George Simion, Vorsitzender der rumänischen patriotischen Partei AUR: „Mit der Visegrád-Gruppe haben wir die gleiche Geschichte, die gleichen Interessen und wir werden die gleiche Zukunft haben. Wir können uns nicht auf Deutschland verlassen, das jetzt einen Großteil unserer inneren und äußeren Angelegenheiten kontrolliert“.
Auf dem Wirtschaftsforum im niederschlesischen Karpacz (dt. Krummhübel) traf das Team der Visegrád Post George Simion, den Vorsitzenden der patriotischen Partei AUR (Alianța pentru Unirea Românilor – dt. Allianz für die Vereinigung der Rumänen). Der 34-jährige Autor und Absolvent der Wirtschaftswissenschaften bzw. der Geschichte, der seit Kurzem in der Politik aktiv ist, machte 2019 mit einer umstrittenen Aktion auf dem Friedhof von Valea Uzului von sich reden, die zu neuen Spannungen zwischen Ungarn und Rumänen geführt hatte.
Er erklärt, er sei gegen das System, behauptet, er sei Christ und befürworte ein Großrumänien, sprich die Wiedervereinigung von Rumänien und Moldawien. Er greift das derzeitige rumänische Regime, das er insgesamt für korrupt hält, frontal an und zögert nicht, die schädliche Rolle des rumänischen Geheimdienstes anzuprangern, der ein echter Staat im Staat darstellt.
Ferenc Almássy befragte George Simion zu seiner Ablehnung der Covid-Maßnahmen, zu seiner Vision der Visegrád-Gruppe und zu den Gründen, warum Rumänien noch immer nicht Mitglied des Schengen-Raums ist.
Ferenc Almássy: Herr Simion, vielen Dank für dieses Gespräch. Sie sind die dominierende Persönlichkeit bzw. der Vorsitzende der rumänischen Partei AUR, die bei den letzten Wahlen für eine Überraschung sorgte und einen noch nie dagewesenen Zuwachs an Wählerstimmen verzeichnete: Von 1,2 % bei den Europawahlen vor zwei Jahren stiegen Sie plötzlich auf über 14 % in 4 der 41 Bezirke des Landes. Sie sind jetzt Mitglied des rumänischen Parlaments. All dies scheint mit Ihrem Widerstand gegen die Politik der rumänischen Regierung verbunden zu sein, die zumindest einer der Schlüssel zu Ihrem Erfolg zu sein scheint.
George Simion: Ja, aber das liegt nicht nur an unserer freiheitsliebenden Haltung. Vier Säulen kennzeichnen die AUR-Linie, und eine davon ist die Freiheit. Wir kämpfen auch für den christlichen Glauben, der das Fundament der europäischen Zivilisation ist. Wir kämpfen für das nationale Prinzip und für die Familie als Grundlage der Gesellschaft. In Rumänien leitete der Niedergang der Christdemokratischen Partei PNȚ-CD eine lange Periode ein, in der diese Werte im Parlament von keiner ernsthaften politischen Kraft verteidigt wurden. Wir lehnen das System entschieden ab, nicht in einem anarchistischen Geist, sondern aus Respekt vor den Werten, für die wir kämpfen und die wir vertreten.
Heutzutage möchten die Globalisten, dass wir alle gleich werden, genau wie in der kommunistischen Ära: Wir sollten unserer sexuellen Identität beraubt werden, und jedes Kriteriums, das uns unterscheiden könnte.
Jeder sollte das sein können, was er will. Aber biologisch gesehen können wir nur männlich oder weiblich sein. Dies sind die einzigen beiden Geschlechter, die ich kenne, und ihre Existenz verdanken sie Gott.
Aufgrund unseres Engagements für diese Werte und in Ermangelung einer anderen politischen Kraft, die in diesem Segment der patriotischen, souveränen und konservativen Meinung positioniert ist, haben wir bei den Wahlen im Dezember 2020 10 % der Stimmen erhalten. Aber nur 40 % der Wähler waren über die Existenz der AUR informiert,
da wir keinen Zugang zum Fernsehen hatten. Das postkommunistische, ja sogar totalitäre System, das Rumänien kontrolliert, dachte, dass es uns daran hindern würde, die Schwelle zur parlamentarischen Vertretung zu überschreiten, indem es uns vom Fernsehen fernhält. Aber wir haben 10% erreicht, und einige der jüngsten Umfragen sehen uns bei 15%, andere eher bei 20%, und unser Aufstieg geht weiter. Dies ist darauf zurückzuführen, dass es in der rumänischen Politik keine konservative und patriotische Stimme gibt – trotz der Art und Weise, wie wir als Extremisten, Neofaschisten oder andere Bezeichnungen dargestellt werden.
