In einem Interview mit dem kroatischen Online-Portal Vecernji-List sprach der Sicherheitsminister von Bosnien und Herzegowina, Fahrudin Radončić, offen über Sicherheitsbedrohungen, die sich durch den Zustrom von Migranten ergeben.
Sie haben eine Wende in der Politik von Bosnien und Herzegowina angesichts der Migrantenkrise angekündigt. Was bedeutet dies vor allem, größere Investitionen in den Grenzschutz, eine Änderung der Vorschriften, oder etwas anderes?
Es muss eine Kombination von Maßnahmen sein, die auch mit unseren Nachbarn vereinbart sein müssen. Ich denke, es war ein großer strategischer Fehler, die Migrantenkrise ausschließlich als humanitäres Problem zu behandeln. Wir haben Daten, dass letztes Jahr 25.300 Menschen mit einer unzureichend klaren Identität nach Bosnien und Herzegowina eingereist sind, was bedeutet, dass sie durch Bosnien und Herzegowina in andere Länder einreisen können, wir aber gar nicht wissen, wer sie sind, also ob sie Wirtschaftsmigranten sind oder etwa ehemalige IS-Kämpfer auf der Flucht vor Strafverfolgung oder Kriminelle. Deshalb müssen wir die Maßnahmen zur Bewältigung der Migrantenkrise im Ansatz ändern. Mein Ansatz ist klar und so festgelegt, dass mein Hauptaugenmerk die Sicherheit von Bosnien und Herzegowina und die Sicherheit unserer Bürger ist, die häufig Opfer krimineller Aktivitäten von Migranten sind. Erst danach interessiert mich die Sicherheit von Migranten, die ja aus unterschiedlichsten Ländern kommen, was häufig Anlass für physische Gewalt und sogar für Morde ist.
Was kann man konkret machen, wenn es fast unmöglich ist, die Identität von Personen festzustellen, die unmittelbar nach dem Grenzübertritt ihre persönlichen Dokumente wegwerfen?
Ich werde vorschlagen, dass Bosnien und Herzegowina eine eigene Strategie entwickelt. Leider hat die ehemalige Regierung in Bosnien und Herzegowina keine zufriedenstellenden rechtlichen Maßnahmen getroffen. Die Gesetze müssen geändert werden, damit Asylanträge nicht 15, sondern nur drei Tage dauern und die Person, die auf Asyl wartet, sich während dieser Zeit in Anhaltehaft befindet. Die Haftkapazitäten in ganz Bosnien und Herzegowina müssen verstärkt werden, damit Migranten, die sonst ohne Dokumente frei auf der Straße laufen, festgehalten werden können. Dies würde sie zwingen, den Nachweis ihrer Identität zu erbringen, d.h. eine Umkehr der Beweislast und nicht wie bisher eine Nachweispflicht seitens des Staates. Wir wollen auch eine angemessene Anzahl von Polizisten an der Grenze postieren. Derzeit fehlen ungefähr 1.200 Leute, und wir brauchen ganz dringend ungefähr 400 neue Polizisten. In diesem Sinne erwarten wir auch das Verständnis unserer europäischen Freunde, dass wir weitere finanzielle Unterstützung sowie weitere materielle und technische Ressourcen benötigen.
Befürchten Sie, dass eine härtere Migrationspolitik von Menschenrechtsorganisationen und vielleicht von einigen europäischen Ländern kritisiert werden könnte?
Wir halten es für völlig legitim, dass einzelne Mitglieder der Europäischen Union über eigene erforderlichen Arbeitskräfte verfügen möchten. Wir halten es auch für legitim, dass Nichtregierungsorganisationen und insbesondere diejenigen, die sich mit Menschenrechten und Freiheiten befassen, ihrer Arbeit in vollem Umfang nachgehen können. Ich wurde jedoch von den Bürgern von Bosnien und Herzegowina in diese Position gewählt, und es ist daher meine Hauptverpflichtung, die Souveränität und das Interesse von Bosnien und Herzegowina zu beachten. Wir werden daher versuchen, ein gutes Mittelmaß zwischen humaner Vorgangsweise und Sicherheitserfordernissen zu finden. Tatsache ist, dass wir aus europäischen Mitteln rund 93 Prozent für humanitäre Zwecke und nur sieben Prozent für den Sicherheitsaspekt der Krise erhalten haben. Dies zeigt deutlich, wie unlogisch es bei diesen Fragen zugeht. Bosnien und Herzegowina ist eines der fünf ärmsten europäischen Länder, und wir können dem wirtschaftlichen Druck so vieler Migranten einfach nicht standhalten. Ich habe keine Angst vor der Kritik, von der Sie sprechen. Wenn sie realistisch ist, ist sie uns willkommen.
Sie hatten kürzlich ein Treffen mit Ihrem kroatischen Amtskollegen Davor Božinović und haben auch eine Reise nach Belgrad angekündigt. Welche konkrete Zusammenarbeit erwarten Sie sich von Kroatien? Hat nicht Ihr Vorgänger Dragan Mektić gegenüber der Republik Kroatien in Bezug auf die Migrantenkrise ernsthafte Vorwürfe erhoben?
Wir hatten in Kroatien ein wirklich erfolgreiches Gespräch auf Beamtenebene. Es ist eine gemeinsame Anstrengung, und ich denke, auch ein erfolgreiches Ergebnis in der Verbesserung der Beziehungen zwischen Bosnien-Herzegowina und Kroatien in Bezug auf die Migrantenkrise. Wir sind von einem Zustand unnötiger Konflikte zu einem Zustand voller Zusammenarbeit übergegangen. Es liegt im Interesse von Bosnien und Herzegowina, dass die Grenze Kroatiens als Land, das dem Schengen-Raum beitreten will, aber auch als Land, mit dem wir die längste Grenzlinie teilen, für illegale Migranten undurchdringlich wird. Davon profitiert auch Bosnien und Herzegowina, denn dann wird der Weg durch Bosnien und Herzegowina für illegale Migranten bedeutungslos. In diesem Sinne ermutigen wir Kroatien, seine Grenze besser zu schützen. Ich bin sehr dankbar für dieses Treffen mit Minister Božinović und anerkenne die verantwortungsvolle Reaktion der kroatischen Regierung, die unserer Grenzpolizei fünf Wärmebilddrohnen und 125 Uniformen für unsere Grenzschutzbeamten gespendet hat.
Quelle: Dnevni Avaz