Position gegen die Globalisierung zu beziehen – während den Präsidentschaftswahlen 2016 hatte man hier noch eine klar antiglobalistische Position vertreten.
Absurd wirkt diese Position insbesondere deswegen, weil im selben Programm ein Ende der Steuerschlupflöcher für internationale Unternehmen gefordert wird, Freihandelsabkommen wie die beiden oben genannten aber eine wunderbare Hintertür genau dafür sind.
Ähnlich mutlos die Forderung der Freiheitlichen bei der Zuwanderung ins Asylsystem: So fordert die FPÖ nicht die bedingungslose Remigration aller „Asylanten“ oder besser gesagt Einwanderer in ihre Heimat, sondern lediglich die Streichung der Geldleistungen für „Refugees“. Kann diese Maßnahme das Bild vom Einwanderungsschlaraffenland Österreich zerstören? Wohl eher nicht.
Zusammenfassend kann man sagen, dass das FPÖ Wirtschaftsprogramm in einigen Bereichen in die richtige Richtung geht: Re-Industrialisierung, Familienförderung, Unterstützung des Tourismus in Österreich und die Förderung von Betrieben die Lehrlinge einstellen sind eindeutig Maßnahmen für ein sozialeres Österreich. Doch das Eintreten für einen Verbleib in der EU, die Beibehaltung des Euros, die „unentschlossene“ Position zu CETA und TTIP stehen konträr zu dem meisten, was die FPÖ in den letzten Jahren groß und bei einem großen Teil der Österreicher beliebt gemacht hat. Doch werden sie von neoliberalen Forderungen wie einer Ablehnung von Erbschafts- und Maschinensteuern konterkariert.
Ich kann der FPÖ nur empfehlen von dem irreführenden Weg der SPÖ abzugehen und immer neoliberaler zu werden. Betrachtet man das Programm, kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass es mindestens von zwei komplett entgegensätzlich denkenden Menschen geschrieben wurde – ein Erfolgsrezept für ein gutes Programm sieht anders aus. Liest man die Zeitungsberichte über die Präsentation des neuen Wirtschaftsprogramm, so kann man die Schuld für den neoliberalen Drall wohl vor allem einer Person geben: Barbara Kolm, Wirtschaftsberaterin der FPÖ und Leiterin des Hayek-Institutes.
Anstatt in die „Silberstein-Falle“ zu tappen, sollte die FPÖ besser eigene Kader in wirtschaftspolitischen Fragen schulen, anstatt auf Berater zurückzugreifen, welche mit ihrem neoliberalen Programm Österreich wohl in eine soziale Hölle à la USA oder Israel, welche die Rankings für soziale Ungleichheit auf Welt anführen, verwandeln wollen. Denn mit der steigenden sozialen Ungleichheit stirbt auch der soziale Zusammenhalt in unserem Volk, wodurch wiederum linksextremen Bewegungen und der Ausbeutung der eigenen Kernwählerschaft der Boden bereitet wird.
Nicht mehr Kapitalismus ist die Lösung für die Probleme unserer Zeit, sondern weniger. Wirtschaftspolitisch sollte sich die FPÖ also mehr nach links als zur „extremen Mitte“ von SPÖ und ÖVP wenden. Und lieber die Konzepte der Wachstumsrücknahme bei Attac und der Neuen Rechten studieren, als sich dem Hayek-Institut zuzuwenden.