Wir sind normale Rumänen, die Teil der Europäischen Union sein wollen – nicht eine europäische Föderation, sondern ein Bündnis zwischen Nationen.
Ferenc Almássy: Sie haben sehr deutliche Worte gegen Ihre Regierung benutzt.
George Simion: Ja, denn diese Regierung ist seit 30 Jahren dieselbe. 1989 töteten sie Ceaușescu, übernahmen die Macht und verteilten die Rollen: „Ihr, ihr werdet ‚die Rechten’ genannt werden, ihr, ihr werdet Sozialisten sein, ihr, Liberale, und ihr, eine Volkspartei“; aber es waren immer noch dieselben, die Rumänien vor dem Regimewechsel durch das Einparteiensystem und die Securitate [Staatssicherheitsdienste unter Ceaușescu – AdR.] Auch heute noch kontrollieren sie alles und weigern sich, anderen Stimmen in der rumänischen Gesellschaft Gehör zu verschaffen. Und unser Problem ist, dass das System versucht, jede abweichende Stimme zum Schweigen zu bringen.
Ferenc Almássy: Ich verstehe. Andererseits haben Sie das Recht, alles, was Sie gerade gesagt haben, öffentlich zu sagen. Sie sind nicht im Gefängnis, und Sie werden nicht von den Behörden angegriffen, um Sie dafür zu bestrafen, dass Sie es sagen.
George Simion: Nein, aber wir haben eine Menge Geldstrafen erhalten.
Wir leiden unter der Unterdrückung durch einen Polizeistaat.
Bei den Wahlen 2020, während unseres Kampfes für Demokratie und Freiheit, haben sie versucht, uns zu kompromittieren. Sie haben zum Beispiel versucht, es so aussehen zu lassen, als ob ich ohne Führerschein fahren würde, also musste ich öffentlich beweisen, dass ich einen gültigen Führerschein habe. Die rumänische Securitate ist nicht tot – sie ist an keinem Moment verschwunden, und sie verweigert uns das Recht, unsere Werte zu verteidigen.
Ferenc Almássy: Sie haben uns gesagt, dass Sie nicht gegen die EU sind, sondern für ein Europa der Nationen. Unter diesem Gesichtspunkt ist Ihre Rede den Zielen der Visegrád-Vier ziemlich ähnlich.
George Simion: Ja.
Ferenc Almássy: Wie sehen Sie die Visegrád-Gruppe aus rumänischer Sicht?
George Simion:
Meiner Ansicht nach hat Rumänien einen großen Fehler gemacht, als es sich weigerte, der Visegrád-Gruppe beizutreten. Zusammen mit Ungarn, der Slowakei, der Tschechischen Republik und Polen wären wir dort genau richtig.
Wir haben dieselbe Geschichte, dieselben Interessen, und wir werden dieselbe Zukunft haben. Wir können Deutschland, das derzeit einen Großteil unserer Außen- und Innenpolitik kontrolliert, keinen Blankoscheck ausstellen, denn Deutschland wird am Ende immer mit Russland Geschäfte machen. Sie waren immer Freunde, dann Feinde, dann wieder Freunde, und so weiter.
Wir sind der Meinung, dass wir eine unabhängige Politik betreiben sollten – eine Politik, wie sie sich Marschall Piłsudski in der Zwischenkriegszeit in Polen unter dem Namen Intermarium-Projekt vorgestellt hat. Heute wird dieses Projekt unter dem Namen Drei-Meere-Initiative wiederbelebt. Die Länder in diesem Gebiet sollten mehr zusammenarbeiten, denn wenn wir das nicht tun, werden wir verschwinden. Wir werden Niedriglohnländer sein, die lediglich einen Markt für chinesische und westliche Produkte bieten.
Ferenc Almássy: Apropos Chinesen: Ist es aus Ihrer Sicht nicht besorgniserregend, dass Mitteleuropa – also eine Region, zu der auch die Länder der Drei-Meere-Initiative gehören – Gefahr läuft, zu einer Art Pufferzone zu werden, zum Beispiel zwischen Deutschland und Russland oder zwischen den USA und China, zum Beispiel? Sind wir nicht bloß Marionetten im Spiel der Großmächte?
George Simion: Sie benutzen uns, weil wir uns von ihnen benutzen lassen. Alles hängt von den Staatsoberhäuptern und der von ihnen vertretenen außenpolitischen Vision ab. Unter diesem Gesichtspunkt,
muss ich sagen, dass ich zum Beispiel die Politik Polens bewundere, und auch – in gewisser Hinsicht – die der Regierung Orbán, für ihren Widerstand gegen die Diktatversuche aus Brüssel – gegen diese Art von kultureller Standardisierung, die mit dem vergleichbar ist, was man in der Sowjetzeit durchsetzen wollte. Unsere Nationen sind nicht dafür da.
