Claas Relotius, erst 33 Jahre alt, aber schon preisgekrönter Journalist, hat einen anscheinend beträchtlichen Teil seiner Reportagen gefälscht. Dies legte das Nachrichtenmagazin am 19. Dezember selbst offen: Relotius habe „mit Vorsatz, methodisch und hoher krimineller Energie getäuscht“. Man will den Fall nun von einer Kommission aufarbeiten lassen. Die Organisatoren des Deutschen Reporterpreises sind „entsetzt und wütend“. Sie hatten ihm gerade erst eine weitere Auszeichnung für die „beste Reportage“ zugesprochen.
Relotius war Praktikant bei ZDF und taz. Im Spiegel veröffentlichte er insgesamt 55 Texte als Autor oder Co-Autor. Auch für Welt und Welt am Sonntag hatte der junge Mann in den Jahren 2010, 2011, 2012 und 2014 als freier Mitarbeiter einzelne Artikel geschrieben.
Der junge Reporter, den Kollegen als bescheiden, zurückhaltend und höflich beschreiben, war nicht irgendein Nachwuchsjournalist in der Spiegel-Redaktion. Der Mann war vielmehr so etwas wie ein Star, ein „Idol seiner Generation“. Denn Relotius’ Reportagen waren fast immer spektakulär, extrem gut komponiert und geschrieben – und gewannen darum Journalistenpreise in Serie.
Groß geworden ist der Journalist – wie überraschend – mit tränenschweren Reportagen, die in der Regel eine politische Agenda verfolgten, und zwar in die Richtung, die der Mainstream verfolgt und feiert. Gescheitert ist der Jungstar letztlich an der Geschichte „Jaegers Grenze“, in der er eine Bürgerwehr, die die Flüchtlingsinvasion an der Grenze zwischen den USA und Mexiko verhindern will, und gleich in einem Aufwischen US-Präsident Donald Trump verunglimpft:
Sie tragen Munitionsgürtel, automatisches Gewehr, schusssichere Weste und ausgedachte Namen. Einer nennt sich Pain, Schmerz, er raucht Zigarre und sagt, er wolle den Teufeln, die auf Amerika zuliefen, in den Arsch treten, genau wie Donald Trump.
„Claas Relotius hat alle geblendet. Chefredakteure, Ressortleiter, Dokumentare, Kollegen, Journalistenschüler, Freundinnen und Freunde. In diversen Jurys haben sich Bischöfe und Unternehmer, Menschenrechtler und Medienschaffende, Politiker und Mäzene verzückt über seine Texte gebeugt, und zu Recht: Sie waren oft groß und schön“, schreibt Chefredakteur Ullrich Fichtner auf Spiegel online.
Die Texte waren allerdings zu schön, um wahr zu sein. Vieles hat der von CNN zum „Journalist of the year“ gewählte Relotius einfach erfunden. Ein Kollege schöpfte schließlich Verdacht, recherchierte nach und entlarvte den Journalisten.
Sein Antrieb sei die „Angst vor dem Scheitern“ gewesen, habe er nach seiner Entlarvung gesagt: „Ich bin krank, und ich muss mir jetzt helfen lassen.“ Doch der Mann ist weniger krank als ein Produkt des Systems und des journalistischen Verständnisses, das die politisch korrekte Haltung für wichtiger erachtet als die Wahrheit.