Ich denke, die Europäische Union sollte eine Freihandelszone bleiben, ein Wirtschaftsraum, der durch Freizügigkeit und freien Handel geeint ist. Ich glaube nicht, dass sie ihre eigene Armee aufstellen oder zu einem Bundesstaat oder einem Superstaat werden muss.
Ferenc Almássy: Wie sehen Sie die Zukunft der Region vor dem Hintergrund der Covid-Krise? Sie sind sehr feindselig gezeigt…
George Simion: Nein, wir sind gagen gar nichts feindselig. Wir wehren uns nur gegen Maßnahmen, die nutzlos sind. Schauen Sie sich zum Beispiel uns an, wie wir gerade miteinander reden. Wenn wir Masken trügen, würde das nichts ändern. In Rumänien sind wir jedoch schon seit langem gezwungen, Masken zu tragen – auch im Freien –, obwohl deren Wirksamkeit nie bewiesen wurde.
Sie versuchten auch – wie in der kommunistischen Ära –, mit Hilfe von Angst bestimmte Maßnahmen wie Zwangseinweisungen und Impfungen durchzusetzen. Sie versuchten, die Impfung für bestimmte Kategorien von Arbeitnehmern, z.B. im Bildungswesen und im öffentlichen Dienst, verbindlich vorzuschreiben. Wir verteidigen die Wahlfreiheit für alle. Niemand weiß besser als ich, was gut für mich ist: Das ist die Freiheit – und das ist es, was sie im Moment abzuschaffen versuchen.
Wir leugnen nicht die Existenz dieses Virus, aber wir behaupten, dass die von ihm verursachten Schäden nicht die Lähmung ganzer Länder rechtfertigen. Die westlichen Länder haben vielleicht genug finanzielle Reserven, um sich das für zwei oder drei Jahre leisten zu können, aber wir können uns das nicht leisten – genauso wenig wie den Green Deal oder diesen neuen Hohn von einem Plan namens Fit for 55. All diese Geschichten werden unsere Wirtschaft zerstören. Ich möchte darauf hinweisen, dass bereits vor dieser Gesundheitskrise eine sich ständig verschärfende Wirtschaftskrise unsere Länder in den Ruin trieb. Fünf Millionen Rumänen arbeiten im Ausland.
Ferenc Almássy: Sie betonen auch immer wieder, dass Rumänien die rumänische Diaspora, die vor allem in Europa sehr zahlreich ist, stärker unterstützen sollte. Im Vereinigten Königreich, in Deutschland, Italien, Spanien usw. gibt es viele Rumänen, die zum Arbeiten kommen – einige von ihnen leben schon seit vielen Jahren dort.
George Simion: Sie sind nicht um des Arbeitens willen in diese Länder gegangen. Sie arbeiten dort, weil sie gezwungen waren, Rumänien zu verlassen, weil sie arm waren und nicht über die Runden kommen konnten. Deshalb sind sie gegangen. Für mich ist es unbegreiflich, dass die rumänische Regierung 120 Millionen Impfdosen für eine Bevölkerung von 19 Millionen Menschen kauft und dafür über eine Milliarde Euro bezahlt, vielleicht sogar noch mehr, weil sie dies auf undurchsichtige Weise tut. Die Höhe der Ausgaben wird den Menschen nicht mitgeteilt…
Ferenc Almássy: Nicht einmal für Parlamentarier?
George Simion: Nicht einmal für Parlamentarier. Wir haben im Rahmen der parlamentarischen Verfahren viele Fragen gestellt und keine Antwort erhalten. Es ist ein offenes Geheimnis. Wenn es keine Transparenz gibt, wie sollen die Menschen ihnen dann vertrauen? Nun, die Menschen vertrauen ihnen nicht. Deshalb wollen die Rumänen nicht geimpft werden. Wir versuchen, die im Ausland lebenden Rumänen davon zu überzeugen, zurückzukommen und das Land wieder aufzubauen, aber das ist sehr schwierig, da sich niemand für Wirtschaftswachstum oder nationale Souveränität interessiert. Alles, was die Regierung tut, ist, Kredite vom IWF und der Weltbank aufzunehmen. Das ist auf Dauer nicht tragbar: Früher oder später wird uns die Weltbank auffordern, z.B. unsere Erdgasreserven entschädigungslos aufzugeben.
Die Coronavirus-Krise ist daher für mich symptomatisch für den Zustand, in dem sich Rumänien befindet, das seit 30 Jahren von äußeren Kräften beherrscht wird. Wir haben unsere Wirtschaft zerstört. Wir haben unsere Fabriken zerstört. Die Menschen sind ins Ausland gegangen, weil sie in Rumänien keine Zukunft sehen.
Deshalb unterstützen uns die Rumänen, und deshalb sind wir nicht wie diese gewöhnlichen Politiker, die Lügen erzählen. Wir sagen, was jeder sehen kann. Diese Leute, die behaupten, uns zu regieren, regieren sich nicht einmal selbst.
Ferenc Almássy: Rumänien ist seit 14 Jahren in der EU, und Sie sind immer noch nicht dem Schengen-Raum beigetreten. Warum ist das so? Es ist ein relativ sicheres Land mit gut bewachten Grenzen. Könnte es wegen des Hafens von Constanța sein, der viele Interessen bedroht, oder aus anderen Gründen? Sollte Rumänien Ihrer Meinung nach dem Schengen-Raum beitreten?
George Simion: Rumänien muss die Möglichkeit haben, wirtschaftlich zu florieren, und uns wird der Zugang zum Schengen-Raum verwehrt.
Im Falle eines Beitritts würde Constanța natürlich die Einnahmen einstreichen, die derzeit auf Rotterdam niederprasseln, und solange wir uns weigern, Constanța zu verkaufen, wird man uns nicht in den Schengen-Raum lassen. Man hat uns erklärt, dass wir in einem gemeinsamen Raum leben werden, in einer Union, die sich um alle kümmert, aber wir, die ärmsten Nationen der besagten Union, profitieren nicht in gerechter Weise davon.
Ferenc Almássy: Meine letzte Frage bezieht sich auf die ungarische Minderheit in Rumänien: Sie ist eine sehr große Minderheit.
George Simion: 5 % der Bevölkerung, ja.
Ferenc Almássy: Diese Minderheit ist seit langem ein Zankapfel, der zu Spannungen führt. Wie sehen Sie die Zukunft der Zusammenarbeit zwischen rumänischen Staatsbürgern mit rumänischer und rumänischen Staatsbürgern mit ungarischer Abstammung?
George Simion: Zunächst einmal sehe ich Bukarest und Budapest zusammenarbeiten und kooperieren – wie zwei unabhängige Länder. Ungarn mit rumänischer Staatsbürgerschaft sind für uns sehr wichtig. Im rumänischen Parlament haben wir ethnisch ungarische Abgeordnete. Wir respektieren sie, und wir wollen mit ihnen eine gemeinsame Zukunft aufbauen.
Die Spannungen, die im Laufe der Jahre entstanden sind, waren das Ergebnis politischer Provokationen. Wir sind der Meinung, dass die Integration der Ungarischsprachigen in die rumänische Gesellschaft verbessert werden muss. Wir müssen ihnen helfen, Arbeit zu finden, obwohl sie die rumänische Sprache nur schlecht beherrschen – was die UDMR [Demokratische Union der Magyaren in Rumänien, bzw. ungarisch RMDSZ, die wichtigste Partei der ungarischen Minderheit – AdR.] lange Zeit verhindert hat. Dies ist ein echtes Problem für sie, da es ihnen die Integration in den Arbeitsmarkt unmöglich macht. Aber sie müssen auch die Möglichkeit haben, ihre Identität zu bewahren: ihre Muttersprache zu erlernen, ihre Kirchen zu besuchen, ihre traditionellen Feste zu feiern, wie es auch die ungarischen Bürger tun, die der rumänischen Minderheit in Ungarn angehören. Wir selbst haben ähnliche Probleme mit bestimmten Ländern – wie Serbien und der Ukraine –, die das Recht nationaler Minderheiten, ihre eigene Sprache zu verwenden, ihre eigene Religion auszuüben usw. nicht respektieren. Ich bin der Meinung, dass alle Staaten die Besonderheiten aller in ihrem Hoheitsgebiet lebenden ethnischen Gruppen respektieren sollten.
Und ich glaube, dass Rumänien das tut. Jede ethnische Gruppe hat Anspruch auf mindestens einen Abgeordneten – und sie sind insgesamt 18! Meiner Meinung nach ist die einzige problematische Partei die UDMR, die ein Ghetto inmitten der rumänischen politischen Szene ist, während wir Bürger ungarischer Volkszugehörigkeit in jeder der Parlamentsfraktionen unter den Farben aller Parteien haben sollten, anstatt sie alle in einer ethnischen Partei unterzubringen. Die meisten rumänischen Bürger ungarischer Abstammung leben in den Bezirken Covasna und Harghita – deren Entwicklung und Gedeihen wir unterstützen sollten. Die Führer der ethnischen Partei UDMR sind nichts anderes als der ungarischsprachige Teil der korrupten politischen Klasse, die Rumänien seit 30 Jahren kontrolliert. Sie haben mit der Regierung zusammengearbeitet und waren in viele schmutzige Geschäfte verwickelt, wie zum Beispiel die Abholzung unseres Landes durch illegalen Holzeinschlag.
V4 oder V5 – nun (April 2022) ist alles im Eimer, bloß V8 läuft noch.